Eine Mama für zwei Wochen
Dieser Eintrag ist Teil 2 von 2 der Serie Eine Mama für zwei Wochen
Windelgeschichten.org präsentiert: Eine Mama für zwei Wochen
Sanft spürte Louis, wie ihn die Hand von Lena auf seiner Brust nach hinten drückte und
seinen Oberkörper behutsam auf den weichen Teppichboden unter sich legte. Sein
Herzschlag beschleunigte sich und seine Nervosität stieg mit einem Mal noch weiter an.
Wollte er das jetzt wirklich? Er war schließlich schon neun. Warum hatte er eingewilligt?
Gestern hatte sich der Vorschlag noch gut angefühlt, aber jetzt ging auf einmal alles so
schnell…
Angefangen hatte das alles vor wenigen Tagen. Es war Freitagabend, als es an der Tür
klingelte. Sofort hatte Louis seine Spielzeugautos liegen lassen, war aufgesprungen und
freudig aus seinem Zimmer, die Treppe hinuntergelaufen. Kurz bevor er die Haustür
öffnete, hielt er einen Moment inne und analysierte die unscharfe Silhouette durch das
halbdurchsichtige Glas, nur um sicher zu gehen, dass es nicht irgendein Fremder war. Ein
prüfender Blick in die Küche nebenan verriet ihm: 17Uhr. Alles in Ordnung. Fröhlich öffnete
er die Haustür und wurde sofort von Lenas freundlichem Lächeln begrüßt.
„Hey, Großer! Na, wie geht’s dir?“, fragte sie gut gelaunt und wuschelte ihm einen Moment
durch seine mittellangen braunen Haare, während sie eintrat.
„Gut“, antwortete der zierliche Junge seiner Babysitterin knapp. Eigentlich mochte er es
nicht, wenn jemand seine glatten Haare durcheinander brachte. Aber sie durfte das. Er
mochte Lena und freute sich, dass sie nun da war. Nicht zuletzt, weil er es hasste, allein
zuhause zu sein. Manchmal machte es ihm sogar Angst und er versuchte stets einfach
nicht dran zu denken, wenn er grad allein war. Sein großer Bruder war bereits kurz nach
dem Mittagessen aufgebrochen. Er hatte heute Spätschicht und seine Freundin wie immer
entsprechend gebeten, den Abend auf ihn aufzupassen.
Es war manchmal nicht leicht ohne Eltern. Ihre Mutter hatte Louis nie kennengelernt. Bei
seiner Geburt waren Komplikationen aufgetreten und die Ärzte konnten sie nicht retten.
Genaueres wurde dem Jungen jedoch nie erzählt. Und ihr Vater war vor ungefähr einem
halben Jahr an einer schweren Krankheit verstorben. Krebs, hatte er gesagt. Sein Bruder
Jack konnte gerade so seine Ausbildung zum Polizisten abschließen und war zum Glück
bereits volljährig, sodass ihm das Sorgerecht übertragen werden konnte.
Zügig zog Lena ihre lila Turnschuhe aus, damit der Neunjährige nicht zu lange warten
musste. Louis hatte sich unterdessen an die nächste Wand gelehnt und wippte verspielt
auf und ab. Als sie sich wieder aufrichtete, schob sie sich einige ihrer dunkelbraunen
Haare aus dem Gesicht hinters Ohr. Dabei fiel ihm auf, dass sie ihre violetten Strähnen
nachgefärbt hatte, die ihr regelmäßig über eines ihrer Augen fielen. Er stellte sich das
ziemlich nervig vor, ständig Haare im Gesicht zu haben, aber dafür sah es eigentlich doch
ganz cool aus. Sonst trug sie heute eine gewöhnliche blaue Jeans und eine weiße Bluse.
Nichts besonderes. Aber das galt für sie beide. Er selbst hatte sich heute einfach eine
kurze schwarze Hose und ein schlichtes schwarzes T-Shirt aus dem Schrank gegriffen,
das er eigentlich gar nicht mochte. Es lag einfach oben auf. Sein Bruder hatte es ihm
irgendwann gekauft, weil er meinte, das sähe erwachsener aus.
„Also, was willst du machen?“, fragte Lena ihn freundlich, während sie routiniert ihr
Smartphone aus der Hosentasche zog und noch einmal die Nachricht von Jack durchlas.
Lediglich eine Erinnerung, dass Louis heute noch baden sollte. Alles weitere wusste sie
inzwischen sowieso schon auswendig. Es war schließlich nicht das erste mal, dass sie auf
den Jungen aufpasste. Und dass seine Haare mal gewaschen gehörten, war ihr bei ihrer
Begrüßung auch schon aufgefallen. Wie aber ausgerechnet diese Nachricht das Verhältnis
der beiden heute für immer verändern sollte, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht
ahnen.
„Spielen“, entgegnete Louis ihr einsilbig auf ihre Frage und grinste dabei gut gelaunt. Lena
lachte ein wenig: „Na, ein bisschen genauer müsstest du da schon sein. Was willst du
denn spielen?“
Der Junge zuckte mit den Schultern. Eigentlich war es ihm egal, mit Lena machte ihm
eigentlich alles Spaß. Dennoch lief er ins Wohnzimmer und über den weichen
crèmefarbenen Teppich zum Spieleschrank, um etwas auszusuchen. Lena legte
währenddessen ihr Smartphone auf den Küchentisch, ehe sie ihm folgte. Solange sie für
ihn hier war, sollte er ihre volle Aufmerksamkeit haben.
Louis betrachtete nachdenklich die Spiele. Kurz huschte sein Blick zum Fernseher.
Vielleicht doch einfach Mario Kart? Aber da hatte er beim letzten mal ohne Schwierigkeiten
gegen sie gewonnen. Sie hatte ja auch keine Übung in dem Spiel.
„Wäre Monopoly ok?“, fragte er schließlich.
Lena lächelte ihn freundlich an und nickte: „Klar, worauf auch immer du Lust hast.“
Während Louis begann das Spiel auszupacken, ging seine Babysitterin noch schnell in die
Küche, um den beiden etwas zu trinken zu holen.
„Darf ich das Auto sein?“, fragte der Neunjährige sofort, als sie kurz darauf wiederkam.
„Ja, sicher“, entgegnete sie und stellte ihm dabei ein Glas mit Multivitaminsaft hin, den sie
mit Wasser verdünnt hatte. Kaum war das Spiel fertig aufgestellt, trank er es in einem Zug
leer. Vermutlich hatte er seit heute Mittag gar nicht mehr daran gedacht, etwas zu trinken.
Aber das war kein Problem. Dann würde sie ihm später eben noch etwas holen.
Generell gefiel es ihr immer, auf Louis aufzupassen und sich um ihn zu kümmern. Er war
so ein liebevolles Kind, wenn auch manchmal etwas ängstlich und schüchtern. Ihn lächeln
zu sehen, machte sie einfach glücklich. Sie konnte nicht genau sagen, warum, aber das
war bei ihr mit Kindern schon immer so gewesen. Beinahe wäre sie sogar Erzieherin
geworden, hatte sich dann aber doch für die Arbeit im Kunstatelier entschieden.
Ihr Spiel dauerte eine ganze Weile, aber das war bei Monopoly auch nicht anders zu
erwarten. Irgendwann waren sie an dem Punkt angekommen, wo Louis einfach fröhlich
immer weiter ihr Geld einkassierte. Bevor sie schließlich in einigen Minuten ganz bankrott
gehen würde, beschloss Lena das Spiel dann doch zu beenden. Einen kurzen Moment
freute sich der Junge noch über seinen Sieg, ehe er kurzerhand auf die Toilette rannte. Sie
hatte bereits mitbekommen, dass er gegen Ende des Spiels deutlich unruhiger wurde. War
aber auch kein Wunder, schließlich hatte sie ihm zwischendurch noch ein zweites Glas
Saft gebracht, das er ebenfalls nach und nach leergetrunken hatte. Das gab ihr nun
zumindest die Gelegenheit einen kurzen Blick auf ihr Handy zu werfen.
Überrascht stellte sie fest, dass die Zeit doch etwas schneller verflogen war. Es ging
bereits auf 19Uhr zu und der Junge musste schließlich immer noch Baden und
Abendessen und sollte in ungefähr einer Stunde im Bett sein. Am besten würde sie ihn
gleich nach oben schicken.
Wenige Sekunden später kam Louis nach wie vor gut gelaunt zurück.
„Was spielen wir jetzt?“, wollte er wissen und überlegte bereits, was sie noch alles in dem
Spieleschrank im Wohnzimmer hatten. Lena legte ihr Smartphone wieder beiseite. Leider
musste sie ihn nun etwas ausbremsen. Der Verantwortung rief. Sie legte ihm eine Hand
auf die Schulter und kniete sich mit einem Bein zu ihm auf Augenhöhe.
„Ich glaube, wir müssen eine kleine Pause machen. Dein Bruder hat gesagt, du sollst noch
baden. Wir können danach noch etwas spielen, wenn du dich beeilst, ja?“, erklärte sie
sanft.
„Och… Muss das heute sein?“, beklagte sich Louis ein wenig enttäuscht. Lena lächelte ihn
freundlich an und nickte mitfühlend. „Na gut…“, gab er schließlich nach und verzog den
Mund ein wenig. Langsam lief er zur Treppe in den ersten Stock, als ihm ein Gähnen
entwich. Lena lachte.
„Gut, dass ich dich jetzt schon raufschicke. Nicht, dass du mir später noch in der Wanne
einschläfst.“
Das wurde jedoch nur mit einem energischen Kopfschütteln beantwortet.
„Bin nicht müde!“ antwortete der Junge knapp und blieb noch einen Moment auf den
ersten Stufen der Treppe stehen. „Du kommst nicht rein, ja?“, vergewisserte er sich. Sein
Bruder wollte grundsätzlich nicht, dass er die Tür beim Baden absperrte, nur für den Fall,
dass irgendetwas sein sollte.
„Natürlich nicht“, versicherte sie ihm. Er war schließlich alt genug und sie hatte vollstes
Verständnis dafür, dass ihm das unangenehm war und er seine Privatsphäre wollte.
Mit einem zufriedenen Lächeln sprintete Louis die Treppe nach oben. Hauptsächlich um
Lena zu überzeugen, dass er wirklich noch nicht müde war.
„Und vergiss bitte nicht deine Haare zu waschen“, hörte er sie noch rufen. Ebenfalls eine
Sache, die er gar nicht mochte. Schon gar nicht, wenn ihm dabei versehentlich Wasser in
die Augen lief. Aber es war für Lena. Da war das schon in Ordnung.
Louis stellte das Wasser an und hielt vorsichtig seine Hand darunter. Es war angenehm
warm und in diesem Moment bemerkte er, dass er tatsächlich ein wenig müde war.
Schließlich war es nicht mehr so lange hin, bis er ins Bett musste. Dabei war es draußen
doch sogar noch hell! Besser, er beeilte sich mit dem Baden wirklich, damit sie noch
genug Zeit zum Spielen hatten.
Wenig später stieg er in die Wanne und merkte, wie er sich augenblicklich entspannte. Ein
wenig ließ er seine Hand ruhig über die Wasseroberfläche gleiten und beobachtete die
dabei entstehenden Wellen. Eigentlich gefiel es ihm doch ganz gut, hin und wieder einfach
nur dazuliegen und durchzuatmen. Es wäre ihm nur lieber, wenn es nicht an einem Tag
wäre, wo Lena auf ihn aufpasste. Er würde viel lieber weiter Zeit mit ihr verbringen. Sie
war immer so nett zu ihm. Und auf Haarewaschen hatte er jetzt sowieso keine Lust.
Stattdessen begannen Louis‘ Gedanken darüber zu kreisen, was sie noch alles spielen
könnten. Das Spiel mit den Leitern hatte er schon lang nicht mehr gespielt, das war
eigentlich immer lustig gewesen. Oder vielleicht Uno? Das dauerte auch nicht so lang.
Ganz weit unten hatte er auch noch das verrückte Labyrinth gesehen. Das mochte er
früher, als er noch ganz klein war, sehr gerne. Wenn sich die Wände verschieben und den
Weg in die Schlossallee freigeben, wo Mario und seine Freunde vorbeirasen und bei jeder
Runde einen Haufen Münzen an die umliegenden Hotels abtreten müssen, um ins Ziel zu
kommen.
Ja, es sollte heute tatsächlich deutlich länger dauern. Die Zeit verging und es war
inzwischen fast eine Dreiviertelstunde her, dass Lena ihn nach oben geschickt hatte.
Daher hatte sie beschlossen, besser doch mal nach dem Jungen zu sehen. Vorsichtig
klopfte sie an die Tür des Badezimmers, doch bekam keine Antwort.
„Louis…?“, fragte sie ruhig und klopfte noch einmal. Wieder keine Antwort.
„Louis, wenn du nicht antwortest, muss ich reinkommen“, erklärte sie nun doch ein wenig
besorgt. Eigentlich hatte sie ihm ja versprochen genau das nicht zu tun, aber ihr blieb
gerade keine Wahl. Sie wartete noch ein paar Sekunden, ehe sie langsam die Tür öffnete.
Als sie eintrat, seufzte sie erleichtert und musste unwillkürlich lächeln. Sicher, sie hatte
vorher einen Witz darüber gemacht, aber das hatte sie nun wirklich nicht kommen sehen.
Der Junge war tatsächlich in der Badewanne eingeschlafen…
Langsam näherte sie sich ihm, streckte ihre Hand zu seiner Schulter in dem noch
lauwarmen Wasser aus und weckte ihn sanft.
Verschlafen öffnete Louis die Augen und blickte sie an. Es dauerte einen Moment bis er
die Situation realisierte. Schlagartig richtete er sich auf und hielt beschämt eine Hand vor
seinen Intimbereich, als hätte sie nicht sowieso schon alles gesehen. Obwohl das Wasser
inzwischen ziemlich ausgekühlt war, wurde ihm in diesem Moment ziemlich warm.
„Du hast gesagt, du kommst nicht rein!“, beklagte er sich sichtlich angespannt, fast schon
verzweifelt. Lena kniete sich ruhig auf den Boden vor der Wanne.
„Ich weiß, tut mir leid. Aber ich hab mehrmals geklopft und du hast nicht geantwortet. Es
hätte ja auch etwas passiert sein können“, erklärte sie mit beruhigender Stimme.
Louis wusste zwar, dass sie recht hatte und er war ihr auch nicht böse, aber diese
Situation war ihm so unfassbar peinlich. Betrübt senkte er seinen Blick auf das Wasser.
Die junge Frau legte ihren Kopf leicht schief bei dem Versuch, ihm dennoch in die Augen
zu sehen.
„Hase, das muss dir nicht peinlich sein. Da ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Ich
erzähl auch niemandem was, ok?“, redete sie behutsam auf ihn ein. Zögerlich nickte er ein
wenig, doch seine Position blieb unverändert. Vorsichtig griff sie nach seinem Arm, der
immer noch seinen Schritt verdeckte und zog sanft daran. Nicht so, dass sie ihn einfach
entblößen würde, sondern mehr wie ein Zeichen, dass alles okay ist. Und er ließ es zu.
Louis ließ seinen schützenden Arm einfach zur Seite ziehen und entspannte sich
tatsächlich ein wenig. Klar, es war immer noch peinlich. In die Augen sehen konnte er ihr
gerade auf keinen Fall. Aber jetzt war es zumindest mehr oder weniger freiwillig. Und es
war immer noch Lena. Er konnte ihr vertrauen. Sie lachte ihn auch nicht aus, sondern war
einfach für ihn da und dafür war er ihr in diesem Moment unglaublich dankbar. In seinen
Augenwinkeln meinte er ein freundliches und liebevolles Lächeln zu erspähen. Lena hob
ihre Hand wieder und strich ihm sanft durchs Haar.
„Hast du deine Haare gewaschen?“, fragte sie ruhig. Es war Zeit, ihn auf andere
Gedanken zu bringen. Ein leichtes Kopfschütteln verriet ihr die Antwort, die sie ohnehin
schon wusste. Seine Haare waren schließlich überwiegend trocken. Vorsichtig hob sie
sein Kinn nun ein wenig an und sorgte dafür, dass der Junge sie tatsächlich für einen
kurzen Moment ansah. „Ich mach das schnell, ja?“, meinte sie beinahe flüsternd.
Anschließend griff sie nach dem Duschkopf. Wasserrauschen erfüllte die Stille. Zögernd
legte Louis seinen Kopf in den Nacken.
„Aber pass bitte auf, dass kein Wasser in meine Augen kommt“, murmelte er.
„Versprochen. Ich bin ganz vorsichtig“, erwiderte Lena und begann ihm sorgfältig die
Haare zu waschen.
Es war ein komisches Gefühl für Louis. Einerseits fühlte er sich immer noch erniedrigt von
der Situation und seine Haare konnte er doch inzwischen längst selbst waschen.
Andererseits fühlte es sich auf eine seltsame Art und Weise echt gut an. Lena hatte so
liebevoll reagiert und hatte so viel Geduld. Sein Vater war früher nie so verständnisvoll
gewesen. Aber der hatte ja auch gar nicht die Zeit dafür gehabt. Vermutlich hätte er sogar
geschimpft, weil er eingeschlafen war. Und sein Bruder hätte sicher einfach nur gesagt,
dass er sich zusammenreißen sollte. Lena dagegen schien alle Zeit der Welt zu haben.
Sie war nur für ihn da.
Als sie fertig war, half sie dem Jungen aus der Badewanne. Inzwischen hatte Louis auch
bemerkt, wie ausgekühlt das Wasser inzwischen war und sofort war ihm kalt. Lena griff
nach seinem Handtuch und begann seine Haare ein wenig abzutrocknen. Anschließend
legte sie es ihm über die Schultern. Den Rest konnte er selbst erledigen.
Währenddessen ließ sie das Wasser aus der Wanne laufen und öffnete das Fenster im
Bad. Es dämmerte inzwischen und warme Sommerluft kam herein. Dann wandte sie sich
wieder dem Jungen zu, der immer noch regungslos bis auf ein leichtes Zittern vor der
Wanne stand und sich kein bisschen weiter abgetrocknet hatte. Erst jetzt bemerkte Lena
das leise Schluchzen. Sofort begab sie sich erneut vor ihm auf die Knie und sah Louis in
seine weinenden blauen Augen. Instinktiv zog sie dabei das Handtuch vorne weiter zu,
damit ihm weniger kalt war.
„Hey…“, begann sie mit sanfter Stimme wieder mit ihm zu sprechen. „Was ist denn los?“
Louis brauchte einen Moment, um überhaupt selbst zu verstehen, wieso er gerade weinte.
Doch nach einer kurzen Pause sprach er schließlich zögerlich einfach aus, was er dachte.
„Fühlt… Fühlt es sich so an, eine Mama zu haben?“
Das hatte Lena nicht kommen sehen. Diese Worte trafen sie tief. Sie taten ihr weh, wie ein
Stich in ihrem Herzen.
„Oh, Schätzchen…“, war das einzige, was sie hervorbrachte, bevor sie ihn so fest sie
konnte umarmte. Einen Moment musste sie sich zusammenreißen, damit ihr nicht selbst
Tränen in die Augen stiegen. Dieser Junge hatte nie erfahren, wie es ist, eine Mama zu
haben, die sich liebevoll um ihn kümmerte. Louis tat ihr in diesem Moment so leid, wie
noch nie zuvor, seit sie ihn kannte.
Langsam löste Lena die Umarmung und sah ihm erneut in die Augen, während sie begann
seinen Oberkörper richtig abzutrocknen. Viel tun konnte sie gerade nicht für ihn, außer
einfach da zu sein. Sie lächelte sanft, als sie ihm einen Vorschlag machte: „Was hältst du
davon? Du ziehst dir jetzt erstmal etwas an und ich mach dir in der Zwischenzeit etwas
zum Abendessen. Und anschließend schauen wir beide noch einen Film an und du darfst
heute etwas länger aufbleiben. Wäre das eine Idee?“
Louis schniefte noch, aber beruhigte sich allmählich. Ein leichtes Lächeln huschte ihm
über die Lippen, als er nickte.
„Ok, worauf hast du Lust? Wäre Toast in Ordnung?“, fragte sie freundlich weiter. Zum
Kochen hatte sie schließlich definitiv keine Zeit mehr. Der Junge nickte erneut.
„Und was soll drauf?“
Louis überlegte einen Moment.
„Schinken und Käse?“, schlug er anschließend mit noch leicht gebrochener Stimme vor.
„Mach ich dir“, versprach Lena und wuschelte ihm noch einmal liebevoll lächelnd durch
seine feuchten Haare.
Kaum hatte der Neunjährige den Toast in der Hand, schien es ihm bereits wieder deutlich
besser zu gehen. Er hatte zumindest sichtbar Appetit und seine Beine baumelten
entspannt vom Stuhl herab. Dazu hatte ihm Lena noch einen warmen Kakao hingestellt.
Sich selbst hatte sie erstmal nur einen Kaffee gemacht.
Nach dem Essen durfte er sich dann einen Film aussuchen. Einen Moment überlegte er,
ob er „Cars“ anschauen wollte. Als er klein war, war das sein absoluter Lieblingsfilm
gewesen. Auch wenn der Name des roten Rennautos, Lightning McQueen, für kleine
Kinder unaussprechbar war. Inzwischen wusste er, dass es englisch war. Zumindest
Queen hatte er schon einmal gehört. Das bedeutete Königin oder so. Das machte den
Namen aber nicht weniger seltsam. Schließlich war das Auto doch männlich.
Nach weiterer Überlegung entschied sich Louis dann für „Die Monster AG“. Ebenfalls ein
Film, den er sehr mochte. Er hatte ihm damals geholfen, keine Angst mehr vor Monstern
im Schrank oder unterm Bett zu haben.
Lena startete den Film und setzte sich direkt neben Louis aufs Sofa. Dieser hatte sich in
seinem kurzen blauen Schlafanzug mit Rennautomotiv unter die weiche braune Decke des
Wohnzimmers begeben. Sie legte eine Hand um seine Schulter und er kuschelte sich
sofort an sie. Auf einmal war er vollkommen entspannt und die ganze Situation gerade
eben war überhaupt nicht mehr peinlich. Es war wie ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das
nur Lena kannte. Er konnte ihr vollkommen vertrauen. Das einzige, das sich geändert
hatte, war, dass er sich ihr nun noch verbundener fühlte. Alles war in Ordnung.
Viel von dem Film schaffte er jedoch nicht. Es dauerte nicht lange, da übermannte ihn die
Müdigkeit erneut und schließlich fielen ihm die Augen zu. Ruhig atmend lag Louis an Lena
gekuschelt und die junge Frau musste erneut lächeln. Sanft streichelte sie ihm noch
einmal über den Kopf, durch seine frisch gewaschenen Haare. Sie sollte ihn wohl lieber
ins Bett bringen. Glücklicherweise war er etwas klein für sein Alter und recht dünn, sodass
sie ihn noch ohne Probleme hochheben konnte. Aber sie war ja schließlich auch nicht
gerade unsportlich.
Vorsichtig, darauf bedacht ihn nicht aufzuwecken, trug Lena den Jungen die Treppe hinauf
in sein Zimmer, passte auf, in der Dunkelheit nicht auf eines der am Boden liegenden
Spielzeugautos zu treten und legte ihn in sein Bett. Anschließend legte sie ihm noch
seinen Plüschhund in den Arm, den er selbst im Schlaf sofort an sich drückte, und deckte
ihn sanft zu.
„Gute Nacht“, flüsterte sie noch lächelnd, ehe sie mit einem letzten Blick auf ihn das
Zimmer wieder verließ. Doch seine Worte im Badezimmer ließen ihr nicht wirklich Ruhe.
Eigentlich hatte sie sich einen Manga zum Lesen mitgenommen, aber ihre Gedanken
waren weiterhin bei dem heutigen Abend. Und so überlegte sie die nächsten Minuten, ob
sie nicht doch etwas für ihn tun konnte.
Schließlich kam ihr eine Idee in den Sinn. Eine möglicherweise wirklich verrückte Idee. Sie
könnte sich die nächsten zwei Wochen frei nehmen und nur für ihn da sein. Sie könnte ihn
behandeln, wie ihr eigenes Kind und sich um ihn kümmern, wie eine Mutter es täte. Am
besten wie ein kleines Kind. Das meiste taten Mütter schließlich für ihre Kinder, wenn sie
noch ganz klein waren. Eigentlich müsste sie genau da ansetzen.
Doch, diese verrückte Idee gefiel ihr, vorausgesetzt Louis hatte nichts dagegen. Er hatte
ohnehin noch zwei Wochen Sommerferien, bevor er in die vierte Klasse kam. Sie wollte
diesem Jungen so gut sie konnte die Liebe und Fürsorge einer Mutter geben, die ihm
fehlte und die er verdiente. Wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum. Aber das musste sie
vorher noch mit Jack besprechen.
In diesem Moment hörte sie, wie die Haustür geöffnet wurde und der gutaussehende
junge Mann mit den etwas wilden blonden Haaren, die er stets aus dem Gesicht
herausgestylt hatte, kam von seiner Spätschicht nach Hause. Sofort ging Lena zu ihm und
er wurde von ihrer ruhigen, freundlichen Stimme begrüßt, gefolgt von einem zärtlichen
Kuss. Ihr Gespräch hatte Zeit bis morgen früh.
Autor: Lucas2242 | Eingesandt via Mail
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
Suche
Report
Weitere Teile dieser Geschichte
Archiv
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Parkin bei Das Experiment (2)
- Lukas bei Das Experiment (2)
- Leopold bei Das Experiment (2)
- Leopold bei Das Experiment (2)
- Lukas bei Das Experiment (2)
- Sascha bei Meine beste Freundin, meine Cousine und ich (4)
- Lukas bei Das Experiment (2)
- Bic bei Das Experiment (2)
Die war schön
Wie geht es weiter
Danke
Ist ein schöner Geschichtenbeginn geworden. Vor dieser Frage währen wol alle überfordert worden. Bin gedpannt wie das Gespräch des Paares ausgeht und was Lena Luis gutes tun darf. Freu mich auf den nächsten Abschnitt. Auch wenn es eine richige Kindestorry ist, guter Anfang! Fall bitte nicht in den üblichen 0815 Stiel zurück! Blei Deinem Stiel und Ideen treu.
Danke für das positive Feedback. Wollte mich einfach mal an einer Geschichte versuchen und freue mich, dass es so gut ankommt. Werde auf jeden Fall bei Gelegenheit weiterschreiben. Ein paar Ideen hab ich da auf jeden Fall noch. 🙂
Sehr schöne Geschichte. Gut geschrieben und sehr einfühlsam.