Die neue Mitschülerin (34)
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Kapitel 34: Vorladungen
Nach dem turbulenten Ende der Ferien und dem nicht weniger turbulenten Start ins Schuljahr kehrte der Alltag ein. Pia und Tamara hatten endgültig wieder als beste Freundinnen zusammengefunden und mit Noemi und Jonathan hatte sich ein zweites Paar in der Clique gefunden. Die Ruhe und das unbeschwerte Schülerleben, so unbeschwert ein Leben als Schüler in der Oberstufe eben sein konnte, hatten zumindest für Anna und Chris kurz vor den Herbstferien ein Ende.
Eines Mittags kam Anna nach Hause. Bevor sie die Haustür öffnete, überprüfte sie den Inhalt des Briefkastens. Sie fand einen Benachrichtigungsschein, dass ein Paket für ihren Vater am vereinbarten Ablageort im Garten lag, einen Brief, der an ihn und ihre Mutter adressiert war, sowie einen Brief an sich selbst. Sie wunderte sich noch mehr, als sie den Absender das Amtsgericht identifizierte. Schnell öffnete sie die Haustür, wurde fast von ihrer Hündin überrannt, ging in die Küche und öffnete den Brief.
Sehr geehrte Frau Schneefeld,
hiermit laden wir Sie, am Mittwoch, 28.10., in der Strafsache gegen Herrn Frank Tanner wegen mehrfachen Raubes, §249 StGB, vor dem Amtsgericht Brogenberg als Zeugin auszusagen. Die Verhandlung beginnt um 9.30 Uhr unter dem Vorsitz von Richter Gustav Baumann. Seien Sie pünktlich zu Verhandlungsbeginn vor dem Sitzungssaal 2 und warten Sie vor dem Saal, bis Sie hereingerufen werden.
Als Zeugin sind Sie verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, sofern Sie nicht sich selbst oder Angehörige einer Straftat bezichtigen.
Da Sie minderjährig sind, haben wir Ihre Eltern in einem gesonderten Schreiben über den Termin informiert.
Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Müller
Anna musste den Brief zweimal lesen. Erst danach viel ihr auf, dass der Brief, der an ihre Eltern adressiert war, ebenfalls vom Amtsgericht kam. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihr allerdings vorerst nicht, denn Nala gab ihr Bestes, Annas Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Als Anna zu ihrer Hündin herunterblickte, hatte diese bereits eine Leine im Maul.
„Entschuldige, kleine Maus. Komm, wir gehen raus.“, sagte Anna zu ihrer Hündin und machte sich auf einen Spaziergang mit ihr auf. Allzu lang würde dieser wohl nicht dauern, dachte Anna, als sie ein Grummeln in ihrer Magengegend wahrnahm und sich in diesem Moment bewusst wurde, dass sie ziemlich hungrig war. Noch während sie unterwegs war, spürte sie die Vibration ihres Handys in ihrer Hosentasche. Sie konnte sich denken, worüber Patricia in diesem Moment wohl reden wollte.
„Hey, du hast also auch einen Brief vom Gericht bekommen?“, begrüßte Anna ihre beste Freundin.
„Hi, ja hab ich. Soll als Zeugin aussagen. Und seitenlange Erklärung, was ich sagen muss und was ich nicht sagen muss, wenn ich mich selbst nicht belaste!“, schrie Patricia fast in ihr Handy.
„Was!?“, lautete Annas ungläubige Reaktion.
„Ja, der Penner zieht das mit der Anzeige wohl echt durch.“, erklärte Patricia und klang dabei noch aufgeregter.
„Keine Angst.“, versuchte Anna sie zu beruhigen, „du hast doch sicher schon mit eurem Anwalt gesprochen, oder?“
„Ja, damals. Der hat mir geholfen, meine Aussage zu formulieren bei der Polizei. Aber Gericht ist ja nochmal was ganz anderes. Anna, ich hab echt Angst was falsches zu sagen.“ – Diese Angst konnte Anna gut aus Patricias Stimme heraushören.
„Bleib ruhig. Rede mit deinen Eltern und mit deinem Anwalt. Der wird dir schon sagen, wie du dich am besten zu verhalten hast.“, versuchte Anna, Patricia irgendwie zu beruhigen.
„Ich versuch mal mich zu beruhigen, danke.“, sagte Patricia, die immer noch sehr aufgebracht klang. Schließlich lachte sie aber sogar ein bisschen, als sie feststellte: „Das heißt dann wohl, dass ich dich nach den Herbstferien mal besuchen komme.“
„Hast du eigentlich auch gelesen, dass da was von mehrfachem Raub steht?“, fragte Anna nach.
„Was?“, machte Patricia, „ehm…warte kurz…Strafsache gegen Herrn Frank Tanner wegen mehrfachen Raubes…ja, steht hier. Hat der mehrere Frauen ausgeraubt? Dieses Schwein!“
„Umso besser, dass du ihn dingfest gemacht hast.“, kommentierte Anna.
„Ey das ist ja noch viel unverschämter, dass der mich anzeigt. Der will doch bestimmt nur seine eigene Haut retten!“, war Patricia nun wieder aufgebracht.
„Möglich. Aber da können wir dann wohl erst bei der Verhandlung was gegen machen. Glaub mir, die Gerechtigkeit wird gewinnen.“, merkte Anna, dass ihre Beruhigungskünste wieder gefragt waren.
„Dass du immer so einen kühlen Kopf behalten kannst…ehrlich Anna, dafür bewundere ich dich.“, gab Patricia zurück. Anna musste grinsen und bedankte sich für das Kompliment.
Am Sonntagmittag saßen Anna und Chris auf der Rückbank des Autos von Familie Schneefeld. Sie würden Patricia in Neuss besuchen und am Mittwoch mit dem Zug wieder heimkommen. Eigentlich war geplant, dass Anna die erste Ferienwoche mit ihren Eltern an der niederländischen Nordsee verbringen sollte, die Vorladungen hatten diesen Plan allerdings zunichte gemacht. Patricia hatte Anna und Chris eingeladen und erzählt, dass ihr Anwalt sich gerne mit den dreien zusammensetzen würde, um das Vorgehen zu besprechen. Annas Eltern hatten zunächst Sorge, als sie erfuhren, dass ihre Tochter nur bis Mittwoch bei Patricia bleiben konnte, weil diese dann selbst mit ihrer Familie in den Urlaub fahren würde, nach Rücksprache mit Chris‘ Eltern konnten sich alle Beteiligten allerdings auf den Kompromiss einigen, dass Anna zumindest nicht allein im Haus schlief. Ebenfalls nicht glücklich waren sie damit, dass Anna überhaupt allein ins Haus ging, waren sie doch mehrere Tage nicht daheim, konnten sich aber überzeugen lassen, dass Nala so in ihrer gewohnten Umgebung leben konnte. Patricias Eltern hatten sich bereit erklärt, für die halbe Woche nicht nur Anna und Chris bei sich aufzunehmen, sondern eben auch die Hündin.
So kam es, dass Patricia, Anna und Chris am Montagnachmittag mit Patricias Eltern und dem Anwalt der Familie, Herrn Johannwill, im Wohnzimmer von Patricias Elternhaus zusammensaßen.
„Hallo zusammen.“, begrüßte der Anwalt alle Anwesenden mit Handschlag, „Christoph Johannwill“ fügte er bei Anna und Chris hinzu. „Bevor wir anfangen – ist es in Ordnung, wenn ich Du sage, wie bei Patricia?“, versicherte er sich. Chris und Anna nickten.
„Also, ich würde gerne beginnen, indem ihr beide mir von den Geschehnissen erzählt, wegen der ihr vor Gericht aussagen sollt.“, sprach der Jurist die beiden Gäste an.
„Soll das heißen, sie glauben mir nicht?“, knurrte Patricia.
„Natürlich glaube ich dir.“, beruhigte Herr Johannwill sie, „lass aber bitte Anna und Christian erzählen, ja?“ – Patricia nickte.
„Ich fang mal an, ok?“, fragte Chris etwas unsicher.
„Ja, bitte.“, forderte der Anwalt ihn auf.
„Also, wir sind gerade in diesen Schleichweg aus dem Park in Kleifelden eingebogen. Da haben wir gesehen, wie der Mann der Frau da die Handtasche entrissen hat und die zu Boden stürzte. Patricia hat dann…“, begann Chris und sah unsicher in die Runde.
„Keine Angst, Christian, sag bitte die Wahrheit. Ich vertrete die Interessen von Patricia. Und ich habe als Anwalt eine Schweigepflicht. Patricia, beziehungsweise auch ihre Eltern, weil sie selbst noch nicht volljährig ist, entscheidet letztlich, was ich im Zweifel auch vor Gericht preisgeben darf.“, erklärte der Anwalt, der Chris‘ Zögern richtig interpretierte.
„Ok, gut. Also Patricia hat ihn dann mit ihrer Handtasche im Gesicht erwischt, ihn danach irgendwie zu Boden gerungen und ihn festgehalten. Ich habe dann die Polizei gerufen und Anna hat der alten Frau geholfen.“, fuhr Chris fort.
„Und bis die Polizei kam?“, fragte der Anwalt weiter.
„Ich glaub, da stand ich einfach rum. Ja, Patricia kam alleine klar, Anna auch. Ich hab dann Ausschau nach der Polizei gehalten.“, beendete Chris seine Befragung.
„Ok, danke. Und du Anna?“, wandte sich der Anwalt nun an diese.
„Ehm…also…naja, das mit dem Mann war so, wie Chris schon sagte. Patricia hat sich dann auf den Mann gestürzt und irgendwie muss mein Gehirn vor Schock ausgesetzt haben. Das Nächste, was ich mitbekommen habe, ist, dass Chris mit der Polizei telefoniert hab. Ich hab mich dann um Frau Bach gekümmert, die ältere Frau. Sie war zum Glück nicht verletzt, stand aber auch unter Schock.“, führte Anna aus.
„Ok, das ist super.“, kommentierte der Anwalt.
„Entschuldigung, aber inwiefern ist das super?“, fragte Patricias Mutter nach.
„Die Aussagen der drei decken sich. Also nicht komplett, gerade, weil Anna ja sagt, dass sie einen Moment lang quasi wie gelähmt war. Aber wie gesagt, die Aussagen sind widerspruchsfrei. Und damit sollte vor Gericht auch klar werden, dass Patricias Version stimmt.“, erklärte der Anwalt seine Bemerkung.
„Und was heißt das für die Zeugenaussage?“, fragte Patricia.
„Hm…“, überlegte der Jurist kurz, „Patricia, ich glaube, du solltest mit offenen Karten spielen. Damit belastest du dich zwar selbst, aber du machst klar, dass du nicht böswillig gehandelt hast. Deshalb muss das Verfahren gegen dich eingestellt werden, weil dein Verhalten durch das sogenannte Jedermannsrecht abgedeckt ist. Das bedeutet, wenn du jemanden auf frischer Tat ertappst, darfst du auch ohne richterliche Anordnung diesen jemanden festnehmen. Und da aus euren Aussagen hervorgeht, dass der Täter sich gewehrt hat, sind deine Maßnahmen auch verhältnismäßig.“
„Und da sind Sie sich sicher?“, fragte Patricias Vater nach.
„Zu einhundert Prozent kann ich das natürlich nicht garantieren. Aber es würde mich wundern, wenn es anders ausgeht.“, erklärte Herr Johannwill und fügte hinzu: „Ich werde auch da sein. Als Rechtsbeistand dürfte ich im Notfall bei deiner Vernehmung auch noch intervenieren. Aber wie gesagt, das wird nicht nötig sein. Versuch einfach, dir keine Sorgen zu machen.“
„Ich versuch’s, vielen Dank.“, antwortete Patricia.
„Und für euch kann ich nur den Rat geben: Sagt vor Gericht das, was ihr mir gerade gesagt habt, sofern das die Wahrheit ist.“, wandte der Anwalt sich noch an Chris und Anna.
„Danke für Ihren Rat.“, sagten die beiden noch, ehe Herr Johannwill sich verabschiedete.
Autor: Theseus (eingesandt via E-Mail)
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schönes Kapitel, aber leider sehr sehr kurz
Dass das so wirkt, kann ich nachvollziehen. Um es in Relation zu setzen: In einem Word-Dokument sind es etwa dreineinhalb Seiten – und die brauchen logischerweise ein wenig Zeit. Ich persönlich finde diese Kapitellänge ziemlich passend. Ausreichend Ideen vorausgesetzt, ist das die Länge, die ich in einem Rutsch schreiben kann.
Ich einer der besten Windel Geschichten die ich gelesen hab
ich hoffe es geht noch weiter