Winter
Windelgeschichten.org präsentiert: Winter
Draußen schneit es. In der Dämmerung fallen dicke Flocken schwerfällig am Fenster vorbei.
Endlich ist es Winter. Und es soll auch Winter bleiben, hatten sie im Radio erzählt,
mindestens für die nächsten Wochen. Ich sitze drinnen im warmen Wohnzimmer. Im
Schlafanzug habe ich es mir mit einem Buch auf dem Sofa gemütlich gemacht. Vor mir auf
dem Teppich liegt meine Schwester, Marie. Auch sie hat ein Buch vor sich liegen, doch
genau wie ich, schaut sie jetzt mit großen Augen dem Schneetreiben vor dem Fenster zu.
„Mama, Mama guck mal! Es schneit!“, ruft sie begeistert.
„Jaa, toll oder?“, schallt es aus der Küche zurück.
„Wir können gleich essen, kommt ihr?“, fragt Mama dann.
„Kommen“, antworte ich und lege mein Buch zur Seite.
In der Küche haben Mama und Papa den Tisch gedeckt. Es riecht nach Zimt, Punsch und
Bienenwachs. Wir setzen uns zu unseren Eltern und machen uns hungrig über das
Abendbrot her.
Wir, also Mama, Papa, meine Zwillingsschwester Marie und ich, Finn, wohnen in Velchern.
Velchern ist eine große Stadt in den nördlichen Ausläufern der Alpen. Unsere Wohnung ist
mitten in der Altstadt, ganz oben, in einem großen Reihenhaus. Aus dem Küchenfenster
kann man von hier über die Dächer der Nachbarschaft schauen, auf die sich langsam eine
dicke Schneedecke legt. Während es draußen immer dunkler wird, essen wir unser
Abendessen und Mama und Papa sprechen über ihre Pläne für unseren Winterurlaub. Wir
fahren dieses Jahr zu Oma und Opa an die Nordsee. Unsere ganze Familie trifft sich dort
über die Feiertage, hatte Mama erzählt. Wir würden endlich unsere Cousins und Cousinen
wiedersehen und mit allen gemeinsam Weihnachten feiern.
„Habt ihr schon gepackt?“ fragt Papa.
„Noch nicht“, ich schüttle den Kopf.
„Das müsst ihr heute Abend unbedingt noch machen, ja? Der Zug fährt um halb sechs ab.
Wir müssen morgen früh um fünf Uhr aus dem Haus, dann muss alles fertig sein“
„Wissen wir doch schon“, antwortet Marie und rollt mit den Augen.
„Schafft ihr das alleine?“ fragt Mama
„Ihr seid jetzt vierzehn Jahre alt, das könnt ihr auch ohne uns“, stellt Papa fest und wirft
Mama einen vielsagenden Blick zu.
“Jaa schaffen wir“, antworte ich ein wenig genervt. Ich habe fertig gegessen und mache
Anstalten aufzustehen.
„Heute Abend noch!“ Wiederholt Papa mit strengem Blick. Dann scheucht er uns mit einer
Handbewegung aus der Küche.
Marie und ich teilen uns ein Zimmer. Es ist groß genug für zwei Betten, einen großen
Kleiderschrank und ein Bücherregal, auf der Rückseite des Zimmers.
Auf dem Teppich in der Mitte des Raumes liegt ein großer, leerer Koffer, der darauf wartet,
mit unseren Sachen gefüllt zu werden. Mit einem Seufzer machen wir uns an die Arbeit.
Wir sind endlich fertig mit Packen.
„Setzt dich drauf und ich mach den Reißverschluss zu, ok?“
Der Koffer war zum Bersten voll. Vergeblich hatte ich versucht ihn alleine zu zukriegen. Jetzt
sitzt meine Schwester auf dem Deckel, während ich mit aller Kraft am Reißverschluss ziehe.
„Endlich zu!“ stöhne ich und lasse mich erschöpft nach hinten fallen. Es klopft an der
Zimmertür.
„Herein“, rufe ich, immer noch ein wenig außer Atem. Mama schaut uns beide verwundert
durch die Tür an.
„Alles in Ordnung bei euch? Das klingt ja als wenn ihr hier Sport macht“
„Der Koffer ist echt super voll“, Marie klopft auf den Koffer. „Wir haben den fast nicht
zubekommen!“
„Hat denn alles reingepasst oder braucht ihr noch eine Tasche?“ fragt Mama.
„Ist alles drin“, antworte ich und stehe vom Boden auf, um mich auf mein Bett zu setzen.
„Habt ihr auch genug davon eingepackt?“ Mama geht zu meinem Schrank und zieht etwas
aus der untersten Schublade. Sie hält eine Windel hoch.
Vor zwei Jahren war Marie zum ersten Mal in einem nassen Bett aufgewacht. Es war nicht
bei einem Mal geblieben. Zwei Monate, viele Waschmaschinenladungen, Arztbesuche und
viele Tränen später, lag eines Abends schließlich eine Windel auf ihrem Bett.
Wir machen alles gemeinsam, Marie und ich. Wir sind am gleichen Tag geboren, tragen die
gleichen Klamotten, essen das gleiche Essen und haben die gleichen Freunde. An diesem
Abend gingen wir also, nach einer kurzen Diskussion mit Mama, auch beide mit der gleichen
Unterwäsche, ins Bett. Einer Windel.
Beschämt sahen Marie und ich zur Seite
„Könnt ihr die nicht für uns einpacken?“ fragte Marie leise. Mama seufzt und schüttelt
genervt den Kopf. „Packt euch einen Rucksack für die Reise, da könnt ihr eine Packung
reintun. Ich bringe euch gleich schnell noch einen.“
Sie hält kurz inne und denkt über etwas nach, dann deutet sie mit der Windel auf Marie.
„Wenn du morgen früh im Zug schlafen möchtest, dann denk daran, das du dir eine drunter
ziehst, ja? Wir wollen keine bösen Überraschungen auf der Fahrt!“ Maries Schultern sacken
merklich ein und sie nickt betroffen. Mama verstaut die Windel wieder in der Schublade und
setzt sich zu Marie auf die Bettkante
„Komm her“, sie winkt mich rüber und ich setze mich auf Mamas andere Seite. Sie legt ihre
Arme um unsere Schultern und zieht uns dichter zu sich heran.
„Nicht mehr lange und dann ist das nur noch eine schlechte Erinnerung. Das ist nur eine
Phase. Die ist bestimmt bald vorbei, da bin ich mir sicher!“ Sie wuschelt Marie durch die
Haare. Sie hat Tränen in den Augen.
„So, habt ihr euch schon fertig gemacht für die Nacht?“ Fragt Mama dann und steht auf.
„Noch nicht“, sage ich. Marie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und schüttelt den
Kopf.
„Kommt, ich helfe euch schnell“. Sie geht zum Schrank und wirft zwei frische Windeln aufs
Bett.
An normalen Tagen wickeln Marie und ich uns gegenseitig. Nur an besonderen Tagen und
wenn es schnell gehen muss, hilft uns Mama noch. Heute ist einer dieser Tage.
Ich ziehe meine Schlafanzughose und die Unterhose herunter und lasse mich auf das Bett
fallen.
„Popo hoch“, sagt Mama und breitet die Windel unter mir aus. Sie ist weiß mit Ausnahme
von ein paar dünnen grünen Kreisen und Linien und dem Schriftzug XS2. In der Mitte
verläuft eine gelbe Linie, die blau wird, wenn Marie es nachts nicht auf die Toilette schafft.
Bei mir war sie noch nie blau.
Mama klappt die Vorderseite zwischen meinen Beinen nach oben und verschließt dann, erst
die unteren, dann die oberen beiden Klebestreifen. Zum Schluss zieht sie mir die
Schlafanzughose wieder an und gibt mir einen liebevollen Klaps auf den Hintern.
„Geh schon mal deine Zähne putzen“. Sie wirft meinen Schlüpfer in den Wäschekorb und
wendet sich Marie zu, die schon ausgezogen auf ihrem Bett bereitliegt. Zehn Minuten später
liegen wir beide in unserem Bett.
„Glaubst du, Mama hat recht?“, fragt Marie in die Dunkelheit. „Damit, dass das nur eine
Phase ist, meine ich“, setzt sie nach, als von mir keine Antwort kommt.
„Ich schätze schon“, sage ich, wenig überzeugend. „Und wenn nicht, dann stehen wir das
gemeinsam durch, ok? Bis wir alt und grau sind“. Diesmal bin ich überzeugt.
„Ich hab dich lieb“, flüstert Marie mit rauer Stimme.
„Ich dich auch“. Wir Lächeln beide in der Dunkelheit.
„Wach auf! Finn, wach auf!“. Ich reiße erschrocken meine Augen auf. Über mir schwebt das
besorgte Gesicht meiner Schwester.
„Wir haben verschlafen!“, sagt sie und klettert hastig wieder von meinem Bett. In der Tür
steht unsere Mutter, Arme verschränkt und schüttelt ihren Kopf mit missbilligender Miene.
„Wir haben es euch gestern gesagt. ‚Um fünf Uhr gehen wir aus dem Haus‘. Ihr habt noch
zwanzig Minuten, dann fahren wir los. Mit oder ohne euch.“ Sie schließt energisch die Tür,
bevor wir antworten können.
„So ein Mist!“, krächze ich verschlafen. „Ich dachte du hast einen Wecker gestellt“. Ich rolle
mich zur Seite und schaue auf die Uhr neben dem Bett. 04:34 zeigt sie an.
„Egal, jetzt ist es zu spät. Hilf mir mal bitte!“. Marie hat sich die Schlafanzughose
heruntergezogen und beginnt die Klebestreifen der Windel zu öffnen. Der Streifen in der
Mitte ist blau.
Eilig mache ich sie sauber und ziehe ihr eine frische Windel an. Wie Mama gesagt hatte:
keine Unfälle beim Schlafen im Zug.
Danach gehen wir zum Kleiderschrank.
Marie und ich sind eineiige Zwillinge. Wir sind zwar Mädchen und Junge, aber unterscheiden
kann man uns trotzdem kaum. Wir haben beide welliges, blondes Haar. Ihres ein wenig
länger, meins ein wenig kürzer. Wir sind beide nur knapp einen Meter fünfzig groß und
haben blaugraue Augen. Wenn wir grinsen, bilden sich die gleichen Falten im Gesicht,
selbst wenn wir sprechen, klingen wir gleich. Um die Verwirrung bei allen außer unseren
Eltern zu vervollkommnen, tragen wir jeden Tag die gleiche Kleidung. Einzig an der Farbe
kann man uns unterscheiden. Marie trägt eher rot, ich trage oft blau.
Aus dem Kleiderschrank holt Marie zwei Wollstrumpfhosen, eine in beige für mich und eine
in pastellrosa für sich und wirft sie auf mein Bett. Gleichzeitig ziehe ich aus dem
Unterwäsche Fach zwei geringelte Wollunterhemden heraus, meins blau-weiß, ihres
beige-weiß und werfe sie zu den Strumpfhosen. Zum Schluss nimmt sich jeder noch eine
kurze, blaue Jeanslatzhose und wir fangen eilig an uns anzuziehen.
Gemeinsam schleppen wir dann den schweren Koffer die Treppe herunter zur Tür. Unten
stehen schon Mama und Papa ungeduldig im Flur.
„Da seid ihr ja endlich“, sagt Papa und fordert uns mit einer wedelnden Handbewegung auf
schneller zu machen.
„Wir haben uns echt beeilt“, rufe ich entrüstet und lasse dabei beinahe den Koffer die Treppe
runter rutschen.
„Hier, es ist kalt draußen und es schneit“. Mama wirft uns beiden einen Schneeanzug zu.
Meiner blau, der von Marie in rot, natürlich.
Ich beuge mich gerade nach vorne, um den Schneeanzug über meine Füße zu ziehen, da
spüre ich Mamas Hand, die mich prüfend in den Popo kneift.
„Hey!“, protestiere ich.
„Habt ihr eine Windel drunter?“, fragt sie.
„Ja klar, hast du doch gesagt“. Verärgert ziehe ich meinen Anzug hoch und mache den
Reißverschluss zu.
„…eine frische Windel?“. Sie sieht Marie prüfend über den Rand ihrer Brille an.
„Natürlich Mama!“, zischt Marie, wird rot und steigt hastig in ihre Winterstiefel.
„Dann ist ja gut“.
Papa zeigt auf einen Rucksack. „Den haben wir jetzt gepackt, da ist euer Vesper und was zu
Trinken drin. Und das Paket Windeln. Tragen könnt ihr den aber selbst.“ Dann zeigt er auf
unsere Mützen, die auf dem Schuhregal bereit liegen. „Anziehen, Handschuhe sind im
Rucksack“. Er wirft einen Blick auf seine Uhr. „Jetzt müssen wir aber zügig los“.
Wir rumpeln gemeinsam mit unseren Koffern in den Flur und gehen zum Aufzug.
Zum Bahnhof fahren wir mit dem Taxi, das schon vor der Tür auf uns wartet. Auf der Straße
sind wir beinahe die Einzigen, die durch das dichte Schneetreiben fahren. An den Seiten der
Straßen türmen sich Schneehaufen und immer wieder müssen wir einen Schneepflug
umfahren, der die Fahrbahn frei schiebt.
Am Bahnhof sind wir dann nicht mehr die Einzigen. Ganz im Gegenteil. Hunderte dick
angezogene Menschen schieben sich durch die Gänge und drängeln sich auf den
Bahnsteigen. Durchsagen gehen im Getöse unter, Kinder schreien, Hunde bellen und Züge
fahren ein und aus. Es ist der erste Ferientag.
Wir schieben uns mühsam durch die Menge. Marie und ich halten uns an Papas Jacke fest,
damit wir nicht verloren gehen. Beinahe lasse ich wieder den Koffer fallen, als wir über eine
Kante am Bahnsteig gehen. Ich muss auf die Toilette. Heute morgen hatte ich es in all dem
Stress nicht geschafft zu gehen und jetzt spüre ich, wie der Druck auf meine Blase von
Minute zu Minute ansteigt.
Plötzlich steht vor mir eine alte Dame, mit der ich fast zusammenstoße. Ich entschuldige
mich murmelnd bei ihr. Bei dem Lärm versteht sie mich natürlich nicht und ruft: „Junger
Mann, du musst lauter sprechen-„. Doch da habe ich sie schon umrundet und will wieder
nach Papas Jacke greifen, aber die ist jetzt verschwunden.
Ich bleibe stehen und schaue mich um. Sie können noch nicht weit gekommen sein, denke
ich, aber um mich herum sehe ich nur fremde Gesichter. Langsam steigt Panik in mir auf
und ich gehe los in die Richtung, in der ich meine Eltern vermute. Einige Minuten laufe ich
ziellos hin und her und suche. Über die Lautsprecher wird unser Zug angekündigt:
„-Schnellzug nach Rahlersiel fährt ein“. Ich spüre, wie mein Herz immer höher schlägt.
Meine Blase ist so voll, es tut weh, Mama und Papa sind wie vom Erdboden verschluckt und
zu allem Überfluss fährt auch noch unser Zug ein. Plötzlich spüre ich von hinten eine Hand,
die nach meiner Schulter greift und fahre panisch herum. Vor mir steht Marie. Fang jetzt bloß
nicht an zu weinen Finn! Meine Augen brennen.
„Wo warst du? Wir haben dich überall gesucht!“, fragt sie mit leichtem Ärger in der Stimme.
Doch sofort erkennt sie die Panik in meinen Augen. Der Ärger verfliegt und Sie umarmt mich
einen Augenblick. Ich beruhige mich etwas. Dann greift sie nach meiner Hand.
„Alles gut. Mama und Papa sind bei der Anzeigetafel da drüben“. Sie zieht mich hinter sich
her in Richtung der Tafel. Neben uns fährt mit kreischenden Bremsen unser Zug ein.
Als der Zug zum Stehen kommt, haben wir unsere Eltern endlich erreicht. Mama streichelt
mir über die Mütze und lächelt erleichtert.
„Wir haben uns Sorgen gemacht, alles gut bei dir? Was ist passiert?“
„Ich bin mit einer Frau zusammengestoßen und dann wart ihr plötzlich weg“, sage ich mit
rauer Stimme und schlucke.
„Mama“, ich rücke näher an sie heran und flüstere: „ich muss ganz dringend“
„Du kannst gleich im Zug gehen, Finn“, sie greift nach meinem Koffer und schiebt mich in
Richtung einer Zugtür.
Es dauert einige Minuten bis endlich alle ausgestiegen sind und jetzt stehen wir, zusammen
mit den ganzen neuen Fahrgästen im Gang. Ich presse eine Hand in meinen Schritt, mit der
anderen zupfe ich an der Jacke meiner Mutter.
„Mama, wo ist die Toilette denn? Ich muss echt dringend jetzt“. Sie zeigt nach vorne auf eine
Tür an der Seite: „da, ist gerade besetzt. Ich sage dir Bescheid, sobald die frei ist, ja?“
„Ich kann nicht mehr lange warten, Mama“, flüstere ich und spüre wieder, wie die Panik in
mir aufsteigt.
„Finn,“ Mama beugt sich zu mir herunter, „wenn du so dringend musst, dann benutze bitte
einfach deine Windel, Schatz. Das merkt hier niemand.“
Ich bin vierzehn! In dem Alter macht sich niemand mehr in die Hose, denke ich, verzweifelt
und presse meine Beine zusammen. Vor mir steht Marie, die das Gespräch zwischen Mama
und mir mitgehört hat. Sie dreht sich jetzt zu mir um und ergreift wortlos meine Hand. Fast
niemand- korrigiere ich mich. Marie und ich wissen beide, dass ich den Kampf schon
verloren habe. Reflexartig gehe ich in die Hocke und spüre noch in der Bewegung, wie der
Damm bricht. Mit einem leisen Zischen, hörbar durch Strumpfhose, Hose und Schneeanzug,
strömt das Pipi in meine Windel. Eine gefühlte Ewigkeit, hocke ich neben meiner
Zwillingsschwester und spüre hilflos, wie meine Windel immer schwerer und wärmer wird.
Eine Frau mit einem kleinen Jungen schaut verwundert zu mir herüber. Ein älterer Herr
verzieht das Gesicht und dreht sich weg. Es zischt immer noch leise.
Als es endlich vorbei ist, richte ich mich langsam auf. Eine Mischung aus Scham und großer
Erleichterung überkommt mich.
„Es tut mir leid“, flüstere ich mit einem Klos im Hals. Mein Gesicht fühlt sich heiß an und eine
Träne läuft über meine Wange, die Marie liebevoll wegwischt. Ich würde am liebsten im
Boden versinken, so sehr schäme ich mich.
„Das passiert Jedem mal, Finn“, versucht Mama mich im Flüsterton zu beruhigen. „Es ist
doch nichts daneben gegangen, oder? Hat die Windel gehalten? Sind deine Beine nass
geworden?“
Ich schüttel den Kopf und schniefe, „alles trocken“.
„Gut, ist alles halb so wild. Um den Rest kümmern wir uns später. Erstmal suchen wir unser
Abteil.“
Vor uns bewegt sich die Schlange langsam und einige Minuten später erreichen wir endlich
unsere Plätze. Wir teilen uns das Abteil mit der Frau aus dem Gang und ihrem Sohn. Sie
sitzen am Eingang des Abteils, wir haben den Tisch am Fenster.
Während ich versuche, meinen Koffer auf die Gepäckablage zu heben, höre ich den kleinen
Jungen seine Mutter fragen: „Mama, hat der da vorhin in die Hose gemacht?“. Er zeigt mit
seinen dicken Fingerchen auf mich.
„Psst, das weiß ich nicht, Tom. Setz dich jetzt hin und benimm dich!“
Ich spüre, wie meine Wangen rot werden. Schnell schaue ich in eine andere Richtung und
tue so, als wenn ich die beiden nicht gehört hätte. Beinahe rutscht mir, zum dritten Mal an
diesem Tag, der Koffer aus der Hand. Von hinten greift Papa mir helfend über die Schulter
und schiebt den Koffer mit einem kräftigen Ruck auf die Ablage.
„Zieht euch bitte den Schneeanzug aus, bevor ihr euch hinsetzt. Wird sonst zu warm“, sagt
er dann und widmet sich wieder seinem eigenen Gepäck.
Mit zittrigen Fingern ziehe ich den Reißverschluss herunter. Ist sie doch ausgelaufen?
Denke ich. Glück gehabt. Tatsächlich ist auf meiner Latzhose nichts zu sehen.
Erst beim Hinsetzen, spüre ich, wie die nasse Windel sich unter mir ausbreitet. Das sonst so
angenehm weiche Vlies ist jetzt lauwarm, feucht und matschig. So muss sich Marie jeden
Morgen fühlen, denke ich. Nervös zupfe ich an meiner Strumpfhose herum und überlege, ob
ich die Windel jetzt wechseln sollte, doch ein Blick zum Eingang, neben dem die Frau und
ihr Sohn mich noch immer unverhohlen anstarren, bringt mich schnell von meiner Idee ab.
So schlimm fühlt es sich eigentlich nicht an, schön warm.
Es dauert schließlich nicht lange, bis ich meine volle Windel vergessen habe. Marie und ich
kuscheln uns erschöpft nebeneinander in eine Decke ein und nach wenigen Minuten fallen
wir beide in einen unruhigen Schlaf.
Einige Stunden mussten vergangen sein, als mich die Stimme meiner Mutter schließlich aus
dem Schlaf reißt.
„Finn, Finn, hey. Komm, wir machen dich schnell frisch“. Neben mir ist auch Marie
aufgewacht und schaut mich verschlafen an.
„Marie, musst du auch, oder ist noch alles trocken?“, fragt Mama. Marie schüttelt den Kopf,
„trocken“, nuschelt sie, dreht sich zur Seite und zieht sich die Decke über den Kopf.
Draußen ist es inzwischen hell geworden und Schneeflocken rasen am Fenster vorbei. Die
Frau und ihr Sohn sind schon lange ausgestiegen und ihre Plätze sind jetzt leer.
“Wenn du noch musst, dann mach es jetzt in die Windel, bevor du eine frische
anbekommst“. Sagt Mama beiläufig und wühlt in unserem Rucksack, auf der Suche nach
einer frischen Windel.
„Ich muss Groß“, antworte ich, immer noch etwas benommen vom Schlaf. Im nächsten
Augenblick bereue ich schon meine Aussage. Warum sollte ich Groß in die Windel machen,
ich bin doch kein Baby mehr. Mama hält einen Moment inne, schaut mich verwundert an und
überlegt.
„Dann mach aber schnell, wir müssen bald umsteigen“. Sie wühlt weiter in meinem
Rucksack. Ich sehe sie erstaunt an und mache keine Anstalten mich zu bewegen. Das meint
sie doch nicht ernst, oder? Sie schaut wieder zu mir.
„Musst du oder musst du nicht? Wenn ja, dann jetzt!“. Sie macht eine Handbewegung, um
mich anzutreiben. Ich denke kurz darüber nach, einfach nein zu sagen, doch der Druck im
Bauch bewegt mich zu einer anderen Entscheidung. Langsam gehe ich vor meinem Sitz in
die Hocke. Es erscheint mir als die beste Position, um mein großes Geschäft zu erledigen.
Einige Sekunden drücke ich angestrengt ohne Erfolg. Gerade will ich aufgeben, da schiebt
sich mit einem Mal ein großer, matschiger Klumpen in meine Windel, gefolgt von noch mehr
in noch dünnerer Konsistenz. Erschrocken atme ich scharf ein, stehe auf und setze mich,
ohne vorher nachzudenken, wieder auf meinen Sitz. Die Masse verteilt sich hörbar in
meinem Schritt und ich springe sofort wieder hoch. Jetzt bin ich wach. Mist, das war dumm!
Denke ich. Das war alles dumm, ich hätte einfach auf’s Klo gehen-.
„Los geht’s“, unterbricht Mama meine Gedanken. Sie hält eine Windel in ihrer rechten Hand,
mit der anderen fordert sie mich auf, ihr zu folgen. Bei jedem Schritt, spüre ich den Inhalt
meiner Windel gegen meinen Popo drücken. Schon wieder drehen sich Leute nach mir um.
Ich ziehe bestimmt einen schlimmen Geruch hinter mir her. Mama schiebt mich vor sich her
durch die Gänge zum nächsten WC. Dort angekommen, setzt sie sich vor mir auf den
Toilettendeckel.
„Halt dich an mir fest“. Sie öffnet die Träger meiner Latzhose und zieht sie zusammen mit
der Strumpfhose zwischen meine Knie, während ich mich an ihrer Schulter abstütze.
Ich schaue in den Spiegel über dem Waschbecken. Aus dem starrt mich ein vierzehn Jahre
alter Junge an, der von seiner Mutter sauber gemacht und gewickelt wird, wie ein Kleinkind.
Beschämt schaue ich weg. Zugegeben, ich sehe jünger aus, als ich bin, aber das hier ist
einfach erniedrigend. Und alles meine eigene Schuld!
„Mama, ich kann das auch selbst machen“, sage ich halbherzig. Sie ignoriert mich und
klappt die Vorderseite einer frischen Windel zwischen meinen Beinen nach oben, um die
Klebestreifen zu befestigen.
Es fühlt sich gut an, endlich wieder im Trockenen sitzen zu können, stelle ich fest, als ich
mich zurück im Abteil wieder auf meine Sitz fallen lasse. Marie ist jetzt auch wach und es
gibt endlich Frühstück.
Autor: Anonym (eingesandt via Ticket)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
Suche
Archiv
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Tobi bei Florians Schatten (4)
- Michael Two bei Zwischen gestern und Morgen (21)
- Michael Two bei Florians Schatten (4)
- Joerg Zach bei Niko (4)
- Phil bei Florians Schatten (4)
- Jojo bei Florians Schatten (4)
- Oliver bei Zwischen gestern und Morgen (21)
- Ralf Müller bei Zwischen gestern und Morgen (21)
Schöne Geschichte die du geschrieben hast. Ich hoffe du findes die Zeit die weiter zu schreiben.
Die Geschichte ist übrigens nicht mit KI geschrieben. „KI Geschichten“ gerne entfernen @Admins.
Danke, der Autor
Sorry, da hat mein Admin nicht aufgepasst
Ja, schöne Geschichte. Wobei es nicht möglich ist, dass eineiige Zwillinge unterschiedliche Geschlechter haben. Außerdem würde abends vor dem Wickeln sicherlich jeder, der trocken aufwachen will, vorher aufs Klo gehen.
Die Eltern würden die Kinder auch morgens wecken sobald sie selbst wach sind. Da hätte ich die beiden vielleicht etwas trödeln lassen und weil er noch nicht musste hat er den toilettengang morgens einfach vergessen.
Ich bin auch sicher, dass das im Zug niemand hört. Die hätten eher das Gespräch mit bekommen und die Körperhaltung.
Und wenn die Mutter sowieso auf dem Klo Wickeln will, hätte sie ihn dort groß machen lassen. Da hätte ich eher gesagt, der Zug ist voll und vor dem Klo dauernd Stau weil eines defekt ist und im Abteil gewickelt. Im Liegen auf dem Boden. Auf dem Weg auf die wickelunterlage hätte er sich ausversehen auf den Boden setzen können…
Aber das sind Details die du vielleicht noch korrigieren kannst…
Bezüglich des Geschlechts muss ich dich korrigieren. Es ist möglich, allerdings extrem selten. Siehe z.B. hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwillinge#Formen_eineiiger_Zwillinge
oder hier
https://www.es-sind-zwei.de/wunder-der-natur-eineiige-zwillinge-mit-verschiedenem-geschlecht/
Ich finde, es ist eine interessante Geschichte. Aus der Sicht eines Betroffenen, und dann auch noch freiwillig! Bin gespannt wie es weitergeht.
Hi alle zusammen,
die Geschichte ist wirklich wunderschön, bitte schreib weiter.
Respekt.
Hallo alle zusammen,
die Geschichte ist wirklich wunderschön, bitte schreib weiter. Respekt.
Liebe Grüße
Ich finde dich Geschichte bis zur unlogischen Einscheißnummer im Zug auch gut. Für einen, dessen Indikatorstreifen noch niemals blau war, geht das alles ganz schön schnell. Außerdem hört bei einer fahrenden Bahn kein Schwanz etwas, wenn man in die Windel pieselt. Schon gar nicht durch drei Lagen Klamotten.
Wie wunderbar, dass es endlich Winter ist und sogar noch für Wochen bleiben soll! Gemütlich im warmen Wohnzimmer sitzend, beobachten meine Schwester und ich fasziniert das Schneetreiben. Bald werden wir zum Abendessen gerufen, wo es nach Zimt, Punsch und Vorfreude auf den Winterurlaub duftet. Es geht an die Nordsee zu Oma und Opa, um dort die Feiertage mit der ganzen Familie zu verbringen. Die Vorfreude steigt, auch wenn wir noch nicht gepackt haben.
Möchtest du eine Geschichte in der kommentaren schreiben?