Kleine Maus mit großen Herz
Windelgeschichten.org präsentiert: Kleine Maus mit großen Herz
Vorwort
Ich hoffe, dass überhaupt noch jemand Lust hat dieses Werk von mir zu lesen, nachdem ich vor zwei Tagen Jona mit diesem gemeinen Cliffhanger beendet habe. Achja da fällt mir ein…ich sagte doch, dass ich bislang noch jeden Cliffhanger aufgelöst habe oder? Wer jetzt gehofft hat, dass der Cliffhanger aus Jona hier aufgelöst wird, der hat sich definitiv…nicht geirrt, aber ihr werdet ganz bestimmt trotzdem sehr viel Spaß beim Lesen haben.
Natürlich nehme ich wie immer gerne Kommentare entgegen ob euch die Geschichte gefällt oder nicht. Achja eine kleine Sache noch ich habe die Geschichte teilweise anfangs in einer anderen Erzählperspektive geschrieben und dann umgeschrieben (es waren insgesamt 90 Seiten, die ich umgeschrieben habe). Es ist durchaus möglich, dass Fragmente davon noch in manchen Kapitel schlummern und auch beim Korrekturlesen nicht bemerkt wurden, also wenn ihr da irgendwas findet, dann wundert euch bitte nicht.
So was bleibt mir dann noch zu sagen als viel Spaß beim Lesen. Achja lasst euch von dem Titel nicht verwirren, der ergibt im späteren Verlauf durchaus Sinn.
Kapitel 1: Das Zeugnis
Ich stand schon einen Moment vor der Türe. Glücklicherweise war es ein lauer Sommerabend oder besser gesagt eigentlich eine laue Sommernacht, die gerade begann. Wir hatten fast Mitternacht und ich klingelte hier vermutlich gerade irgendwen aus dem Bett und das nur weil ich keine bessere Idee hatte als hier aufzuschlagen. Warum eigentlich? So viel hatte ich mit den beiden doch eigentlich gar nicht zu tun, aber seine Art war einfach so verständnisvoll, irgendwo verständlich, wenn man bedachte was er alles erlebt hatte, natürlich kein Vergleich zu meinem heutigen Tag, aber trotzdem würde er es verstehen, ganz bestimmt. Langsam öffnete sich die Türe. Wenigstens etwas Glück für heute. Nachdem gefühlt alles schief gegangen war, öffnete sich jetzt wenigstens die Türe. Hätte ich das alles kommen sehen, wäre ich wahrscheinlich schon eher hier aufgeschlagen oder gar nicht, weil es gar nicht zu all dem gekommen wäre. Jetzt war es so, wie es eben war, einfach scheiße, etwas anders fiel mir dazu schlichtweg nicht ein. Erst meine Eltern, dann Jen und die Laterne noch mehr Pech hätte ich aber auch nicht haben können. Ich wollte einfach nur weg, weg von allen, einen Moment Ruhe haben und einfach wieder zu klarem Verstand kommen und meinen Frust bei jemandem abladen, der mich dafür nicht verurteilen würde oder zumindest eben genau das vermutlich nicht tun würde.
Die Türe war inzwischen komplett geöffnet und eine Silhouette stand in der Türe. Aus dem Flur hinter der Person schien helles Licht und tauchte den dunklen Eingangsbereich vor der Haustüre in einen Lichtkegel.
„Kathi?“ fragte die Silhouette in der Türe verwundert und trat einen Schritt nach draußen, näher an mich heran. Mir fehlten die Worte oder besser gesagt, selbst wenn ich etwas hätte sagen wollen, war es mir einfach nicht möglich, weil sich mein Hals direkt zuschnürte und mir wieder Tränen in die Augen schossen. Müde und abgekämpft ließ ich den Kopf sinken und schaute auf den Boden und sah wie sich im Lichtkegel auf dem Boden unter mir kleine Tropfen auf dem Boden sammelten.
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Auch wenn mich immer noch das schlechte Gewissen plagte, hier zu so später Stunde aufzutauchen, taten alle hier genau das was ich mir schon gedacht oder erhofft hatte. Sie hatten mich schnell nach drinnen geholt und hatten natürlich zu aller erst meine Blessuren bemerkt. Ich hatte mich noch nicht im Spiegel gesehen, aber vermutlich sah ich so aus als ob ich überfallen und verprügelt worden wäre. Vermutlich befürchteten sie alle das schlimmste und ich war nicht in der Lage zu sagen, dass mir nichts dramatisches passiert war. Immerhin kam ich langsam zur Ruhe. Ich saß auf dem Sofa und hatte eine Tasse mit Tee vor mir stehen. Mein Türöffner saß mir gegenüber und beobachtete mich mit Argusaugen, fast so als ob er herausfinden wollte was in mir vorging. Die Türe, die nach links zur Küche abging, öffnete sich plötzlich und ein Kopf erschien zwischen der Zarge und der Türe.
„Ist alles in Ordnung mit ihr?“ fragte Helen. Jona schüttelte langsam den Kopf. Helen trat durch die Türe und sprach weiter: „Wir sollten sie ins Krankenhaus bringen und ihre Eltern anrufen.“
„Ich muss nicht ins Krankenhaus, ich bin nur gegen eine Laterne gelaufen und hingefallen, mehr nicht, wirklich nicht. Das ist nichts wildes ein paar Schrammen und eine schöne Beule.“ brach es endlich aus mir heraus.
„Aber deine Eltern rufe ich definitiv an.“ entgegnete Helen.
„Gut, aber die brauchen heute nicht mehr hier aufschlagen. Sag den beiden einfach mir geht es gut und ich möchte alles erst mal verdauen.“ forderte ich ein wenig patzig. Irgendwo hatten sie das auch mitzuverantworten.
„Das kann ich dir nicht versprechen, aber ich richte es aus.“ sagte Helen und verschwand in der Küche um dort zu telefonieren. Ich schaute ihr noch eine Weile hinterher und schüttelte den Kopf.
„Stress zu Hause?“ fragte Jona vorsichtig. Er musste wohl mein Auftauchen erst mal verdauen oder hatte er gewartet mich auszufragen bis ich überhaupt wieder in der Lage war zu sprechen?
„Schwierig zu sagen.“ antwortete ich zögerlich.
„Kathi, du kannst mir doch nicht erzählen, dass du mitten in der Nacht hier auftauchst und keinen Stress zu Hause hast. Außerdem siehst du mehr so aus als ob du von irgendwem verprügelt worden bist und nicht wie nach einem Zusammenstoß mit einer Straßenlaterne.“ warf Jona ein.
„Es war eine verdammte Straßenlaterne. Tut mir leid, dass ich kein Bild gemacht habe. Mich hat keiner geschlagen oder sonst irgendwas.“ konterte ich wütend. Die Türe zur Küche öffnete sich erneut. Dieses Mal kam Sarah herein und setzte sich neben mich. Jona hatte mir schon beim Eintreten ins Wohnzimmer erzählt, dass sie eigentlich auf dem Weg ins Bett gewesen war. Aufgrund meines plötzlichen Auftretens hatte er ihr eine Nachricht auf ihr Handy geschickt. Er wollte mich wohl ungern aus den Augen lassen. Es rührte mich, dass die beiden sich die Zeit nahmen um in Erfahrung zu bringen was ich hier tat.
„Hey was machst du denn für Sachen? Warum tauchst du denn mitten in der Nacht hier auf?“ fragte Sarah besorgt.
Ich zuckte mit den Schultern, so wirklich sicher was ich hier machte, wusste ich nicht.
„Kein Plan, wollte einfach nur weg, lange Geschichte.“ antwortete ich nachdenklich.
„Wir haben Zeit, wenn du willst, kannst du uns sie gerne erzählen.“ schlug Sarah vor.
Ich wollte gerade antworten als Helen nochmals ins Wohnzimmer kam.
„Also Kathi. Deine Eltern wissen, dass du hier bist. Besonders begeistert über dein plötzliches Verschwinden waren die beiden nicht. Beide haben sich wirklich Sorgen gemacht. Ich konnte die beiden aber nicht davon überzeugen, dass du hier bleiben kannst. Deine Mutter holt dich heute Nacht noch ab.“ erklärte Helen.
„Na toll. Fantastische Aussichten.“ seufzte ich deprimiert. Das würde bestimmt mächtig Stress zu Hause bedeuten und ganz ehrlich Stress hatte ich eigentlich die letzten Monate mehr als genug gehabt.
„Ach das wird schon Kathi.“ ermutigte Sarah mich und legte ihre Hand auf meine Schulter. Blöderweise erwischte sie die Stelle an der ich mir eine Schramme zugezogen hatte. Ich zuckte kurz zusammen und gab ein leises schmerzliches Zischen von mir, woraufhin Sarah ihre Hand ruckartig zurückzog.
„Oh entschuldige.“ sagte sie gleich darauf.
„Schon gut, nur eine fiese Schramme. Hab ich mir eingefangen als ich gegen eine Laterne gelaufen bin. Bin ein bisschen getorkelt und in einem Busch gelandet. Ich hab mir bestimmt noch irgendwo anders die ein oder andere Blessur eingefangen.“ erklärte ich nachdem der Schmerz nachgelassen hatte.
„Sollen wir uns das mal anschauen?“ fragte Sarah mitfühlend.
„Ne passt schon, denke ich. Ich brauche vermutlich einfach nur einen Moment Ruhe.“ lehnte ich ihr Angebot dankend ab und trank noch einen Schluck von dem Tee.
„Genau. Du kommst jetzt erst mal zur Ruhe und erzählst uns mal was überhaupt passiert ist und warum du hier mitten in der Nacht auftauchst.“ schaltete sich Jona ein.
„Ihr beiden lasst nicht locker oder?“ fragte ich ein wenig gereizt. Mir war klar, dass die beiden es nur gut meinten und irgendwo wollte ich ja auch meinen immer noch in mir vorhandenen Frust und die Enttäuschung los werden, aber ich wusste nicht wo ich überhaupt anfangen sollte mit meiner Erzählung.
„Nein tun wir nicht.“ sagten Jona und Sarah gleichzeitig. Die beiden passten einfach zu gut zusammen. Diese Reaktion zauberte mir sogar ein kurzes Lächeln ins Gesicht. Alleine das machte die Situation für den Moment weitaus angenehmer.
Ich sammelte mich einen Moment. „Also gut wo fange ich am besten an?“ fragte ich mehr in den Raum als an die beiden gerichtet. „Achja am besten letzte Woche.“kam es mir plötzlich in den Sinn.
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„DU HAST ES TATSÄCHLICH GESCHAFFT!“ hörte ich meine beste Freundin freudestrahlend rufen, nachdem wir aus der Schule raus waren, nur um kurz danach von ihr umarmt zu werden. Jennifer oder kurz Jen, war genau wie ich sechzehn und war vermutlich der Grund warum ich dieses scheiß Schuljahr überhaupt halbwegs erfolgreich hinter mich gebracht hatte. Es war extrem stressig gewesen. Mein Halbjahreszeugnis war das was man als mein persönliches Waterloo bezeichnen konnte. Immerhin wusste ich was Waterloo zu bedeuten hatte, auch wenn ich in Geschichte im ersten Halbjahr auch nicht wirklich mit Ruhm geglänzt hatte. Da hatte ich genauso eine fünf kassiert wie in ein paar anderen Fächern. Also wirklich ein absolutes Waterloo oder ein Super Gau, auch wenn ein Gau eigentlich schon der größte anzunehmende Unfall war, wie sollte man das noch steigern. Auf den Kopf gefallen war ich definitiv nicht, aber irgendwie…keine Ahnung wollte mir das erste Halbjahr aus mir unbekannten Gründen einfach nicht gelingen. Jen hatte mich das gesamte zweite Halbjahr moralisch, seelisch wie auch beim Lernen unterstützt.
„Jen! Du kannst mich auch wieder loslassen.“ forderte ich sie überrumpelt auf. Jen löste sich tatsächlich von mir, auch wenn ich ihre Umarmung durchaus noch einen Moment genossen hätte, aber sie hatte mich einfach überrumpelt. Jens breites Grinsen verriet mir, dass sie sich vor Freude kaum einkriegen konnte. Sie würde auch das nächste Schuljahr zusammen mit mir verbringen, das stimmte nicht nur sie fröhlich, mich natürlich auch, auch wenn ich in dem Moment hauptsächlich die Müdigkeit fühlte, die sich langsam in mir breit machte. Die letzten Monate hatten Kraft gekostet und das nicht gerade wenig. Ich hatte dieses Gefühl der Ermattung schon eine Weile, aber ich hatte es immer wieder beiseite geschoben, einfach nur weil ich mir und der Welt, nein eigentlich nur meinen Eltern beweisen wollte, dass ich es drauf hatte das zweite Halbjahr besser zu machen als das erste. Jetzt hatte ich den Beweis schwarz auf weiß, aber jetzt mit dem Triumph forderte mein Körper definitiv seinen Tribut.
„Ich freu mich einfach.“ merkte Jen an.
„Glaubst du ich nicht?“ fragte ich verwundert und zog eine Augenbraue nach oben.
„Weiß ich doch Kathi.“ sagte Jen und das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand plötzlich. Wir standen in der Mitte des Schulhof und Jen nahm mich zur Seite. Sie wollte wohl nicht, dass alle vorbeieilenden Schüler das nächste mitkriegen würden. „Du siehst echt fertig aus Kathi.“ merkte Jen an als wir uns von dem Pulk der Schüler gelöst hatten, der in die wohlverdienten Sommerferien stürmte.
„Danke für das Kompliment. Ich muss ja richtig schlimm aussehen, wenn du mir das so ins Gesicht sagst.“ seufzte ich. Ich hatte zu Hause natürlich das ein oder andere Mal in den Spiegel geschaut. Ich wusste, dass ich an manchen Tagen nicht gut ausgesehen hatte. Vor meinen Eltern hatte ich bislang immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht, aber wahrscheinlich war es auch nicht an ihnen vorbeigegangen, dass ich teilweise fertig aussah. Irgendwie wunderte ich mich gerade, dass sie sich mit meinen Antworten wie schlecht geschlafen oder lange gelernt zufrieden gegeben hatten. Heute sah ich bestimmt nicht nur fertig aus, nein ich fühlte mich tatsächlich auch so.
„Sorry wenn ich jetzt etwas direkt war. Die letzten Monate waren wirklich hart oder?“ fragte Jen obwohl sie die Antwort eigentlich kannte.
„Ich glaube hart ist kein Ausdruck. Das meiste hast du doch mitbekommen. Wie oft habe ich mich bei dir ausgeheult? Einmal die Woche oder war es zweimal die Woche?“ fragte ich mehr ironisch als ernsthaft.
„Oft genug würde ich sagen, aber es hat sich doch gelohnt oder?“ fragte Jen weiter.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Hatte es sich wirklich gelohnt? Irgendwo bestimmt, aber tatsächlich würde ich das erst zu Hause in Erfahrung bringen.
„Mensch Kathi! Ein bisschen mehr Freude. Deine Eltern müssen doch auch schon total aus dem Häuschen sein oder?“ versuchte Jen meine Laune aufzubessern. Für gewöhnlich kriegte sie das immer irgendwie hin, aber heute würde auch sie daran scheitern.
„Die wissen noch gar nichts davon.“ gab ich ihr kleinlaut zu verstehen.
„Wie jetzt? Hast du dieses Versteckspiel mit deinen Noten wirklich durchgezogen von dem du mal gesprochen hast?“ fragte Jen verwundert.
„War gar nicht so einfach. Meine Eltern wollten oft genug Arbeiten sehen. Konnte ich meistens umgehen in dem ich mich in mein Zimmer verzogen habe oder zu dir bin.“ erklärte ich kurz. Eigentlich war es schon ein wenig mehr Arbeit. Eigentlich hatte ich mich die letzten Monate zu Hause wie eine Berserkerin aufgeführt, hatte rum geschrien und rum gemeckert. Mehr als einmal hatte ich mich über einen angeordneten Hausarrest hinweg gesetzt und hatte mich zu Jen abgesetzt. Irgendwann waren es meine Eltern auch leid irgendwelche Strafen zu verhängen die nicht fruchteten und haben mich dann einfach machen lassen. Vermutlich hatten sie die Hoffnung, dass ich früher oder später wieder zur Vernunft kommen würde. Innerlich tat mir das alles tatsächlich leid. Heute wäre definitiv eine Entschuldigung dafür fällig.
„Die haben dich doch bestimmt nicht freiwillig gehen lassen oder?“ fragte Jen lachend.
„Nicht wirklich. Ich habe mich die letzten Monate einfach mal ein bisschen pubertärer verhalten, als meinen Eltern gut tut, würde ich sagen. Da ist bestimmt sowas wie ne Entschuldigung fällig, aber ich wollte mir einfach nicht den Triumph nehmen lassen ihre Gesichter zu sehen, wenn ich das Schuljahr wirklich schaffe.“ erklärte ich weiter.
„Glaub ich dir. Sag mal wie hast du das eigentlich mit dem Elternsprechtag angestellt? Die wollten doch bestimmt mal da hin.“ merkte Jen an.
„Da reden wir besser nicht drüber.“ gab ich kurz als Antwort. Tatsächlich war mir das ziemlich unangenehm darüber zu sprechen, denn auf der Einladung hatte ich tatsächlich eiskalt die Unterschrift meiner Eltern gefälscht. Die hatten halt kein Interesse an meinen Leistungen zu haben, habe ich einfach mal so entschieden ob das irgendwann mal zur Sprache kommen würde, wusste ich nicht, heute definitiv nicht.
„Wenn du meinst.“ entgegnete Jen und ließ die Sache auf sich beruhen.
„Hast du noch Zeit um mit mir zusammen nach Hause zu gehen?“ fragte ich Jen. Sie wollte anscheinend das Thema wechseln, das nächste würde bestimmt unser Urlaub werden.
„Wenn wir uns nicht noch weiter fest quatschen, dann gehe ich mit dir noch das Stück bis zu mir.“ antwortete Jen etwas geknickt. Natürlich war sie geknickt, genauso wie ich. Unsere Familien hatten ihre Urlaube beschissen gelegt.
„Wir haben ja noch fast die ganzen Ferien Zeit. Unser Urlaub ist ja erst übernächste Woche angesagt. Leider bist du weg, wenn ich wieder da bin, aber das halten wir schon aus oder?“ warf ich ein. Sie rang sich sogar ein müdes Lächeln ab.
„Stimmt, aber ich hätte trotzdem gerne etwas mehr in den Ferien mit dir unternommen.“ sagte Jen traurig.
„Ich weiß. Geht mir genau so. Lass uns nicht weiter drüber sprechen.“ sagte ich und setzte mich langsam in Bewegung um den Heimweg anzutreten. Jen folgte mir langsam und wir begannen über alle möglichen Themen zu sprechen oder besser gesagt die Themen, die uns nicht so unglücklich stimmten wie Zeugnisse und Urlaube.
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„Na wie wars in der Schule?“ schallte die Stimme meiner Mutter aus der Küche als ich die Türe öffnete. Natürlich, sie hatte meinen Schlüsselbund erkannt oder meine Schritte oder was auch immer. Ich war schon wieder im Angriffsmodus obwohl es heute gar nicht notwendig war. Natürlich wusste meine Mutter, dass heute der letzte Schultag war und mein Zeugnis wurde geradezu mit brennender Sehnsucht erwartet. Wirklich Eile das Zeugnis zu präsentieren hatte ich hingegen nicht. Dieser rebellische Teil in mir, den ich die letzten Monate gehabt hatte, wollte sich noch nicht ganz verabschieden oder zumindest einen nennen wir es mal würdevollen Abgang hinlegen. Ein anderer Teil von mir, der eigentlich weitaus größer war, wollte einfach nur reumütig zu meinen Eltern kriechen und sich für alles entschuldigen und sich dann ganz lange in sein Bett legen und erholen. Meine Eltern hatten natürlich während meiner rebellischen Phase versucht alle möglichen Informationen von mir zu erhalten, aber sie waren auf Granit gestoßen. Sogar mit einem Anruf in der Schule hatten sie mir gedroht, wenn ich mit den Noten nicht rausrücke, ich hatte mir trotzdem nicht in die Karten schauen lassen. Ob sie in der Schule angerufen hatten, wusste ich nicht, aber ganz ehrlich ich rechnete nicht damit. Ich merkte schon wieder diese Anspannung, die ich in den letzten Monaten so oft in mir gespürt hatte, absoluter Konfrontationsmodus. Einmal tief einatmen, sagte ich zu mir selber, heute wird alles gut oder zumindest irgendwas in der Richtung. Vielleicht konnte ich mich mit dem Zeugnis auch aus unserem langweiligen Urlaub ausklinken und hier zu Hause rumhängen, wäre definitiv auch erholsam. Ich seufzte und zog mir die Schuhe aus und stellte sie in das Schuhregel im Flur. Mir war bewusst was passieren würde, wenn meine Schuhe nicht darin stehen würden und denn Stress musste ich heute nicht noch zusätzlich provozieren.
„Willst du nicht mit mir sprechen?“ fragte meine Mutter, die sich inzwischen mit verschränkten Armen in die Türe zur Küche gestellt hatte und mich mit einem Funkeln in den Augen anschaute.
„Sorry ich war etwas abgelenkt.“ entschuldigte ich mich möglichst freundlich.
„Das merke ich wohl. Das Essen ist gleich fertig. Du kannst schon mal in die Küche kommen. Ich würde zu gerne einen Blick auf dein Zeugnis werfen junge Dame.“ erinnerte meine Mutter mich an das Zeugnis. Natürlich das Zeugnis war heute das wichtigste. Ich folgte meiner Mutter langsam in die Küche, stellte meine Schultasche neben den Tisch und setzte mich auf meinen Platz. Also eigentlich hatten wir keine festen Plätze am Tisch, aber über die Jahre hatte es sich irgendwie so ergeben, dass wir immer auf dem selben Platz saßen. Ich machte immer noch keine Anstalten mein Zeugnis aus der Tasche zu holen, aber das war meiner Mutter bestimmt noch nicht aufgefallen, weil sie immer noch mit dem Essen beschäftigt war. Meine Mutter kochte immer richtig leckeres Essen. Ich musste trotz dem flauen Gefühl im Magen einen Blick zu den Kochtöpfen werfen. Anscheinend würde es Spaghetti Bolognese geben. Innerlich freute ich mich tierisch, auch wenn sich mein Appetit in Grenzen hielt. Sollte das eine Art Festessen zur Feier des Tages werden? Das ergab keinen Sinn, meine Mutter konnte ja gar nicht wissen wie mein Zeugnis aussehen würde, außer wenn meine Eltern doch einen Anruf in der Schule gemacht hatten. Warum hatte ich mir den Stress überhaupt angetan? Nur für diesen kleinen Moment des Triumphs? Ich starrte eine Weile schweigend auf den Tisch. Ein plötzlich vor meinen Augen auftauchender Teller riss mich aus den Gedanken.
„Hier bitte schön. Lass es dir schmecken.“ sagte meine Mutter freundlich.
„Danke.“ antworte ich und fing ein wenig leidenschaftslos an zu essen. Tatsächlich hatte ich wirklich Hunger und hatte es gar nicht gemerkt. Meine Mutter setzte sich mit einem eigenen Teller auf die gegenüberliegende Seite und fing ebenfalls an zu essen.
„Und? Wolltest du mir nicht noch erzählen wie es heute war?“ fragte meine Mutter beiläufig während sie weiter aß. Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, dass ich aus der Nummer nochmal rauskommen würde. Ich aß gerade den letzten Bissen und schob meinen Teller zur Seite.
„Naja war in Ordnung denke ich.“ antwortete ich mehr desinteressiert als euphorisch.
„Und das Zeugnis?“ hakte meine Mutter nach. Warum musste sich alles um das verdammte Zeugnis drehen?
„Moment, suche ich raus.“ entgegnete ich und begann langsam in meiner Tasche zu kramen. Ich ließ mir mehr Zeit als ich eigentlich brauchte, einfach nur um die Spannung zu erhöhen. Meine Mutter merkte das natürlich und ich konnte förmlich spüren, wie sich ihre Laune wieder verschlechterte. Gefühlt mit jeder Sekunde wurde die Laune ein wenig schlechter. Sollte ich weiter mein Glück herausfordern und meine Mutter damit zur Weißglut treiben? Ich kramte weiter in meiner Tasche, auch wenn ich eigentlich nicht auf Krawall gestimmt war.
„Katharina, dein Zeugnis sofort!“ forderte meine Mutter mich nun vehement auf. Ihre Geduld war anscheinend am Ende. Ich griff nach dem Zeugnis und reichte es ihr.
„Hier.“ sagte ich etwas eingeschüchtert und wartete auf die Reaktion meiner Mutter. Der Blick sagte mehr als tausend Worte. Der Triumph, auf den ich solange gewartet und hingearbeitet hatte.
„Ähm…“ setzte meine Mutter an.
„Stimmt was nicht?“ fragte ich ruhig, eigentlich war ich innerlich total aufgewühlt, aber versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
„Bist du sicher, dass das dein Zeugnis ist?“ fragte meine Mutter trocken.
„MAMA! Du bist doof und gemein!“ rief ich ihr frustriert ins Gesicht.
„Und du bist ein Kindskopf und warst in letzter Zeit mehr als doof zu deinem Vater und mir. Da geschieht dir die Frage ganz recht.“ entgegnete meine Mutter lachend. Urplötzlich war sie anscheinend wieder entspannt und freundlich. Damit hatte sie mich komplett aus dem Konzept gebracht.
„Ich verstehe gar nichts mehr.“ sagte ich.
„Dachte ich mir. Lass mich das Ganze einmal erklären. Uns war eigentlich recht schnell klar, dass du etwas vor uns verheimlichst. Eltern merken so etwas immer, kannst du dir gleich mal für die Zukunft merken. Da du auf stur gestellt hast, warum auch immer, haben wir unsere Drohung wahr gemacht und uns mit der Schule in Verbindung gesetzt. Natürlich hat man uns sehr bereitwillig deine Noten verraten. Das Zeugnis ist für uns also keine Überraschung. Uns war recht schnell klar, dass deine abweisende Haltung uns gegenüber daher rühren muss, dass du nicht wolltest, dass wir an die Noten kommen, auch wenn wir den Grund dahinter nicht erkennen können, aber das ist ja nicht so wichtig. Wir haben dir also auch die ganze Zeit den pubertierenden Teenie durchgehen lassen, weil wir die Noten schon kannten beziehungsweise immer auf dem Laufenden gehalten wurden. Das war nicht immer einfach dich einfach machen zu lassen. Du kannst ganz schön zickig und frech sein junges Fräulein.“ löste sie die Verwirrung auf.
Ich merkte wie mein Gesicht heiß wurde. Eine verdammt blöde Angewohnheit, die immer dann einsetzte wenn ich sie am wenigsten gebrauchen konnte. Vermutlich war es mir in dem Moment einfach peinlich, dass meine Eltern mich voll ausgespielt hatten und ich eigentlich genau das Gegenteil bezwecken wollte.
„Ähm…ja Jen meinte auch ich wäre in letzter Zeit etwas anstrengend gewesen. Aber warum habt ihr mich einfach machen lassen?“ fragte ich verwundert.
„Naja erst mal waren wir alles andere als begeistert. Ich glaube dein Vater hätte dich am liebsten gelyncht oder sonst was, zumindest bis wir das mit den Noten erfahren haben. Danach haben wir einfach abgewartet und geschaut was passiert. Wir wollten schauen wie du mit deinem Vorhaben klar kommst. Dein Rumgezicke…naja…vergessen wir das einfach mal, aber ich hoffe das kommt nicht nochmal vor, auf Dauer wird das anstrengend, da wäre mir ein Kleinkind noch lieber.“ antwortete meine Mutter. Ich musste bei der Aussage schlucken. Irgendwie fühlte ich mich gerade ein wenig wie an den Pranger gestellt.
„Alles in Ordnung?“ fragte meine Mutter.
„Ja, klar. Ich muss das alles gerade noch verarbeiten. Ich glaube ich verziehe mich mal in mein Zimmer und höre Musik oder leg mich was hin, ich bin echt fertig.“ sagte ich und stand auf.
„Hey Kathi, warte mal kurz.“ forderte sie mich auf.
„Was ist denn noch?“ fragte ich, während ich schon an der Türe stand. Meine Mutter stand auf und kam zu mir, einfach nur um mich in den Arm zu nehmen. Ich war etwas verwundert darüber, aber ich genoss diese Geste in dem Moment sehr.
„Ich wollte dir einfach nur sagen, dass ich stolz auf dich bin.“ antwortete sie nach einer Weile.
„Danke.“ sagte ich erleichtert, löste mich aus der Umarmung und ging in mein Zimmer.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
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Irgendwie hatte ich die Hoffnung das dies der dritte Teil der Geschichte um Jona, Sarah und Kathi sein könnte. Das nun Kathi im Brennpunkt der Storry steht, ist find ich sehr interessant. Bin gespannt wie es weiter geht.
Ich hab mir ein bisschen was überlegt. Klar die ersten Kapitel kündigen schon mal ziemlichen Stress an, aber ich denke, dass ist jetzt kein Spoiler sondern war schon recht ersichtlich. In den nächsten Kapiteln haste also sehr viel damit zu tun und auch mit dem Grund für den nächtlichen Besuch. Ich denke spätestens in zwei Wochen kann sich der ein oder andere zumindest einen Teil der Entwicklung denken, aber das ist ein recht kleiner Teil der Geschichte also es bleibt auch für die Leute spannend.
ist es doch irgendwie
schicksalhafter Ferienbeginn handelt in der Ferienzeit
Jonas handelt von darauffolgenden Schuljahr
und jetzt grhts ja mit den nächsten Ferien weiter
nur immer von einer anderen ansicht
Cool! Unter dem Titel hätte ich deine Fortsetzung von Jona am wenigsten erwartet – fast hätte ich sie übersehen!
Aber jetzt bin ich doch gespannt darauf was in Kathis Leben so schiefläuft :p