Yvette (4)
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Kapitel 4 – Die erste Nacht
Yvette ging in ihr Schlafzimmer nebenan und schaltete das Babyphone ein. Sie wollte für Peter da sein, ihn hören, wenn er nicht schlafen kann, wenn er vielleicht weinen muss, wenn es ihm nicht gut geht in der dunklen Nacht. Sie war sich ihrer Macht bewusst, welche sie auf Peter ausgeübt hatte in den letzten Stunden. Sie freute sich auf das, was noch kommen wird. Auch für sie war das Eintreffen von Peter ungewohnt, neu und irgendwie aufregend. Gewöhnt sie sich daran, dass sie ab heute das Haus teilt mit einem eigentlich fremden Mann? Einem Mann, den sie formen kann, den sie erziehen kann, den sie zum Kleinkind zurückstufen kann und wird, ja vielleicht zu einem sechsjährigen Kind, oder noch jünger. Ein Kind, das abhängig sein wird, das eine Mama braucht vierundzwanzig Stunden am Tag. Ein Mensch, der keine Pflichten mehr hat, sondern nur der Mama gefallen und gehorchen wird. Viele Jahre lang sehnte sie sich nach einer Person wie Peter. Endlich ist der Tag gekommen, wo sie zwar kein eigenes Kind um sich hat, jedoch eine Person, welche sie bemuttern, erziehen und formen kann. Wo sie vielleicht ihre verborgene dominante Art ausleben kann. Erregende Gedanken erfüllten das grosse Schlafzimmer in dieser Sommernacht.
Lieber Leser, die Sehnsucht kann einen Menschen ganz schön durchschütteln, besonders wenn der Wunsch nach einer irrationalen Welt, nach einer Fantasiewelt, nach einem Leben, das niemals beginnen wird, dich das ganze Leben lang begleitet. Jede Nacht träumst du den selben Traum. Manchmal regst du dich auf, möchtest loskommen von diesen Gedanken aber du fühlst auch im nächsten Moment, das du dich niemals davon trennen kannst und willst. Erlebtes, aus der Kindheit, aus dem Alltag und den langen Jahren schlummert in dir. Plötzlich ist das Erlebte wieder wach. Ich bin kein Psychologe und vieles verstehe ich nicht mehr, was in dieser Welt passiert. Wenn du auch diese manchmal schmerzenden Gefühle, Sehnsüchte und Wünsche in dir spürst, dann denke ich, verstehst du Peter oder Yvette. Wenn nicht, dann solltest du diese Geschichte nicht weiterlesen – kein Problem. Leg sie einfach weg. Fühlst du dich jedoch zu einer diesen beiden Personen, oder zu Beiden, hingezogen, bin ich sicher, dass die Zeit beim Lesen, dich in eine besondere Welt eintauchen lässt.
Yvette zog die Nachtvorhänge zu und stellte sich vor ihren grossen Ankleidespiegel. Geschickt öffnete sie den langen Rückenreissverschluss, liess das Etuikleid auf den Boden gleiten und stand gedankenversunken vor dem Spiegel. Ihre Hände griffen nach dem Dutt, zogen ein paar Haarnadeln heraus und schon fiel das lange schwarze Haar über ihre Schultern. Ihre rotlackierten Finger spielten ein wenig in der Haarpracht. Sie sinnierte: „Gehe ich zu schnell voran? Wie wird Peter reagieren, wenn ich bald die ganze Kontrolle über ihn habe? Auf welches Alter soll ich ihn zurückerziehen? Sechs Jahre … vier Jahre … oder noch kleiner? Wie soll der Tagesablauf sein? Mit was soll sich Peter beschäftigen? Mit Spielautos, mit Bauklötzen, oder mit Mädchenspielsachen wie Puppen?‟ Fragen über Fragen standen im Raum und warteten auf Antworten. Dabei strich sie sich über ihren so femininen Körper, über ihre Brüste, drückte leicht ihre erregten Brustwarzen, welche von einem hauchzarten, transparenten hellblauen BH bedeckt waren. Yvette liebte ihre damenhafte Lingerie, ihre Büstenhalter, ihre Spaghettiträgerhemdchen, ihre Nylonunterröcke, die Höschen und ihre Strümpfe. Meistens trug sie schwarze Nylons mit einem Strumpfgürtel. An besonderen Tagen holt sie aus ihrer Unterwäsche Kommode auch mal ein Korsett hervor. Yvette zog sich nun nackt aus. Unter dem Bettkissen holte sie ihr mehr als transparentes Nachthemd hervor, schlüpfte hinein, Ein letzter Blick in den Spiegel, eine letzte Frage, die sich eine Mutter sicher oft stellt, kreiste noch in ihrem Kopf. Die Sache mit den Windeln. „Soll ich Peter wieder an Windeln gewöhnen? Wir werden sehen.‟ Sie legte sich sichtlich müde in ihr grosses Bett, löschte das Licht. Die ersten Momente im Bett sind immer die Schönsten, besonders nach einem so aussergewöhnlichen Tag. Sie lauschte in die Dunkelheit, lauschte ob das Babyphone Laute, Schreie oder Weinen von sich gab. Doch alles blieb still. Draussen rauschte nur die alte Eiche. Baumrauschen ist was so entspannendes, so was beruhigendes. So ging der erste Tag mit Klein-Peter zu Ende.
Und wie ging es mir? Das Übernachten in fremden Zimmern gehörte nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten. Die wenigen Male, welche Claire und ich uns Ferien leisteten, waren nie so erholsam und entspannend. Ja, es war mehr Stress für mich. Besonders in den Nächten lag ich immer lange wach, wieso weiss ich eigentlich auch nicht. Das Sprichwort: „Der schönste Schlaf findet im eigenen Bett statt.‟ Und so lag ich in diesem nach Lavendel duftenden Kinderbett, zugedeckt mit einer warmen, grossen Decke, in meinem Entenpyjama, auf diesem knisternden Schutzlaken und starrte durch das Mobile zur Decke. Meine Beine wurden leicht auseinandergedrückt. Die Wattebinde war lang und dick, sicher gehalten von dem Bindengürtel. Ich erinnerte mich, dass meine Mutter früher auch solche Dinger trug, konnte mir damals jedoch keine Antwort geben, warum sie an manchen Tagen dies tat. Ich stellte mir Yvette vor, wie sie sich diesen Gürtel mit der Wattebinde anzog, Ich glaube, sie mag solche nostalgischen Kleidungsstücke. Für mich war es jedoch ein komisches Gefühl. Ich traute nicht mich zu bewegen, mich umzudrehen und mir eine wohlige Schlafposition zu suchen. Das Rascheln unter mir, das Reiben zwischen meinen Beinen war für mich, als hätte man mich im Bett fixiert, angebunden. So lag ich starr und wach in meinem Bett, zählte die Glockenschläge vom entfernten Kirchturm, hörte den nächtlichen Geräuschen zu und irgendwann erlöste mich der Schlaf von meiner neuen Lebenssituation.
Autor: Petra (eingesandt via E-Mail)
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