Seifenblasen (4)
Windelgeschichten.org präsentiert: Seifenblasen (4) – 1. Teil
Kapitel 4: Ein ganz normaler Tag
Ich kann gar nicht beschreiben wie nervig es war, dem kleinen Hosenscheißer beim Unterricht zuzusehen, ich muss ihm zwar zustimmen, dass der Unterricht wirklich langweilig war und vor allem total unnütz, ich mein, wozu muss man denn wissen, wie und wo und wann und warum man Kommata setzt, dafür gibt es doch schließlich Zauber, aber ich tat natürlich meine Pflicht und brachte ihn dazu zuzuhören, was ein ganzes Stück Arbeit war, ich musste ihn unzählige Male darauf hinweisen, dass er besser zuhören sollte, als auf seinem Zettel herum zu malen, oder aus dem Fenster zu schauen, ich glaube sogar, dass ich mehr vom Unterricht mitbekommen habe als er. Zum Glück hatte aber auch diese Folter irgendwann ein Ende. Die Schulglocke klingelte, für einen kurzen Augenblick durchzog Stille das Klassenzimmer und in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit sprangen alle Kinder auf und stürmten zur Tür und das obwohl sie wussten, dass immer nur ein Kind zur selben Zeit würde durch den Türrahmen gehen können und während auch Taro seinen Heimweg über den Schulhof antrat, kamen uns plötzlich drei Jungs entgegen, die zumindest älter als Taro zu sein schienen, auf jeden Fall waren sie aber größer, stämmiger und guckten glanzloser drein.
„Taro, wer sind die Drei?“, fragte ich ehrlich.
„D-Das sind äh-„, wollte er anfangen zu erklären, wurde aber bald vom dicksten der Jungs unterbrochen.
„Hey, Arschloch, du hast doch nicht mein Geld vergessen, hä?“, plärrte der Dicke.
„N-Nein, ich äh, aber äh, h-heute i-„, stotterte Taro völlig verängstigt.
„Ich habs mir anders überlegt, ich will mein Geld, jetzt!“, schrie der Dicke.
Ich wusste noch nicht so recht, ob ich das Ganze unterbrechen sollte, noch war nichts passiert, wenn ich zu diesem Zeitpunkt gezaubert hätte, hätte mich das wohl möglich in noch größere Schwierigkeiten bringen können, also wartete ich erst einmal ab.
Die drei Jungs kamen näher und stellten sich im Dreieck um Taro, sie kamen so nah, dass man ihren Schweiß riechen konnte, was ziemlich ekelig war. Dann, ohne irgendein Anzeichen, dass das passieren würde, nahm der Dicke, der offenbar der Führer der Gruppe war, Taro am Schlafittchen und schleuderte ihn zu Boden, während seine Kameraden hämisch grinsten. Taro war mit dieser Situation sichtlich überfordert, er saß verstaubt auf dem Boden, sich mit den Händen vom Split des Schulhofs abstützend, und guckte unsicher nach oben, zu den Jungs. Noch während ich mit meinem Zauber beschäftigt war, trat der Dicke , jetzt auch grinsend, schleifend über den Boden und schleuderte dadurch Split in Taros Gesicht.
„Tempus obriguerunt decem seconds!“, schrie ich schon fast und verschaffte Taro so zehn Sekunden, in denen er weglaufen konnte.
„Lauf!“, rief ich dem kleinen Häufchen Elend auf dem Boden zu, das, nachdem es ein paar Sekunden dazu verwendete sich wieder zu fangen, aufstand und so schnell nach Hause rannte wie es nur konnte, Taro tat mir echt leid, in dem Moment. Er lief geradewegs nachhause, während die ersten Tränen in seinen Augen zusammenliefen, sprach kein Wort, sagte keinen Ton, rannte nur.
Zuhause angekommen lief er direkt in sein Zimmer, warf sich auf sein Bett und begann ganz fürchterlich zu weinen. Ich nahm erst einmal meine wahre Gestalt wieder an, ich war ja schließlich zu diesem Zeitpunkt noch immer ein Schlüsselanhänger an seiner Schultasche gewesen, ging dann langsam in sein Zimmer und setzte mich auf seinen Schreibtischstuhl. Ich sagte nichts, ich ließ ihn erst einmal weinen, das war meiner Meinung nach in diesem Moment das Beste, was ich hätte tun können. Ich schaute ihn nur an, schaute auf den kleinen Körper, der da völlig fertig auf dem Bett lag und in sein Kissen weinte, und wartete, worauf ich wartete weiß ich nicht, aber darüber dachte ich in diesem Moment auch nicht nach, ich tat es einfach.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er dann langsam auf zu weinen, erst versiegten die Tränen, dann stoppte das Schluchzen und schließlich richtete sich Taro auf und wischte sich die letzten Spuren seines Kampfes, den Rotz, das Wasser mit dem Ärmel aus seinem puterroten Gesicht.
„Taro“, begann ich zu sprechen, nachdem der Kleine mich eine Zeit lang angeschaut hatte.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte ich so sanft wie möglich. Selbst ich konnte in dieser Situation einfach nicht anders, als Mitleid mit ihm zu haben.
Taro überlegte eine Zeitlang, bevor er schließlich den Kopf schüttelte und das kleine Fläschchen mit Seifenblasenseife aus seiner Schultasche heraus holte. Jetzt tat es mir ziemlich leid, dass ich ihn verflucht hatte.
„Taro, du, du weißt doch, was passiert, wenn du das tust“, sagte ich ruhig.
Er dachte wieder nur kurz nach und öffnete dann das Fläschchen. Kurze Zeit später flogen auch schon die ersten Seifenblasen durch den Raum, während Taro langsam schrumpfte. Ich wusste, dass ich für die nächste Stunde sowie so nichts für ihn hätte tun können, also nutzte ich diese Zeit, um mich selbst wieder zu fangen, was in diesem Falle hieß, den Alltag zu ordnen. Genauer gesagt, machte ich mich auf den Weg zu meiner Sub-Welt, um Bericht zu erstatten. Nun ist es nicht so, dass man sich einfach so teleportieren könnte, stattdessen muss man wieder durch eine Portaltür hindurch, um in die andere Welt übertreten zu können. Die nächste Portaltür war nicht weit entfernt und eigentlich so offensichtlich, dass sie jeder hätte entdecken können, denn die Tür, die ich benutzte war keine geringere, als eine Katzenklappe in einem alten, verfallenen Einfamilienhaus. Zwar war diese Tür nicht so prunkvoll wie das Gegenstück in meiner Welt, aber sie erfüllte ihren Zweck, denn kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, durch eine Katzenklappe zu krabbeln. Also verwandelte ich mich, noch in Taros Zimmer, in meine Katzengestalt, um mich auf den Weg zu machen.
Als ich in meiner Welt ankam war es Nacht, sowohl in meiner, als auch in der Menschenwelt. Und auch in meiner Welt galt, dass man in der Nacht schläft, das galt für alle, für alle außer für die Beamten, denn die mussten auf mich warten. Das Wissen darüber, dass diese alten Grießgräme nur noch wach waren, um auf mich zu warten, erfüllte mich mit einer Art schelmischer Freude und schon während ich den Weg zur Schulverwaltung einschlug wusste ich, dass ich mir die Zeit nehmen würde, jedes noch so kleine Detail genauestens zu erläutern, um diesen Säcken noch mehr Zeit zu stehlen. Als ich dann aber wieder in diesem unerhört großen Raum stand und die Alten auf mich herab blickten, sah die Sache anders aus. Nicht ich war es, die alle Details genauestens erklärte, sondern die Alten und dabei thematisierten sie jeden noch so kleinen Fehler so ausführlich wie möglich. Das Resultat des Ganzen war schließlich, dass ich ziemlich verloren, beschämt nach unten blickend, im Raum stand und darauf wartete, dass ich endlich wieder in die Menschenwelt zurück könnte, um mich nicht mehr dieser Folter aussetzen zu müssen.
Ich wusste ja ,dass ich nicht alles perfekt gemacht hatte, ich hätte zum Beispiel früher einschreiten können, um Taro von vorne herein aus seiner misslichen Lage, zwischen diesen Arschlöchern zu befreien. Ich hätte versuchen können Taro irgendwie zu trösten, auch wenn ich nicht weiß, wie ich ihn hätte trösten könne. Ich hätte vieles anders machen können, aber kein Zauberer der Welt, kann die Zeit zurück drehen, das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Was allerdings sehr wohl möglich war, war zu versuchen, Taro irgendwie zu helfen, mit seinen Problemen klar zu kommen, das wusste ich und ich kannte ja nun auch schon einige seiner Probleme. Das erste war ganz klar seine Aufmerksamkeitsschwäche, die den Jungen über kurz oder lang seine Schullaufbahn kosten würde, das andere, noch viel wichtigere Problem war, dass es von diesen Idioten tyrannisiert wurde, das zu lösen hielt ich erst einmal für das Wichtigste, danach könnte man dann Taros Noten angehen. Auf dem Weg zurück zum Portal überlegte ich also, wie ich Taro mit diesen Aufgaben helfen konnte. Es ist jetzt nicht so, dass ich ihn plötzlich mochte, es war halt meine Aufgabe ihm zu helfen und ja, ich hatte auch ein wenig Mitleid mit ihm und so war mein letzter Gedanke, bevor ich in das farbige Wasser stieg, eine wage Idee davon, wie ich Taro helfen konnte.
Autor: BabyIsi (eingesandt via E-Mail)
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Besser, es wird immer besser und besser.
Aber Absätze wären toll, erleichtert das lesen.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht was du meinst, denn meiner Meinung nach habe ich ausreichend Absätze gesetzt.
Ich finde diese Windelgeschichte klasse geschrieben und man kann sich die Geschichte bildlich vorstellen.
Taro soll wieder die Grundschule besuchen, wenn er weiter schrumpft.
Wie weit möchtest du Taro schrumpfen lassen? Ich finde es toll, wenn Taro wieder eingeschult wird und in die erste Klasse geht. Was hat das mit Windeln zu tun?
Es wird noch früh genug um Windeln gehen, allerdings habe ich nicht vor eine der typischen : Junge pullert ein, Junge wird gewickelt, Geschichte vorbei – Geschichte zu schreiben. Und ich habe es zwar schon geschrieben, aber ich schreibe es noch mal : Die Handlung ist nur das Gewand der Metaebene.
Diese Erzählung gehört zu den besten die es im Windelgenre gibt.