Eine Mama für zwei Wochen (4)
On 18/04/2025 by Lucas2242Dieser Eintrag ist Teil 4 von 4 der Serie Eine Mama für zwei Wochen Windelgeschichten.org präsentiert: Eine Mama für zwei Wochen (4)
Schnell flitzte Louis über die hölzerne Brücke des Klettergerüsts. Lena versuchte ihn von
unten am Bein zu erwischen. Sein Reflex ließ ihn zurückweichen, an den Holzbalken auf
der anderen Seite, der als Geländer diente. Hier war er sicher! Lena müsste erst einmal
um das Klettergerüst herumlaufen, oder zumindest unter der Brücke hindurch, um ihn hier
zu erwischen. Bis dahin wäre er längst weg, oder würde eben einfach wieder die Seite der
Holzbrücke wechseln. Dachte er zumindest. Doch im nächsten Moment schwang sich die
junge Frau unter dem Geländer hindurch, direkt auf das Klettergerüst. Louis schrie
erschrocken auf, was mehr wie ein Kreischen klang und rannte kichernd zur Rutsche.
Eigentlich eine untypische Reaktion für ihn, wo er doch sonst immer so ruhig war.
Im Augenwinkel bemerkte er, wie Lena auf der anderen Seite der Brücke bereits wieder
hinuntersprang. Am unteren Ende der Rutsche angekommen entkam er ihrer Hand nur
knapp ein weiteres mal. Hastig lief er um das Klettergerüst herum und versuchte sie
abzuschütteln. Er hatte immerhin Vorteil, dass er klein und wendig war.
Wenige Sekunden später hatte sie ihn tatsächlich aus dem Auge verloren. Vielleicht tat sie
aber auch nur so und überlegte sich nun eine neue Strategie, ihn zu fangen. Außer Atem
versteckte sich der Neunjährige erst einmal um die Ecke und beobachtete sie einen
Moment. Dann fiel sein Blick auf die kleine Holzhütte in der Nähe. Das perfekte Versteck
für eine kleine Verschnaufpause! Unbemerkt flitzte er hinüber. Darin gab es lediglich zwei
kleine Bänke, auf die man sich setzen konnte. Louis warf einen letzten vorsichtigen Blick
hinaus. Lena hatte keine Ahnung, wo er war. Er ließ sich auf eine der beiden Bänke fallen
und atmete durch. Ein wenig Sand war darauf, wie auch immer der vom Sandkasten bis
hierher gekommen war. Verspielt fuhr er mit seinem Zeigefinger darüber. Das Holz fühlte
sich rau an. Unweigerlich musste er dabei wieder an den Moment mit dem Jungen im
Sandkasten denken. Während er mit Lena gespielt hatte, konnte er nicht anders, als
immer wieder zu ihm rüber zu sehen und ihn zu beobachten.
Louis war wie versteinert gewesen, als der fremde Junge aufsah. Unsicher hielt er den
alten Fußball seines Bruders in der Hand, während er in zwei dunkelbraune Augen blickte.
Kurz sahen sich die beiden einfach nur an. Nachdem sein Gegenüber ihn einen Moment
gemustert hatte, grinste er plötzlich breit. Es hatte etwas fast schon Freches an sich. Nicht
unbedingt böswillig, dennoch hatte Louis instinktiv kein gutes Gefühl. Es gab in seiner
Schule schließlich genug Kinder, die sich über ihn lustig machten. Vielleicht hätte er in
diesem Moment etwas sagen sollen, doch er entschied sich stattdessen dazu, sich einfach
abzuwenden und schnell zurück zu Lena zu laufen.
„Hab dich!“, vernahm er plötzlich. Erschrocken zuckte der Neunjährige zusammen, als er
die Hand an seinem Arm spürte. Da war er wohl zu sehr in Gedanken versunken
gewesen… Die junge Frau stand vor dem kleinen Eingang der Holzhütte und lächelte ihn
freundlich an.
„Ach, man… Ich hab dich gar nicht kommen sehen!“, beklagte er sich, während er aus
seinem Versteck kam.
„Tja, da hättest du besser aufpassen müssen, dass ich mich nicht einfach anschleiche.“
Sie strich ihm einmal durch sein spürbar feuchtes Haar. „Wollen wir vielleicht mal eine
kleine Pause machen, Hase?“, schlug sie vor. Erst jetzt bemerkte Louis, wie verschwitzt er
inzwischen war. Ein wenig Durst hatte er auch. Also nickte er.
„Jap…“, brachte er leicht erschöpft, aber gut gelaunt hervor.
Die beiden begaben sich zurück zu ihrem schattigen Platz am Picknicktisch und Lena
reichte ihm eine Flasche mit Apfelschorle. Fast schon gierig begann er sie zu trinken.
Vielleicht war er doch durstiger, als er dachte. Zumindest war sie zur Hälfte ausgetrunken,
als er sie wieder absetzte. Er reichte sie seiner Ferienmutter zurück. Dann wanderte sein
Blick zu dem Tisch neben ihnen, wo die ganze Zeit schon eine ältere Dame saß. Nur war
sie diesmal nicht allein und Louis erschrak ein weiteres mal. Er spürte, wie ihm das Blut in
den Kopf schoss und seine Augen weiteten sich nervös. Mehr oder weniger ihm
gegenüber saß der fremde Junge von vorher mit dem Rücken an den Tisch gelehnt.
Seinen Fuß hatte er gegen die gegenüberliegende Bank von ihnen gestemmt. Er hatte
einen Keks in der Hand und beobachtete ihn wohl schon die ganze Zeit. Als Louis wieder
zu ihm sah, war sofort dieses freche Lächeln zurück.
Lena bemerkte die Situation natürlich und überlegte, ob sie vielleicht etwas sagen sollte.
Sie hatte ohnehin mitbekommen, wie Louis zuvor unsicher vor dem Sandkasten stand und
seither immer wieder zu diesem Jungen hinübergesehen hatte. Vielleicht konnte sie ihm ja
helfen, einen Freund zu finden? Aber einen Moment wollte sie ihm noch geben.
Der Neunjährige schluckte. Das war eigentlich die Gelegenheit. Er wollte ja gern etwas
sagen, aber was? Sollte er sich einfach vorstellen? Sollte er ihm dabei die Hand reichen,
wie Erwachsene das taten? Das wirkte irgendwie komisch… Sollte er ihn einfach fragen,
ob er mit ihm spielen wollte? Wie lange sah er ihn jetzt eigentlich schon wieder an?
Bestimmt doch schon viel zu lange, oder nicht? Louis war drauf und dran erneut einfach
wegzusehen. Der fremde Junge dagegen grinste immer noch und wirkte überhaupt nicht
unsicher.
„Sprichst du mich jetzt an, oder was?“, fragte er plötzlich. Seine Stimme wirkte amüsiert,
aber nicht, als würde er sich über ihn lustig machen. Sie wirkte eher neugierig und
erwartungsvoll, wie eine Aufforderung. Als würde er versuchen, ihn zu ermutigen. Ein
wenig schaffte er es sogar, Louis aus seiner Starre zu lösen.
„Äh…“, stammelte er. Das hatte er nicht kommen sehen. „Ja, glaub schon… Hi…“
Okay, mieser Anfang! Aber der erste Schritt war erledigt… Und was jetzt? Angespannt
suchte Louis weiter nach den richtigen Worten. Der Junge drehte sich um und griff auf den
Tisch hinter sich.
„Keks?“, fragte er knapp und hielt ihm die Schachtel hin. Unsicher und überrumpelt stand
Louis auf und griff über den Tisch hinein. Offenbar Vollkorn oder so.
„Danke…“, murmelte er. Vorsichtig begann er zu essen. Obwohl sein Gegenüber lächelte,
hatte es etwas Einschüchterndes an sich. Möglicherweise war es dieses enorme
Selbstvertrauen, das er ausstrahlte.
„Ich bin Felix! Und du?“
„Louis“, antwortete der Neunjährige immer noch nervös. Aber immerhin konnte er jetzt
schon mal sprechen, das war zumindest ein Anfang.
„Deine Mama ist echt jung…“ stellte Felix im nächsten Moment fest. Unsicher blickte Louis
zu Lena. Wie erklärte er am besten, wer sie war? Die Freundin von seinem Bruder? Zu
sagen, dass er keine Mama hatte, war vermutlich nicht die beste Idee zum Kennenlernen.
Lena begann zu lachen.
„Danke! Aber ich bin nicht seine Mutter. Ich pass nur auf ihn auf, damit er nicht den halben
Tag allein zuhause ist.“ Dann wandte sie sich der älteren Dame zu, die das Gespräch
ebenfalls stillschweigend verfolgte: „Ich nehme an, Felix ist Ihr Enkel? Ich bin Lena.“
Die beiden Erwachsenen gaben sich die Hand. Bei Lena sah das ganz einfach aus. Erst
jetzt begann Louis die alte Frau mehr zu beachten. Sie war schlank und hatte glattes,
schulterlanges, ergrautes Haar. Vor ihr lag irgendeine Zeitschrift, mit der sie sich wohl
beschäftigte, während Felix spielte. Insgesamt machte sie einen sehr freundlichen
Eindruck.
„Genau, ich bin die Oma! Normalerweise flitze ich ja auch immer mit Felix über den
Spielplatz und fange ihn. Ich hab nur leider noch einen leichten Sonnenbrand, weshalb ich
ein wenig aus der Sonne rausbleiben muss“, begann sie direkt zu erzählen.
„Ah, dann kann Felix ja sicher einen Spielkameraden gebrauchen“, entgegnete Lena
freundlich, während sie sich auf die andere Bank gegenüber der Dame setzte. Vorsichtig
setzte sich Louis daneben und spürte, wie sie ihm mit ihrer Hand sanft über den Rücken
strich. Sofort fühlte er sich ein wenig ruhiger. Die Rolle des stillen Beobachters war für ihn
gerade ganz angenehm. Felix dagegen schien ein wenig ungeduldiger zu sein und nahm
Lena beim Wort. Er nahm noch einen großen Schluck aus einer Trinkflasche, dessen
Inhalt von außen nicht zu erkennen war.
„Also, willst du spielen?“, fragte er, kaum hatte er sie abgesetzt. Louis war im Begriff zu
nicken, ehe er unsicher zu Lena blickte. Er konnte sie doch jetzt nicht einfach hier sitzen
lassen. Immerhin hatte sie sich extra Zeit für ihn genommen. Vielleicht konnten sie ja zu
dritt spielen?
Als sie seinen fragenden Blick bemerkte, lächelte sie nur.
„Geh ruhig. Ich unterhalte mich solange einfach mit seiner Oma. Ich brauche sowieso
noch eine kleine Pause von der letzten Runde“, ermutigte sie ihn und der Neunjährige
nickte zögerlich.
Lena brauchte eine Pause? Das konnte er sich eigentlich nicht vorstellen. Sie ging doch
regelmäßig laufen oder so und sie wirkte auch kein bisschen erschöpft.
„Ok“, sagte er schließlich leise und stand immer noch ein wenig unsicher von der Bank
auf, während Felix direkt aufsprang. Sein Blick fiel kurz auf den Ball, der immer noch unter
der Bank lag.
„Magst du Fußball?“, fragte er.
Louis schüttelte sofort den Kopf. War auch besser so, sonst würde er sich nur blamieren.
„Ich auch nicht. Ich hab nur mal Tricks geübt.“
„Du kannst Tricks?“, hakte Louis überrascht nach. Felix grinste.
„Nö!“, entgegnete er kichernd. Und irgendwie brachte es auch den Neunjährigen zum
Lachen. Vielleicht war Felix doch nicht so einschüchternd, wie er dachte. Eigentlich schien
er sogar ganz nett zu sein. Kurz sah er zum Sandkasten hinüber, wo er hauptsächlich ein
größeres Loch bemerkte.
„Was hast du vorher im Sandkasten gemacht?“, wollte er nun wissen.
„Ich wollte wissen, wie tief der ist… Zu tief!“, antwortete Felix. „Also… Du bist!“, beschloss
er kurzerhand, stupste Louis am Arm an und rannte davon.
„Ey!“, rief der Neunjährige empört und nahm die Verfolgung auf.
Sofort bemerkte er, wie schnell sein Spielkamerad war. Er war mindestens genauso flink
und wendig, wie er selbst, vielleicht sogar besser. Die beiden rannten über den Spielplatz
an den verschiedenen Geräten vorbei, bis sie nach einiger Zeit am selben Klettergerüst
ankamen, an dem Louis vorher mit Lena gespielt hatte. Nur war er diesmal derjenige, der
unten auf der Wiese stand. Außer Atem blieb der Neunjährige stehen, während Felix die
hölzerne Rampe hinauflief, ohne dabei das Kletterseil zu berühren. Im nächsten Moment
blickte er grinsend von der Brücke auf ihn herab.
So würde das nichts werden. Felix weiterhin direkt zu verfolgen hatte keinen Zweck!
Vielleicht könnte er es wie Lena vorher machen, wenn er schnell genug war. Aber ob er da
einfach so hochspringen könnte? An sich war die Brücke nicht zu hoch, aber er war
wirklich nicht gut im Klettern. Louis ging wenige Schritte zurück und rannte dann auf das
Klettergerüst zu. Er sprang so hoch er konnte und versuchte sich mit den Armen auf der
Holzbrücke abzustützen. Felix hielt einen Moment überrascht inne, ehe er zur Rutsche lief,
noch bevor Louis überhaupt oben war. Er brauchte eine Planänderung, wenn er schnell
genug sein wollte. Sofort ließ er sich wieder fallen und rannte stattdessen unter der Brücke
hindurch. Der Gejagte schrie auf, als er ihn kommen sah und wollte noch seitlich von der
Rutsche springen, doch Louis schaffte es, ihn zu erwischen.
„Mist!“, rief Felix, während sein Fänger einen Moment durchatmete und sich freute. Doch
die Freude sollte ihm nicht lange vergönnt sein. „Willst du nicht wegrennen?“, fragte er
selbst außer Atem. Da war wieder dieses freche Grinsen in seinem Gesicht. Louis
realisierte erst jetzt so wirklich, dass er ja nun weglaufen musste. Sofort setzte er sich
wieder in Bewegung. Lange würde er ohnehin nicht entkommen können…
Nach einer Weile entschieden sich die beiden dann zu Versteckfangen überzugehen. Das
war schließlich viel spannender, als sich einfach nur die ganze Zeit hinterherzulaufen.
Nach und nach schritt der Nachmittag mit jeder Runde, die sie spielten, voran und Louis
war so darin vertieft, dass er seine eigentliche Nervosität vollkommen vergessen hatte.
Auch für Lena war es einfach schön, ihn mal so ausgelassen mit einem anderen Kind
spielen zu sehen. Vielleicht hatte er da tatsächlich einen Freund gefunden. Sie hoffte es
zumindest inständig für ihn. Sie verstand ohnehin nicht, wieso ihm das so schwerfiel und
wieso andere Kinder ihn so oft ärgerten. Er war doch so ein lieber Junge. Immer nett und
rücksichtsvoll, wenn auch etwas schüchtern. Und auch, wenn er es sich zuhause nicht so
richtig anmerken ließ, gab es doch Momente, in denen man deutlich merkte, dass es ihm
wirklich weh tat. Gerade deshalb war Jack ja manchmal so streng mit ihm. Weil auch er
sich wünschte, dass sein kleiner Bruder Anschluss fand.
Gerade war Louis mit Suchen dran. Er wusste inzwischen bereits, dass Felix die ganze
Zeit umherschlich und sein Versteck wechselte, um aus seinem Sichtfeld rauszubleiben.
Er musste also nur wachsam bleiben. Vorsichtig lief er um die kleine Holzhütte herum, da
hörte er die leisen Geräusche von Schuhen hinter sich, direkt um die Ecke. Gefunden!
Schnell drehte er um und rannte los. Erst hörte er nur, wie sich jemand zügig aus dem
Staub machte, dann sah er sein Ziel um die nächste Ecke davonlaufen. Die nächste
Verfolgungsjagd begann, wo Felix vergeblich versuchte seinen Fänger abzuschütteln, um
sich neu zu verstecken. Die beiden rannten über die Wiese, über einen Hügel hinweg, in
eine abgeschirmte Ecke des Spielplatzes. Mehr oder weniger eine Sackgasse, umringt
von einem Zaun, einer Mauer und einigen Büschen. Beide Jungs blieben erschöpft stehen
und sahen sich einen kurzen Augenblick an. Jetzt hatte er ihn! Felix konnte nur nach links
oder rechts versuchen zu entkommen und da würde er ihn aufhalten.
„Okay, Spielstopp!“, rief Felix plötzlich. Irritiert hielt Louis inne. „Ich muss pinkeln“, erklärte
er knapp, während er sich dem Gebüsch zuwandte.
Ausgerechnet jetzt? Das war garantiert Absicht, weil er wusste, dass es kein Entkommen
gab. Eigentlich war das nicht wirklich fair… Dennoch wandte Louis seinen Blick ab, um
seinem Spielkamerad ein wenig Privatsphäre zu geben. Er hörte nur ein leises Geräusch,
was den Neunjährigen daran erinnerte, dass er eigentlich selbst mal musste. Das hatte er
schon vor einer Weile bemerkt, nur gab es hier keine Toiletten. Und vor all den Leuten hier
in ein Gebüsch pullern, so wie Felix das gerade machte, traute er sich wirklich nicht. Also
hatte er beschlossen, es einfach auszublenden. Das hatte bis eben beim Spielen auch gut
geklappt, aber jetzt merkte er, dass es doch allmählich dringender wurde. Unsicher griff er
sich einen Moment zwischen die Beine und sah sich dabei um, dass es auch niemand
bemerkte. Glücklicherweise war von hier, in der Ecke hinter dem Hügel, niemand zu
sehen.
„Brauchst du auch ’ne Pinkelpause?“, hörte er Felix plötzlich hinter sich, der offenbar fertig
war. Erschrocken drehte Louis sich um, nahm ertappt seine Hand aus dem Schritt und
schüttelte instinktiv und peinlich berührt den Kopf.
Na super, zu lügen machte die Situation bestimmt besser… Wieso hatte er es ihm nicht
einfach gesagt? Jetzt musste er es entweder die nächste Zeit verbergen oder zugeben,
dass er gelogen hat. Doch Felix legte nur den Kopf schief und blickte ihn leicht skeptisch
an.
„Sicher nicht? Du wirkst so…“, meinte er.
Louis biss sich unsicher auf die Unterlippe und überlegte, was er jetzt sagen sollte.
„Geht schon… Ich geh zuhause“, murmelte er, nur um ein weiteres freches Grinsen zu
ernten, als hätte Felix ihn voll durchschaut.
„Klar, wenn du’s noch solange aushältst.“
Das war dummerweise ein gutes Argument… Eigentlich hatte er keine Lust, jetzt
deswegen heimzufahren. Aber wie sollte er ihm erklären, dass es ihm einfach peinlich
war? Es könnte jederzeit jemand auf dem Hügel oder am Zaun vorbeilaufen. Doch
plötzlich veränderte sich die Miene seines Gegenübers in ein freundliches Lächeln.
„Struller doch einfach auch ins Gebüsch. Ich pass auf, dass keiner guckt“, sagte er. Felix
hatte längst verstanden, dass es seinem neuen Freund offenbar unangenehm war.
Louis blickte ihn ein wenig überrascht an und brauchte einen Moment zum Überlegen.
Dann nickte er vorsichtig. Schließlich hatte er kaum eine andere Wahl.
„Danke…“, murmelte er und lief zu den Büschen an der Mauer. Unsicher drehte er sich
noch einmal um. Sein Spielkamerad hatte sich ein wenig über den Zaun gebeugt und hielt
in alle Richtungen Ausschau nach Leuten. Louis atmete tief durch und versuchte sich zu
entspannen. Er war immer noch angespannt und es dauerte einen Moment, bis es lief.
Doch offenbar konnte er Felix vertrauen. Zumindest ein bisschen. Auch wenn ihm die
Situation trotzdem ein wenig peinlich war.
„Fertig?“, fragte der Junge ihn scheinheilig, als er zurückkam. Der Neunjährige nickte und
bemerkte gar nicht, dass Felix es geschafft hatte, heimlich den Platz mit ihm zu tauschen.
Erst als dieser wieder wegrannte, realisierte er, dass er in gewisser Hinsicht ausgetrickst
wurde. Aber das war ihm gerade egal. Felix hatte ihm geholen und das war alles, was für
ihn zählte.
Er nahm wieder die Verfolgung auf und Felix rannte zu einer Drehscheibe mit hölzerner
Oberfläche auf Kiesboden, die einem vom Eingang aus gar nicht sofort auffiel. Er kletterte
darauf und Louis blieb davor stehen.
„Dreh mal so schnell du kannst“, forderte er ihn plötzlich auf, während er sich in die Mitte
stellte. Hier endete ihr Fangenspiel wohl und Louis begann zu drehen. Das stellte sich nur
als gar nicht so leicht heraus bei der großen Scheibe, weshalb er seine Bedenken, dass er
zu schnell drehen könnte, direkt vergessen konnte. Der Metallrand fühlte sich außerdem
unangenehm warm an. War auch kein Wunder, da das Ding direkt in der Sonne stand.
Felix hielt sich wacker auf den Beinen und es dauerte eine ganze Weile, bis ihm wohl doch
ein wenig schwindelig wurde und er das Gleichgewicht verlor. Mit aller Kraft, so gut er
konnte, versuchte Louis die Drehscheibe zu bremsen.
„Alles okay?“, fragte er ein wenig besorgt.
Sein Spielkamerad richtete sich auf und kicherte: „Jap, alles gut!“ Vorsichtig krabbelte er
wieder hinunter und ließ sich auf den Kies fallen. Er schwankte noch ein wenig. „Du bist
dran!“
Louis zögerte und Felix grinste wieder.
„Traust du dich nicht?“, fragte er fast schon provokant.
Ganz wohl war ihm dabei tatsächlich nicht und vielleicht wäre das auch kein Problem.
Trotzdem wollte der Neunjährige nicht als Feigling dastehen und wagte sich auf das
Spielgerät. Es war immerhin dazu gedacht. Was sollte schon passieren?
„Sag einfach stopp, wenn es dir zuviel wird“, hörte er hinter sich, während er die Mitte
erreichte. Louis war ein wenig verwirrt. Erst forderte er ihn quasi heraus und jetzt achtete
er darauf, dass es ihm nicht zu schnell wurde? Aber eigentlich war er dafür auch ganz
dankbar, vorausgesetzt Felix würde sich dran halten. Nur eine Frage brannte ihm gerade
viel mehr auf der Zunge.
„Sag mal, ist dir eigentlich nicht viel zu warm?“ Er trug immerhin immer noch diese
hellblaue Stoffjacke über seinem Shirt. Felix hielt irritiert inne, dann lachte er.
„Öh… Klar, ich schwitz wie Sau! Aber ich blende das irgendwie einfach aus…“
„Hä?“, war alles, was Louis hervorbrachte.
„Ja, keine Ahnung… Ich trag sowas eigentlich immer. Ich glaub, ich bin das gewohnt.“
Auf eine schräge Art ergab das schon Sinn. Er selbst hatte beim Spielen heute ja auch
mehrmals die Hitze vollkommen ausgeblendet. Genauso wie, dass er zwischendurch
pullern musste. Trotzdem könnte er die Jacke doch einfach ausziehen?
In diesem Moment begann Felix die Scheibe zu drehen und riss ihn aus seinen Gedanken.
Jetzt hieß es Konzentration! Es war jedoch gar nicht so leicht, einfach darauf stehen zu
bleiben. Entweder sah es von unten langsamer aus oder sein Spielkamerad konnte
schneller drehen, als er. Auf jeden Fall wurde ihm doch recht schnell schwindelig, sodass
er nach weniger als einer halben Minute doch: „Stopp!“, rief. Das Spielgerät wurde
langsamer. Trotzdem, vielleicht auch gerade deswegen, verlor Louis das Gleichgewicht
und fiel auf die Holzplatte. Er versuchte mühselig sich zu orientieren. Gefühlt drehte sich
die Scheibe unter ihm noch immer. Wehgetan hatte er sich aber offenbar nicht.
„Alles gut?“, hörte er von irgendwo kommen. Zögerlich nickte er und betrachtete seine
Hände, mit denen er seine Landung gerade abgefangen hatte. Ein wenig beschleunigte
sich sein Herzschlag, als er einen kleinen Splitter in seinem Zeigefinger entdeckte.
Felix bemerkte, dass etwas nicht stimmte und kletterte zu ihm. Auch er erkannte schnell,
was seinen neuen Freund bedrückte.
„Oh… Vielleicht sollten wir kurz zu meiner Oma und…“, er überlegte kurz, wie seine
Babysitterin nochmal hieß, „…Lena gehen.“
Louis nickte nervös. Es fühlte sich nicht so schlimm an, da war nur ein leichter Druck. Aber
würde es weh tun, ihn rauszuholen? Es war nur ein kleiner Holzsplitter und dennoch
machte er ihm Angst. Sein Herz klopfte und er spürte ein wenig Panik in sich aufkommen,
während sie sich den Erwachsenen näherten. Die bemerkten bei den Gesichtern der
beiden natürlich sofort, dass etwas passiert war.
„Lenaaa…? Ich hab ’nen Splitter…“, erklärte er ängstlich.
„Oh, wirklich? Lass mich mal sehen…“, entgegnete die junge Frau ruhig. Der Neunjährige
setzte sich neben sie und reichte ihr seine Hand. „Hm… Der ist nicht so tief, den kriegen
wir sicher ganz leicht raus“, versuchte sie ihn zu beruhigen. Das war zumindest so halb die
Wahrheit. Schließlich hatte sie keine Pinzette oder so da. Aber sie kannte ihn gut genug,
um zu wissen, dass das ein heikles Thema war. Eigentlich war es das bei allen Kindern,
soweit sie wusste…
Vorsichtig versuchte sie ihn mit ein wenig Druck rauszuschieben, was Louis jedoch nur mit
einem schmerzhaften Laut zurückzucken ließ.
„Tut mir leid, ich bin so vorsichtig, wie ich kann, ok?“, sprach sie sanft, aber bestimmt.
Doch Louis schüttelte den Kopf.
„Nein, das tut weh!“, beklagte er sich. Klar, wenn jemand den Splitter entfernen sollte,
dann Lena. Aber irgendwie wünschte er sich, dass es eine andere Möglichkeit gäbe.
Vorsichtig griff Lena wieder nach seiner Hand.
„Ich weiß, dass das jetzt kurz unangenehm ist, aber ich verspreche, ich bin ganz
vorsichtig. Meinst du, du schaffst es kurz tapfer zu sein? Und wenn es gar nicht geht, dann
hör ich auf, ok?“ Der Junge zögerte nach wie vor verängstigt, aber nickte. Er bemerkte,
wie sich leichte Tränen in seinen Augen bildeten, während Lena erneut begann vorsichtig
den Splitter zu entfernen. Er konnte doch jetzt nicht weinen. Nicht vor Felix! Louis dachte
an seinen Bruder. Wie er ihm sagen würde, dass er sich zusammenreißen sollte. Er
wandte seinen Blick ab und kniff die Augen zusammen.
„So, ich hab ihn. Du hast es geschafft!“, hörte er plötzlich Lenas Stimme wieder. Er öffnete
die Augen wieder. Sein Finger blutete ganz leicht, aber es tat kaum noch weh. Er wagte
einen vorsichtigen Blick zu Felix. Ob er wohl lachte oder richtig hämisch grinste? Doch der
blickte ihm nur besorgt über die Schulter.
„Braucht ihr ein Pflaster?“, schaltete sich nun dessen Oma ein, die bereits in ihrer Tasche
danach kramte. Kurz darauf holte sie ein weißes Pflaster mit einigen niedlichen Tieren
darauf hervor, welches Lena entgegennahm.
„Danke, das ist sehr freundlich. An sowas hab ich gar nicht gedacht…“, meinte sie.
„Meine Oma hat immer Pflaster dabei“, warf Felix stolz lächelnd ein.
„Ja, Oma ist auf alles vorbereitet!“, stimmte die ältere Frau lachend zu.
Louis war immer noch auf seinen Finger konzentriert, den Lena gerade verarztete. So
ganz war ihm gerade noch nicht wieder nach Lachen zumute.
„Ich mag auch keine Splitter…“, meinte Felix ein wenig mitfühlend, während er sich neben
ihn setzte.
„Vielleicht solltet ihr beiden mal noch eine kurze Pause vom Spielen machen, hm?“, schlug
Lena vor. Dabei legte sie einen Arm um ihren verletzten Schützling. Louis nickte und
kuschelte sich ein wenig erschöpft an sie.
Währenddessen schlug Jack auf einen Boxsack im Trainingsraum des örtlichen
Polizeireviers ein. Seine Schicht war eigentlich bereits beendet, aber manchmal war ihm
einfach danach, sich noch einmal richtig zu verausgaben. Außerdem sparte er sich so
sämtliche Mitgliedschaften in irgendwelchen Fitnessstudios. Aber für heute war es
allmählich doch genug. Er ging zu seiner schwarzen Sporttasche und sah auf sein Handy.
Der Dienstplan für den kommenden Monat war da. Sofort fiel ihm die aktuelle Woche ins
Auge. Eine Nachtschicht am Donnerstag? War das deren verdammter Ernst!? Die wussten
doch, dass er keine Nachtschichten übernehmen konnte, wegen seinem kleinen Bruder!
Es war verdammtes Glück, dass Lena sich ausgerechnet diese Woche freigenommen
hatte. Dennoch wollte er sich am liebsten beschweren gehen. Doch das konnte er sich
nicht erlauben. Er hatte ohnehin den Luxus, dass sein Vorgesetzter so nett war und seine
Arbeitszeiten wegen seiner familiären Situation flexibler waren, als die der anderen. Und
selbst wenn er etwas sagen würde, dürfte er sich sicher nur etwas zum Personalmangel
anhören. Im Moment lief hier sowieso alles ziemlich chaotisch und alles andere als positiv.
Sie hatten schließlich alle Überstunden zu verzeichnen. Wenigstens hatte er danach wohl
mal ein paar Tage frei. Dann konnte er da zumindest noch ein wenig mehr Zeit mit Lena
verbringen.
Der Nachmittag verstrich und allmählich war es auf dem Spielplatz nicht mehr ganz so
heiß. Es waren auch kaum noch andere Kinder anwesend. Die beiden Jungs saßen auf
der Holzbrücke des Klettergerüsts und ließen entspannt ihre Beine herabbaumeln.
Inzwischen waren sie beide doch sichtlich erschöpft und unterhielten sich nur noch.
„Mario!?“, wiederholte Felix ungläubig. Louis zuckte mit den Schultern.
„Ja, wieso nicht?“ Was war falsch an Mario?
„Na gut… Und außer Mario?“, hakte sein neuer Freund nach. Gerade sprachen sie
darüber, welchen Fahrer bei Mario Kart sie am meisten mochten. Und er war der festen
Überzeugung, dass es da ja wohl deutlich coolere Charaktere als Mario gab. Louis
überlegte.
„Hm… Vielleicht Toad? Was würdest du denn sagen?“
Mit dieser Antwort konnte sich Felix zufrieden geben. Toad war ganz in Ordnung.
„Definitiv Link!“, lautete seine klare Antwort. „Und vielleicht Knochen-Bowser.“
Louis musste zugeben, dass letzterer wohl tatsächlich ziemlich cool war. Auch wenn er die
Bösen grundsätzlich nicht so mochte. Bei Link wusste er aber nicht mal wirklich, wer der
überhaupt war. Nur, dass er wohl aus einem anderen Spiel war.
„Hast du mal Zelda gespielt?“, fragte Felix sofort weiter. Der Neunjährige schüttelte den
Kopf. „Das ist voll cool, das musst du echt mal ausprobieren!“
Für einen Moment trat eine schweigsame Pause ein. Louis blickte von der Brücke herab
auf das Gras am Boden. Eigentlich sollten sie doch so langsam mal darüber sprechen, wie
sie sich wiedersehen würden, oder? Zumindest mochte er Felix und hoffte, dass er das
genauso empfand und auch mit ihm befreundet sein wollte.
„Alsooo… Du wohnst du hier in der Nähe?“, fragte er schließlich vorsichtig.
„Ne… Ich wohn ein bisschen weiter weg. Ich bin nur diese Woche bei meiner Oma zu
Besuch“, erklärte Felix. Der Gesichtsausdruck von Louis verdunkelte sich merklich und er
spürte, wie sich etwas in ihm zusammenzog. Bedeutete das, dass sie sich nicht
wiedersehen würden? Das war doch nicht fair! Da hatte er endlich jemanden gefunden,
mit dem er sich gut verstand und dann wohnte er weiter weg? Wie weit bedeutete das
überhaupt? Ein weiteres mal musste der Neunjährige seine Tränen unterdrücken.
„Hey, kein Grund, traurig zu sein. Ich bin öfter bei meiner Oma zu Besuch. Eigentlich
immer, wenn Ferien sind. Und ich kenn hier auch sonst nicht wirklich jemanden. Es wäre
also echt cool, wenn wir uns da wieder treffen könnten.“
Trotz der schlechten Nachricht bildete sich wieder ein leichtes Lächeln in Louis‘ Gesicht.
Gut, sie würden sich wohl immer nur in den Ferien sehen. Aber sie würden sich
wiedersehen. Er hatte heute also tatsächlich einen Freund gefunden.
Felix ließ seinen Körper nach hinten sinken und legte sich die Brücke.
„Wie alt bist du eigentlich?“, wollte er wissen. Louis beschloss sich ebenfalls hinzulegen.
Er blickte nach oben in den Himmel, wo nur wenige Wolken vorbeizogen. Eine kleinere
verdeckte gerade die Sonne ein wenig.
„Neun. Fast zehn“, antwortete er.
„Dann bist du älter als ich. Ich bin erst neun geworden.“
Ein wenig unterhielten sich die beiden noch, bis schließlich ihre Aufsichtspersonen zu
ihnen kamen.
„Na, ich sehe, ihr habt euch ganz schön ausgepowert“, meinte die Oma von Felix mit
einem freundlichen Lächeln. „Aber allmählich sollten wir heimfahren und mal schaun, dass
es Abendbrot gibt. Ihr habt doch bestimmt schon Hunger!“
„Hm… Geht“, meinte Felix, richtete sich auf und sprang vom Klettergerüst. Louis richtete
sich ebenfalls auf und blickte ein wenig betrübt drein. Sein neuer Freund versuchte ihm ein
aufmunterndes Lächeln zu schenken, ehe er sich seiner Oma zuwandte.
„Kannst du seiner Babysitterin deine Nummer geben?“, fragte er fast schon auffordernd.
Lena zwinkerte ihm zu: „Schon geschehen.“ Darum hatte sie sich längst gekümmert.
Kurz darauf verabschiedeten sich die beiden. Felix winkte noch fröhlich, während sie zum
Auto liefen und Louis bemühte sich ebenfalls zu lächeln, obwohl er schon ein bisschen
traurig war.
Lena wandte sich ihm zu. Man sah dem Jungen wirklich an, wie erschöpft er von dem Tag
war und er wirkte auch ein wenig geknickt von dem Abschied. Kurzerhand hob sie ihn von
der Brücke des Klettergerüsts. Kaum stand er wieder auf den Beinen, klammerte er sich
zaghaft mit beiden Händen an ihren Arm und lehnte seinen Kopf leicht an sie. Einerseits
aus Müdigkeit, aber auch, weil er sich gerade nach ihrer Nähe sehnte. Seine Beine fühlten
sich schwer an. So richtig fiel ihm das aber erst jetzt auf. Das hatte er wohl auch
ausgeblendet. Er spürte die sanfte Hand von Lena, die über seine verschwitzten Haare
strich.
„Dann sehen wir mal zu, dass wir auch langsam heimfahren. Jack wartet bestimmt schon
auf uns. Aber schön zu sehen, dass du heute soviel Spaß hattest“, meinte sie ruhig. Louis
nickte leicht und sie machten sich auf den Heimweg. Doch ein wenig hatte er doch ein
schlechtes Gewissen ihr gegenüber.
„Tut mir leid, dass ich dich sitzen lassen hab…“, murmelte er. Die junge Frau lächelte.
„Ach, Schätzchen… Da musst du dich wirklich nicht entschuldigen. Ich hätte es gar nicht
anders gewollt. Ich freu mich für dich, dass du einen Freund gefunden hast. Und ich seh
dich ja auch jeden Tag.“ Als Reaktion bekam sie ein weiteres müdes Nicken.
Die Fahrt verlief ruhig. Der Neunjährige hatte offensichtlich nicht mehr die Energie von
allem zu erzählen, was sie heute gespielt hatten. Aber das meiste hatte sie ja ohnehin
mitbekommen. Vermutlich musste er auch selbst erstmal alles verarbeiten, was er heute
erlebt hatte.
Zuhause angekommen legte sich Louis auf die Couch im Wohnzimmer und schaltete den
Fernseher an. Während er durch die Programme schaltete, begann Lena damit, das
Abendessen vorzubereiten. Hauptsächlich suchte sie Brot, Aufstrich und verschiedenen
Belag zusammen. Eine Gurke konnte sie vielleicht noch aufschneiden. Kochen würde sie
heute bestimmt nicht noch einmal.
„Na, wieder zurück?“, vernahm sie die Stimme ihres Freundes in der Küche, der sofort
begann, ihr zu helfen. Mehr als eine kurze Nachricht auf Whatsapp, dass sie auf dem
Spielplatz waren, hatte er von ihr heute gar nicht mehr gehört.
Sie wandte sich ihm zu und gab ihm einen schnellen Kuss zur Begrüßung, ehe sie
antwortete: „Ja, war super heute.“ Dann griff sie nach dem Sparschäler und begann für
den Jungen die Gurke zu schälen. Die Schale gehörte zu den vielen Dingen, die er nicht
mochte. „Louis hat heute einen Freund gefunden“, begann sie zu erzählen.
Jack sah sie überrascht, fast schon ungläubig an. Das war ja doch noch eine wirklich gute
Nachricht, so mies, wie sein bisheriger Tag verlaufen war.
„Wirklich? Er hat tatsächlich jemanden kennengelernt?“
„Ja. Sein Name ist Felix. Er hat Louis irgendwann einfach angesprochen, als er sich nicht
getraut hat. Scheint ein echt netter Junge zu sein, ziemlich genau in seinem Alter. Die
beiden haben den ganzen Nachmittag miteinander gespielt. Ich hab Telefonnummern mit
seiner Großmutter ausgetauscht“, fasste Lena die Ereignisse des Tages grob zusammen.
Tatsächlich zeichnete sich dabei ein warmes Lächeln im Gesicht des jungen Mannes ab.
Sein kleiner Bruder hatte tatsächlich mal jemanden kennengelernt. Wer hätte das
gedacht?
„Vielleicht treffen sie sich ja bald mal wieder. Dann hätten wir endlich mal wieder ein wenig
Zeit für uns.“ Die Zeit, die sie nur zu zweit verbringen konnten, war im letzten Jahr doch
wirklich wenig geworden. Seine Freundin verzog ein wenig das Gesicht.
„Schwierig… Der Junge wohnt am anderen Ende der Stadt und ist immer nur ein paar
Tage in den Ferien hier. Das wäre knapp eine Stunde mit dem Auto“, erklärte sie.
Irgendwie hatte Louis in der Hinsicht auch wirklich kein Glück.
„Ach, scheiße…“, erwiderte Jack. Nicht, dass er das für seinen kleinen Bruder und ein
wenig Zeit mit Lena nicht tun würde, aber er hatte ja nicht mal einen Führerschein. Er
wollte ihn zwar wirklich gerne machen, aber er hatte im Moment schlichtweg keine Zeit
dafür.
„Vielleicht klappt es ja diese Woche nochmal. Louis würde sich bestimmt freuen“,
versuchte sie ihn ein wenig aufzuheitern.
Eine Weile nach dem Abendessen sah Lena noch einmal nach ihrem kleinen Schützling,
der bereits müde auf dem Bett auf sie wartete. Sie klopfte leicht gegen seine geöffnete
Zimmertür und lächelte ihm liebevoll zu. Alles nötige zum Wickeln hatte sie
selbstverständlich ebenfalls dabei.
„Na, hast du dir die Zähne geputzt?“, fragte sie. Der Neunjährige nickte müde. Seinen
Schlafanzug hatte er bewusst noch nicht angezogen. Irgendwie wollte er, dass Lena das
machte. In ihrer Hand fiel ihm wieder die Creme auf, die sie heute morgen besorgt hatten.
Irgendwie hatte er auf einmal doch wieder ein mulmiges Gefühl, was die Windeln anging.
Gestern hatte er sich irgendwie daran gewöhnt gehabt, aber gerade begann sein Herz
doch wieder ein wenig schneller zu schlagen.
Lena setzte sich neben ihn aufs Bett und bemerkte seinen unsicheren Blick. Sie kannte
ihn inzwischen wirklich gut genug, um das zu erkennen. Vielleicht war es auch so eine Art
mütterlicher Instinkt, den sie nach und nach für diesen Jungen entwickelt hatte. Aber sie
war vorbereitet.
„Kein Grund nervös zu sein. Ich hab dir was mitgebracht, was dich vielleicht ein bisschen
beruhigt. Mach mal die Augen zu und den Mund auf.“
Louis blickte ein wenig verwirrt, aber tat, was sie sagte. Im nächsten Moment spürte er
etwas komisches, aber auch seltsam vertrautes in seinem Mund. Er öffnete die Augen
wieder und griff danach. Es war der dunkelblaue Schnuller, den er heute morgen haben
wollte. Den hatte er über den Tag völlig vergessen. Lena lächelte ihn nur freundlich an.
Vorsichtig nahm er ihn wieder in den Mund und begann daran zu saugen. Es fühlte sich
tatsächlich beruhigend an. Er war vermutlich ein wenig zu klein, doch es gefiel ihm
irgendwie.
Behutsam legte Lena seinen Oberkörper aufs Bett. Louis griff neben sich und nahm
seinen Plüschhund in den Arm. Jetzt war er kein bisschen mehr nervös.
Sie begann ihm die Hose auszuziehen und er schloss die Augen. Kurz darauf spürte er,
wie sie die Creme sanft in seinem Windelbereich verteilte. Allmählich übernahm auch
erneut die Müdigkeit nach dem anstrengenden Tag die Kontrolle. Eigentlich hätte er
gerade direkt einschlafen können, aber er wollte auch, dass sie ihm noch vorlas. Nachdem
Lena fertig war und das weiche Polster für die Nacht zwischen seinen Beinen
verschlossen hatte, griff sie nach seiner Schlafanzughose. Da musste er noch einmal
mithelfen, auch wenn es nun echt anstrengend war, die Augen offen zu halten.
Anschließend half sie ihm noch in sein Oberteil.
Als sie den Jungen so vor sich auf dem Bett sitzen sah, mit Windel, Schnuller und seinem
Plüschhund im Arm, musste sie unweigerlich lächeln. Irgendwie wirkte er gerade so gar
nicht mehr, wie der Neunjährige, der er eigentlich war. Allerdings war da noch etwas
anderes, das sie nun noch einmal ansprechen wollte.
„Willst du mir sagen, was gestern los war?“, fragte sie ruhig, beinahe flüsternd. Sie sprach
von dem Moment am Nachmittag, in dem Louis das Wickeln abgebrochen hatte und keine
Windel mehr anziehen wollte. Immerhin schien es ihm ja doch zu gefallen und irgendwie
hielt sie das gerade für den richtigen Zeitpunkt. Jetzt, wo er so ruhig war.
Louis zögerte und umklammerte seinen Plüschhund ein wenig fester. Doch er überlegte.
Gerade wollte er etwas sagen, da fiel ihm auf, dass er immer noch den Schnuller im Mund
hatte. Vorsichtig griff er danach und zog ihn für einen Moment wieder heraus.
„Ich wollte dir nicht soviel Arbeit machen…“, murmelte er ebenso leise und wirkte dabei ein
wenig betrübt. Die junge Frau lächelte ihm schwach, aber aufheiternd zu, während sie ihm
sanft über den Kopf streichelte.
„Dir war das unangenehm mit dem Saubermachen, oder…?“, entgegnete sie behutsam.
Nach einem kurzen Moment nickte der Junge unsicher.
„Das hab ich mir heute morgen irgendwie schon gedacht, als du duschen wolltest. Aber
hör mal, Hase… Ich mach das gern für dich, ehrlich. Mir ist nur wichtig, dass es dich
glücklich macht.“
Louis wusste nicht so ganz, was er sagen sollte. Aber irgendwie wurde ihm in diesem
Moment einfach nur richtig warm ums Herz und er konnte nicht anders, als Lena einfach
ganz fest zu umarmen. Ganz leicht stiegen ihm sogar Tränen in die Augen.
Mindestens eine halbe Minute verblieben sie in dieser Position, ehe er sich langsam
wieder löste, sich seinen neuen Schnuller wieder in den Mund steckte und sich in sein Bett
kuschelte. Er dachte nicht daran, sich selbst zuzudecken. Es fühlte sich viel besser an,
wenn Lena das jetzt machte. Und sie tat es. Sanft und liebevoll, so wie er es sich
wünschte. Es fühlte sich einfach gut an. Anschließend griff sie nach dem Buch, dass sie
heute lesen wollten und schlug es auf.
Man konnte sehen, wie sehr sich Louis dabei bemühte, wach zu bleiben. Doch der Tag
war wirklich zu anstrengend gewesen, sodass er auch heute schnell einschlief. Vielleicht
sollten sie sich morgen doch etwas mehr Zeit nehmen, damit er auch noch etwas von der
Geschichte mitbekam.
„Gute Nacht, Schätzchen. Träum was Schönes…“, flüsterte Lena und gab ihm wieder
einen sanften Kuss auf die Stirn, ehe sie Zimmer verließ.
Autor: Lucas2242 | Eingesandt via Mail
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Written by Lucas2242
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Sehr schön geschrieben
Bitte weiterschreiben
Gut geschrieben. Schade das Felix so weit weg wohnt. Aber: die Geschichte hat ja erst angefangen…..