Kleine Maus mit großen Herz (3)
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Kapitel 3: Klärende Worte
Es war still im Auto, nur das leise Radio lief, sowohl ich wie auch meine Mutter schwiegen. Ich befürchtete zu Hause den Ärger meines Lebens, verdient hatte ich ihn irgendwo bestimmt, aber dann auch wieder nicht. Ach es war einfach alles unfair und scheiße. Es war einfach zu viel auf einmal gewesen. Ich wollte einfach weg und ich war weg, zumindest für einen Moment. Die jetzt herrschende Stille machte mich mürbe.
„Seid ihr sehr böse auf mich?“ fragte ich leise ins Auto hinein. Ich hoffte meine Mutter hatte die Frage überhört.
„Naja wirklich toll war deine Aktion nicht. Wir waren eigentlich nur besorgt. Ist das mit dem Umzug wirklich so schlimm, dass du abhauen musstest?“ entgegnete meine Mutter immer noch freundlich. Alleine schon diese Freundlichkeit, die sie mir nach so einer Aktion entgegen brachte, war eigentlich viel zu nett. War das ein gewisses Verständnis oder bildete ich mir das ein? Ich bildete mir das bestimmt ein, der große Hammer würde morgen kommen, ganz bestimmt.
„Es ist nicht nur der Umzug. Ich glaube das sind die Nachwirkungen aus der stressigen Zeit. Ich weiß nicht wie ich das ohne Jen geschafft hätte und sie jetzt nicht mehr an meiner Seite zu haben, ich weiß nicht wie ich es sagen soll…ich glaube ich habe einfach Angst davor.“ erklärte ich irgendwie notdürftig meine Beweggründe.
„Ich weiß was du meinst, aber sieh mal das Positive daran. Du bekommst dafür direkt zwei Leute mit denen du anscheinend richtig gut klar kommst.“ merkte meine Mutter an.
„Wie jetzt?“ fragte ich verwundert.
„Na Sarah und Jona. Helen hat mir erzählt in welchem Zustand du angekommen bist. Wie ein Häufchen Elend siehst du gerade nicht mehr aus.“ antwortete meine Mutter.
„Aber ich fühle mich noch so.“ kommentierte ich die Antwort. Tatsächlich fühlte ich mich eigentlich sogar schlechter als bei meiner Ankunft bei Sarah und Jona, aber das war vermutlich das schlechte Gewissen, das inzwischen die Oberhand gewonnen hatte. Ja irgendwo hatte ich meine Gründe das zu tun, aber es war genau wie bei der Sache mit dem Zeugnis wahrscheinlich einfach die falsche Umsetzung.
„Dann mach einen Moment die Augen zu und schlaf ein wenig, es dauert noch bis wir zu Hause sind und wir müssen das nicht heute ausdiskutieren. Das machen wir morgen früh ganz in Ruhe. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass das entspannt wird, aber es wird nicht so schlimm wie du es dir vorstellst. Keiner von uns frisst dich morgen, versuche ein bisschen zur Ruhe zu kommen und mach dir nicht so viele Sorgen.“ erklärte meine Mutter. Für sie war es natürlich einfach zu sagen ich brauche mir keine Sorgen zu machen. Natürlich machte ich mir die. Trotzdem schloss ich die Augen und versuchte ein wenig zur Ruhe zu kommen. Ich folgte der Stimme im Radio, die immer leise zu werden schien.
————————————————————————————————————
Ich schreckte auf. Ich war nicht mehr im Auto, sondern lag in meinem Bett. Ich trug noch meine Klamotten von gestern, nur meine Hose und die Schuhe trug ich nicht mehr. Die Hose hing fein säuberlich über der Rücklehne meines Stuhls, die Schuhe waren nicht zu finden. Hatte meine Mutter mich vom Auto ins Bett getragen? War ich so müde gewesen? Hatte ich so tief geschlafen, dass ich das nicht mitbekommen hatte? Eigentlich schade, dass ich das nicht mitbekommen habe, irgendwie stellte ich mir schön vor ins Bett gebracht zu werden. Ich fasste mir ins Gesicht und kam an die Stelle mit der Beule. Inzwischen hatte diese sich zu ihrer vollen Pracht entwickelt. Mein Rücken schmerzte ebenfalls, wenn auch nicht so sehr wie die Beule. Verdammte Laterne, dachte ich mir. Ich wusste nicht was mich jetzt an Diskussionen mit meinen Eltern erwarten würde. Ich stellte mich einfach auf das schlimmste ein, auch wenn meine Mutter gestern ziemlich gelassen gewirkt hatte war das auch nur der Moment der Sorge und sie wollte im Auto keinen Streit vom Zaun brechen. Ich suchte nach meinem Handy, konnte es aber nicht finden. Hatte meine Mutter das Handy einkassiert, war das schon gleich die erste Strafe? Das konnte ja noch heiter werden. Panik machte sich in mir breit, möglicherweise war das Handy wirklich nur der Anfang. Ich musste mich beruhigen. In Panik machte ich immer verdammt dumme Sachen, also sowas wie gestern versteht sich, aber gestern war es nicht nur Panik gewesen, sondern auch Enttäuschung und Frustration, die mich dazu getrieben hatten meinen nächtlichen Ausflug zu unternehmen. Mir fiel die einzig sinnvolle Methode für eine beruhigende Wirkung ein. Ich schnappte mir wie so häufig in der letzten Zeit meinen Hasen, aber der brachte nur einen mäßigen Erfolg. Der Hase spendete mir ein wenig Trost, keine Frage, aber irgendwie reichte der Hase im Arm nicht um mich aus meinem Loch zu holen. Irgendetwas fehlte. Ich öffnete mit zittrigen Fingern meine Nachttischschublade. Ich hatte ganz hinten ein Stück Holz eingebaut und einen Hohlraum im hinteren Teil der Schublade geschaffen. Das war ganz schöne Arbeit gewesen, aber es hatte sich gelohnt, so hatte ich mein kleines Geheimfach und selbst meine Mutter, die oft genug bei mir im Zimmer meinte aufräumen zu müssen, hatte es bislang noch nicht entdeckt. Ich hatte das Fach inzwischen seit etwa vier Jahren und meine Mutter hatte es in den vier Jahren nicht geschafft das Fach zu finden. Ich hatte immer unterschiedliche Dinge in dem Fach aufbewahrt. In der Regel eigentlich nichts wildes sondern einfach nur Dinge, die meine Eltern nicht sofort sehen brauchten. Die wirklich wichtige Aufgabe als Versteck hatte das Fach erst vor gut einem halben Jahr erhalten als es mit der Schule immer schlechter lief und das Halbjahreszeugnis eingetrudelt war. Aber das war gerade nicht so wichtig, sondern jetzt interessierte mich der Inhalt des Fachs. Es dauerte ein wenig bis ich das Fach geöffnet hatte, aber schlussendlich konnte ich meine Hand etwas verdreht nach ganz hinten in das Fach stecken. Wenn ich aufgestanden wäre, dann wäre es zwar einfacher gewesen, aber ich hatte gerade keine Lust aufzustehen. Meine Finger fischten blind im Dunklen und fanden nichts. „Wie jetzt?“ fragte ich laut in den Raum und tastete verwundert weiter in dem Fach. Ich fand immer noch nichts. Ich zog meine Hand aus der Schublade und geriet in richtige Panik. Mit richtiger Panik meine ich diese Art von Panik die man verspürt, wenn ein großer hungriger Tiger einen verfolgt und man einfach nur noch rennen will und das möglichst weit weg. Also nicht, dass ich jetzt schon wieder die Flut ergreifen wollte. Ich sprang aus dem Bett auf und ließ sogar meine heißgeliebten Hasen auf den Boden fallen. Ich kniete mich vor die Schublade und versuchte nochmals, dieses Mal ohne, dass ich gleich die ganze Hand verdrehte in der Dunkelheit den gesuchten Gegenstand ausfindig zu machen. Wieder hatte ich keinen Erfolg. „Verdammt nochmal wo ist das Ding denn hin?“ fragte ich mich selbst. Er war immer in dem Fach wirklich immer, da achtete ich wirklich penibel drauf, damit er nicht wegkam und genau das war er jetzt. Ich begann in der Schublade zu kramen. Alibimäßig hatte ich ein paar Dinge in meiner Schublade, die ich eigentlich nicht wirklich darin brauchte, aber damit mein Geheimfach nicht gleich auffiel. Ich räumte alles aus der Schublade und zog sie so weit aus dem Schränkchen wie möglich. Meine Trennwand war nicht wirklich professionell eingebaut. Was sollte man auch von einer handwerklich nicht sonderlich begabten Zwölfjährigen erwarten. Ich hatte mir das Ergebnis meiner Bastelei schon lange nicht mehr angesehen, aber wenn ich es jetzt betrachtete musste ich feststellen, dass mein Geheimfach ziemlich dilettantisch zusammengebastelt war. Wenn man die Schublade ganz herauszog, dann konnte man das Fach sogar sehen. Das war mir gar nicht so bewusst gewesen, machte die Situation jedoch nicht besser. Das Fach war wie bereits vermutet leer. Letzte Woche hatte ich ihn doch noch und habe ihn auch wieder ins Fach gelegt. Er konnte doch nicht weg sein. Mir schauderte es bei dem nächsten Gedanken, der mir in den Sinn kam. Mein Herz raste urplötzlich so schnell wie noch nie zuvor. Das Klopfen an der Türe, das plötzlich erklang, machte die Situation nicht besser, sondern nur schlimmer und verstärkte alle schlimmen Gedanken, die ich mir gerade gemacht hatte.
Ich saß wie versteinert auf dem Boden vor meinem Nachttisch und rührte mich nicht. Ich antwortete nicht auf das Klopfen. Es klopfte nochmal. Dieses Mal lauter, aber es wurde definitiv nicht mit der Faust gegen meine Türe gehämmert. War das gut oder nicht? Die Stimme meiner Mutter erklang abgedämpft am anderen Ende der Türe.
„Kathi kann ich rein kommen? Ich möchte mit dir reden.“ hörte ich meine Mutter fragen. Ich konnte mir irgendwie denken was gleich kommen würde. Die Andeutungen von meiner Mutter und die bohrenden Nachfragen in der letzten Woche, waren ein Wink mit dem Zaunpfahl, den ich nicht gesehen hatte, auf den ich aus irgendeinem Grund nicht eingegangen war. Wollte ich mir das jetzt wirklich antun? Hatte ich überhaupt eine andere Wahl? Auf kurz oder lang würde ich meiner Mutter nicht aus dem Weg gehen können. Lieber jetzt einmal mit dem Kopf durch die Wand und alles los werden oder doch lieber irgendwie raus reden? Was wäre schlauer? Gab es überhaupt ein schlaueres Vorgehen oder nicht? Vor allem wie würde meine Mutter reagieren? Wollte sie mit ihrer Andeutung, nachdem ich ihr mein Zeugnis gegeben hatte, sofern es eine war, irgendetwas sagen oder würde es in dem Gespräch nur um meine Flucht gehen?
„Kathi?“ fragte meine Mutter nochmals von draußen. Ich war immer noch wie versteinert.
„J…j…a…komm rein.“ antwortete ich unsicher ohne zu wissen ob das eine kluge Entscheidung gewesen war.
Ich saß immer noch vor meinem Nachtisch und rührte mich nicht. Ich drehte meinen Kopf in Richtung Türe und hatte das Gefühl, dass sich die Türe in Zeitlupe öffnete. Es kam mir irgendwie so vor, als ob mein Henker gleich mein Zimmer betreten würde. Die Miene meiner Mutter war glücklicherweise alles andere als bösartig oder ähnliches, was mich nach dem gestrigen Tag mehr als beruhigte. Eher ratlos oder besorgt, auch das passte eher zu gestern. Sie schloss die Türe hinter sich und setzte sich auf den Stuhl, den ich vor ihrem Schreibtisch stehen hatte und über den man meine Hose gehangen hatte. Sie schaute mich eine geraume Weile an, fast so als ob sie nicht wirklich wissen würde wie sie das Gespräch beginnen sollte. Ich stand auf und setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett, schaute gespannt auf meine Mutter und wartete darauf, dass sie anfing etwas zu sagen.
„Kathi?“ fragte sie nochmals. Sie hatte anscheinend bemerkt, dass ich nicht ganz bei der Sache war.
„Hmmm…“ entgegnete ich kurz. Bloß nichts falsches sagen, dachte ich mir, erst mal abwarten was jetzt kommt.
„Wie geht es dir? Bitte eine ehrliche Antwort.“ forderte meine Mutter.
„Uff…schwierig zu sagen. Es ist gerade einfach gefühlt alles zu viel.“ antwortete ich unsicher. Die erste Frage war zum Glück ziemlich human, die heftigen Fragen würden bestimmt später noch kommen.
„Der Umzug oder was meinst du?“ fragte meine Mutter nach.
„Ich dachte das wolltest du mit mir und Papa besprechen?“ entgegnete ich verwundert.
„Wir haben uns dazu entschieden, dass es vielleicht sinnvoller ist, wenn ich zuerst alleine mit dir spreche. Ein Gespräch unter Frauen wenn man so will.“ erklärte sie mir.
„Hmmm…verstehe.“ kommentierte ich die Aussage. Ich wusste nicht ob ein Gespräch unter vier Augen besser war als eines unter sechs, aber immerhin hatte ich so nur mit einer Person zu tun, die mich ausfragen würde und nicht gleich zwei die sich am besten noch hochschaukelten und abwechselnd Fragen stellen würden und einen dann auch noch mehr verwirren als man sowieso schon ist.
„Wirklich begeistert wirkst du nicht. Weder ich noch dein Vater reißen dir den Kopf ab. Aber keiner macht sich einfach so ohne Grund aus dem Staub.“ argumentierte meine Mutter.
„Ich wollte mich einfach abreagieren. Ich hatte einfach keine Lust auf Streit. Wir hatten die letzten Monate schon genug Stress hier. Ich dachte Jen hätte Zeit, aber ich hab mich geirrt.“ erklärte ich die gestrigen Ereignisse.
„Jen hatte keine Zeit für dich? Du hast das letzte halbe Jahr gefühlt jede freie Minute bei Jen verbracht und gestern hatte sie keine Zeit?“ fragte meine Mutter weiter.
„Doof gelaufen würde ich sagen.“ versuchte ich das Thema auf sich beruhen zu lassen.
„Aber ihr habt keinen Streit oder sowas?“ fragte meine Mutter besorgt.
„Nein es ist alles gut zwischen uns, sie hatte Besuch, da wollte ich sie einfach nicht stören.“ antwortete ich unsicher und begann mit den Fingern durch meine Haare zu fahren. Eine blöde Angewohnheit, wenn ich nervös war und ähnlich unpassend wie das mit dem Rotwerden.
„Also du warst bei ihr und bist dann weg als du gesehen hast, dass sie Besuch hat?“ bohrte meine Mutter nach. Ich nickte zustimmend. Es hatte schon ein wenig den Charakter eines Verhörs, wenn auch eines bislang netten Verhörs. Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter dafür schon früher ein Händchen gehabt hatte. Jen und ich hatte früher durchaus viel angestellt, was wir besser nicht getan hätten, natürlich hatte meine Mutter es alles immer irgendwie aus mir herausgekitzelt, was nicht immer folgenlos für uns geblieben war. Glücklicherweise war mir Jen meistens nicht böse deswegen, sie kannte meine Mutter lange genug um diese Verhörtaktik ebenfalls zu kennen und sie wusste wie erfolgreich meine Mutter darin war.
„Ah gut das erklärt dann natürlich warum Jen dich nicht gesehen hat. Wir haben natürlich irgendwann bei Jen zu Hause angerufen um zu wissen ob du die Nacht noch nach Hause kommst. Als Jen uns gesagt hat, dass du gar nicht da wärst, sind wir schier gestorben vor Sorge. Glücklicherweise kam kurz darauf der Anruf von deiner Tante. Wann ist dann das mit der Beule passiert? Sieht echt fies aus.“ erzählte meine Mutter und wollte mich mit der Frage nach der Beule wohl dazu bringen ein bisschen was zu erzählen.
„Tut auch ganz schön weh. Das war als ich von Jen weg bin. Hab die Laterne nicht beachtet und bin gegen sie geknallt und dadurch dann gefallen, deshalb hab ich noch ein paar Schrammen und blaue Flecken.“ erklärte ich. Bislang fand ich das Gespräch eigentlich noch ziemlich angenehm, aber ich bereitete mich innerlich schon auf die ganz kritischen Fragen meiner Mutter vor, diese würden bestimmt jeden Moment folgen, die Frage war, was würde zuerst auf den Tisch kommen? Es wunderte mich irgendwie, dass sie nicht mit dem Inhalt des Nachttischs angefangen hatte. Klar sie wollte bestimmt erst mal eine halbwegs entspannte Atmosphäre schaffen, aber meine Mutter wusste, dass sie auch anders zum Ziel kommen konnte.
„Wen hatte Jen eigentlich so wichtiges zu Besuch, dass sie keine Zeit für dich hatte?“ fragte meine Mutter. Die absolut falsche Frage für mich. Diese Frage hätte ich am liebsten aus dem Fragenkatalog gelöscht oder überhört, aber es brachte nichts sich dazu nicht zu äußern, außer weitere Fragen, die nur unangenehmer zu beantworten wären.
„Justus.“ antwortete ich leise und deprimiert.
„Ach dieser Junge von dem du schon mal berichtet hast? Der sich jede Woche eine andere anlacht?“ entgegnete meine Mutter nachdenklich.
„Hmmm…genau der.“ bestätigte ich ihre zutreffende Beschreibung von Justus.
„Gut und dann bist du zu Jona, weil dir kein besserer Gesprächspartner eingefallen ist oder wie?“ setzte meine Mutter ihr Verhör unbeirrt fort. Also wenn sie so gut im Ausfragen war, dann hätte sie eigentlich Anwältin werden sollen, so wie es meine Tante war, aber tatsächlich hatte sie anderweitig Karriere gemacht nämlich als Architektin genauso wie ihr Vater. Meine Mutter arbeitete zwar nur noch halbtags, aber vermutlich auch nur aus dem Grund, weil sie es nicht einsah nach ihrem Studium nur Hausfrau und Mutter zu sein.
„Ja und nein. Wie gesagt ich wollte einfach weg. Nur halt nicht für immer, einfach weg, mich abreagieren. Ich bin extra zu Sarah, das war weit genug weg von allem hier und trotzdem brauchte ich mir keine Gedanken machen, dass mir was passiert.“ erklärte ich. Meine Mutter musste tatsächlich bei der Antwort lächeln.
„Schon clever durchdacht. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir uns bestimmt weniger Sorgen gemacht. Und da hin gekommen bist du wie?“ fragte meine Mutter weiter.
„Hmmm…mit dem Taxi. Hat mich 200 Euro gekostet.“ antwortete ich kleinlaut.
„Mit dem Taxi? 200 Euro? Du hast anscheinend zu viel Geld kann das sein?“ fragte meine Mutter ein wenig erbost. Würde jetzt die Keule ausgepackt so wie ich es die ganze Zeit vermutet hatte?
„Moment mal ich kann mit meinem Geld machen was ich möchte. Das waren irgendwann mal deine Worte.“ rechtfertigte ich mich energisch. Das waren wirklich einmal die Worte meiner Mutter gewesen, die hatte ich mir definitiv gemerkt. Mit dem Geld was mir meine Eltern zur Verfügung stellten konnte ich machen was ich wollte, klar ich sollte auch Geld sparen und nicht sinnlos auf den Kopf hauen, aber schlussendlich überließen sie mir die Entscheidung. Es war ein wenig unfair, dass meine Mutter jetzt meinte mich darüber belehren zu müssen was ich mit meinem Geld mache.
„Ja stimmt. Aber trotzdem solltest du es vielleicht für etwas sinnvolles ausgeben.“ ermahnte sie mich wieder ein wenig freundlicher, anscheinend hatte mein Argument gesessen.
„Das war sinnvoll, auch wenn du das vielleicht nicht so siehst. Ist dir schon mal alles über den Kopf gewachsen und du wolltest einfach nur weg, einfach nur flüchten?“ fragte ich während sich Tränen in meinen Augen sammelten. Verdammt ich merkte schon, dass es gleich so weit sein würde. Gleich würde ich reden wie der Wasserfall, der mir gleich aus den Augen fließen würde.
„Kathi, ich kann mir vorstellen, dass alles gerade zu viel ist, gerade wegen dem Umzug.“ wandte meine Mutter mit ruhiger Stimme ein. Ich reagierte nicht. Meine Mutter setzte sich neben mich aufs Bett. Ich wich daraufhin ein wenig zurück, nicht aus Angst, aber ich war gerade nicht scharf auf die Nähe meiner Mutter, zumindest nicht in dieser Verhörsituation.
„Du brauchst dich nicht zu verstecken. Ich tue dir nichts. Da ist noch mehr außer dem Umzug oder? Möchtest du mir irgendetwas hierzu erzählen?“ fragte meine Mutter und holte einen kleinen Gegenstand aus ihrer Tasche und hielt ihn demonstrativ vor sich. Ich schluckte. Jetzt kamen wohl die richtig ernsten Dinge zur Sprache und meine Mutter fing auch gleich mal mit dem Inhalt meines Geheimfachs an. Die anderen Dinge würde meine Mutter bestimmt auch noch präsentieren. Ich war mir nicht sicher was sie als nächstes sagen sollte. Lügen? Die Wahrheit? Gar nichts?
„Ähm…“ setzte ich unsicher an und merkte schon wie mir wieder das Blut in den Kopf schoss. „Ähm…muss ich was dazu sagen?“
„Du musst nicht, aber ich würde das schon gerne verstehen und dein Vater auch.“ erklärte meine Mutter. Ich schluckte nochmal. Nicht nur meine Mutter wusste anscheinend Bescheid, sondern auch mein Vater. Das machte die Situation nicht besser. Ich merkte plötzlich, dass sich wieder eine Träne den Weg aus meinen Augen gebahnt hatte und langsam über meine Wange floss. Ich wischte die Träne schnell weg und hoffte, dass meine Mutter daraus keine falschen Schlüsse ziehen würde.
„Das ist kompliziert.“ setzte ich erneut an. Eigentlich war es ziemlich einfach, aber vermutlich würde meine Mutter es einfach nicht verstehen oder verstehen wollen. Eigentlich verstand ich es selbst noch nicht so richtig, sondern fühlte mich einfach nur gut dabei.
„Ich habe Zeit. Ganz viel Zeit, ähnlich viel Zeit wie du. Keine Sorge ich werde dich nicht fressen. Wir machen uns nur Sorgen, mehr nicht.“ warf meine Mutter ein. Spielte sie jetzt nur die Besorgte und Mitfühlende? Das ließ sich bestimmt testen. Ich sammelte meinen irgendwo in mir drin noch vorhandenen Mut und stellte eine Frage: „Hab ich wegen gestern kein Handy mehr?“
„Ach nein wo denkst du hin. Wir wollen Antworten, weil wir uns Sorgen machen und wollten jetzt nicht voreilig mit Sanktionen um uns schießen, vor allem nicht weil wir nicht ganz unschuldig daran sein dürften, dass du gestern deine Reise gemacht hast. Das Handy liegt vermutlich noch im Auto. Ich glaube es ist dir aus der Hand gerutscht und unter den Sitz gefallen als du geschlafen hast. Ich habe vergessen es mit zu nehmen und du hast geschlafen wie ein Stein. Ich habe dich nicht wach bekommen, also habe ich dich einfach in dein Bett gebracht. Auch wenn das etwas schwieriger war als früher.“ erklärte meine Mutter.
„Beruhigend.“ gab ich leise zurück. Immerhin wusste ich jetzt wo mein Handy war, das löste aber noch nicht die wirklich echten Probleme und beendete auch nicht dieses Gespräch. Ich seufzte.
„Du brauchst aber nicht vom Thema ablenken.“ warf meine Mutter ein.
„Es ist alles in Ordnung. Es geht mir gut, ich bin nur ein bisschen platt wegen dem Schuljahr mehr nicht. Ihr braucht euch deswegen keine Sorgen machen oder sowas.“ entgegnete ich, erntete aber zunächst nur einen skeptischen Blick meiner Mutter. Natürlich, sie glaubte mir nicht, warum auch. Diesen Moment des Schweigens zwischen und nutzte ich um meinen Hasen, der immer noch auf dem Boden lag zu schnappen und vergrub anschließen mein Gesicht hinter ihm indem ich ihn direkt vor mich hielt. Leider war ich ein wenig zu alt um zu glauben, dass nur weil ich meine Mutter nicht sehen konnte, sie mich ebenfalls nicht sehen konnte, aber irgendwie wünschte ich mir gerade genau diese kindliche Naivität.
„Kathi. Du kannst mir doch nicht erzählen das alles gut ist. Nicht wenn ich dich hier so mit dem Hasen sehe. Sprich mit mir.“ forderte meine Mutter mich auf. Sie machte sich anscheinend wirklich nur Sorgen, aber es war alles so schwer in Worte zu fassen.
„Aber nur wenn mir keiner böse ist.“ forderte ich leise wie ein trotziges Kind und hielt dabei immer noch den Hasen schützend vor mein Gesicht.
„Dir ist hier niemand böse, niemals.“ ermutigte meine Mutter mich dazu, ihr Rede und Antwort zu stehen.
„Obwohl ich die letzten Monate so unausstehlich war?“ fragte ich immernoch hinter dem Hasen versteckt.
„Es gibt schöneres, sicher, aber ich glaube das gehört irgendwo dazu. Irgendwann drehen Teenager halt mal durch.“ antwortete meine Mutter verständnisvoll.
„Danke. Ich weiß aber gar nicht wo ich genau anfangen soll.“ gab ich ein wenig ratlos zu und setzte den Hase auf meinen Schoß.
„Naja dann fang doch am besten mal hier mit an.“ schlug meine Mutter vor und zückte aus irgendeiner Tasche einen weiteren Gegenstand aus meinem Nachttisch. „Das wirst du doch nicht ohne Grund vor uns verstecken oder?“ fragte sie.
„Das ist kompliziert, vermutlich komplizierter als alles andere zusammen.“ entgegnete ich, während ich die beiden Gegenstände, die meine Mutter hielt nahezu sehnsüchtig anstarrte. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte sie ihr aus der Hand gerissen, ähnlich wie Gollum den Herrscherring jagte, sehnte ich mich nach diesen beiden Dingen, jetzt mehr als je zuvor.
„Du machst also nicht ins Bett?“ fragte meine Mutter vorsichtig. Ich wurde kurz wieder ein wenig rot. Naja ganz so falsch war die Vermutung nicht, aber tatsächlich stimmte es nicht.
„Ne mache ich nicht.“ antwortete ich schnell und eindeutig.
„Hast du…du weißt schon…andere Probleme, also dieses leidige Frauenproblem?“ fragte meine Mutter vorsichtig.
„Nicht mehr als die meisten anderen.“ entgegnete ich mit nun hochrotem Kopf, mit der Frage hatte ich absolut nicht gerechnet.
„Was machen dann bitte diese Windeln in deinem Nachttisch?“ fragte meine Mutter konkreter.
Ich überlegte eine Weile bevor ich zu einer Antwort ansetzte.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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Sehr gute geschichte, ich freue mich schon auf nächsten freitag. Bitte bleib deinem Stil treu.
Lg swissDL
Ich versuche es. Es ist natürlich irgendwo schwierig ein sagen wir mal hohes Niveau durchgehend zu halten, es gibt immer mal Ausreißer, die nicht so gut sind.
Jetzt wird es spannend, wie immer super geschrieben. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Teil
Vielen Dank. Freut mich, dass du sagst, dass es super geschrieben ist. Ich wollte das ursprünglich als Erzählung in der dritten Person schreiben, aber nach ich glaube 90 Seiten und nochmaligem Lesen hat mit das einfach nicht gefallen, weil es zu unpersönlich war, dann habe ich es umgeschrieben und es gefiel mir danach deutlich besser.
Langsam kommt Licht in die Erzählung und ich finde einen Faden
Super geschrieben Geschichte👍. Ich Kenne die Situation leider von mir selbst😅 (bin ein little und das haben meine Eltern irgendwann herausgefunden). Hat erstaunlich viel Parallelen.
Mach auf jeden Fall weiter so 💪bin gespannt wie es weiter geht.
Damit hatte ich fast gerchnet, das Kathi sich auch so Ruhe verschafft. Schon als Sie mehr in der Hüpfburg war, als mit den anderen auf der Party zu sein, konnte es nur dieses Ergebniss geben. Hast es im ersten Teil Deiner Triologie Geschichte ja schon angeschnitten! Auch wenn das nur im Traum von Sarah war, spühre man eine gewisse Realität. Freu mich auf den nächsten Teil und bin gespannt wie dieses Thema geklährt wird.
Naja ein bisschen greife ich natürlich auf die Ereignisse aus dem Ferienbeginn zurück. Das heißt natürlich das ein oder andere ist auch vom Inhalt her aufgewärmt, aber in eine andere Rahmenhandlung eingebettet.