Bahnhof Friedrichstraße
Windelgeschichten. präsentiert: Bahnhof Friedrichstraße
Kapitel 1.
„Na siehst du!“, stemmte meine Mama ihre Arme in die Hüften, so als würde sie mir damit auch noch ,Ich habs dir ja gesagt!‘ mitteilen wollen. Langsam tapste ich aus dem schmalen, länglichen Badezimmer heraus und erkannte mein Spiegelbild in einem Flurspiegel: „Mama, man sieht voll, dass ich eine Pampers anhabe!“
Meine Mutter rollte genervt mit ihren Augen: „Flori, das ist doch Quatsch. Du bist ein großer Junge, niemand kann sich vorstellen, dass du noch Windeln brauchst!“
Wütend sah ich meine Mutter an: „Aber …“, wollte ich antworten.
„Schluss jetzt, Florian!“, unterbrach mich meine Mama und wurde plötzlich laut: „Entweder du findest dich mit der Pampers ab oder du bleibst hier!“
„Ich …“, setzte ich zum Protest an und dachte dann kurz darüber nach, was ich nun antworten sollte. Ich antwortete nichts, sondern nickte nur stumm. Mama ging im engen Flur an mir vorbei zu dem Gästezimmer, was wir die letzten Tage bewohnt haben und ich stand einen Moment nur blöde da, bevor mich Musik in die Küche lockte. „The Best“ von Tina Turner lief in diesem Moment grade auf SFB 2, dem Sender auf den das Radio von Onkel Ricardos Familie immer gestellt gewesen war. „Sender Freies Berlin“, hieß das Programm, auf dem in etwa dasselbe lief wie bei uns auf WDR 2.
Meine Cousine Melli stand an der Spüle einer beigen Sperrholzküche mit metallenen Kanten und verteilte Persil auf den Tellern, bevor sie mir einen bemitleidenden Blick zuwarf: „Knisterst wohl heute schon etwas früher?“
Ich spürte, wie meine Backen rot wurden und setzte mich schnell an den kleinen Resopaltisch, der in der Küche unserer Verwandten stand. Leider hatte Melli recht und daran gab es nichts zu leugnen: Bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung die ich tat knisterte meine Windel leise doch hörbar. Zwar nicht so schlimm wie sonst abends unter meinem Schlafanzug aber viel lauter als ich mir unter meiner Jeans erhofft hatte. Schuld daran war die Plastikfolie, die früher wie selbstverständlich die Außenseite einer Windel gewesen war. Auch wenn die Einwegwindeln, die ich damals trug im wesentlichen dasselbe war wie die modernen Produkte, die es heute in jedem Supermarkt und jeder Apotheke zu kaufen gab, waren sie damals doch anders gewesen. Wesentlich dicker und fühlten sich auch weniger trocken an, sobald sie einmal nass gewesen war. Aber ihren Zweck, den hatten Windeln auch damals schon beinahe genau so gut erfüllt wie heute.
Ich spürte, wie der harte Holzstuhl die Windel gegen meinen Po drückte, besonders das weiche Windelfließ, wie es über meine mit Creme bedeckte Haut rutschte. Mama cremte mich immer gut ein, erst recht, wenn sie mir die Pampers schon so früh anzog wie zum Beispiel heute.
„Wann fahrt ihr jetzt nochmal los, Möppel?“, fragte mich meine fast erwachsene Cousine, während sie mir eine Tasse Kaba auf den kleinen Küchentisch stellte. Rückblickend muss ich vermuten, dass sie mich damit nur von der ganzen Windel-Sache ablenken wollte, denn realistisch gesehen wird meine Mutter sie sicherlich von unseren Reiseplänen unterrichtet haben.
„Aalsoo“, dachte ich nach, während ich mir unsere Zugverbindung ins Gedächtnis rief: „In anderthalb Stunden fährt unser Nachtzug vom Bahnhof Friedrichstraße! Und dahin fahren wir mit der U6, aber sicherheitshalber etwas früher!“
„Das ist klug, Möppel!“, lobte meine Cousine freundlich zwinkernd: „In Berlin kann man nie wissen, was einem dazwischen kommt!“
Das glaubte ich nur zu gerne. Berlin war für mich damals wahrlich eine verrückte Stadt gewesen. Das Fing bei der Mauer an, die mitten hindurch verlief an und hörte bei den Gestalten, die mancherorts durch die Straßen liefen auf. Sicherheitshalber früher loszufahren war eine gute Entscheidung, fand ich: Berlin war so groß und chaotisch. Auch wenn das bedeutete, dass ich schon um sieben Uhr Abends meine Nachtwindel anziehen musste.
„Komm Flori, wir müssen los!“, löste meine Mama unsere Runde auf und ich stürzte noch schnell meinen Kakao runter, bevor ich erst meine Cousine Melanie, die alle nur Melli nannten, umarmte und dann Onkel Ricardo und dann Tante Ursel. Bei unserer Umarmung blieb Tante Ursels Hand an meinem Hosenbund hängen, was sie zu einer überraschten Nachfrage brachte: „Huch, warum ist Flori denn schon so früh gewindelt?“
Verlegen sah ich erst zu Tante Ursel, dann zu meiner mit zwei beige-braunen Reisekoffern bepackten Mutter. „Bevor uns dasselbe passiert wie gestern Nachmittag … und außerdem kann ich Florian ja wohl kaum im Liegewagen vor den anderen Reisenden wickeln!“
Mama griff mit dem Ellenbogen nach der Türklinke und signalisierte uns, dass das Thema beendet war. Es beeindruckte mich, wie gut sie das nicht nur vor mir, sondern auch vor ihrem längst erwachsenen Bruder konnte. „Aber wie soll er denn …“, wand Ursel noch ein, doch indem er seine Hand auf ihre Schulter legte, signalisierte Onkel Ricardo ihr, dass sie das Thema sein lassen sollte.
Als Mama und die Erwachsenen schon im Treppenhaus waren, flüsterte Melli mir noch ins Ohr: „Schäm dich nicht so wegen der Knisterdinger, Möppel. Ist doch praktisch, brauchst du heute gar kein Klo suchen!“
Ich wollte meiner Cousine grade empört Antworten, da zog Mama mich am Handgelenk nach draußen. „Komm jetzt Flori, wir müssen!“
Zusammen mit Onkel Ricardo gingen wir das Treppenhaus runter und durch den Hinterhof. Die Häuser hier in Berlin waren anders aufgebaut als bei uns: Stattdass es aus der Haustüre direkt auf den Bürgersteig ging oder in den Vorgarten, war hier ein Betonplatz vor dem Haus, vor dem wiederrum ein weiteres großes Haus stand. Ich spürte, wie meine Oberschenkel an der glatten Außenseite meiner Pampers rieben, fühlte wie sich die lockere Folie bei jedem Schritt mitbewegte und meinte, selbst hier noch das von Melli angesprochene Knistern wahrzunehmen. Onkel Ricardo öffnete noch eine weitere Haustüre und wir passierten einen zweiten Flur, erst dann waren wir auf dem Bordstein. Sofort war es laut um uns, ein riesiger gelber Doppeldeckerbus brummte unmittelbar an uns vorbei und erschrak mich. Ein Mann mit Kopfhörern drängelte sich an uns vorbei, kleine Kopfhörer mit leuchtend roten Ohrpolstern, aus denen die Musik so laut schallte, dass selbst ich sie hören konnte! Die monontenen Synthesizerklänge von ,Blue Monday‘ von New Order tönten aus dem Walkman an seinem Gürtel, aber als Neunjähriger konnte ich das natürlich noch nicht zuordnen.
„Heey!“, beschwerte ich mich, doch der Mann hörte mich gar nicht, sondern stolzierte unbeeindruckt weiter über den Bürgersteig, mit seinen Händen in die Taschen seiner schwarzen Lederjacke gesteckt und den Kopf im Takt zur Musik mitwippend.
Auch wenn ich dafür eigentlich schon zu alt war, griff ich nach der Hand meiner Mutter. Sicher umschlossen ihre warmen Finger meine Hand, so als hätte auch sie Angst, mich im Großstadtdschungel zu verlieren. Mit der anderen Hand zog ich den Reisverschluss meines Anoraks zu, immerhin war es schon Anfang November, zu einer Zeit in der Jahreszeiten noch ihre Bedeutung hatten. Sogar hier in der Stadt war es entsprechend kalt. Rauchschwaden zogen aus den Kaminen der Häuser und selbst aus dem Auspuff des glänzenden Audi 80 der grade über die dreispurige Straße röhrte qualmte eine weiße Wolke.
Ohne auf den Weg vor mir zu achten folgte ich meiner Mutter und sah mich um. Blickte auf die großen, grell erleuchteten Litfaßsäulen und Leuchtreklamen, auf die Autos, die uns umsausten als gäbe es uns garnicht und dann schließlich auf die U-Bahn, die, daran hatte ich mich nach einigen Tagen in dieser Stadt gewöhnt, oberirdisch auf einer riesigen Brücke über der Straße fuhr! Grade rollte einer der langen Züge aus dem Bahnhof, bestehend aus den bekannten dunkelgelben Wagen der BVG, doch der letzte Wagen war knallbunt! Sprayer mussten den ganzen Wagen angemalt haben, sodass man kaum noch durch die Fenster schauen konnte: „Wow, Mama, schau mal, die Bahn!“, rief ich und zeigte nach oben.
Die Erwachsenen hörten mich gar nicht. Ich zog an Mamas Mantel: „Schau mal!“, rief ich erneut.
„Nicht jetzt, Flori!“, wimmelte sie mich ab, stattdessen überquerten wir die Hauptstraße und liefen zum Eingang der oberirdischen U-Bahnstation.
Im Gegensatz zu der Bahnstation bei uns in der Vorstadt gab es hier einen Aufzug, mit dem wir zu den Bahnsteigen hochfahren konnten ohne die Koffer die schwere Treppe hochzuschleppen. Rollkoffer ware noch längst nicht so in Mode wie heutzutage, sodass man sich auf Reisen führgewöhnlich mit großen, schweren Koffern mit nur kleinen Henkeln rumärgern musste. Ich muss zugeben, dass ich über die Existenz eines Aufzuges gradezu enttäuscht gewesen war, hatte ich mich doch schon innerlich darauf vorbereitet, Mama beim Schleppen helfen zu können. Eine nur allzu willkommene Gelegenheit, meinem Onkel zu demonstrieren, was für ein großer, starker Junge ich mittlerweile geworden war!
Ein großer Junge, der, wie ich stillstehend im Aufzug bemerkte, dringend pieseln musste.
Ich überkreuzte meine Beine leicht und meinte, wieder dieses Rascheln zu hören.
Vor Onkel Riccardo wollte ich wirklich nicht einpullern!
Auch meine Mutter muss in den Sekunden, in denen wir im Aufzug standen und darauf warteten, auf Gleis 2 anzukommen, einen Moment gehabt haben, durchzuschnaufen. Jedenfalls fiel ihr sofort meine veränderte Körperhaltung auf, etwas, das sie sonst selten bemerkte: „Warst du eigentlich nochmal auf dem Klo vor dem Wickeln, Flori?“, fragte sie nachdenklich-rückversichernd.
Ich sah sie erschrocken an: „Mamaaaa!“, meckerte ich entrüstet. Wie konnte sie mich sowas in aller Öffentlichkeit und vor meinem Onkel fragen: „Klar!!“, log ich. In Wahrheit hatte ich nicht mal eine Ahnung, wann ich heute zuletzt die Toilette benutzt hatte. Auf jeden Fall nicht direkt vor dem Wickeln, es musste eine ganze Zeit lang her gewesen sein.
„Soll ich dir beim Koffertragen helfen?“, lenkte ich ab, während sich der gläserne Aufzug zeitgleich auf die Plattform schob, sodass wir mit einem Mal nicht mehr Beton sondern einen Bahnsteig zu Augen bekamen, der selbst für diese Uhrzeit noch recht belebt war. Die dunkelorange Abendsonne stand schon so tief, dass sie nur noch den Bahnhof mit ihrem Licht erhellte und nicht mehr die Straße, die wir zuvor entlanggelaufen waren.
Gutmütig hielt mir Mama einen der Henkel unseres Reisekoffers hin und ich griff zu, während Onkel Riccardo den zweiten Koffer mühelos schultertete und neben uns herging: „Wir müssen gleich in die U6 nach Alt-Mariendorf einsteigen“, deutete er auf die Anzeigetafel, die just in diesem Moment ihre Ziffernblätter rotierte: „Damit können wir durchfahren bis Friedrichstraße“, erklärte er, bevor er den Koffer neben einer Bank absetzte und seine Hände vor seinem Bauch verschränkte, so wie er es immer machte, wenn er grade nicht wusste wohin mit ihnen.
Auch wir stellten den zweiten Koffer ab. Kaum hatte ich den Henkel losgelassen vernahm ich erneut den drängenden Ruf meiner Blase.
„Warum ,wir‘?“, horchte ich auf.
Mein Schnauzbärtiger Onkel wuschelte mir durch meine blonden Haare wie man das bei einem Kind, das etwas dummes gefragt hatte, eben so machte: „Na glaubst du, ich lasse euch alleine durch die Zone reisen, Sportsfreund?“
„Hmmmm“, nickte ich. Der Bahnhof Friedrichstraße lag in Ost-Berlin, das wusste ich schon. Das hatte vor zwei Tagen für reichlich Drama gesorgt, als meine Mama zusammen mit mir und Tante Ursel am Bundesbahnschalter am Bahnhof Zoologischer Garten gewesen war um sich zu erkundigen, ob es Änderungen bei unser Verbindung gegeben hatte. Das hatte sie immer gemacht, wenn wir auf Reisen waren. Und es hatte Änderungen gegeben: Unser Zug, der D240 nach Paris, verkehrte nicht nur ohne Halt im Bahnhof Zoologischer Garten und Berlin-Wannsee, sondern dazu auch noch Neunzig Minuten früher. Hätte Mutter sich nicht erkundigt, hätten wir also am falschen Bahnhof auf unseren Zug gewartet – und das auch noch viel zu spät! Statt entspannt am Zoologischen Garten umzusteigen, sollten wir mit der U-Bahn nach Ostberlin fahren, wo wir in einem sogenannten ,Grenzbahnhof‘ umsteigen mussten. Ich glaube, Mama und ich, wir hatten beide etwas Bammel davor.
„Wir fahren alle drei Gemeinsam zum Bahnhof Friedrichstraße und erst wenn ihr sicher auf eurem Bahnsteig seid, fahre ich weiter zu meiner Arbeit!“, sagte Onkel Riccardo mit seiner sonoren und sicheren Stimme.
Das hätte mich eigentlich freuen sollen, doch ich verzog die Mundwinkel: Na toll. Ich musste jetzt schon so dolle! Ich brauchte mir nichts vormachen und das tat ich auch gar nicht – die Ubahnfahrt lang würde ich bestimmt nicht mehr einhalten können. Wenn ich es überhaupt geschafft hätte, so lange einzuhalten bis wir in einen der gelben Triebzüge gestiegen wären … Das vernünftigste, wenn man das so sagen konnte, wäre wohl, sich einfach hier, zwischen all den Leuten, neben Mama und Onkel Riccardo in die Windel zu pieseln. Unauffällig.
Es war ja nicht so, als wäre ich damals nicht Weltmeister im unauffällig in die Windel machen gewesen …
Ich war nicht immer Bettnässer gewesen, das hatte erst nach der Trennung meiner Eltern angefangen, mit Acht. Mama reagierte erst mit Verständnis aber dann, als keine schnelle Besserung eintrat, mit Ärger. Bis sie schließlich aus der Apotheke Windeln für große Kinder mitbrachte und mich wieder jeden Abend wickelte. Die Pampers, so nannte Mama sie, obwohl sie gar keine waren, waren wirklich groß und passten mir perfekt. Die Windeln waren ganz dick, sodass man sie bei jedem Schritt zwischen den Beinen spürte und raschelten dank der Plastikfolie, welche die gesamte Außenschicht überdeckte vor allem unter meinen Schlafanzughosen allabendlich überdeutlich. Wäre Mama sich eines Abends einmal nicht sicher gewesen, ob sie mich schon gewickelt hatte, hätte ihr ein bloßer Blick auf meinen Hintern oder ein spitzes Ohr genügt, um Klarheit zu erlangen.
Verschlossen wurden meine Nachtwindeln mit nicht zwei, sondern gleich vier festen, blauen Klebestreifen. Kleber, die perfekt die ganze Nacht über hielten, solange man sie nicht zwischendrin aufmachte. Daher war das Tabu: Hatte ich meine Nachtwindel einmal um, blieb sie bis zum nächsten Morgen zu.
Wenn ich also nach dem Wickeln vor dem Einschlafen merkte, dass ich nochmal pieseln musste, konnte ich meine Mutter noch so oft fragen, dass sie mir die Windel kurz aufmachte – oder gleich andeuten, dasselbe selber zu tun – ich war ja immerhin schon Neun – ihr Antwort war jedes Mal dieselbe: „Möppel, jetzt hast du die Pampers doch schon drum – das hätte dir früher einfallen müssen!“
Die ersten Wochen war ich so mehrmals mit drückender Blase eingeschlafen oder hatte Abends noch länger wach in meinem Bett gelegen und genau gewusst, dass ich die Pampers vollpieseln würde, sobald ich einschlief. Doch ich hatte mich schnell damit abgefunden und machte mittlerweile einfach still und unauffällig in meine Windel, wenn ich vor dem Einschlafen musste.
Da mich Mama meist erst kurz vor dem ins Bett gehen wickelte, war das lange Zeit kein Problem gewesen. Doch seit einem halben Jahr hatte Mama wieder drei Mal die Woche Spätschicht und war Abends lange weg, sodass stattdessen Marie, die Studentin die in der Wohnung neben uns wohnte, auf mich aufpasste. Babysitten nannte man das jetzt neumodisch, obwohl ich natürlich kein Baby mehr war, trotz der Windeln.
Marie war toll und lustig und die Nachmittage und Abende mit ihr mochte ich immer sehr. Marie hatte selbstverständlich nichts mit meinen Windeln zu tun, auch wenn sie natürlich wusste, dass ich noch welche tragen musste, immerhin war sie weder Blind noch Taub. Alleine wickeln konnte mich damals hingegen noch nicht, doch Mama hatte es für ,unzumutbar‘ befunden, von meiner Babysitterin zu erwarten, dass sie einen so großen Jungen wie mich wickele. Ja, möglicherweise zurecht.
Die Lösung meiner Mutter war dann gewesen, dass sie mich einfach wickelte, bevor sie zu ihrer Spätschicht aufbrach. Ich musste mich also jeden Montag, Mittwoch und Freitag schon um kurz nach Vier am Nachmittag auf mein Bett legen, wurde sehr gründlich eingecremt und bekam eine meiner Nachtwindeln an. Vier Stunden vor meiner regulären Bettgehzeit an normalen Wochentagen und noch um einiges länger Freitags. Ich hatte also keine andere Wahl als mich daran zu gewöhnen, an diesen Tagen absichtlich einzumachen und Abends mit ganz nassen, aufgequollenen und gelbstichigen Windeln zu Bett zu gehen und am nächsten Tag mit randvoller, deutlich nach Pipi riechender Pampers und feuchten Flecken auf meinem Frotteeschlafanzug aufzuwachen. Aber immerhin blieb das Bett trocken.
In den Stunden, in denen Marie mit mir spielte, mir von ihrem Studium erzählte, wir zusammen meine Hausaufgaben machten oder ich still spielte, damit sie ihre Uni-Aufgaben machen konnte, lernte ich, heimlich und unauffällig in meine Windeln zu pieseln. Nichts wäre mir peinlicher gewesen, als wenn ausgerechnet Marie mitbekommen hätte, wie ich mir in die Hosen mache.
Aber natürlich muss sie es eigentlich gewusst haben.
Auch Onkel Riccardo schien nichts zu merken. Ich rutschte etwas vor auf der Wartebank, hörte auf, mit meinen Füßen herumzubaumeln und lies einfach locker.
Mein Pipi lies die bis dahin trockene Windel sofort schön warm werden. Das kannte ich im Prinzip zwar schon zur Genüge, diese wohltuhende Wärmewelle, die einen überrollte während sich gleichzeitig auch die Blase entspannte. Und doch musste ich in diesem Moment feststellen, wie viel besser sich das anfühlte, jetzt, wo ich draußen auf einer kalten Holzbank saß und frohr anstatt bei uns in der Wohnung zu spielen. Die ganze heiße Flüssigkeit sammelte sich vorne in meinem Schritt und wurde vom Zellstoff der Windel langsam aufgesaugt, während ich meinem Onkel zuhörte, der von einem Laden namens Intershop erzählte, den es im Bahnhof Friedrichstraße geben sollte.
Vom schrillen mechanischen Knirschen der Bahnschienen begleitet fuhr kurz darauf unsere U-Bahn in den oberirdischen Bahnhof ein. Schnell sauste der erste Triebwagen an uns vorbei, dann der Zweite und ich bekam schon Sorge, dass wir mitsamt der Koffer den Bahnsteig nach vorne rennen müssten, da begann die Bahn lautstark zu bremsen, sodass der letzte Wagen etwa auf unserer Höhe zum stehen kam. Onkel Riccardo wusste genau, wo die Bahnen hier hielten, verstand ich.
Klackend öffneten sich die Türen, Fahrgäste stiegen ein und aus, kaum verständliche Lautsprecherdurchsagen krächzten irgendetwas und die Lüfter der Fahrmotoren rauschten. Irgendwo in diesem Getümmel schoben auch wir uns in die halbvolle Bahn. Es roch nach warmem Leder und Schmierfett und sofort bekam ich das Bedürfnis, meine Jacke zu öffnen. Wir setzten uns auf einen leeren Vierersitz und kaum hatten Mama und Ich den Koffer zwischen uns abgesetzt, öffnete ich mit einem Ruck den Reisverschluss meines gelben Anoraks. Die BVG heizte gut, das musste man ihr lassen.
Jetzt, wo meine Jacke den Bereich um meinen Hosenstall nicht mehr verdeckte, sah man deutlich die durch meine Windel hervorgerufene Auswölbung in meiner Hose. Beschämt verschränkte ich meine Hände über meinem Schritt, doch drückte damit nur wieder gegen das Vorderteil der Pampers, was prompt mein heißes Pipi wieder rücknässte, sodass es zwischen meinen Beinen wieder wärmer und nässer wurde. Nachdem sich die Bahn in Bewegung gesetzt hatte, blieben mir nur wenige Minuten, um aus dem Fenster heraus das abendliche Berlin beobachten zu können, bis wir mit einem Rumpeln im Tunnel verschwanden. Jetzt waren wir wirklich eine U-Bahn. Eine kurze Weile lang musterte ich die wenigen Mitreisenden, die mit uns in dem mit dunklem Sperrholz verkleideten Waggon saßen, bevor mir langweilig wurde.
„Mama, kann ich unsere Fahrkarte haben, nochmal?“, bettelte ich.
Meine Mutter öffnete ihre Handtasche und zog die kleine Papiermappe, in die unsere beiden Fahrkarten gestopft waren, heraus und überreichte sie mir, als wären sie etwas besonders Wertvolles.
Nachdenklich fuhr ich über den Rand der Fahrkarte und prägte mir unsere neue Verbindung ein:
D240 – Ost-West-Express
Von: Berlin Friedrichstr.
Abfahrt 21:30 Uhr, 09. November 1989
Nach: Paris Nord,
Ankunft 13:11, 10. November 1989
Damals wusste ich noch nicht, dass wir am nächsten Morgen nicht in Paris aufwachen würden. Mehr noch, wir würden an diesem Abend nicht einmal in diesen Zug einsteigen.
Autor: giaci9 (eingesandt via E-Mail)
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Giaci ist einfach der beste Autor!
Boah viele Dank, da puller ich mir doch fast ein vor Verlegenheit! 😉
Na ich wusste doch gleich nach den ersten Absätzen, dass hinter dieser Geschichte der tolle Typ mit der 9 im Namen steckt. Einfach wieder toll geschrieben. 1A
Vielen Dank für das Lob, auch wenn ich gehofft hätte beziehungsweise zumindest vermutet hätte, dass man diesmal nicht so schnell erkennt, dass das eine Geschichte von mir ist, immerhin ist es schon ein deutlich anderes Setting als sonst – und seit langem mal wieder Ich-Perspektive. 😀
sehr gut vllt muss der kleine vom Onkel gewickelt werden gern auch vor anderen.
Ebenso ist eine u bahn Fahrt mit schnuller viel besser.
Gottseidank lässt Giaci sich nicht auf solche dämlichen Ideen von solchen Notgeilen wie dir ein! Diese Story hat, falls du es nicht gemerkt hast Niveau
Seht interessant bis hier her, ich hoffe doch das es bald weitergeht.
Das nächste Kapitel ist schon veröffentlicht! Und Teil 3 folgt, wie sollte es anders sein, vorraussichtlich am 9. November! 😀