Der Winterurlaub (1)
Windelgeschichten.org präsentiert: Der Winterurlaub
Kapitel 1
„Also Leute, dann wollen wir mal überlegen, was wir noch besorgen müssen.“
Wir saßen alle zusammen um den großen Wohnzimmertisch von Jorins Eltern herum und planten unseren gemeinsamen Winterurlaub. „Wir“, das waren 6 Personen: Jorin, sein kleiner Bruder Jan, sein großer Bruder Jakob, seine Eltern und meine Wenigkeit. Meine Wenigkeit hört auf den Namen Lucas, ist schnuckelige 14 Jahre alt und von Hauptberuf der Freund vom eben so alten Jorin. Also Freund im Sinne von Boyfriend, nur damit das von Anfang an klar ist. Wir kannten uns seit dem ersten Tag im Kindergarten—Sandkasten, waren seitdem die dicksten Freunde die man sich vorstellen konnte und vor einem halben Jahr war eben mehr daraus geworden. Aber dazu vielleicht ja später mehr. Zurück zum Thema des abendlichen Palavers.
Jorins Familie verbrachte jedes Jahr einige Wochen in den winterlichen Alpen. In den letzten Jahren war ich bereits dreimal mit gewesen und so sollte es auch dieses Jahr sein. Allerdings diesmal gleich über Weihnachten und Neujahr, während meine Eltern eine Art zweite Hochzeitsreise nach Hawaii machen würde. Einerseits wäre ich da liebend gerne mit dabei gewesen, andererseits gönnte ich ihnen diese Fahrt aber auch. Und immerhin würde ich mit Jorin zusammen sein!
„Lucas, passen dir deine Skisachen noch? Du bist doch ein paar Zentimeter gewachsen seit der letzten Saison.“
Was auch langsam Zeit wurde! Mit gerade mal 1,65 Meter war ich immer noch weit davon entfernt ein Riese zu sein. Zum Glück war Jorin auch nicht viel größer.
„Meine Eltern haben mir schon einen neuen Skioverall gekauft. Skistiefel gibt es doch wieder vor Ort, oder?“
„Ja, das ist kein Problem. Denk aber unbedingt noch an warme Unterwäsche, okay?“
Würde ich mit Sicherheit. In meinem Kinderausweis stand als zweiter Vorname „Frostbeule“.
„Jup.“
„Das Zeug brauche ich auch noch Mutti.“
„Okay Jorin. Ihr könnt ja unter der Woche mal zusammen ins Center fahren und kaufen was ihr so braucht und wollt.“
Jorin und ich grinsten uns an. Center, das hieß: McDoof, nach süßen Jungs gucken, Kino, nach süßen Jungs gucken, Eis, nach süßen Jungs gucken, shoppen und nach süßen Jungs gucken. Und nicht zu vergessen: nach süßen Jungs gucken! Wäre wohl gut, gleich nach der Schule hinzufahren, sonst blieb nicht genug Zeit um nach süßen Jungs zu gucken…
„Jakob, du weißt selber was du brauchst und kümmerst dich um alles, ja?“
„Klaro.“
„Bleibt bloß noch Jan. Kleiner, du bist auch gewachsen, also fahren wir nächste Woche auch ins Center.“
„Cool!“
Für Jan bedeutete „Center“ das gleiche wie für uns, minus das „nach süßen Jungs gucken“. Wo andere kleine Kinder beim Einkaufen nach dreieinhalb Minuten anfingen rumzuquengeln, genoss Jan das Shoppen regelrecht. Sollte mich nicht wundern, wenn der Stift seinen Eltern auch irgendwann beichten würde, dass er auf Jungs steht.
Stichwort beichten: ja, sowohl Jorins als auch meine Eltern wussten über uns bescheid. Was völlig ohne Drama ablief, es wurde einfach akzeptiert. Wir hatten wirklich Schwein gehabt.
„Vergesst seine Windeln nicht.“
„Neihein!!!!!!!!! Keine Windeln!“
Ich musste grinsen. Jan hatte bis vor Kurzem ab und an noch ins Bett gemacht und war erst ein halbes Jahr weg vom täglichen (bzw. nächtlichen) Windeltragen. Das aber hatte Jakob nicht gemeint. Man nehme ein kleines Kind in dicken Winterklamotten auf der Skipiste, welches dann alle Dreiviertelstunde aufs Klo muss und schon konnte man sich vorstellen, was Jans Eltern jeden Winter nervte. Also nicht mehr wirklich nervte, denn genau deshalb hatten sie ihn vor zwei Jahren einfach auch tagsüber in Windeln gesteckt. Damit war der Tag im Schnee gerettet und alle waren zufrieden. Auch Jan. Aber nur solange er im Schnee war, sobald wir im Ferienhaus waren, wollte er davon nichts mehr wissen. Siehe auch heute.
„Jakob hat recht Jan. Wir wollen den Urlaub genießen und nicht ständig nach einer Toilette für dich suchen müssen. Und erinnere dich mal dran, wie du letztes Jahr, als du es einen Tag ohne probiert hast, erschrocken bist, als du hinter den Baum wolltest und plötzlich ein Reh vor dir stand.“
Der Stift hatte sich vor Schreck in die Hosen gemacht, womit der Tag gelaufen war.
„Aber ich bin jetzt ein großer Junge!“
Genau, er war immerhin in die dritte Klasse gekommen.
„Nichts ist. Es werden Windeln angezogen, und damit hat sich’s.“
„Aber Jorin und Lucas ziehen auch keine an!“
„Die sind aber auch fast doppelt so alt wie du.“
Jan war kurz davor loszuflennen, also entschloss sich seine Mutter zu einem Friedensangebot.
„Pass auf, dafür brauchst du dieses Jahr keine Strumpfhosen mehr anzuziehen. Du bekommst lange Unterhosen, wie die großen Jungs.“
Das schien ihn tatsächlich etwas zu besänftigen, und der Rest des Abends verlief recht harmonisch…
In der Woche darauf saßen Jorin und ich auf einer Bank am großen Springbrunnen auf dem Hauptplatz des riesigen Einkaufscenters. Wir schleckten Eis und ließen es uns gut gehen. Auf das Kino hatten wir verzichtet. Es kam nichts was uns wirklich gereizt hätte. Bei McDoof waren wir gleich nach der Schule gewesen. Anschließend hatten wir die Technikmärkte unsicher gemacht und jetzt ruhten wir uns vor der letzten Etappe des Centernachmittags aus.
„Du, Luke, ich hab eine Idee.“
„Oh weh! Muss ich mir Sorgen machen?“
„Blödmann!“
„Schieß los.“
„Erinnerst du dich noch, wie sich Jan über die langen Unterhosen gefreut hat? Weil er keine Strumpfhosen mehr anziehen muss?“
„Klar. Und?“
„Ich dachte mir… Na ja, wie wäre es, wenn WIR dieses Jahr Strumpfhosen anziehen würden?“
„Wir? Du und ich? Strumpfhosen? Wie bist du auf diese beknackte Idee gekommen.“
„Einfach so. Ich fände es geil, es mal zu probieren.“
Jorin fand so manches geil, gerade wenn es um Klamotten ging. Er hatte es tatsächlich fertig gebracht, dass seine Eltern ihm einen Jeansrock gekauft haben, den er sogar mit schöner Regelmäßigkeit trug. Und jetzt Strumpfhosen?
„Ach nee du, muss nicht sein.“
„Komm schon! Das wird bestimmt ein Riesenspaß!“
Er schaute mich mit seinen braunen Hundeaugen an und ich konnte ihm mal wieder keinen Wunsch abschlagen. Ich seufzte und Jorin wusste, dass er gewonnen hatte.
„Cool! Los, gehen wir einkaufen!“
Die Strumpfhosen waren natürlich sowohl bei Jorins wie auch bei meinen Eltern der große Hit gewesen, der einzige der noch nichts davon wusste war Jan. Na ja, der würde das noch früh genug mitbekommen. Jorins Eltern waren von ihrem Sohn ja einiges gewöhnt und grinsten sich nur eins, meine alten Herrschaften hingegen waren doch leicht geschockt als ich zwei dunkel—, zwei hellblaue und zwei rote Strickstrumpfhosen als meine warme Skiunterwäsche präsentierte. Aber sie kamen darüber hinweg und die einzige Konsequenz bestand in der strengen Ermahnung, dass ich diese nun auch auf jeden Fall anziehen müsste. Na ja, dafür würde mein Lover schon sorgen.
Am Freitagabend, einen Tag nach der Shopping—Tour saßen Jorin und ich zusammen mit Jakob im ausgebauten Keller des Brennerschen Hauses und schauten das Freitagsspiel der Bundesliga an. Tabellenführer FC—WasWeissIch gegen Abstiegskandidaten VfB—IchWillNichtInDieZweiteLiga. Der Tabellenführer lag auswärts zur Pause mit 2:0 in Führung und das Spiel war ziemlich langweilig und vorhersehbar. Das fand wohl auch Jakob, der die Stimmung nun etwas anheizen wollte.
„Na Jungs, wie wär’s mit einer kleinen Wette über den Spielausgang?“
Dämliche Idee. Als ob es da noch irgendwas zu wetten gäbe.
„Wieso? Glaubst du etwa, dass der VfB das noch rum reißen kann?“
„Ich wette mit euch, dass die das Spiel noch gewinnen!“
„Bruderherz, du verlierst wohl gerne, oder?“
„No risk, no fun!“
„Und an was denkst du als Wetteinsatz?“
„Hm. Wenn ich verliere, also wenn der FC gewinnt… Na ja, denkt euch was aus!“
Jorin und ich tuschelten kurz miteinander. Ob der das ernst meinte?
„Okay Jake. Wenn der FC gewinnt, musst du dir auch noch Strumpfhosen für den Urlaub besorgen.“
Ich dachte ja, dass Jorins großer Bruder jetzt kneifen würde, aber der lachte nur leise auf.
„Okay, einverstanden. Unter einer Bedingung: wenn der FC noch verliert, müsst ihr genau wie Jan den Urlaub in Windeln verbringen!“
Rumms, das schlug ein wie eine Bombe. Windeln? Dagegen waren ja die Strumpfhosen regelrecht harmlos! Andererseits, was sollte schon passieren? Es stand schon 2:0. Tabellenführer gegen Abstiegskandidaten. Das dachte wohl auch Jorin, denn noch bevor ich mich mit ihm darüber verständigen konnte, gab er auch schon die Antwort.
„Deal!“
„Gut Jungs, schlagt ein!“
Nun konnte ich auch nicht mehr zurück und wir schüttelten uns gegenseitig die Hände.
„Janine wird sich totlachen. Ich werde dich in Strumpfhosen fotografieren und ihr ein Bild davon mailen.“
Janine war Jakobs Freundin, die für ein halbes Jahr auf einem Studienaustausch in Südamerika war.
„Sei dir mal nicht so sicher, dass nicht ich es bin, der euch fotografiert. In Strumpfhosen PLUS Windeln!“
„Niemals, das Spiel ist doch längst entschieden.“
„Wir werden sehen…“
In diesem Moment pfiff der Schiri die zweite Halbzeit an und wir starrten mit wieder gewonnener innerer Spannung auf die Mattscheibe, was dazu führte, dass Jorin und ich mit der Zeit bleicher und bleicher wurden.
Nach etwa zehn Minuten ließ der Torhüter des FC einen Kullerball durch seine O—Beine rollen. Jorin und ich schauten uns etwas überrascht an. Aber na ja, einmal ist keinmal.
Drei Minuten später pennte die komplette FC—Abwehr und auch die Nummer 1 konnte nicht mehr verhindern, dass ein toller Kopfball für den Ausgleich sorgte. Jorin und ich kuschelten uns auf der Couch fest aneinander und wurden immer kleiner.
Das Spiel tobte jetzt hin und her, es gab auf beiden Seiten Torchancen, der Ball landete jedoch nie im Netz. Es war also noch nicht alles verloren. Mir fiel ein, dass wir gar nichts für den Fall eines Unentschieden ausgemacht hatten. Schwein gehabt. Oder auch nicht…
„NEIN!!!!!!“
In Stereo brüllten Jorin und ich uns die Lunge aus dem Hals! Soeben hatte ein FC—Verteidiger einen VfB—Stürmer im Strafraum von den Beinen gerissen und der Schiri hatte sofort auf den Elfmeterpunkt gezeigt. In der 92. Minute!
Jakob schenkte uns ein süffisantes Grinsen.
„Nervös Jungs?“
Nervös war gar kein Ausdruck. Eigentlich hätte ich jetzt schon Windeln brauchen können.
Es kam wie es kommen musste: der VfB verwandelte den Strafstoß, es folgte quasi sofort der Schlusspfiff, Jakob sprang aus seinem Sessel und führte einen Freudentanz auf und kurz darauf tauchten Jorins Eltern auf um nachzusehen, was das ganze Gegröle zu bedeuten hatte.
„Sagt mal, was ist denn hier los! Was soll das Geschrei! Warum hüpfst du so durch die Gegend Jakob? Und warum sieht unser Liebespaar aus wie ein Häufchen Elend?“
Jorin und ich brachten kein Wort heraus, dafür schilderte Jakob genüsslich die Wette und unseren Wetteinsatz.
„Wie ihr seht, wird Jan also nicht alleine Windeln tragen. Vielleicht fühlt er sich dadurch besser.“
Davon konnte man wohl ausgehen. Ich hatte ja nichts gegen den Zwerg, aber dass er sich nun gerade auf unsere Kosten besser fühlen sollte? Argh!
Die Brennerschen Elterneinheiten konnten sich nun vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten und wenn wir gehofft hatten, dass sie mit der Stimme der Vernunft der ganzen Geschichte Einhalt gebieten würden, dann hatten wir uns mächtig geschnitten.
„Sehr schön! Wir wollten morgen eh zum Sanitätshaus, die Windeln für Jan kaufen. Dann werden wir gleich noch Material für die zwei großen Windelbubis und Strumpfis mitbringen.“
„Och nein! Jakob, Mutti, Paps! Bitte nicht! Das war doch alles nur ein Scherz!“
Jorin versuchte vergeblich, durch seine Bettelei irgendwas am Unausweichlichen zu ändern.
„Nichts da! Spielschulden sind Ehrenschulden. Ihr hättet ja nicht mit einem solchen Einsatz mit Jakob zu wetten brauchen. Wann immer Jan im Urlaub Windeln trägt, werdet ihr das auch tun. Und damit ist das Thema erledigt.“
Das war es tatsächlich. Auch Jorins Versuche am nächsten Morgen, seine Eltern noch von dem Vorhaben abzubringen, scheiterten kläglich. Worauf hatten wir uns da nur eingelassen?!
Autor: Mark (eingesandt via Nachricht)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
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Is ne interessante Geschichte, guter Anfang. Is die zufällig von der Seite „Windeljungs Deutschland“? Die Seite ist bei archive.org archiviert.