Die Geheimnisse der Kerkwald-Geschwister (33)
Dieser Eintrag ist Teil 33 von 33 der Serie Die Geheimnisse der Kerkwald Geschwister
Windelgeschichten. präsentiert: Die Geheimnisse der Kerkwald-Geschwister (33)
Kapitel 33 Kleine und große Brüder
„Zieeeeeh Junge!“, kreischte Linus. Aber Jakob gab doch schon sein Bestes! Mit beiden Händen und sämtlicher Kraft die er hatte versuchte er seinen Schlachtkumpanen über die wackelige Brüstung der aufblasbaren Burg zu ziehen, die sie zu zweit verteidigten. Zwei Meter weiter unten kämpften Fenix und Maxi für das Gegenteil: Sie wollten Linus nach unten zerren! Fenix versuchte, sich an Linus Fuß zu hängen, doch zum Glück konnte er an der glatten Außenhaut der Hüpfburg nicht hoch genug springen.
Den Rest würden die Krokodile im Burggraben ausrichten!
Linus versuchte sich über die lediglich aus zwei Luftröhren bestehende Brüstung zu ziehen und scheiterte. Die Brüstung knickte nach außen um, Linus rutschte herunter und Jakob gleich mit. Das Geburtstagskind erschrak kurz, kreischte und fiel kopfüber auf das weiche Polster der Hüpfburg. Er landete halb neben, halb auf seinem Freund. „Alles okay?“, fragte Linus besorgt, doch Jakob konnte vor Lachen nicht antworten und im nächsten Moment lachten sie alle. Dann waren sie außer Atem.
Jakob lies sich rücklings in das ruhelos schwankende Polster der Hüpfburg fallen und atmete tief aus. Die Kinder um ihn herum hüpften weiter, weichten ihm geschickt aus, aber schleuderten ihn dabei regelrecht durch. Die knallgelben Wände der Hüpfburg wackelten, es roch nach Plastik und es war unglaublich laut. Vor ihm hockte Linus und versuchte dabei, nicht umzufallen. Seine coole Igelfrisur, die er jetzt neuerdings trug, war völlig verwuschelt. Auch wenn seine Haare im grellen bunten Licht nicht mehr orange aussahen, sondern knall-Lila. Aber Jakob war sich nicht mehr sicher, wie weit er seinen Augen noch trauen konnte. Alles um ihn herum war in grellbunte Farben getaucht, von der Virtual-Reality-Achterbahnfahrt neben der Hüpfburg wummerten laute Bässe hinüber und dank des Autoscooters gegenüber blinkte sein gesamtes Sichtfeld blau-rot. Achja, dahin wollten sie ja als nächstes!
„Komm, Jakob!“, schrie Linus schrill, denn anders konnte man sich in der Hüpfburg nicht verständigen. Diesmal hielt er Jakob seine Hand hin und zog ihn mühelos hoch, doch Jakob fiel sofort wieder hin und Linus auch, sodass sie zum Ausgang der Hüpfburg krabbeln mussten.
„Lol ey wie das wackelt“, meinte Linus. Und: „Die anderen sind schon beim Eisbären!“
Jakob rappelte sich auf und rannte auf Socken über den mit dunkelrotem Filzboden ausgelegten Gang zwischen den Spielgeräten. Seine Schuhe hatte er irgendwo stehengelassen, er wusste schon nicht mehr wo.
Geistesgegenwärtig wich er einem Kindergartenkind auf einem Tretroller aus, das ihn beinahe über den Haufen gefahren hätte und trotzdem unbeirrt um die nächste Kurve sauste, bevor er zu seinen Freunden an besagtem Eisbären stieß.
Maxi entlockte der großen weißen Plastikfigur grade einen Becher, der bis zum Rand mit einer roten Flüssigkeit gefüllt war und hatte ebenfalls keine Schuhe mehr an.
„Was hast du denn?“, fragte Jakob seinen Freund und drängelte an den Getränkeautomaten in Eisbärenform um unbedingt direkt als Nächster an der Reihe zu sein.
„Erdbeerschorle“, lachte Maxi aufgeregt und verschüttete dabei etwas von seinem zweifelhaften Getränk auf dem Teppichboden.
„Erdbeerschorle???“, fragte Jakob.
„Jaa, guck“, sagte Max und tippte auf den Touchscreen, der auf dem Bauch des Eisbären eingelassen war: „Du drückst auf Sprudelwasser und dann auf Erdbeergeschmack“!
„Hee aber ich will doch keine …“, beschwerte sich Jakob und drückte Maxis Hand weg, doch es war zu spät – aus dem Mund des Eisbären lief bereits der Saft in den großen Plastikbecher, den Jakob darunter gestellt hatte.
„Dann nimm dir gleich eben noch was anderes“, schlug Maxi vor: „Aber probier mal!“
Jakob sah ein, dass er recht hatte. Die Getränke waren umsonst, er konnte auch einfach mal etwas ausprobieren – selbst wenn es Erdbeerschorle war. Der moderne Getränkeautomat in Form eines kleinen Eisbären, der eingepfercht zwischen dem Autoscooter und der Zwergeneisenbahn stand war brandneu, keines der Kinder hatte ihn vorher schon einmal im Megalino wargenommen. Der Automat nahm dieselben Plastikchips wie auch der Autoscooter, von denen sie am Eingang Dutzende bekommen hatten und wenn man anstatt den üblichen Softdrinks wie Cola, Fanta oder Sprite im Hauptmenü einfach Wasser – oder Sprudelwasser – auswählte, war das Getränk sogar völlig kostenlos, selbst wenn man anschließend noch einen Geschmack dazu wählte.
„Boaaah ist das süß!“, lautete Jakobs Urteil.
Maxi nickte zustimmend: „Cool, oder?“
Jakob nickte und hielt den dünnwandigen Becher mit beiden Händen fest, während sie zu viert zum Eingang des Autoscooters weiterliefen. Es schmeckte wirklich super, obwohl er gar keinen Durst hatte.
Sie waren noch gar nicht ganz am Autoscooter angekommen, da ertönte ein lautes Hupen und alle Scooter blieben stehen. Geistesgegenwärtig ergriffen die Jungen ihre Chance, sprinteten zu den Fahrzeugen und sprangen hinein. Nur Jakob wurde dabei von einem Mitarbeiter aufgehalten: „Hey“, rief der, doch Jakob bemerkte ihn gar nicht.
Ein sehr viel lauteres „Hey, du-da!“ folgte. Der Mitarbeiter hielt seine Hand vor den Eingang als wäre es eine Schranke und erschruk Jakob sichtlich: „Mit dem Getränk darfst du hier nicht rein!“
„Ups, ‘Tschuldigung!“, antwortete das Geburtstagskind eingeschüchtert und stürzte den pappsüßen Inhalt des Bechers in einem Zug seinen Rachen hinunter, doch er war nicht schnell genug. Die Hupe ertönte erneut und die Scooter fuhren wieder – ohne ihn. Alle seine Freunde hatten jeweils ein eigenes Auto ergattert und grade jagten Maxi und Fenix zusammen Linus, der – wow, das war echt krass – Rückwärts durch die komplette Fläche fuhr und dabei allen anderen auswich!
Vor dem Eingang bremste Linus abrupt ab: „Jakob, komm schnell!“
Der angesprochene ergriff seine Chance: „Isleerjetzt!“, rief er zu dem Mitarbeiter und drängelte sich vorbei, bevor der noch etwas anderes sagen konnte. Jakob stieg neben seinen Freund in den Autoscooter und spürte seine Pampers matschen, als er in den harten Plastiksitz gedrückt wurde weil Linus mit Vollgas losfuhr obwohl er sich noch gar nicht richtig hingesetzt hatte. Angeschnallt war er auch noch nicht!
„Guck nach hinten!“, wies Linus ihn an: „Wo sind die ??“
Sofort verstand Jakob die Eile seines Freundes: Maxi hielt mit verbissenem Gesichtsausdruck auf sie zu und war kurz davor, sie zu rammen! Linus hatte sich ganz schön in Schwierigkeiten gebracht, nur um ihn mitzunehmen. Aber so war er schon immer gewesen und daran hatte sich in den letzten Monaten scheinbar nichts geändert.
Obwohl es erst drei Wochen her war, dass Jakob zuletzt mit Linus gespielt hatte, fühlte es sich länger an. Als er ihm vor einer halben Stunde zu Hause die Türe aufgemacht hatte, da war es Jakob zum ersten Mal aufgefallen. Linus Kleidung war jetzt schwarz und nicht mehr bunt, er trug – ebenfalls schwarze – Vans-Sneaker anstatt Schuhen mit Klettverschluss und zur Begrüßung hatte er Jakob die Hand zum Handschlag hingehalten. Jakob hatte ihn trotzdem geknuddelt, so wie sie das früher immer gemacht hatten.
„Wir sind oben und bauen ein Bettenlager!“, hatte er erklärt und war hinter Linus gegangen, damit der seine Windel nicht sehen konnte, sollte sie unabsichtlich aus seiner Hose herausschauen. Natürlich kannte Linus seinen ehemaligen besten Freund hauptsächlich in Windeln und hatte nie blöde Kommentare deswegen abgelassen. Aber Linus wusste eben noch nichts davon, dass er vor zwei Wochen aufgehört hatte, aufs Klo zu gehen. Dass er wieder Pampers trug, sein Pipi unbekümmert laufen lies und von seiner großen Schwester gewickelt wurde wie ein Kleinkind. Auch Maxi und Fenix hatten ihre Albernheiten und Windel-Sprüche eingestellt, als Linus das Bettenlager betreten hatte und hatten auf Cool getan. Vor allem Maxi, dabei war er der jüngste von ihnen und ja wohl der größte Quatschkopf.
Zu zweit jagten die Jungen in dem kleinen Scooter an anderen Autos vorbei. „Von rechts !!!“, warnte Jakob seinen Freund. Linus drehte am Lenkrad, sodass der Scooter auf der Stelle wendete und stattdessen rückwärts fuhr. Vor ihnen knallte Maxi mit Karacho gegen die Mauer und Jakob lachte ihn Schadenfroh aus – aber Maxi lachte mit. Linus holte rückwärtsfahrend immer mehr Schwung und umkurvte andere Autos während Jakob seinen Sieg auskostete und Maxi das Looserzeichen zeigte. Der versuchte grade auszuparken und wurde direkt vom nächsten Fahrzeug gerammt!
Jakob tippte auf Linus‘ Schulter: „Guck mal Maxi !!“, rief er!
Doch Linus sah nicht hin, er hatte andere Probleme. Scharf lenkte er ihr Gefährt nach rechts, denn Fenix hatte es in seinem glitzernd-grünen Scooter offensichtlich ebenfalls auf sie abgesehen. Aus den großen Lautsprechern, die von der Decke des Autoscooters hingen tönte grade der Klang eines Saxophons zum Takt eines Housebeats. Die vielen kleinen Lichter wechselten von Rot zu Blau. Linus peilte die Lücke neben Fenix an und musste ruckartig am Lenkrad korrigieren. Er zog nach links, so heftig, dass Jakob sich am angedeuteten Armaturenbrett festhielt.
Doch es reichte nicht. Mit voller Wucht knallte Fenix in sie hinein. Jakob wurde gegen Linus gedrückt und beide beinahe Schmerzhaft gegen die rechte Außenwand des Scooters.
Vielleicht würde das einen blauen Fleck geben.
Aber beide Jungen kümmerten sich nicht darum. Und sauer auf Fenix waren sie deswegen auch nicht, denn sie hätten garantiert dasselbe gemacht.
„Maxi, Maxi, ich hab sie!“, brüllte Fenix gegen den Lärm der anderen Kinder, gegen die Musik und gegen das Summen der Autoscooter an. Doch vergebens, denn bevor Maximilian Knopp auch nur in ihre Nähe gekommen war, hatten Linus und Jakob den Spieß wieder umgedreht und Fenix zum gejagten gemacht.
Am Ende retteten Jakobs Klassenkameraden nur die ,Sonntagsfahrer‘, wie Linus die anderen unbeteiligten Kinder auf der Fläche nannte und die Tatsache, dass ihre Runde irgendwann zu Ende war.
„Wieviel Chips haben wir noch??“, schrie Maxi, während die anderen Kinder ihre Autos verließen.
„Ich hab acht, aber aufm‘ Tisch liegen viel mehr noch!“, brüllte Jakob zurück.
„Gib mal!“, bettelte Maxi, während Jakob aus dem geteilten Scooter sprang. Andere Kinder drängelten sich an ihm vorbei, verließen den Platz oder kamen grade hinzu. Er drückte Linus einen Chip in die Hand, drängelte sich zu Maxi durch und dann noch zu Fenix, der zum Glück nicht weit entfernt parkte.
Zum Glück wusste Fenix, was Jakob jetzt wollte: „Schnell, da hinten ist einer frei!“
Fenix deutete auf einen grünmetallic lackierten Scooter, der in der Ecke hinter ihnen neben einem Lilanen geparkt war und Jakob ergriff seine Chance sofort. So schnell er konnte sprintete er zwischen den kreuz und quer stehengelassenen Autoscootern hindurch, sprang in das leere Fahrzeug und schob seinen Chip grade noch rechtzeitig in den zugehörigen Schlitz.
Keine Sekunde zu früh. Die laute Hupe ertönte und sofort bewegten sich die Fahrzeuge wieder!
Blitzschnell drehte Jakob seinen Scooter auf der Stelle, wie es Linus eben schon gemacht hatte. Plötzlich lief ein Rocksong, den Jakob zwar nicht kannte, aber der sich trotzdem total cool anhörte. Er gab Vollgas und fuhr die linke Außenbahn. Links von ihm reihte sich Linus ein: „Zusammen?“, fragte der nur.
„Zusammen!“, antwortete Jakob und lachte laut vor Freude. Das machte so unglaublich viel Spaß grade!
Die Beiden erwiesen sich als brandgefährliche Kombination – zumindest für Maxi und Fenix. Doch alle Jungen hatten so viel Spaß, dass nach Rundenende sofort vier weitere Chips in den dazugehörigen Slot geschoben wurden und die Verfolgungsjagt nahtlos weiterging. Bis alle Chips aufgebraucht waren.
„Lass schnell zum Tisch und weitere Chips hohlen!“, schlug Jakob vor und ignorierte dabei sein Magengrummeln. Eigentlich war es Zeit für eine Pause und hier würden sie sogar Pizza essen dürfen!
Außerdem hatte er Durst. In Ermangelung gültiger Zahlungsmittel verließen sie vorerst ihre liebgewonnenen Scooter und liefen zu viert über den Hauptgang zu ihrem Tisch zurück.
„Ich muss erstmal pissen!“, fiel Maxi plötzlich auf und auch Fenix stimmte ein: „Ich komm mit!“ Anstatt dass sie vor der großen Kletterwand links gingen um diagonal abzukürzen, bogen sie in den schummrigen Bereich hinter der hohen Kletterwand ein. Das Licht der Hallendecke reichte kaum bis nach hier, sodass nur ein paar nackte Leuchtstoffröhren, die an der Wand hingen, den engen Gang beleuchteten. Hier ging es nur zu den Toiletten und zu einem Notausgang, dahinter war die Halle zu Ende. Auf dem Boden lag derselbe bunte Filzteppich wie in der restlichen Halle, doch mit den lauten Geräuschen schaffte es auch der Zauber des Indoorspielplatzes nicht, bis hierhin vorzudringen.
Eilig liefen Maxi und Fenix auf das Jungsklo und auch Linus bog ein, doch blieb dann in der offenen Tür stehen.
„Kommst du nicht??“, wunderte sein Freund sich.
„Ich … Ich warte hier … “, erschrak Jakob: „Muss nicht“, log er. Wobei, war das gelogen? Er hatte keine Ahnung, ob er grade musste.
Linus runzelte die Stirn: „Klar musst du …“
Jakob verzog den rechten Mundwinkel: „Ich geh lieber später …“
„Jakob …“, verlor Linus langsam die Geduld mit seinem alten Freund, doch hielt kurz inne, als sich ein kleiner verschwitzter Junge in einem Bayerntrikot an ihm vorbeidrängelte. Erst dann redete er weiter: „Jakob geh einfach schnell, du musst garantiert total …“
„Muss. Ich. Nicht!“, antwortete Jakob genervt davon, dass sein Freund einfach nicht verstehen wollte. Aber Linus meinte es nur gut mit ihm und hatte diese Reaktion eigentlich gar nicht verdient.
Doch Linus war jetzt wirklich genervt von seinem Freund: „Digga das ist so unnötig jetzt, wir gehen doch alle pissen, komm halt mit, es gibt wirklich nix was du währenddessen verpasst!“
Er war schon drauf und dran, die Türe hinter sich zufallen zu lassen und seinen Freund draußen stehen zu lassen, da griff Jakob nach seiner Schulter.
„Ich … Sorry …“, stotterte der schwarzhaarige Elfjährige und sah seinen Freund mit großen Augen an. Mann, jetzt war Linus sauer auf ihn. Das wollte er auf keinen Fall! „Ich mein das nicht so …“, versuchte er sich zu verteidigen. Er wollte doch einfach nur, dass Linus einsah, dass er nicht mit aufs Klo gehen würde.
Jakob senkte den Kopf, bevor er leise erklärte: „Das ist weil … ich trag wieder Pampers … heute. Wenn ich muss, dann mach ich mir in die Hose …“
„Oh“, sagte er nur, doch Jakob sah, wie Linus Blick zwischen seine Beine glitt. Er zog die Augenbrauen hoch, dann nickte er.
Jakob nickte zurück, dann verschwand sein Freund durch die Türe, während Jakob sich in die Ecke zwischen dem Notausgang und der Kletterwandrückseite hinhockte.
Ohne vorher Harndrang verspürt zu haben lies er auf Verdacht locker und sofort wurde es warm in der eh schon nassen Windel.
Linus hatte richtig gelegen: Er musste tatsächlich total dringend.
Aber auch er hatte recht behalten, denn er machte sich in die Hose. Anstatt aufs Klo zu gehen, das nur ein paar Meter entfernt war.
Jakobs Blick wurde wässrig und er wusste nicht so ganz, ob das an der großen Erleichterung lag, die ihn durchfuhr während er sich vollpinkelte oder daran, dass er plötzlich etwas traurig wurde. Er mochte es nicht, wie Linus ihn eben angesehen hatte. Aber am meisten ärgerte er sich über sich selbst, dass er sich so blöd angestellt hatte. Er hätte ja einfach mitgehen können. Und sich unauffällig an ein Urinal etwas weiter entfernt von den Anderen stellen können, so dass keiner merkte, dass er seine Jogginghose vorne gar nicht runterzog. Oder noch besser einfach in eine der Kabinen gehen, auch wenn Jakob die am liebsten mied, weil man nie wusste, was einen darin erwartete und er immer Angst hatte, dass das Schloss kaputtgehen würde und er nicht mehr herauskäme. Doch dafür war es nun zu spät, wie ihm das matschige Nässegefühl, dass seinen Po emporkroch überdeutlich machte.
Zur selben Zeit am Eingang des Megalinos:
„Junge, was hast du denn?“, rief David seinem Freund hinterher. Doch Nick hielt mitnichten an, sondern ging nach draußen. Schnell, so schnell wie man gehen konnte, ohne zu rennen. Erst in den Vorraum, wo sie vorhin ihre Ausweise hatten vorzeigen müssen und dann die Stempel auf ihre Handrücken bekommen hatten und dann auf den Parkplatz.
Erst da holte Dave ihn ein und auch nur, weil er sich entschieden hatte zu rennen.
Er griff nach der Hand seines Freundes: „Das … das war doch nicht so gemeint!!“, stotterte er erschrocken.
Es war eisig kalt hier draußen. Mit seiner linken Hand umklammerte er immer noch das ‚Jakob und sein Töpfchen‘-Buch, dass er seinem kleinen Bruder als bösen Scherz hatte schenken wollen und das den ganzen Streit mit Nick erst entfacht hatte.
Sie hatten beide nichts als ein Tshirt an und ihr Atem formte Wolken in der eisigen Luft. Die Sonne war hinter den Wolken verschwunden und alles um David herum war in mattes Weiß getaucht: Der Schnee, die unscheinbare Hallenwand des Indoorspielplatzes und selbst Nicks Shirt. Nur sein Kopf war puterrot. Und seine Augen … Dave erschruk, als er das Funkeln darin sah.
„Hey …“, beschwichtigte er den jungen Mann, dem er in den letzten Tagen so viel von sich selbst offenbart hatte wie sonst niemandem auf der Welt.
„Ach? Wie war das dann gemeint?“, zischte Nick ihn an: „Ist das nett gemeint das Buch? Meinst du, das hilft Jakob? Meinst du, da stehen genau die Tipps drin, die er jetzt braucht?“
David zuckte mit den Schultern: „Neee … Ich …“, setzte er an.
Doch sein Freund unterbrach ihn: „David Mann, Fuck … ich weiß doch genau, was du damit wolltest. Das ist so ein widerwärtiger Shit, das … DAS …“, er griff nach dem Buch: „ … seinem kleinen Bruder zum elften Geburtstag zu schenken!!“
„Aber …“, setzte David an.
„Ich hab echt gedacht, du bist anders als die ganzen Dorfjungs!“, warf Nick ihm an den Kopf. Er schrie jetzt fast. Nicht indem er laut geworden war, nein, er flüsterte fast. Es war die Schärfe in seinem Ton, die sich für David anfühlte als würde er schreien.
„Ja …“, antwortete Dave und plötzlich war gar nichts mehr übrig von seiner Coolness: „Bin ich auch nicht! Man! Sonst wären wir doch nicht … Das Video … Die Sache mit Laura …“
Nicks Tonfall änderte sich. Mitfühlend fragte er: „Fühlt sich beschissen an, plötzlich immer Angst zu haben, oder? Dass irgendwer nen verletzenden Spruch bringt und so. Jemand, den du eigentlich mochtest, dessen Meinung dir etwas wert ist.“
Ja, das war es.
David nickte stumm. Jetzt wurden seine Augen feucht.
„Hast du dich mal gefragt, wie Jakob sich fühlt, wenn du so zu ihm bist?“, fragte Nick.
David kniff die Augen zusammen.
Nick fuhr fort: „Stell dir vor Robin schenkt dir zu deinem nächsten B-Day nen ,wie werde ich Hetero‘-Ratgeber …“
David verzog den Mund. Er wäre enttäuscht von seiner Schwester. Tief bestürzt über ihre Meinung. Er würde sich fragen, ob er ihr überhaupt noch etwas bedeutete! Scheiße, das wäre so schlimm. Ein ,Fuck You‘ mitten in sein Gesicht!
„Das bist so garnicht du, Dave. Warum bist du so gemein zu Jakob? Was hast du davon, wenn du ihn fertig machst?“
„Du verstehst das nicht“, antwortete Dave und ärgerte sich sofort selbst darüber.
Nick wunderte sich: „Nicht?“
David bemühte sich: „Doch, klar. Du hast auch nen kleinen Bruder … aber … das ist was anderes. Glaub mir. Jakob ist einfach ein kleines verwöhntes Spielkind, der sich alles erlauben kann, nur weil er klein und niedlich ist … und alle fallen auf seinen Hundeblick rein ey“, er stockte kurz und blickte Nick tief in die Augen. Das klang lächerlich, wenn er das so formulierte. Verdammt. Aber war es lächerlich?
Kurz schwiegen Beide, dann erklärte David weiter: „Weißt du, ich hab, als ich so alt war wie Jakob jetzt, da haben unsere Eltern viel mehr von mir verlangt. Aber er wird immer nur mit Samthandschuhen angepackt. Und ehrlich, wenn …“
Ein weiteres Mal wurde er von Nick unterbrochen: „Freu dich doch für ihn.“
So schien Nick das zu sehen. Er zog parallelen zwischen Jakob und seinem kleinen Bruder Fenix und fand einige, die auch David nicht abstreiten konnte. Beide waren eher kindlich für ihr Alter, verspielt und dann erfuhr David auch noch, dass Fenix auch noch Bettnässer war und heute Nacht ebenso wie Jakob eine Windel tragen würde. Nick hingegen war als Zehnjähriger dabei erwischt worden, wie er in einem Kiosk geklaut hatte und war spätestens dann für lange Zeit bei seinem Vater unten durch gewesen. Sie hatten sich eigentlich immer nur angeschrien, bis Nicks Mutter gestorben war. Erst dann, vor einem Jahr hatten sein Vater und er sich zusammengerauft und nun war Nick froh, dass sein kleiner Bruder im Gegensatz zu ihm noch etwas länger ein Kind sein durfte. Dann fragte er David, wie er glaubte, dass Jakob sich wohl fühlen würde. Wegen der Sache mit seinen Windeln, wegen den Sprüchen, die er gegenüber ihm gebracht hatte. Was nicht mal die schlimmen waren, denn die kannte Nick ja gar nicht. Irgendwann, sie waren sicherlich schon seit einer Viertelstunde draußen, wurde den beiden Teenagern schließlich kalt. Ihr Tonfall war längst wieder normal geworden, Nick hatte seine Hand um Davids Schultern gelegt und David dachte zum ersten Mal darüber nach, wie Jakob sich wohl fühlte.
„So, jetzt müssen wir deinem Brudi nur noch ein Geschenk besorgen …“, stellte Nick richtigerweise fest.
„Fuck, ja“, realisierte Dave. Er hatte ja großspurig angekündigt, dass Jakob etwas von ihm zu erwarten hätte.
„Ich hab da eine Idee“, kündigte Nick an und griff nach der Hand seines Freundes. Sie zeigten am Eingang den Stempel auf ihrem Handrücken und betraten kurz darauf erneut die laute und stickige doch immerhin warme Halle.
Nick lehnte sich an einen der Greifautomaten, wie es sie auch auf einer Kirmes gab: „Meinst du, Jakob würde eines davon gefallen?“
Er deutete auf die Kuscheltiere im Automaten.
„Keine Ahnung …“, rätselte Dave.
„Was mag dein Bruder denn?“, fragte Nick: „Pokémon?“
„Glaub nicht …“, antwortete David.
Zu zweit sahen sie durch den wirren Kuscheltierhaufen, indem simple Teddybären, hochwertige Kuschelhunde und diverseste Zeichentrickserien bunt gemischt waren. Doch dann entdeckte Nick etwas: „Krass, ich glaub da ist eine Lego-Plüschfigur drin!“
„Ohh“, fiel David ein: „Die ist aus Ninjago, das liebt Jakob!“
„Super!“, freute sich Nick, doch David verschränkte skeptisch die Arme: „Das klappt doch nie. Diese Dinger sind der reinste Scam und außerdem ist das Ding riesig … das kriegen wir da nie rausgehoben.“
Doch da schob Nick schon ein zwei Euro Stück in den Münzschlitz. Er drückte auf den kleinen Pfeiltasten des Gerätes herum, fuhr den Greifarm herunter und griff nach der grünen Kopfbedeckung der überdimensionalen Plüsch-Legofigur. Als die Klauen die Figur fest im Griff hatten, fuhr er mit zwei Tastendrücken langsam nach außen, sodass die Figur unter dem Stapel hervorkam.
Doch dann rutschte der Greifarm plötzlich ab!
David rollte mit den Augen: „Sag ich doch. Das ist nen Scam, der Arm lässt einfach irgendwann los“
Doch Nick beachtete ihn gar nicht. Er kniete vor dem Automaten: „Schau mal, dass keiner guckt!“
„Hm?“, wunderte sich Dave und sah sich hektisch um: „Was hast du …“, flüsterte er seinem Freund nervös zu, doch ein metallisches Klacken ließ ihn verstummen. Dann hörte er ein Klimpern.
„Fertig“, gab Nick die Entwarnung und drückte die Wartungsklappe des Automatens wieder zu: „Mit genug Versuchen schaffen wir das sicherlich …“, grinste er und hielt seinem Freund eine Handfläche voller Zwei-Euro-Münzen hin.
David traute seinen Augen nicht: „Alter, hast du grade das Münzfach aufgebrochen??“
Doch Nick schob bereits die zweite Münze in den Schlitz: „Nur aufgehebelt, alles entspannt … Wir beklauen nur die Scammer. Ist echt dreckig, sowas in nem Kinderspielplatz aufzustellen ey.“
Eine halbe Stunde später bei den Tischen am Eingang
Dave konnte sich nicht erinnern, wann er seinen kleinen Bruder zuletzt so glücklich gesehen hatte. Der frischgebackene Elfjährige strahlte von einem Ohr zum anderen, als er zusammen mit seinen Freunden zu ihrem Tisch hinüberlief. Seine Haare waren wild verwuschelt und seine Bäckchen rot. Unter seiner Jogginghose wölbte sich eine deutliche Pampers. Babypampers, wie er die Dinger immer nannte, um Jakob damit aufzuziehen.
Plötzlich kreuzte sich sein Blick mit dem von Jakob und dessen Lächeln wurde schlagartig schmaler und die damit zusammenhängende Erkenntnis traf David unerwartet. Jakob schien grade wieder eingefallen zu sein, dass er mit seinem großen Bruder hier war und an seiner Mimik konnte man ablesen, dass seine Laune mit dieser Erkenntnis direkt um einige Grad gesunken war.
Und das fühlte sich für David plötzlich nicht mehr so gut an wie früher.
Die vier Jungs drängelten sich an den Sitzplätzen, schoben sich gegenseitig weg und kreischten durcheinander. Der Knopp-Junge und Linus setzten sich gegenüber von ihm und Nick hin und Fenix sicherte sich den Platz neben seinem großen Bruder, den er sofort aufgeregt in Beschlag nam um ihm irgendwas zu erzählen.
Jakob lies sich, sichtlich außer Puste, neben Fenix fallen und griff prompt nach der Fantaflasche, die offen auf dem Tisch stand. Mit beiden Händen hielt er die große Flasche fest und trank die süße Limonade ohne sie vorher in seinen Becher einzuschenken. Er schien wirklich durstig zu sein. Dave ertappte sich bei dem spöttischen Gedanken daran, wo all die Flüssigkeit bald landen würde. Nachdem er ein paar kräftige Schlucke getrunken hatte, setzte Jakob die Flasche außer Atem ab und holte tief Luft. Ein Fantatropfen ronn noch von seinen nassen Lippen sein Kinn herunter und tropfte schließlich auf sein blaues Tshirt, wo es sich zu weiteren Flecken gesellte. Erst jetzt fielen David die verschwitzten Haare seines kleinen Bruders auf, er schien sich wirklich ausgetobt zu haben.
„Hungeeeeeer“, beklagte sich das Geburtstagskind.
David bemühte sich, seinem kleinen Bruder aufmunternd anzulächeln: „Soll ich uns mal Pizza hohlen?“
Anstatt das Jakob von diesem Vorschlag begeistert war, wurde er misstrauisch. Das war der nächste Stich für David. Aber klar, das ergab Sinn, musste er sich eingestehen. Jakob war zwar verspielt und wirkte meist jünger als er eigentlich war, aber er war keineswegs dumm. Im Gegenteil, das musste sogar David gestehen. Natürlich vermutete Jakob nichts Gutes hinter seinem Vorschlag, Essen für sie zu hohlen. Vermutlich hatte er auch längst kapiert, dass er ihn mit seinem Geschenk nur hatte lächerlich machen wollen.
„Ich komm mit!“, entschied das Geburtstagskind.
„Musst du echt nicht! Ich hohl wirklich nur die Pizzas“, versuchte David zu beschwichtigen.
Doch damit machte er sich nur noch verdächtiger in den Augen seines Bruders.
„Pizzen. Und dann hast du ja nichts dagegen, wenn ich mitkomme“, zuckte der Elfjährige mit den Schultern.
David sah ein, dass es bei dieser Diskussion nichts zu gewinnen gab und fragte stattdessen Nick und Fenix nach ihren Essenswünschen und dann auch noch Linus und Maxi, weil Jakob währenddessen damit beschäftigt war, mit Fenix rumzublödeln. Auch als David sich in Bewegung setzte, machte Jakob den Eindruck als hätte er vergessen, dass er ihn bei der Ausführung der Essenbestellung hatte beaufsichtigen wollen. Er war schon fast durch die gläserne Schiebetür in den Eingangsbereich gegangen, da kam sein kleiner Bruder plötzlich angerannt: „Warte!“, quiekte er.
Ausnahmsweise hörte Dave auf seinen Bruder und verlangsamte sein Tempo. Der Junge schloss zu ihm auf und gemeinsam betraten sie in den deutlich kälteren Vorraum der Halle.
„Wo hast du eigentlich deine Schuhe gelassen?“, fragte Dave nachdem sie sich angestellt hatten.
Jakob lief nur mit seinen schmutzig-bunten Ringelsocken über die kalten, stellenweise nassen Fliesen. Er legte den Kopf schief und sah mit den Augen an die Decke: „Ähhhh … weiß nicht …“, gab er zu.
David rollte mit den Augen. Ihm lagen diverse Ausdrücke auf der Zunge, die er jetzt besser nicht sagen sollte. Stattdessen holte er tief Luft: „Ist nicht schlimm! Wenn du sie heute Abend immer noch suchst, dann helf ich dir …“, bot er an.
Diesmal war Jakob offen überrascht: „Danke …“, murmelte er.
Die Schlange vor dem Imbiss war, der Uhrzeit entsprechend, lang. David fragte seinen kleinen Bruder über das, was sie bisher gespielt hatten aus. Ganz enthusiastisch erzählte der Junge ihm von dem Kampf, den sie auf der Hüpfburg gehabt hatten und vom Autoscooter danach und war dabei kaum zu bremsen. Seine Worte überschlugen sich fast und irgendwie riss er durch seine Art sogar David mit. Sein kleiner Bruder war einfach so pur fröhlich und aufgeregt in diesem Moment, dass es irgendwie Herzerwärmend war.
„ … und dann, als wir, also ich, ich und Linus, als wir Maxi und Fenix fertig gemacht haben, dann haben wir uns zu viert verbündet! Gegen alle anderen! Und die von zwei Seiten gerammt immer! Das war soooo krass! Wir haben …“, schwärmte er, während er seine Beine überkreuzte.
Für alle anderen außer Jakob war das eines der untrügerischen Zeichen, dass er mal dringend auf die Toilette musste. Oft hatte sich David einen Spaß daraus gemacht, diese Situation offen anzusprechen. Jakobs Reaktion darauf war einfach immer viel zu lustig. Wie er dann das offensichtliche Abstritt, rumschrie oder sogar heulte deswegen.
Letztes Jahr in den Sommerferien zum Beispiel, sie waren wandern gewesen zusammen mit dieser nervigen anderen Familie, die sie im Urlaub kennengelernt hatten. Die Kinder waren etwas schneller als ihre Eltern gewesen und irgendwann warteten sie zu fünft an der nächsten Weggabelung, da hatte Jakob plötzlich genauso dagestanden wie jetzt grade. Die Beine überkreuzt und leicht zusammengepresst, den Oberkörper dabei etwas nach vorne gedrückt.
„Ha, Jakob macht sich wieder jeden Moment in die Hose!“, hatte er gelacht. Der Zehnjährige von der anderen Familie, Dave hatte keine Ahnung mehr wie er hieß, hatte schockiert geglotzt und daraufhin hatte Dave noch abschätzig hinzugefügt: „Keine Sorge, der trägt ne Windel, da kann nichts passieren!“
Danach hatte der Junge, mit dem Jakob bis dahin die meiste Zeit des Urlaubs verbracht hatte, nichts mehr von seinem offenbar windeltragenden Spielkameraden wissen wollen und Jakob hatte den ganzen Rest des Tages geheult wie ein Baby. Seine Familie, vor allem Robin, waren echt pissed auf ihn gewesen, aber die beiden anderen Jungs – der ältere war Fünfzehn und eigentlich ganz okay – hatten es super witzig gefunden.
Als diese Erinnerung in seinem Kopf aufblitzte wollte David sich am liebsten selbst schütteln. Wütend auf sich verkrampfte er die Finger seiner linken Hand am Saum seiner Hosentasche. Jakob schwärmte währenddessen einfach weiter von seinen Autoscooter-Erlebnissen und schien selbst nicht zu bemerken, dass er dringend aufs Klo musste. David nickte, tat, als würde er seinem Bruder zuhören und folgte für einen Moment dem Impuls, seine Erkenntnis einfach zu ignorieren.
Das war immerhin hundertmal besser als Jakob deswegen runterzumachen.
Andererseits war er heute für Jakob verantwortlich. Wenn der sich in die Hosen machte, würde das möglicherweise früher oder später zu seinem Problem. Fuck. Hatte Robin ihm ne frische Windel eingepackt? David fasste den Entschluss, seinen kleinen Bruder auf die Situation anzusprechen und den Jungen in seinem Redeschwall: „Ähm … kanns sein, dass du … wenn du mal aufs Klo willst, ich kann hier in der Schlange so lange warten, Jaki.“
Jakob stockte und plötzlich wurden seine Augen groß und man konnte ihm förmlich ansehen, dass nun auch endlich ihn selbst die Erkenntnis über den eigenen Harndrang erreicht hatte. Doch dann schüttelte er mit dem Kopf: „Nöjetztnicht … Ja, und, also, in der letzten Runde, da haben wir alle gegen alle gemacht! Das war voll der Quatsch. Wir …“
David beließ es lieber dabei, nicht nochmal nachzufragen und hörte stattdessen weiter mäßig interessiert den Anekdoten seines kleinen Bruders zu. Auch wenn er wusste, dass Jakob kurz davor war, sich in die Windel zu machen. Er schob diesen Gedanken mühevoll bei Seite.
Erst als sie endlich bestellen konnten, bemerkte Jakob, dass er seine Freunde gar nicht nach seinen Essenswünschen gefragt hatte. Er drehte sich grade um und wollte zu ihrer Sitzgruppe zurücksprinten, da hielt Dave ihn zurück: „Chill, ich hab. Maxi will Hawaii, Fenix Salami.“
Das Geburtstagskind war überrascht: „Oh … Danke!“
„Ich sag doch, ich mach das schon!“, zwinkerte David.
„Hmm … Jaaaa“, zuckte Jakob mit den Schultern.
„Pizzaservice!!“, schrie Jakob eine Viertelstunde später und rannte dabei mit drei Pappkartons in seinen Händen zurück zu den Tischen. Kaum war er an ihrer Sitzgruppe, klappte er den ersten Karton auf: „Ähhh … ganz viel Gemüse und … bääh … Pilze?!“
Nick hielt seine Hand hin und Jakob reichte den Karton einmal über den Tisch: „Hawaiii?“, war im nächsten drin, der zu Maxi wanderte. Der dritte Karton gehörte ihm selbst, sodass Jakob sich auf seinen Platz begab, während David noch die restlichen Pizzen verteilte.
Jakob spürte seine Pampers schmatzen als er sich neben Fenix auf die Sitzbank fallen lies. Sein ganzer Po schwamm auf einer Schicht heißen Pipis, das jetzt, wo von unten Druck entgegenwirkte, langsam seine Pobacken in Richtung Rücken hochkroch. Vorne war die Windel auch schon richtig nass. Hatte er grade nochmal reingepullert? Die Pampers war plötzlich wieder so warm. Und eben in der Schlange vom Imbiss hatte er so dringend gemusst und jetzt … jetzt nicht mehr, oder?
Jakob war sich nicht sicher. Er spürte eigentlich nichts, aber … er drückte einfach kurz.
Sofort prasselte ein starker Strahl in das Vorderteil der Pampers.
Okay … er musste definitiv! Er spürte, wie seine Blase sich erleichtert zusammenzog während er seine Windel ohne Kontrolle flutete. Kurz starrte er eingefroren ins Leere, dann wurde seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt:
„Kletterwand, nach dem Essen?“, schlug Linus schmatzend vor und erntete Begeisterung für seinen Vorschlag.
„ … Aber erst, erst Jakobs Geschenke!!“, rief Fenix.
Jakob musste unwillkürlich lächeln, als er das hörte. Die hatte er ja ganz vergessen! Der Tag war schon so toll, aber er hatte noch nicht mal seine Geschenke ausgepackt! Etwas Erschöpft stützte er seinen Kopf auf seine rechte Hand, spielte mit der linken Hand an seinem halbvollen Plastikbecher herum und lauschte dem aufgeregten Durcheinanderreden seiner drei Freunde.
„Aber nach den Geschenken, oder?“, fragte Maxi.
„Jaaa!“, stimmte Fenix ein: „Die sieht echt krass aus, oder? Schau mal …“, stupste er seinen großen Bruder an: „Das ist fast wie in einer richtigen Kletterhalle, oder?“
Nick wiegelte seinen Kopf hin und her: „Nojaaa … aber für so’n Spielplatz schon echt stark, mmh. Hm, Dave … sollen wir die Jungs gleich dahin vielleicht begleiten?“, zwinkerte er seinem Freund zu.
Dave, der an diesem Ort normalerweise betont desinteressiert in der Ecke gesessen hätte, drehte sich ebenfalls zur großen Kletterwand in ihrem Rücken um: „Hm, das ist echt …“
Fenix kreischte! Dave stockte und er, Nick und Jakobs Gäste sahen überrascht zu dem Zehnjährigen.
„Tschuldigung! Tschuldigung! Tschuldigung!“, quiekte Jakob peinlich berührt.
Der Plastikbecher, an dem er mit seiner linken Hand rumgespielt hatte, war umgekippt und dessen vormaliger Inhalt ergoss sich über den Tischrand – und vor allem Fenix Jeans.
Schnell sprang Fenix auf und versuchte seine Hose vor dem schlimmsten zu bewahren, doch es war bereits zu spät.
„Servierten??“, fragte Linus lösungsorientiert, da sah Fenix schon resigniert an sich hinab: „Ihh, das ist voll kalt!!“, quängelte er. Die ganze Front seiner hellen Jeans war nass, es sah aus als hätte er in die Hose gemacht, und zwar reichlich.
„Sorry! Sorry! Ich … man …”, ärgerte sich Jakob über sich selbst und dachte erst jetzt daran, den Becher wieder aufzustellen. Doch der war mittlerweile eh leer.
Linus gab Fenix einen Stapel mit Servierten, die keinerlei Effekt hatten, als Fenix versuchte, damit seine Hose zu trocknen.
Von links lehnte sich Nick zu seinem Bruder: „Gib mal … für deinen Sitz …“, bat er und wischte anschließend die Bank trocken.
Doch dann war es ausgerechnet Jakobs verhasster Bruder David, der die Situation rettete. Während sich alle anderen um unmittelbare Schadensbegrenzung bemühten und Jakob sich wünschte, er hätte einfach nicht an diesem blöden Becher rumgespielt, hatte der Sechzehnjährige durch die Tüte, die Robin ihm mitgegeben hatte, gewühlt. Nun zog er eine dunkelgrüne Cargohose heraus und hielt sie Fenix hin: „Hier … Ist von Jakobs Ersatzwäsche.“
Jakob errötete leicht, als David das einfach so sagte.
Dankend und erleichtert griff Fenix die Hose und drängelte sich an dem neben ihm sitzenden Jakob vorbei vor den Tisch. Fenix roch nach Fanta.
Er hatte sich schon zu den Toiletten umgedreht, da schien ihm etwas einzufallen. Er klappte die zusammengefaltete Hose auf und fragte: „Ähhh … kann ich auch eine Unterhose haben? Meine ist auch nass.“
Dave presste die Lippen aufeinander.
„Wegen der Fanta !!“, schien sich Fenix genötigt klarzustellen und prompt kicherte Maxi, dann Jakob und schließlich sogar Linus.
„Najaaa …“, haderte Dave und sah zu Nick, bevor er weitersprach: „ … ist halt Jakobs Ersatzwäsche …“, deutete er an. Dann zog er eine zusammengefaltete Pampers einige Zentimeter aus dem Beutel hervor, sodass Fenix erkannte, worum es sich handelte: „… is‘ keine Unterhose dabei.“
Jakob wurde wieder rot. „Ne Windel !!!“, kicherte Maxi überflüssigerweise woraufhin Jakob dem Neunjährigen einen genervten Blick zuwarf. „Sorry“, flüsterte Maximilian kleinlaut, während Fenix mit großen Augen nickte.
Jetzt ergriff Nick das Wort: „Am besten ziehst du einfach nur die Hose an, Fussel. Das geht schon“, er senkte seine Stimme: „Naja, entweder das oder halt Jakobs Wechselwindel …“
Autor: giaci9 | Eingesandt via Mail
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Bitte weiterschreiben. Die Geschichte ist sehr schön.
Auf jeden Fall! So kurz vor der Zielgraden höre ich bestimmt nicht auf! 🙂
Ein sehr gutes Kapitel mal wieder. Es feeut mich dass sich David langsam zum positiven entwickelt gegenüber Jakob. Es wäre wirklich schön in irgendeiner Form ein Crossover Kapitel deiner Figuren zu lesen,sei es mit Finn,Jakob oder jemand anderem.Das würde sich bestimmt irgendwie realisieren lassen. Bin gespannt wie es weitergeht.
Vielen Dank für das Lob. Mir hat das Schreiben von Davids Weiterentwicklung auch viel Spaß gemacht. Wurde aber auch wirklich Zeit, dass er sich gegenüber Jakob bessert.
Ein Crossover lässt sich vermutlich nur mit einer Zeitreise realisieren … 🙂
Du hast es schon wieder getan XD Gemeiner Cliffhanger XD
Wieder ein gelungenes Kapitel:D War als Kind leider nur einmal in so einem Indoor-Spielplatz. Aber beim lesen konnte ich mich trotzdem mega gut einfühlen und hab jetzt mega Lust auf Spielplatz 😀 Leider bin ich schon zu groß für 🙁
Bei dem Part mit Dave und Nick kamen mir echt die Tränen. Irgendwie kann ich Dave voll gut verstehen das er so gemein ist. Ich mein in seiner Family existiert er halt „nur“. Robin und Jakob sind ein gutes Duo. Die Eltern sind meist arbeiten und wenn die mal da sind ist Jaki’s „Problem“ oft n Thema.
Umso stärker finde ich es das er nach dem Gespräch Einsicht zeigt und ihm die Reaktion von Jaki so trifft.
Freu mich auf die nächsten Kapitel. Das die Storyline so langsam vorwärts geht gefällt mir. Das heißt das es noch ganz viele Kapitel gibt 😀
Viele Grüße und frohes Schreiben 😀
Carag
Indoor-Spielplätze sind total super, da hast du echt was verpasst! 😀
Freut mich wirklich, dass du David verstehen kannst. Er ist ja Stellenweise beinahe Jakobs Antagonist, deshalb liegt es nahe, dass man ihn als „den Bösen“ sieht, aber so wollte ich ihn nicht schreiben, man sollte auch seine Perspektive nachvollziehen können. Toll, dass dir das gelingt.
Der Cliffhanger ist wirklich gemein, tut mir leid … 😉
Awww, es ist so schön geworden! Bin gespannt wie es weiter geht und mega, dass du David und Nick mehr Raum gegeben hast. Ich finds voll schön, dass David sich jetzt mal in Jakob reinfühlt. Richtig toll beschriebener Geburtstag! Bei deinen Geschichten lohnt sich das Warten immer. Ich lese die richtig richtig gerne.
Wurde auch wirklich Zeit, dass bei den beiden etwas passiert und David sich weiterentwickelt. Hat nur ein bisschen gedauert, die Gelegenheit herzuschreiben … 😀
Danke, dass du geduldig wartest! :D😅
Kann es kaum erwarten mehr zu lesen!
Das freut mich!
Also Giaci das meiste habe ich dir ja schon gesagt aber ich finde es nur fair hier auch mal was zu sagen, einfach weil deine Geschichte so unglaublich toll geschrieben ist..
Ich finde es echt schön das Dave jetzt mal sagt warum er immer so doof ist, man kann es jetzt ein wenig mehr verstehen auch wenn das nichts entschuldigt. Aber toll das Nick trotzdem zu ihm hält und mit dem Geschenk aushilft.
Der kleine Moment zwischen Jakob und Dave tut den beiden wirklich gut, auch wenn da wohl noch etwas mehr Zeit vergehen muss bis Dave sich das Vertrauen von seinem kleinen Brudi erarbeitet hat.
Nun zum Ende! Irgendwie total typisch für dich.. Aber da Fenix ja eh Windeln tragen wird wenn die kleinen alle schlafen.. 🙂 Glaube so ganz ohne Unterhose ist es doof..