Der Winterurlaub (25)
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Kapitel 25
Rummmms!
Mein Gott, was war das denn für ein Krach! Ich riss vor Schreck die Augen auf, gerade noch rechtzeitig, um vor den Fenstern den nächsten Blitz zu sehen. Wintergewitter! So ein Mist aber auch. Wieder ein Blitz und kurz darauf ein markerschütternder Donner, der jetzt dafür sorgte, dass ich mächtig froh war eine Windel zu tragen. Alles was ich in den letzten Stunden getrunken hatte ergoss sich in diese hinein. Ja, ja, ich geb’s zu, ich bin ein Weichei und fürchte mich bei Gewitter!
„He Lucas, alles klar?“
„Nein, Gewitter!“
„Ich weiß. Wie spät ist es?“
Ich schaute auf die Uhr.
„Kurz nach drei.“
Der nächste Blitz ließ mich wieder zusammenzucken.
„Komm, kuschel‘ dich richtig an mich ran. Ich pass auf dich auf.“
Das beruhigte mich ein klein wenig, aber nur so lange, bis der nächste Blitz zuckte und gleichzeitig mit dem Donnern die Straßenbeleuchtung draußen vor den Fenstern zuerst zu flackern begann und dann ganz erlosch. Auch die beleuchteten Hinweisschilder zu den Toiletten und zum Notausgang fielen aus, letztere jedoch schalteten sich nach ein oder zwei Sekunden wieder ein. Die hatten wohl irgendeine Art von Notstrombatterie.
Mittlerweile war im Saal doch einige Unruhe ausgebrochen. Offenbar war ich nicht der einzigste kleine Angsthase. Eine Taschenlampe ging an, dann ertönte Jakobs Stimme.
„Ganz ruhig Leute, ihr braucht keine Angst zu haben, das ist nur ein Gewitter. Hier kann euch nichts passieren.“
Das sagte er so leicht daher.
Irgendwo weinte ein kleines Kind.
„Ich will zu meiner Mama!“
„Katja, das geht jetzt nicht. Schau mal, wir haben kein Licht, da kannst du nicht durchs dunkle Gasthaus laufen und das Zimmer deiner Mama suchen. Du brauchst auch wirklich keine Angst zu haben, hier sind so viele Kinder um dich herum.“
Die Kleine schien sich ein wenig zu beruhigen.
„So, legt euch alle wieder hin und versucht zu schlafen. Das Gewitter ist bestimmt bald vorbei. Braucht jemand irgendwas?“
„Der Stift hier neben mir hat sich in die Hosen gepisst! Haha, das Baby!“
„Tino! Das war jetzt nicht nötig! Es ist wirklich nicht nett, sich über andere lustig zu machen!“
„Aber…“
„Nichts aber! Ich will keinen Ton mehr von dir hören, verstanden?“
„Jaja…“
„Gut. Sascha, komm mal mit.“
Sascha war wohl derjenige, der es mir da gleichgetan hatte, minus Windel allerdings. Jakob kam im Lichte seiner Taschenlampe, verstärkt durch eine weitere Lampe die Thomas jetzt eingeschaltet hatte, mit einem vielleicht zehnjährigen Jungen zu uns hinüber. Sascha schaute mit verheultem Gesicht ganz verschämt zu Boden.
„Martin, gibst du mir bitte mal den Rucksack rüber?“
„Klar, hier.“
„Danke.“
Der Junge stand wie ein Häuflein Elend vor uns und hätte sich wohl am liebsten in ein tiefes Loch verkrochen. Das konnte ich mir nicht einfach so mit ansehen.
„He, Kopf hoch, Sascha. Ist doch kein Weltuntergang.“
„Doch, ich bin ein totaler Angsthase!“
„Aber du bist damit nicht alleine, ich habe auch Angst bei Gewitter.“
„Aber du pinkelst dir deswegen nicht in die Hose!“
Okay, im Interesse des am Boden zerstörten Jungen sollte ich wohl Farbe bekennen.
„Doch, hab ich vorhin getan, bei dem einen ganz lauten Donner.“
Jetzt schaute er mich mit großen Augen an.
„Wirklich?“
„Wirklich, ganz ehrlich. Ich kann Gewitter nicht ausstehen und erschrecke immer ganz fürchterlich.“
Jetzt zeigte sich ein leichtes Lächeln in Saschas Gesicht, welches aber gleich wieder verschwand.
„Aber du hattest wenigstens eine Windel drunter, ich hab jetzt einen nassen Schlafanzug.“
„Und genau das werden wir jetzt ändern. Sascha, auch du kannst nicht zu deinen Eltern hoch ins Zimmer, aber ich habe vorsichtshalber ein paar Wechselwindeln für meinen kleinen Bruder Jan dabei. Würdest du eine davon anziehen? Dann könntest du die nasse Schlafanzughose ausziehen und falls… na ja, falls noch mal was passiert, wäre das auch kein Problem.“
Man konnte Sascha ansehen, wie viel Überwindung ihn der nächste Satz kostete.
„Okay, einverstanden.“
„Gut, das war eine sehr vernünftige Entscheidung. Thomas, könntest du dich bitte darum kümmern? Ich muss mal nach Jan und den anderen kleineren Kids schauen.“
„Mach ich. Geh du nur, wir kümmern uns um Sascha.“
„Danke. Und versucht dann, trotz allem weiter zu schlafen, okay?“
„Versuchen können wir es ja.“
Im Schein der Taschenlampe zog Sascha nun seine Schlafanzughose aus und Thomas säuberte ihn erst ein wenig mit Pflegetüchern, verstreute etwas Puder und dann packte er den Jungen in eine von Jans Windeln.
„So, das hätten wir. Möchtest du wieder zurück zu deiner Matratze?“
Traurig schüttelte Sascha den Kopf.
„Die ist auch nass geworden und Tino ist ein Idiot!“
Tom schaute kurz zu Martin, der nickte, dann hob Thomas die Decke an.
„Dann los. Komm mit zu uns unter die Decke, hier ist es schön warm.“
Freudig lächelnd kam Sascha der Aufforderung nach und schlüpfte zwischen Tom und Martin.
Auch Jo und ich legten uns wieder zurück. Durch die ganze Sascha—Aufregung war das Gewitter bei mir kurz in Vergessenheit geraten, brachte sich jetzt aber wieder laut krachend in Erinnerung und ich war froh, als mich Jorin wieder dicht an sich heranzog und festhielt.
„Wird schon wieder, Luki—Baby.“
Na hoffentlich.
„Alles okay bei dir, Lucas?“
Auch Phips hatte sich zu mir gedreht und schien sich Sorgen um mich zu machen.
„Ja, muss ja. Scheiß Gewitter!“
„Ging mir früher auch so, aber mittlerweile find ich es nicht mehr ganz so schlimm.“
Er kicherte leise.
„He Phips, was gibt es da zu lachen? Ich finde das nicht lustig.“
„Entschuldigung. Schon klar, darüber lache ich ja auch nicht. Es ist bloß, …na ja, …wenn es bei uns zuhause gewittert, schnappe ich mir immer meinen großen Plüschhund und kuschel‘ mich an ihn. Den haben mir meine Eltern geschenkt, als ich zehn war oder so, weil sie es leid waren, dass ich bei Gewitter immer bei ihnen im Schlafzimmer auftauchte. Der sollte mich von da an bewachen. Naja, es hat einigermaßen funktioniert.“
„Den hast du aber nicht zufällig mit in den Urlaub gebracht, oder?“
„Nee, der liegt bei mir zuhause auf dem Bett.“
„Und wie willst du da jetzt das Gewitter überstehen?“
„Wird schon gehen, ist doch hoffentlich bald vorbei.“
Jorin flüsterte mir kurz was ins Ohr, ich nickte, dann machte er Phips einen Vorschlag.
„Wenn du willst, kannst du mit zu uns ranrutschen. Wir legen deine Decke noch mit drüber, dann haben wir es richtig schön warm.“
„Ich weiß nicht…“
„He, ist deine Entscheidung, das war nur ein Angebot. So als Ersatz für den Plüschhund.“
Phips grinste, was wir durch den nächsten Blitz, der den gesamten Saal ausleuchtete, gut erkennen konnten.
„Okay, danke.“
Ich hob meine Deckenhälfte an und Phips kam mit seinem Kissen und seiner Decke rübergerutscht.
„Also, gute Nacht Leute.“
Das wünschten wir ihm auch, er drehte sich von mir weg und Jorins linker Arm fasste über mich und Phips hinweg und zog uns ganz dicht zusammen. Ich kam mir vor wie in einem Sandwich. Die warmen Körper von süßen Jungs auf beiden Seiten und in dieser sicheren Stellung gelang es auch mir irgendwann, beim langsam abziehenden Gewitter einzuschlafen.
Wach wurde ich, weil irgendetwas meine Nase kitzelte. Vorsichtig öffnete ich die Augen und erkannte im Dämmerlicht, dass ich mich wohl in der Nacht umgedreht und Jorin das Gesicht zugewandt hatte. Dessen gleichmäßige Atemstöße hatten mich anscheinend wach gekitzelt. Hinter mir spürte ich, dass anscheinend auch Phips die Position gewechselt und sich dicht an mich gekuschelt hatte. Was für eine annehme Art, morgens wach zu werden.
„Schon jemand wach bei euch?“
Was? Wie? Oh. Jakob stand am Fußende unserer Matratzen und flüsterte uns an.
„Ja, bin gerade aufgewacht.“
„Gut. Kannst du bitte mal die anderen langsam aufwecken? Es ist halb acht durch und in ein paar Minuten sollten wir die Runde machen und die Kids wecken, damit wir rechtzeitig beim Frühstück sind.“
„Okay, mache ich.“
„Danke, Lucas. Übrigens, gemütlich hast du es dir da gemacht.“
Jake grinste mich frech an und ich zuckte, so gut das eben im liegen ging, mit den Schultern. Dann verschwand Jakob wieder aus meinem Sichtfeld und ich überlegte, wie ich die Weckerei am besten anfangen sollte. Naja, der erste Schritt war recht einfach.
Ich lehnte mich noch etwas nach vorne, dann fanden meine Lippen die von Jorin. Es dauerte gar nicht lange und ich konnte den gewünschten Erfolg verbuchen.
„Hm… Herrlich…“
Unsere Lippen öffneten sich und unsere Zungen begannen mit einem kleinen Duell. Leider, leider musste ich dieses jedoch bald abbrechen, wovon auch Jorin nicht sonderlich begeistert schien.
„Was denn, war’s das schon?“
„Sorry Jo, aber Jake möchte, dass wir die anderen wecken, damit wir uns dann den Kids widmen können.“
„Mist. Oller Spielverderber.“
„Wer, ich?“
„Nee, der lange Lulatsch, der vorgibt mein Bruder zu sein.“
„Lass ihn das bloß nicht hören. So, weckst du Tom und Martin? Dann werde ich mich um Phips kümmern.“
„Okay, wenn es denn sein muss.“
Jorin kämpfte sich unter der Decke vor.
„Mensch, das ist aber kalt geworden!“
Jetzt wo er es sagte… Es war tatsächlich ziemlich kühl, so als ob irgendwo die ganze Nacht über ein Fenster offen gestanden hätte. Naja, wir waren ja zum Glück einigermaßen warm verpackt. Ich drehte mich zu Phips um. Mal schauen, wie schnell ich den wach bekam.
Hach, der lächelte richtig selig im Schlaf und es tat mir beinahe leid, ihn da rausreißen zu müssen.
„Phips…“
Keine Reaktion. Ich rüttelte ihn sanft an der Schulter.
„He Phips, aufwachen…“
Jetzt gab er irgendwelche undefinierbaren Geräusche von sich und plötzlich kam sein rechter Arm an und zog mich an ihn heran!
„Hmhmpfmhm… Tanja… hm…“
Jetzt umschlang er mich regelrecht, seine Lippen näherten sich den meinigen und auch eine gewisse untere Körperpartie drängte sich ganz dicht an mich. Hilfe, Vergewaltigung! Also das ging nun wirklich nicht, das musste ich beenden!
„Phips!“
Er schrak auf, Gott sei Dank!
„Häh? Was? Wie? Lucas? Was machst du hier? Und was mach ich hier?“
Das waren sehr gute Fragen.
„Also was ich mache kann ich dir sagen: es ist Zeit zum Aufstehen und ich versuche dich zu wecken. Was du allerdings machst, weiß ich nicht. Anscheinend verwechselst du mich mit irgendeiner Tanja.“
Mit einem Schlag war mein Matratzennachbar endgültig wach.
„Oh Scheiße! Sorry, Lucas! Das wollte ich wirklich nicht!“
Als der arme Kerl dermaßen verwirrt rumstammelte, konnte ich ihm schon nicht mehr böse sein und konnte nur noch lachen.
„Hahaha, schon okay Phips. Vielleicht stehst du ja heimlich doch auf Jungs und das waren die ersten Anzeichen dafür.“
„Nee, glaube ich nicht. Ich hab gerade von Tanja geträumt, das ist meine Freundin zuhause.“
„Da wäre ich jetzt nie drauf gekommen.“
„Hehe. Aber was ist jetzt, wir sollen aufstehen?“
„Ja, es geht auf acht zu und wir müssen dann die ganzen Kids wecken.“
„Okay. Und sorry noch mal…“
„Kein Problem.“
Wir erhoben uns nun von unserem Lager und auch Phips fiel sofort die niedrige Temperatur auf.
„Was ist denn das für eine Kälte hier drin?“
Diese Frage sollte schnell beantwortet werden, denn just in diesem Moment kam Darius in den Saal hinein.
„Guten Morgen, Jungs. Gut geschlafen?“
Auch Tom und Martin waren jetzt wach und hatten sich mit Jorin zu uns gesellt.
„So gut man bei dem Krach halt schlafen kann, Paps. War ein ziemlich heftiges Gewitter. Ist denn wieder Strom da?“
„Ja, Strom ist seit zwei oder drei Stunden wieder da, aber die Heizungsanlage springt erst langsam wieder an.“
„Deshalb ist es hier so kalt!“
„Genau, Jorin.“
„Guten Morgen, Darius. Bleibt es trotzdem beim Frühstück im Cafe?“
„Guten Morgen, Jakob. Ja. Wir haben dort zusätzlich Elektroheizung, da herrscht schon eine angenehme Temperatur. Die Kids sollen sich auf dem Weg dorthin in ihre Decken wickeln, damit sie unterwegs nicht frieren.“
„Gute Idee. Wir wollten die jetzt eh langsam wecken, ist das okay?“
„Ja, im Cafe ist alles vorbereitet. Wenn ihr so weit seid, könnt ihr kommen.“
„Alles klar. Hat es sonst noch Schäden gegeben?“
„Schäden nicht, aber habt ihr schon mal aus dem Fenster geschaut?“
„Nein Paps, wieso?“
„Wir haben über einen halben Meter Neuschnee bekommen und das in den paar Stunden! Und es schneit immer noch.“
Wow. Ein halber Meter Neuschnee! Das hörte sich toll an. Oder auch nicht? Denn das bedeutete ja auch, dass sich das Thema Skipisten erstmal erledigt hatte.
„So, dann weckt mal eure Schützlinge und kommt frühstücken.“
Mit diesen Worten ließ uns Darius zurück und verließ den Saal. Wir schwärmten aus und weckten nach und nach die Kids, erzählten ihnen vom Heizungsausfall und dass sie sich die Decken umhängen sollten. Nach etwa zehn Minuten waren alle wach und wir konnten uns auf den Weg zum Frühstück machen. Keine Minute zu zeitig, denn auch mein Magen meldete sich jetzt mit einem deutlichen Knurren zu Wort!
„Ich geh vorneweg, Lucas und Jorin in der Mitte, Tom und Martin gehen als letzte und passen auf, dass wir keinen verlieren.“
So wurde es gemacht und in geschlossener Formation wälzten sich über 30 Kinder in Richtung Frühstückstisch. Behängt mit ihren dicken Decken gaben sie ein ziemlich seltsames Bild ab. Zum Cafe ging es quasi durch das gesamte Gasthaus hindurch und wir zogen von denjenigen Gästen, die auch schon wach waren, amüsierte Blicke auf uns.
Im Cafe selbst waren mehrere Tische zu einer großen Tafel zusammen geschoben. Darauf türmten sich Kuchenteller und Kannen voller heißer Schokolade. Tatsächlich war die Temperatur hier deutlich höher als im Saal, also sagten wir den Kids, dass sie die Decken gleich am Eingang ablegen sollten. Mit viel fröhlichem Geplapper wurden die Plätze eingenommen und spätestens beim Essen hatten wohl alle die ereignisreiche, ängstigende Nacht vergessen. Naja, irgendwie passte das Gewitter ja zur Magie von Harry Potter.
„Darf ich mich mit zu euch setzen?“
Ich schaute kurz von meinem Kuchenteller auf und sah, wie Sascha mit bittenden Augen zu Thomas und Martin blickte.
„Klar Kleiner, komm zwischen uns.“
Martin rutschte einen Platz weiter und Sascha setzte sich zwischen die beiden.
„War der Rest der Nacht okay?“
„Ja, ich wollte mich noch mal dafür bedanken, dass ich bei euch schlafen durfte.“
„War doch selbstverständlich, stimmt’s Tom?“
„Klar. So, nun lang zu und iss.“
Da fühlte ich mich doch glatt mit angesprochen und begann damit, nun endlich meinen knurrenden Magen zu besänftigen. Nach einigen Minuten ging es mir schon viel besser!
Einige Zeit später tauchten dann Toms Pflegeeltern im Cafe auf.
„Guten Morgen, allerseits!“
„Guten Morgen!“
„Na, hat euch der Abend und die Nacht gefallen?“
Von überall kam Zustimmung, das schreckliche Gewitter war anscheinend bereits in Vergessenheit geraten.
„Sehr schön, das freut uns. Das war das erste Mal, dass wir so etwas durchgeführt haben, aber bestimmt nicht das letzte Mal.“
Naja, in diesem Urlaub aber wohl vermutlich nicht mehr. Die Scholls kamen zu uns rüber.
„Na Jungs, habt ihr alles gut überstanden?“
Wir schauten uns an, dann nickten wir.
„Prima. Ich denke, dass jetzt bald die ersten Eltern hier auftauchen werden. Dort vorn am Tisch liegen bereits die Listen zum Austragen. Es wäre nett, wenn sich Jakob, Jorin und Lucas darum kümmern könnten. Tom und Martin möchten wir gerne mal für einen Moment entführen.“
Da wir mittlerweile gesättigt waren, übernahmen Jo und ich die Formalitäten, während Thomas und Martin mit Toms Eltern verschwanden. Wer weiß, was da schon wieder ausgeheckt wurde!
Tatsächlich kam dann auch schon die erste Abholerin hereingeschneit und ein kleines Mädchen stürmte zu seiner Mutti und fing damit an, plappernd zu erzählen wie toll doch die Pyjama—Party gewesen sei. Darüber wiederum schien sich die Mutter sehr zu freuen. Jedenfalls bedankte sie sich artig bei uns, bevor sie mit dem Töchterlein von dannen zog.
Nach und nach leerte sich der Frühstückstisch. Plötzlich stand ein älterer Teenager in der Tür.
„Ich soll meinen Bruder hier abholen.“
„Und wer ist dein Bruder?“
„Sascha Bergström.“
„Ah ja. Sascha!“
Der genannte blickte auf, erkannte seinen großen Bruder, wurde bleich und kam langsam und mit zu Boden gesenktem Blick zur Tür.
Gar nicht zum Boden waren die Blicke des großen Bruders gerichtet. Im Gegenteil, die fixierten wie gebannt den kleinen Bruder, der in Schlafanzug—Oberteil und dickem Windelpaket herankam.
„Ja, was ist denn mit dir passiert!“
„Ich… ich…“
„Ja?“
Sascha aber brachte kein Wort heraus, also wandte sich sein Bruder an uns.
„Könnt ihr mir erklären, wieso der Kleine hier in Windeln rumläuft?“
„Sascha hat sich während des Gewitters einmal mächtig erschrocken und da ist ihm ein kleines Malheur passiert. Die Hose war nass, aber wir hatten von meinem kleinen Bruder noch eine Ersatzwindel da und das war die einfachste und beste Lösung.“
„Ah ja, ich verstehe. Sascha, das braucht dir doch nicht peinlich zu sein.“
Sascha hob den Kopf ein wenig und ein kleiner Hoffnungsschimmer war auf seinem Gesicht zu sehen. Außerdem aber auch ein paar Tränen. Der große Bruder seufzte, dann hockte er sich vor Sascha, so dass ihre Köpfe nun auf gleicher Höhe waren.
„Ach Sascha, das ist doch nicht schlimm. Pass auf, ich erzähl dir mal was. Du weißt doch noch, voriges Jahr, als der LKW bei uns ins Haus gekracht ist, oder?“
„Da war ich auf Klassenfahrt, zum Glück. Der ist genau in mein Zimmer rein.“
„Genau. Ich hab da gerade Hausaufgaben gemacht und als das alles um mich herum krachte, habe ich mir vor Schreck auch in die Hose gemacht. Was soll’s, ist doch kein Problem. Ist doch ganz normal, wenn man mal erschrickt und Angst hat. Also keine Tränen, Brüderchen.“
„Ganz ehrlich? Und du lachst mich nicht aus?“
„Ganz ehrlich, und ich würde dich nie auslachen.“
„Danke, Pascal!“
Mit diesen Worten fiel Sascha seinem großen Bruder um den Hals, der die Gelegenheit nutzte und ihn hochhob.
„So, ich hab meinen Bruder. Können wir gehen oder ist noch irgendwas zu unterschreiben?“
Jorin und ich lachten, das war einfach ein nettes Bild.
„Nein, wir streichen hier nur seinen Namen aus, ihr könnt gehen.“
„Prima. Vielen Dank, dass ihr euch so gut um ihn gekümmert habt.“
„Gern geschehen.“
Sascha immer noch tragend, verließ Pascal das Cafe und wenige Minuten später waren wir dort mit Jakob und Jan alleine.
„So, das wär’s! Alles geschafft.“
„So ist es, Jake. Und was machen wir jetzt?“
„Jetzt kommt ihr erstmal mit hoch zu uns, frisch machen, anziehen und dann sehen wir zu, was wir mit dem Tag noch so schönes anfangen können.“
Unbemerkt waren Tom und Martin wieder zu uns gestoßen. Was Thomas da vorschlug hörte sich gut an. Vor allem auch deshalb, weil ich langsam ein kleines Problem bekam.
„Gute Idee, ich brauche wohl möglichst bald eine frische Windel.“
„Das dürfte außer Jakob uns allen so gehen.“
„Na dann los, gehen wir hoch. Um das Aufräumen im Saal kümmern sich andere, unsere Arbeit ist komplett erledigt.“
Und so gingen wir zu sechst in Richtung Privaträume, begleitet von verblüfften Blicken, Kopfschütteln, Grinsen und leisem Gelächter der jetzt doch schon recht zahlreichen Gäste, welche die Gänge des Gasthauses bevölkerten.
Autor: Mark (eingesandt via Nachricht)
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