When 2 become 1 (18)
Windelgeschichten.org präsentiert: When 2 become 1 (18)
Kurze Zusammenfassung was bisher geschah: Nic (jetzt knapp 8 Jahre) wird von seinem Halbbruder Josh in Kanada aufgenommen, nachdem sein Zuhause in Deutschland bei einer verheerenden Explosion komplett zerstört wurde. Dabei verliert er neben seinem Vater auch seine Mutter und wird selbst schwerst verletzt. Nic liegt lange im Koma und wird anschließend von einer korrupten, menschenverachtenden Mitarbeiterin des Jugendamts extrem schlecht behandelt und weggesperrt. Sein Halbbruder Josh, der in Kanada zu beachtlichem Wohlstand gekommen ist, kämpft sich gemeinsam mit einem befreundeten Rechtsanwalt durch alle Instanzen und schafft es schließlich, das Sorgerecht für Nic zu erhalten. In Kanada versuchen Josh und eine von ihm gegründete Stiftung, den traumatisierten Nic auf dem Weg in sein neues Leben zu begleiten. Aktuell sind Josh und Nic in ihrem gemeinsamen Haus und versuchen, den Alltag in den Griff zu bekommen. Viel Spaß!
Beim Thema Pancakes war ich deutlich sattelfester. Ich schickte Nic voraus in die Küche und brachte dann schnell noch das Bad auf Vordermann. Waschbecken auswischen, Wickelunterlage desinfizieren, verbrauchte Feuchttücher usw. aufffüllen. Bei sowas war ich eisern. Aufgaben erledigte ich immer sofort. Manche legten mir das als Pedanterie aus, aber im Grunde war ich einfach nur faul. Ich wusste sehr genau, dass ich in ein, zwei Stunden ganz sicher keine Lust haben würde, das Badezimmer fit für den nächsten Einsatz zu machen. Also lieber sofort.
Zurück in der Küche fand ich Nic wieder auf dem Learning-Tower. Genau dort hatte ich ihn hingeschickt, Er hatte weder versucht, den Teig auf eigene Faust aus dem Kühlschrank zu holen, noch sich ins Wohnzimmer geschlichen, wo ein wirklich beeindruckend großer Flatscreen zumindest auf Stevens Kinder immer eine fast schon unheimliche Anziehungskraft ausübte. Nicht, dass ich großen Wert darauf legte, meine Haus mit einem rebellischen Grundschüler zu teilen, einen Schuss mehr Selbstbewusstsein wünschte ich mir für meinen kleinen Bruder aber definitiv. Daran würde wir arbeiten. Nic, ich und alle, die uns auf diesem Weg begleiteten.
20 Minuten später stand ein Teller herrlich-fluffiger Pancakes zwischen Nic und mir, flankiert von einer Flasche Ahornsirup, Marmelade und Nuss-Nugat-Creme. Der Alptraum für jeden Ernährungsberater, aber dafür extrem lecker. Und wenn Nic eines nicht hatte, dann war das ein Problem mit seinem Gewicht. Am Herd hatte mich mein kleiner Bruder mal wieder überrascht. Positiv überrascht. Bereits beim dritten Pancake hatte er den Dreh raus, wieviel Teig, schwungvoll in die Pfanne gegossen den schönsten Pancake ergab. Er war dabei hoch konzentriert und penibel darauf bedacht, so wenig Ausschuss wie möglich zu produzieren. Jeder Pancake ein mikroskopisch kleines Stück Erfolg, was den Snack für uns beide zu einer echten Erfolgsgeschichte machte. Abgesehen vom psychologischen Effekt war ich aber auch über die Menge an kalorienreicher Nahrung froh, die ich heute in Nic reinbekommen hatte. Das Thema Mangel-, bzw. Unterernährung, das der Professor in der Klinik nur kurz aber eindringlich gestreift hatte, machte mir noch immer eine Scheiß-Angst. Jetzt zeigten aber zunächst die Kohlenhydrate und der Zucker, die Nic intus hatte, ihre Wirkung. Er wurde wacher, seine Bewegungen schneller, seine Augen wissbegieriger. Er wollte los. Entdecken. In seinem neuen zu Hause ankommen. Sollte er. Gleich, nachdem wir die Küche einigermaßen im Griff hatten. Eine ziemlich spießige Haltung, wie ich fand. In der Tat aber eine Empfehlung, die mir Steven und Raissa unabhängig voneinander gegeben hatten: Bei aller Liebe, bei allen Sorgen, bei aller Nachsicht – ohne Regeln und Struktur ging es nicht. Spießer-Themen halt. Aber die beiden waren eben auch meine Lieblings-Spießer. Deshalb räumten Nic und ich erst unser Geschirr weg und danach auch die Küche auf. Ich fand’s wahnsinnig überflüssig. Nic, zu meiner Überraschung, aber überhaupt nicht. Genauso penibel, wie er die Pancakes zubereitet hatte, räumte er auch die Spülmaschine ein. Das erste Mal überhaupt war das Ding ordentlich bestückt. Teller, Tassen, Gläser, Schüsseln. Fein säuberlich sortiert. Das Gegenteil meiner Methode “schnell rein, Tür zu und weg!”. Ich war ein grundsätzlich chaotischer Mensch und hatte mir über viele Jahre lediglich eine gewisse Ordnungsstruktur angewöhnt. Basierend auf einer Art Selbstschutz. Ätzender als aufzuräumen fand ich nämlich nur noch, sehr viel auf einmal aufzuräumen. Das machte mir nach wie vor keinen Spaß, sorgte aber dafür, dass ich nur alle 14 Tage eine Putztruppe durchs Haus schicken musste. Nic war da ganz offensichtlich ein bisschen anders gestrickt. Ich vermutete dahinter eine Art von Konditionierung, die wahrscheinlich von seinem Vater stammte. Der hatte immerhin einen wirklich großen landwirtschaftlichen Betrieb geführt: Ackerbau, Viehzucht, Selbstvertrieb und diverse Dienstleistungen für kleinere Landwirte. Das ging nicht ohne eine großen Plan. Und extrem viel Disziplin. Ich war gespannt, wie sich das mit meiner Lebensauffassung und vor allem mit der Art des Zusammenlebens vertrug, die ich mir für Nic und mich wünschte. Ich hatte viele Bücher gelesen. Über Selbstorganisation und bedürfnisorientierte Erziehung. Raissa hatte mir einen Vogel gezeigt und mich zu Steven geschickt. Der hatte meine Bücher konfisziert und auf meine Brust gezeigt: “Hör auf dein Herz. Deine Intuition. Mehr brauchst du nicht. Versprochen!” Und das tat ich. Zumindest versuchte ich das.
Und ganz intuitiv wollte ich Nic jetzt “frei” geben. Ein bisschen von der Leine lassen. Ihm die Chance einräumen, auf eigene Faust durchs Haus zu stromern, seine Nase in Ecken zu stecken, die Erwachsene nicht ansatzweise auf dem Zettel hatten. Blieb noch die Sache mit Nics Zimmer. Das sah zwar nach dem Playmobil-Drama nicht mehr ganz so schlimm aus, war aber nach wie vor ziemlich verrumpelt. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass Nic freiwillig Ordnung schaffen würde. Tat er aber. Ganz ohne Aufforderung. Ich hatte ihn wirklich laufen lassen und damit gerechnet, ihn im Wohnzimmer zu finden. Oder im Keller in einem der Sport-Räume. Nic aber saß in seinem Zimmer und sortierte hingebungsvoll die ganzen Teile in die passenden Kisten. Von schlechter Laune keine Spur. Nic war bestens drauf und war völlig bei sich, bei dem, was er tat. Immer wieder unterbrach er das Aufräumen, um kleine Szenen aufzubauen, Figuren zu platzieren oder Fahrzeuge in Position zu stellen. Schwer zu sagen. ob er wirklich gerne aufräumte. Es war in diesem Augenblick aber ganz offensichtlich genau das, was Nic brauchte. Ein bisschen Ruhe. Sicherheit. Ankommen. Obwohl wir den Tag über nach meinen Maßstäben nicht wirklich viel gemacht hatten, war das Signal, das Nic mir gab, eindeutig: Sein Bedarf an Neuem war für heute gedeckt. Kein Problem. sollte er ruhig spielen. Ich holte ihn nur ganz kurz aus seinem Spiel um ihm klar zu machen, dass ich wusste, wo er war und als nächster Programmpunkt erst wieder das Abendessen anstand, Nic aber jederzeit vorher zu mir kommen könne! Ein zufriedenes Nicken. Mehr hatte ich auch nicht beabsichtigt.
Auf dem Weg in mein kleines Arbeitszimmer, das genau genommen nicht mehr war als ein etwas zu groß geratener Einbauschrank, versuchte ich, den Rest des Tages zu planen. Das Abendessen würde schnell gehen. Kalte Küche. Viele kleine Leckereien, frisches Brot und Rohkost. Vorher wollte ich aber noch kurz mit dem Professor und Steven telefonieren, die ersten Physio-Termine mit Juri ausmachen und mir das Exposé eines Maklers anschauen, das mir meine Hausbank hatte zukommen lassen. Immobilien waren inzwischen ein wichtiger Teil meines nicht wirklich kleiner werdenden Vermögens. Steven hatte in den letzten Monaten ein paar unserer Häuser und Grundstücke ziemlich gewinnbringend abgestoßen, jetzt ging es darum, das Portfolio wieder aufzufüllen. Schloss Friesenthal stand zum Verkauf. Ein altes Gutshaus nahe der dänischen Grenze. Hatte schon bessere Zeiten gesehen und war in den 1970er-Jahren ziemlich gruselig saniert worden. Aber definitiv ein Objekt mit Potenzial. Weil die alten Stallungen noch gut in Schuss waren. Für jemand ohne Geduld und Erfahrung sah das Ding nach einem hoffnungslosen Fall aus. Steven und ich hatten aber bereits zweimal ehemalige Herrenhäuser zu Gestüten umgebaut und nach erfolgter Sanierung zu unfassbaren Preisen verkauft. Kam auf jeden Fall in meine engere Auswahl. Außerdem reizte mich die Lage. Norddeutschland. Das alte Schloss war vielleicht eine wunderbare Gelegenheit, mit Nic in seine alte Heimat zu fliegen. A propos alte Heimat: Was machte eigentlich der Privatschnüffler in Sachen Endermann? Noch ein Task auf meiner Liste…
Ich musste mich zwischendurch zwingen, mich nicht von meinen Aufgaben ablenken zu lassen, die ich mir selbst zugeteilt hatte. Alles in mir schrie fast danach, nach Nic zu sehen. Das war keine Neugier. Er war längst ein Teil von mir. Was tat er gerade? Brauchte er meine Hilfe? Brachte er sich vielleicht sogar genau in diesem Augenblick in Gefahr? Jeder, der die Verantwortung für Kinder hat, kennt diese Fragen. Für mich waren sie in dieser Intensität aber neu. Und wahnsinnig schwer auszuhalten. Ohne die vielen Gespräche, die ich mit Raissa und Steven im Vorfeld geführt hatte, wäre ich wahrscheinlich zigmal zu Nic gerannt und hätte “nach dem Rechten” gesehen. Ich tat es nicht, sondern beschränkte mich lediglich darauf, seine Position im Haus auf dem Display meines Smartphones zu checken. Das war möglich, weil die Kameras des Schließsystems natürlich wussten, wen sie gerade in welches Zimmer gelassen hatten. Den Rest übernahmen die Wärmesensoren der automatischen Lichtsteuerung. Ich war kein großes Fan von Überwachungssystemen. Aber weil vor allem die Zwillinge in den letzten Jahren hier ein und ausgingen, wusste ich das System inzwischen sehr zu schätzen. Das Problem war nicht mangelndes Vertrauen. Sondern Aufsichtspflicht. Ich hatte im Keller ein echtes Paradies für Bewegungsfanatiker geschaffen. Es durfte aber eben nicht sein, dass Kinder, wie begabt auch immer sie waren, ohne Aufsicht zehn Meter hohe Boulder-Wände hochkletterten, oder in einem Pool mit Gegenstrom-Anlage ihre schwimmerischen Fähigkeiten perfektionierten. Und jetzt half mir die Technologie eben, Nic ein bisschen im Auge zu behalten. Ich ließ die Kameras in den Räumen bewusst aus. Ich wollte lediglich wissen, wo er war. Nach einer ganzen Zeit in seinem Kinderzimmer war er relativ ziellos durchs Haus gestromert und hatte zweimal versucht, Türen nach draußen zu öffnen. Das konnte er aber nicht. Noch nicht. Wir lebten hier nicht im Jungel und die Bären, die es hier draußen vereinzelt vereinzelt gab, waren an Menschen gewöhnt. Dennoch musste Nic vorher ein paar grundsätzliche Eigenheiten meines Grundstücks und der umliegenden Berge lernen, bevor ich ihn ein bisschen alleine nach draußen lassen würde. Ganz abgesehen davon, dass er für eine Temperatur von -3 Grad empfindlich zu wenig anhatte. Er hatte aber nicht lange damit gehadert, auf zwei versperrte Türen gestoßen zu sein und war schließlich im Keller gelandet. Das hatte mich dann nicht weiter überrascht. Die Angebotsvielfalt dort unten hatte früher oder später noch jeden in seinen Bann gezogen. Nach einem kurzen Abstecher zu den Fahrzeugen war er jetzt im Kletterraum und versuchte sich an zwei Übungswänden, die gefahrlos auch ohne Seile und Sicherung geklettert werden konnten. Ich hatte seine Blick heute Mittag also richtig gedeutet…
Die Physio-Termine mit Juri und das Telefonat mit Steven waren schnell erledigt. Juri würde am Montag zum ersten Mal hier vorbeikommen. In vier Tagen. Genug Zeit für Nic und mich, ein paar Routinen zu entwickeln. Außerdem vereinbarte ich mit Steven, dass sich einer unserer Gutachter Schloss Friesenthal ansehen sollte. “Und dann besteht Raissa darauf, dass ihr am Sonntag bei uns zum Frühstück kommt!”, lenkte Steven zum Ende unseres Gesprächs den Fokus auf ein privates Thema. Da musste ich theoretisch nicht zweimal überlegen. Praktisch war ich mir aber noch nicht so sicher, Nic das Ganze bereits nach zwei Tagen hier im Haus zumuten zu können. Er wusste ja inzwischen, dass Steven sechs Kinder hatte. Das Telefonat mit dem Professor half mir, wie eigentlich immer, einen Teil meiner Sorgen und Befürchtungen, die mein Psychologen-Hirn vor sich herschob, loszuwerden. Er teilte meine Ratlosigkeit bezüglich Nics Auffälligkeiten. Gemessen an dem, was wir von traumatisierten Kindern kannten, verhielt sich Nic in vielen Bereichen sehr atypisch. Emotionale Ausbrüche waren ein wichtiger Teil auf dem Weg zurück zu sich selbst. Nic war bis jetzt aber noch viel zu sehr angstgesteuert.
Er rebellierte nicht. Zeigte keinerlei Wut. Wenn, dann war da Verzweiflung. Die war relativ leicht aufzufangen. Half uns aber eben nur bedingt weiter. Er musste verarbeiten, was ihm widerfahren war. Und dafür brauchte es Zorn. Rebellion und jede Menge Emotionen. Das alles schien Nic noch unter Verschluss zu halten. Und seine Ausprägung der Inkontinenz hatten wir beide so noch nie gesehen. Keine Regression, kein bewusstes Einnässen, bzw. Einkoten. Sondern echter, massiver Kontrollverlust, gepaart mit einer mehr oder weniger nicht vorhandenen Selbstwahrnehmung. “Es ist ein weiter Weg!”, versuchte der Professor mich in meiner Ratlosigkeit aufzufangen. “Das wussten wir von Anfang an!” Ich nickte stumm ins Telefon. “Padme kann vielleicht ein bisschen Licht in die Sache bringen!”, schob ich nach. Volle Zustimmung vom Professor. “Sie wird mit Juri kommen und hat eine Woche für den ersten Therapie-Spot eingeplant!”. Eine Woche. Das war perfekt. Ich spürte, wie der Knoten in meiner Brust zu einem kleinen Knubbel schrumpfte. Spürte eine Wärme, die langsam in meinen Kopf stieg. Sie war so wichtig für Nic. Für seine Seele. Und für mich. Ich wusste, dass ich Padme längst genauso sehr brauchte, wie Nic. War aber aktuell noch nicht bereit, mir das selbst einzugestehen.
Ich klappte mein Laptop genau in dem Moment mit einem zufriedenen Schnaufer zu, als Nic in meinem Büro-Kämmerchen auftauchte. Sofort war da der Geruch von Feuchtigkeitscreme und das Schlurfen weicher Moosgummisohlen. Erst stand wie immer einfach nur da und sah mich an. Blickkontakt. Immerhin. In unserem Fall war das sogar fast mehr, als ein Gespräch. Weil Nic mich ansah, konnte ich in ihn hineinsehen. Er wusste, dass ich das konnte und wollte also, dass wir in diesem Augenblick auf diese Art zueinander fanden. Und natürlich machte ich mich auf den Weg in seinen “Kopf” und fand dort, was ich erwartet hatte. Hohe Mauern. Ein Dickicht an Widerständen. Schmerz. Und ein paar zarte Irrlichter aus Neugier, Zuneigung, Erleichterung. Alles noch oberflächlich. So zerbrechlich, dass es mir fast körperlich weh tat. Nein, dieses Kind war noch lange nicht über all das hinweg, was ihm angetan wurde. Es war die Bestätigung dessen, was ich in den letzten beiden Tagen gespürt, und vor wenigen Minuten mit dem Professor diskutiert hatte. Der hatte es wie immer auf den Punkt gebracht: “Es ist ein weiter Weg!” Und jetzt wusste ich auch, wie Recht er damit gehabt hatte.
Änderte das irgend etwas an der Situation? An meinem Verhältnis zu Nic? Meiner Zuneigung? Ganz sicher nicht. Im Gegenteil. “Du hast Hunger, oder?”, holte ich uns beide aus der engen Verbindung, die ich aufgebaut hatte. Ein schnelles Flackern in seinen Augen, dann ein heftiges Nicken. Er hatte mir, wahrscheinlich unterbewusst, genau diese Botschaft übermitteln wollen. Es war ein Hilferuf seiner Seele. Und ich hatte verstanden. Auch wenn das an der eigentlichen Herausforderung nichts änderte. Aber es half, wieder in die Spur zu finden. Schritt für Schritt. Jetzt war erstmal die Zeit, zurück in den Alltag zu finden. Wir mussten was gegen den Hunger tun. Der war nämlich immer ein schlechter Ratgeber. Während ich Nic sanft aus meinem Büro-Kämmerchen schob, schnappte ich mit Daumen und Zeigefinger kurz ein Stück seiner Leggings sowie der darunterliegenden Strumpfhose und erwischte dabei wie geplant auch gleich ein Stück Windel. Warm und etwas matschig. Mehr musste ich nicht wissen. Nic hatte in den letzten 10 Minuten in die Windel gemacht, war aber noch lange nicht fällig für einen Windelwechsel. Und alles andere hätte ich gerochen. Ins Bad schickte ich meinen Bruder dennoch. “Händewaschen! Magnesia im Essen ist echt nicht lecker!” Er schien erst jetzt zu bemerken, dass er aussah, als hätte man ihn in Puderzucker eingelegt. Typisch, für Anfänger. Zu viel Magnesia, zu nah an der Wand. Sei’s drum.Er hatte offensichtlich Spaß gehabt. Und die Zwillinge hatten bei ihren ersten Kletterversuchen ganz ähnlich ausgesehen.
Während Nic in Richtung Badzimmer schlurfte, musste ich fast lachen. Das fand er jetzt wirklich blöd. Worte brauchte es dafür nicht, um diese Botschaft zu transportieren. Ein Blick auf auf seine Zeitlupen-Bewegungen und die hängenden Schultern reichte völlig. Das tat gut. Nicht, weil ich Nic gerne unglücklich sah. Sondern weil er so etwas wie einen eigenen Willen, einen Hauch von Emotionen zeigte. Das durfte gerne mehr werden. Viel mehr! Bis er, natürlich wieder in Zeitlupe, zurück in der Küche war, hatte ich den Abendbrot-Tisch mehr oder weniger fertig hergerichtet. Allerdings nicht am Tresen in der Küche und auch nicht im Esszimmer, sondern im Wohnzimmer auf dem Couchtisch. Auf der Couch lümmeln, essen und dabei ein paar Filme gucken. Es war der Alptraum aller Erziehungsberechtigten. Geschenkt. Ja, ich war für Nic verantwortlich. Und ja, ich würde noch viele Kämpfe mit ihm ausfechten müssen. Aber ich war auch sein großer Bruder. Und ich hatte nicht vor, diese Rolle zu vernachlässigen. Außerdem hatte ich heute schlicht keine Lust, am Esstisch zu sitzen und vor lauter Vernunft und Erziehungsfokussiertheit zu vergessen, dass man hin und wieder auch ein bisschen Spaß haben durfte. Nein, musste! Raissa und Steven würden das schon verstehen, im Zweifel würden sie davon schlicht nichts erfahren. Was ist zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Auch die beiden legten von Zeit zu Zeit “Gammelabende” ein. Mit der ganzen Truppe. Muss ich separat erwähnen, dass ich mit meiner Idee voll ins Schwarze traf? Ne, oder? Nic schnallte sofort, was ich wollte und hatte sich keine 30 Sekunden später neben mir in ein paar Kissen gewühlt. Konnte also losgehen. Ich navigierte mich auf dem riesigen Screen an der Wand zu Youtube und sprang dort auf einen Kanal, der ausschließlich Playmobil-Videos zeigte. Jede Menge Geschichten, nachgespielt mit den kleinen Plastikfiguren. Für jeden Erwachsenen nach spätestens 30 Minuten nur noch ganz schwer zu ertragen und wahrscheinlich deshalb bei Kindern so erfolgreich. Nic schien den Kanal zu kennen und bekam vor lauter Aufregung knallrote Backen. Ich startete die neuste Folge und konnte unmittelbar im Anschluss miterleben, wie Nic in dieser Welt aus Plastik, banalen Alltagsherausforderungen und Happy-Ends versank. Meine Rolle beschränkte sich vor allem darauf, ihn regelmäßig mit Updates auf seinem Teller zu versorgen. Angenehmer Nebeneffekt: Er stopfte wirklich Unmengen in sich hinein. Konnte dem mageren Kerlchen nur gut tun. Auf dem frischen Kohlrabi blieb ich leider sitzen. Den erkannte und mied Nic sogar im Playmobil-Koma. Ein Jammer, hatte ich doch tatsächlich gehofft, das widerliche Zeug elegant bei ihm entsorgen zu können. Es gab also ein Anti-Kohlrabi-Gen. Wieder was gelernt.
Ein gefühltes Playmobilfiguren-Leben später war nicht nur meine Geduld in Sachen Plastik-Geschichten aufgebraucht, sondern auch der Vorrat an Nahrungsmitteln rund um den Couchtisch erschöpft. Endspurt! Ich klickte noch zwei weitere Folgen in die Youtube-Playlist und begann, die Reste des Abendessens in die Küche zu räumen. Anschließend ging ich ins Badezimmer und ließ warmes Wasser in die Eckbadewann laufen. Das ging per Knopfdruck und würde rund zehn Minuten dauern. Zeit genug, um Nic aus dem Playmobil-Land zu holen. Der hatte augescheinlich nicht wirklich mitbekommen, dass ich die letzten zehn Minuten gar nicht im Raum gewesen war. Es war wahnsinn zu sehen, wie schnell dieser kleine Kerl die Realität hinter sich lassen und in eine reine Phantasiewelt flüchten konnte. Aus dem Studium wusste ich, dass das ein Selbstschutz-Mechanismus der Seele war. Und Nic war offensichtlich sehr geübt darin, die Realität hinter sich zu lassen. Der Grund lag, da war ich mir sicher, in den Wochen und Monaten nach dem Unfall von Nics Eltern. Franziska Endermann hatte ihm übel mitgespielt. Seelisch. Körperlich. Emotional. Ich versuchte ihn entsprechend vorsichtig zurück ins Hier und Jetzt zu kriegen. Redete mit ihm. Kündigte an, nach der nächsten Folge abzuschalten. Ein Feedback bekam ich nicht. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Da ich aber sehr genau wusste, auf was ich achten musste, fielen mir schnell auf, dass Nic sehr wohl reagierte. Je öfter ich meine Ankündigung wiederholte, desto fester verkrallte er sich den Stoff seiner Leggings. Außerdem begann irgendwann seine Unterlippe leicht zu zittern. Und dann war plötzlich wieder da. Bei mir. Ein kurzes Erschaudern seines kleinen Körpers, dann konnte ich ihn wieder erreichen. Kein Protest, keine Wut, keine Enttäuschung. Dafür so etwas wie widerwillige Zustimmung. Damit konnte ich leben. Ich hatte nicht nur Trauma-Kinder wegen Belangloserem Ausrasten sehen. Ich zog Nic zu mir auf den Schoß, lobte ihn dafür, dass er es geschafft hatte, das Ende des Youtube-Abends zu akzeptieren. Ich hatte meine linke Hand auf seiner Brust und spürte von Sekunde zu Sekunde, dass er auch körperlich ruhiger wurde. “Gehst du ins Bad und ziehst schonmal alles bis auf die Windel aus?”, legte ich die Messlatte bewusst ein ganzes Stück höher. Bislang hatte Nic ja maximal seine Hose selbst ausgezogen. Jetzt also alles, was er am Körper trug. Ich ließ ihm bewusst einen Vorsprung. Das sollte er jetzt ruhig Mal versuchen. Ich brachte so lange die Sofakissen, zwei Decken und die restliche Deko wieder in Ordnung. Nichts, was ich sonst tat. Aber es nahm zwei oder drei Minuten von der Uhr. Dann ging ich in Zeitlupe in die Küche und füllte Nics Trinkflasche für dich Nacht mit Wasser, in das ich einen Hauch Holunderblüten-Sirup träufelte. Sollte er doch ruhig was schmecken, wenn er heute Nacht Durst bekam. Außerdem holte ich einen “frischen” Schnuller aus dem Sterilisator, der ganz hinten in der Ecke neben einer der großen Küchengeräte stand. Nic hatte sich bis jetzt nicht für diese Ecke der Küche interessiert. Musste ja auch nicht sein. Ich hielt den noch leicht warmen Schnuller so in der Hand, dass Nic ihn auf keinen Fall sehen konnte. Das war eigentlich albern, denn Nic wusste ja, das ich von Dieter und den versteckten Schnullern wusste. Aber er hatte wahrscheinlich keine Ahnung, dass es inzwischen diverse Dieters und mindestens 10 Schnuller gab. Alle strategisch im Haus, diversen Fahrzeugen und Taschen verteilt und regelmäßig mit sauberen Schnullern bestückt. Die Aktion war nochmal für weitere fünf Minuten gut. Die letzten zwei Minuten brachte der Abstecher zu Nics Bett, wo ich den gebrauchten Schnuller gegen den frischen ersetzte.
Als ich dann schließlich neun Minuten nach Nic unser Badezimmer betrat, sah ich meinen kleinen Bruder in einem kleinen Haufen Klamotten sitzen. Leggings, T-Shirts und sogar die Strumpfhose hatte er ausgezogen, sein Windelbody bereitete ihm aber offensichtlich massive Probleme. Das war nicht weiter verwunderlich, die Dinger waren explizit nicht dafür gemacht, vom Träger selbst ausgezogen zu werden. Und Nic war feinmotorisch noch lange nicht wieder auf dem Niveau eines gesunden Siebenjährigen. Also: kein Problem. Zumindest nicht für mich. Und ich setzte jetzt schleunigst alles daran, dass es das auch nicht für Nic wurde. Mit routiniertem Griff schnippte ich die drei hakeligen Druckknöpfe auf und kommentierte das Ganze mit einem belanglosen “Dass die doofen Dinger auch immer klemmen müssen!”. Dann drehte ich mich zur Badewanne und gab einen guten Schuß eines Spezial-Badezusatzes ins Wasser, der helfen sollte, Nics angegriffene Haut weiter zu beruhigen. Fast augenblicklich wurde das Wasser milchig trüb und ein Duft nach Lavendel und Olivenöl waberte durch den Raum. Ich mochte den Geruch. Nic schien es ebenfalls zu gefallen, was er da in der Nase hatte. Sein Body lag inzwischen auch auf dem Stapel Wäsche, er selbst stand mehr oder weniger direkt hinter mir und war definitiv sehr motiviert, ins Wasser zu kommen. Vorher musste aber die Windel runter, die er mal wieder überhaupt nicht wahrzunehmen schien. Was aber eigentlich ausgeschlossen war, denn das Ding hing schwer zwischen seinen spindeldürren Beinen. Wie immer ging ich darüber hinweg, vergewisserte mich kurz, dass mich an Nics Po nicht doch noch eine klebrige Überraschung erwartete und ratschte dann mit zwei schnellen Griffen die Klebebänder auf. Im Stehen. Warum Zeit auf dem Wickeltisch verschwenden, wenn er eh gleich in die Wanne stieg. Ich hatte die schwere Nachtwindel kaum von ihm weg, als der vertraute Urin-Geruch kurz den Lavendel aus meiner Nase verdrängte. Ich rollte das nass-matschige Ding zu einem kompakten Paket, schlug die Seitenflügel übereinander und verklebte das Ganze sorgfältig. Ein gezielter Wurf, dann schlug das Teil mit einem lauten Kapflopp im Windelmülleimer ein. Basketball konnte ich. Schon immer. Nic bekam meinen Weltklasse-Wurf maximal am Rande mit, er war damit beschäftigt, auf seinen wackeligen Beinen in die Wanne zu klettern.
Hier zeigte sich, wie zerbrechlich dieser kleine Mensch als Ganzes noch war. Seelisch. Aber eben auch körperlich. Die wichtigsten Bewegungsabläufe hatte Nic wieder drauf, hier und da blitzte sogar schon wieder dieser Bewegungsdrang auf, der Nic früher ausgezeichnet hatte. Noch reichte das aber nur für die Basics, die Nic nach seiner Zeit im Koma häufig gebraucht hatte. Alles andere kostete ihn offensichtlich unglaublich viel Konzentration, Kraft und Selbstbeherrschung.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Nic sich seltsam verkrampft ins Wasser gleiten ließ. Baden. Das hatte er nach der Zeit im Koma ganz offensichtlich nur sehr, sehr selten getan. Bei dem kurzen Abstecher in die Wanne in der Klinik war mir das gar nicht aufgefallen. Wie denn auch. Ich hatte ihn damals ja selbst in die Wanne gesetzt. Es dauert fast 10 Minuten, bis Nic langsam ruhiger wurde, den Klammergriff um die beiden geschwungenen Haltestangen löste, die seitlich in die Wanne eingelassen waren und begann, sich etwas gemütlicher in die Wanne zu legen. Das würde schon werden. Von mir aus konnte er gerne jeden Tag baden. Ich beobachtete intensiv, wie Nic von Minute zu Minute besser im Wasser “ankam”: Seine Augen wurden ruhiger, tiefe Atemzüge statt kurzer Schnaufer. Nic hatte, wenn ich das richtig rekapituliert hatte, bereits mit fünf Jahren Schwimmen gelernt und war bis zur Explosion seines Zuhauses zweimal pro Woche beim Training im Schwimmverein gewesen. Er mochte Wasser. Oder besser: Der alte Nic hatte Wasser gemocht. Sehr sogar. Bis jetzt war aber eben vom alten Nic kaum mehr wieder hergestellt, als Schatten aus Erinnerungen. Im warmen Lavendelwasser schien die Erinnerung ans Schwimmen aber relativ konkret zu werden. Gedankenverloren spielte Nic mit seinen Fingern im weichen Schaum, während er sich mehr und mehr in eine stabile Position manövrierte. Arme und Beine funktionierten wie gehabt ziemlich gut. Viel wichtiger war aber, dass Nic auch begann, sich über seine Hüfte auszurichten. Und genau da lag das Problem. Da war kaum Bewegung. Kaum Kraft. Kaum Koordination. Aus medizinischer Sicht gut zu erklären, schließlich bestand praktisch sein gesamter Hüftknochen doch mehr oder weniger nur aus Metallplatten, -Stiften und -Schrauben. Die verhinderten natürliche Bewegungsabläufe und zwangen ihm genau den unrunden Bewegungsablauf auf, den ich von ihm kannte. Illusionen machte ich mir keine. Das würde ihn noch viele Jahre begleiten. Viele Operationen. Schmerzen. Therapie. Rückschläge. Um so wichtiger, dass wir den Rest meines Bruders fit bekamen. Körper und Geist. Wobei mir sein Geist aktuell die größten Sorgen bereitete. Ein Blinder mit Krückstock konnte sehen, welch heller Geist in diesem Kind bis zur Zerstörung seines Elternhauses gewohnt hatte. Dieser Geist, diese Persönlichkeit, dieser Intellekt war noch da. Daran zweifelte ich keine Sekunde. Die Frage war nur was es brauchte, um ihn wieder zum Vorschein zu bringen.
Als 20 Minuten später die Smartwatch ein leises Summen an die Rezeptoren meiner Haut schickte, bekam Nic davon nichts mit. Musste er auch gar nicht. Es reichte, wenn ich wusste, dass es Zeit war, die Badestunde für heute zu beenden. “Fünf Minuten noch, okay?!”, versuchte ich ihn leise auf den Ausstieg aus der Wanne vorzubereiten. Nic war gerade dabei, sich das Shampoo aus den Haaren zu spülen. Noch mehr Lavendel-Duft. Ich zeigte kurz auf die Taste am Wannenrand, mit der Nic den Ablauf öffnen konnte und ging dann zurück zum Wickeltisch, um alles vorzubereiten. Pflegeöl, Windel, Body, Schlafanzug. Ich war mir sicher, dass er nach dem Bad nicht lange durchhalten würde. Ich tat also gut daran, ihn so schnell wie möglich bettfertig zu kriegen. Zum Schluss füllte ich noch den Trinkbecher, den ich aus der Küche mitgebracht hatte, mit frischem Quellwasser, das im ganzen Haus aus separaten Wasserhähnen kam. Sorgfältig verschließen. Fertig. Fast gleichzeitig meldete der Timer, den ich vor fünf Minuten aktiviert hatte. Ich trat ohne Hektik an die Wanne, sah, wie Nic den Knopf für den Ablauf drückte, hörte, wie das Wasser aus der Wanne gluckerte und half Nic gleichzeitig, aufzustehen. Dann zog ich ihm die Kapuze eines großen Badetuchs über den Kopf, wickelte ihn darin ein und trug ihn zum Wickeltisch. Ich spürte, wie die Entspannung blitzartig in Erschöpfung umschlug, spürte seinen wasserwarmen Körper, roch den Lavendel, der sich in jeder seiner Hautzellen breitgemacht hatte. Der Rest war dann fast Routine. Das Spezialöl auf seinem Körper verteilen und sanft in seine Narben einmassieren, kurz einziehen lassen, die frische Windel auseinander falten, unter seinem Po platzieren und die vier Klettbänder ordentlich verschließen. Der Body gestaltete sich aufwändiger, weil der Stoff immer wieder an Nics noch feuchter Haut festklebte. Zum Schluss noch der gelbe Schlafoverall mit hauchfeinem Allover-Druck, der die Planeten des Sonnensystems abbildete. Kleidung mit Bildungsauftrag. Jetzt zeigte sich, wie richtig die Entscheidung war, Tempo zu machen. Ich hatte den Reißverschluss des Overalls, der schräg von Nics linken Fuß zur rechten Schulter führte, kaum verschlossen, also ich sah, wie Nic matt die Augen verdrehte, gleichzeitig aber mit seinen Händen die Oberfläche der Wickelunterlage abtastete. Er suchte seinen Schnuller. Und bekam ihn nur einen Wimpernschlag später von mir in den Mund gesteckt. Zwei, drei kurze schneller Sauger, dann fielen ihm die Augen endgültig zu. Nächster Halt: Traumland. Dem wollte ich auf keinen Fall im Weg stehen. Ich nahm ihn auf den Arm und spürte, dass er kaum noch den Kopf halten konnte. Sein System fuhr jetzt runter. Keine Minuten später lag er in seinem Vogelnest neben meinem Bett. Ich befestigte den Trinkbecher genau dort, wo er heute Nacht auch schon deponiert gewesen war, legte mich auf mein Bett und streichelte langsam über seine Haare. Einschlafen, das konnte er sehr gut alleine. Es war mir aber wichtig dass er spürte, dass ich bei ihm war. Mit einem letzten, tiefen Schnaufer endete Nics erster kompletter Tag in seinem neuen Zuhause. Keine Dramen. Nur viele kleine Baustellen. Und doch fühlte auch ich mich komplett erschossen. Noch hatte ich aber nicht Feierabend. Aufräumen, stand noch an. Und das Tagesprotokoll für den Professor und das gesamte medizinische Team aktualisieren. Alles in allem noch zwei Stunden Arbeit. Ich würde mich schon noch dran gewöhnen.
Und das tat ich. Sehr schnell sogar. Ich hatte kaum Küche und Wohnzimmer auf Vordermann gebracht und zwei Maschinen Wäsche angeschmissen, da begann ich schon, den Plan für die nächsten Tage anzupassen. Genau genommen sogar den Plan für die gesamte nächste Woche. Wichtigste Ratgeberin dabei: Raissa. Die schien meine Gedanken gehört zu haben und erschien mehr oder weniger überraschend auf dem riesigen Flachbildschirm im Wohnzimmer. Videotelefonie. Wie hatten wir eigentlich früher kommuniziert? Während ich im Hintergrund erahnen konnte, wie Steven parallel versuchte, die Drillinge ins Bett zu bekommen, brauchte Raissa keine Sekunde um zu erkennen, was Sache war. “Die wäre es lieber, noch ein paar Tage allein mit Nic zu sein, oder?” Ich fühlte mich ertappt und wusste, wie albern das war. Ja, ich hatte für mich beschlossen, dass ich drei weitere Tage komplett mit Nic alleine sein wollte. Alles andere wäre unverantwortlich. Mehr als ein verständnisvolles Lächeln von Raissa brauchte es nicht, um die Sache zu klären. Sie war mehr als meiner Meinung. “Emma wird’s verkraften, den neuen Zwerg erst ein paar Tage später treffen zu können!” Ich zuckte ein bisschen hilflos mit den Schultern. “Wir schieben also alles um drei Tage?” Diesmal kam ein dezentes Nicken von mir. “Perfekt! “Dann schauen Emma und ich am Dienstag bei euch vorbei und liefern ein paar Sachen ab. Wir haben heute ein paar Klamotten der Jungs aussortiert, in die Nic noch reinwachsen kann! Außerdem noch ein paar Spielsachen, die hier beim besten Willen nicht mehr in die Schränke passen!” Auch deshalb waren Steven und Raissa für mich unverzichtbar. Es gab schlicht nichts, was sie aus der Bahn zu werfen schien. Bevor Raissa vom Bildschirm verschwand, um ihrem Mann im Duell mit den Drillingen beizustehen, schickte ich ihr und Steven noch den Tagesreport, der kurz zuvor auch an den Professor gegangen war. Der war der nächste, den ich über das neue Timing informierte. Allerdings per Mail. Ich wusste sehr genau, dass er jeden Freitag mit seiner ältesten Tochter unterwegs war. Er würde spätestens morgen Juri verständigen und dessen Physio-Einsatz bei uns auf Donnerstag schieben. Dann war er vorbei. Mein allererster Tag als großer Bruder, Eltern-Ersatz, Therapeut und Erziehungs-Laie. Unfassbar, wie manche Menschen es schafften, gleich mehrere Kinder in ihr Leben zu integrieren.
Autor: DerBeobachter (eingesandt via E-Mail)
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Junge, du weißt wie man schreibt!
Respekt! So einen lebendigen Schreibstil findet man echt selten!
Und so externe langatmig, wow…
Prima entlich was aus deiner Feder grins. aber was macht die andere Geschichte „Alles wird gut oder besser“ kommt da bald was?
Sodale, ich habe jetzt jeden Teil gelesen und mir mein Bild gemacht. Ich setze jetzt, zugegeben etwas skeptisch voraus, dass diese Geschichte nicht aus einem verlegten Buch stammt, sondern tatsächlich aus deiner Feder. Falls das so ist, möchte ich gerne wissen wer dein Lektor ist, denn hier passt alles nahtlos.
Die Geschichte ist bis ins kleinste Detail durchdacht und grenzt an Perfektion. Tippfehler ausgenommen.
Ich würde auf diesem Weg gerne den Dialog mit dir suchen, da ich nicht glaube, dass hier ein Amateur am Werk war. Ich habe extra für diese Seite eine E-Mail Adresse angelegt: DiaperloverXX@gmx.de
Ich würde mich über eine Zuschrift von dir freuen und verbleibe bis dahin mit freundlichem Gruß.
Gute Fortsetzung freue mich schon mega wie es weiter gehen wird.
Bin auch schon gespannt wie die Geschichte weiter geht.
Moin hab diese schöne Geschichte nochmals gelesen hab dank dafür es ist offen ehrlich und doch mit Gefühl geschrieben.Einen guten 4.Advent und schöne Weihnachten ?