Alles wird besser, vielleicht sogar gut (8)
Windelgeschichten.org präsentiert: Alles wird besser, vielleicht sogar gut (8)
Kurz darauf kamen Paul und Onkel Phil aus dem kleinen Büro, umarmten sich lachend und kamen zum Tresen, wo Juli und ich gerade staunend in Pauls Tattoo-Prospekt blätterten. “Wenn ihr beide mal euer Klo nicht mehr um die Hüfte tragt, können wir ja mal über euer erstes Motiv reden!”, tönte Paul, als er uns die dicken Hochglanz-Unterlagen abnahm und sich dabei fast vor Lachen verschluckte. Er freute sich ganz offensichtlich sehr über seinen Spruch und wir würden einen Teufel tun, um an dieser Überzeugung irgend etwas zu ändern. “Spinner!”, grinste Onkel Phil in seine Richtung, während er Juli zwei dicke Decken um den Körper schlang, der mittlerweile in die lustigen Gummistiefel gestiegen war. “So sollte es gehen!”, meinte er im Anschluss zufrieden. “Deine Jacke war leider auch nicht mehr zu retten!”. Beim Thema “Jacke” wechselte von einem Augenblick zum nächsten Julis Gesichtsfarbe. “Liegt die noch drüben?” Onkel Phil nickte. “Bbbbbin ggggleich wieder da!” Und schon war Juli in dem Zimmer verschwunden, in dem Onkel Phil uns vor einer halben Stunden gewickelt hatte. Ich hätte die irritierten Blicke von Paul und Onkel Phil problemlos aufklären können. Tat ich aber nicht. Onkel Phil würde von selbst drauf kommen und Paul musste ganz sicher nicht alles mitbekommen, egal wie sehr er uns geholfen hatte. Keine 45 Sekunden später war Juli wieder da und schaffte es, ziemlich gleichgültig auszusehen. “Hatte nur was in der Jacke vergessen!”, kam als knappe Erklärung. Keine weiteren Fragen. Warum auch. Ich wusste ganz genau, was Juli aus der Innentasche seiner Jacken geholt hatte: eine kleine dunkelblaue Box, die mit das Wertvollste enthielten, was er hatte: zwei Schnuller. Einer rot, einer grün. Julis Geheimnis, das ich seit unserer ersten gemeinsamen Übernachtung auf dem Kreuzfahrtschiff kannte. Und auch Onkel Phil hatte Juli bereits mit den Dingern im Mund gesehen. Ich sah, wie bei Onkel Phil der Groschen fiel und er mir verschwörerisch zuzwinkerte. Ich schloss schwungvoll meinen Overall, in den mir Onkel Phil inzwischen geholfen hatte, zupfte meine Schlupfmütze in Position und gab Onkel Phil und Juli das Signal: konnte losgehen.
Trotz meines Overalls und Julis doppelter Decken-Schicht dauerte es nicht lange, bis uns die Kälte im Griff hatte. Der eisige Wind war einfach noch zu stark. Unser Glück: In Onkel Phils Volvo war es kuschelig warm, weil Onkel Phil noch von Pauls Bude aus die Standheizung per Handy-App aktiviert hatte. Eine sehr großartige Erfindung. In Mamas Japaner-Erbse waren wir immer schon froh, wenn die Heizung überhaupt funktionierte. Nachteil des positiven Temperaturschocks: die Müdigkeit traf uns wie ein Hammerschlag. Keine zehn Minuten nach Abfahrt hing ich bereits schlafend in den Gurten. Juli hatte es nur einen kurzen Moment vorher erwischt. Er lehnte schräg an der Fahrzeugseite und hatte wie immer, wenn er entspannt war, seinen Daumen im Mund. Er war also auch emotional angekommen. Dann konnte der Rest unserer Urlaubs ja losgehen!
Onkel Phil machte sich gar nicht erst die Mühe, uns nach der Ankunft am Haus wieder wach zu bekommen. Es war kurz nach 22 Uhr, der Abstecher zum großen Paul hatte deutlich mehr Zeit gekostet, als gedacht. Also keine große Hausführung mehr für Juli. Das hatte bis morgen Zeit. Er wollte versuchen, uns direkt vom Auto ins Bett zu kriegen. Der Tag war lange genug gewesen. Onkel Juli parkte also so nahe es ging am Eingang und schaltete die Außenbeleuchtung ein, als er die Tür öffnete. So wäre der Schreck nicht ganz so groß, sollte einer von uns beiden doch wach werden. Einer Eingebung folgend hatten wir vor der Abfahrt zum Hafen noch alles vorbereitet: Ich hatte in meinem Schrank Platz für seine Klamotten gemacht, Onkel Phil hatte Juli eines der Einbaubetten hergerichtet und die warme Decke, das Kopfkissen sowie die Matratze frisch bezogen. Bevor er zunächst Juli aus dem Auto holte, musste Zeit für eine kleine Planänderung sein. Denn statt uns in getrennten Betten schlafen zu lassen, räumte Onkel Phil Julis Bettzeug in meine Koje. Platz war genug und außerdem hatten wir auf dem Schiff eh mehr oder weniger in einem Bett geschlafen, als Juli bei uns übernachtet hatte. Im Grunde war es nicht mehr als eine grobe Ahnung, dass das die richtige Entscheidung war. Ich war in diesem Fall ausnahmsweise nicht entscheidend. Aber Onkel Phil war sich sicher, dass es Juli nicht wirklich gut tun würde, wenn er morgen früh gleich von mehreren Unbekannten “überrollt” werden würde: Unbekannte Haus, unbekannte Gerüche, unbekannte Geräusche, unbekanntes Bett und dann auch noch die Windel. Das konnte Juli ganz schön aus der Bahn werfen. So stark wie er aussah, war Juli nämlich gar nicht. Unter seiner harten, groben Schale steckte eine ziemlich sensible, verletzte Kinderseele. Immerhin hatte der Junge seine Eltern verloren und hatte das mit Sicherheit nach längst nicht verarbeitet. Seine Großeltern kümmerten sich vorbildlich um ihren Enkel, waren mit der Situation aber schlicht überfordert. Onkel Phil wollte Juli deshalb zumindest die erste Nach bei uns so angstfrei wie möglich gestalten und legte ihn deshalb vorsichtig in mein Bett. Dann schälte er ihn mit routinierten Handgriffen aus Pauls dicken Decken, zog ihm die gefütterten Gummistiefel aus und checkte mit zwei Fingern den Zustand von Julis Windel. Ein Reflex, den er sich bei mir angewöhnt hatte und der bei Juli eigentlich unnötig war. Oder besser: unnötig sein sollte. War er dann aber doch nicht. Denn Onkel Phils Fingerkuppen meldeten eindeutig Feuchtigkeit. Nicht viel, aber deutlich spürbar. “Dieser blöde Kakao!”, rollte Onkel Phil mit den Augen, deckte Juli sorgfältig zu, zog vorsichtig seinen Daumen aus dem Mund und ersetzte ihn durch einen der Schnuller, den er aus der blauen Schachtel geholt hatte, die Juli in seine Reisetasche hatte verschwinden lassen. Die Windeln, die Juli und ich trugen, waren darauf ausgelegt, nicht nur mit einer Ladung Urin klar zu kommen. Bevor mich Onkel Phil neben Juli legen konnte, musste ich aber zunächst aus dem Overall raus. Das ging nur auf dem Wickeltisch. Der kurze Zwischenstop war allerdings noch lange kein Grund für mich, aufzuwachen. Wie bei Juli war auch meine Windel nicht mehr ganz jungfräulich, würde aber locker bis morgen Früh reichen. Also, ab in die Koje.
Ich wurde kurz vor 8 wach, weil irgend etwas Schweres auf mir lag, das eindeutig nach nasser Windel roch. Schlagartig schaltete mein Bewusstsein in den Alarmmodus und ich begann panisch, mein Bett nach einer Urinpfütze abzusuchen. Hatte ich echt ins Bett gemacht? Wie konnte das sein? Ich hatte doch die Windel an! Die war auch dort, wo sie hingehörte und, wie sich das zwar nicht gehörte, aber inzwischen Routine war, fühlte sich mein Windel auch ziemlich nass an. Da war ich mir sehr sicher. Aber eben nass IN der Windel. Nicht außerhalb! Also, wo kam der Geruch her? Jetzt endlich kam ich auf die Idee, die Augen zu öffnen und sah erstmal Rot. Ich kannte die Farbe und ich kannte das Material. Meine rote Wechselstrumpfhose, die Onkel Phil gestern Juli angezogen hatte. Okay, soweit passte alles zusammen. Dass Juli in meinem Bett lag, konnte ich mir nicht erklären, dass er dort mit dem Kopf nach unten lag, aber schon: Juli schlief immer sehr unruhig. Eine 180-Grad-Drehung war seine leichteste Übung. Hieß: Er lag mit der Hüfte genau auf meinem Gesicht. Blieb der Uringestank. Der kam eindeutig aus Julis Hose. Oder genauer: aus seiner Windel. Na wunderbar. Dass Juli gestern Abend eine meiner Windeln als Notfall-Unterwäsche verpasst bekommen hatte, wusste ich noch. Aber warum hatte Juli sie auch benutzt? Na das konnte ja heiter werden, wenn Juli wach wurde. Das konnte aber noch dauern. Wenn ich die Helligkeit richtig deutete, die von draußen hereindrang, dann war es noch ziemlich früh am Morgen. Das passte auch zu meinem Müdigkeitsempfinden. Wahrscheinlich war nicht nur aufgewacht, weil Juli auf mich draufgerollt war. Also wuchtete ich den Riesen-Kerl so gut es ging von mir runter und verkeilte ein Kissen so unter Julis Hüfte, dass er nicht wieder auf mich draufrollen konnte.
Gut zwei Stunden später war es dann wirklich Juli, der mich aus dem Schlaf riss. Oder eher sein Gemaule. “Paul! Paaaaaauuuuul!” er rüttelte an meiner Schulter und kitzelte mich an den Füßen. So leicht wollte ich es ihm aber nicht machen und stellte mich noch ein bisschen schlafend. “Paul! Ich weiß, dass du wach bist!” Okay, er kannte mich in der Tat ziemlich gut. Trotzdem verpasst ich ihm erstmal einen bösen Blick, gefolgt von einem Kissen, das in seinem Gesicht landete. Was war denn los? Die Antwort war ihm sichtlich unangenehm. “Kann es sein, dass du in die Windel gemacht hast?” Schweigen. Kurzfristig zweifelte ich an seiner Zurechnungsfähigkeit. Juli, du erinnerst dich? Ich trage diese Windel nicht, weil das gerade Mode ist. Inkontinenz, schon vergessen? Er verdrehte die Augen. “Scherzkeks! So wie das hier riecht, hast du die Windel aber glaube ich richtig voll!” Oh. Kurze Pause. Gefolgt von den typischen roten Ohren. Dann ein vorsichtiges Schnuppern, das schnell die Bestätigung brachte. Volle Windel, ganz klar. Das passierte mir in der Nacht nur ganz selten. Eigentlich immer nur dann, wenn am Tag vorher etwas Unvorhergesehenes geschehen war. Üblicherweise war meine Windel nämlich immer genau dann voll, wenn Onkel Phil mich fertig fürs Bett machte. Die Abhol-Aktion am Hafen hatte diese Routine durcheinander gebracht. Schöne Bescherung. Aber eben nicht die Einzige. Ich nickte Juli also kurz zu, bestätigte seine Vermutung und lenkte die Aufmerksamkeit auf seine eigene saugfähige Unterwäsche. Der Hinweis auf die deutlich aufgequollene Vorderseite seine Windel, hatte ziemlich dramatische Auswirkungen. Juli wurde knallrot im Gesicht und verkroch sich in die am weitesten von mir entfernte Ecke des Bettes. “Scheiße, nein! Scheiße, nein! Scheiße, nein!”. Mehr brachte er nicht heraus und ich verkniff mir den Hinweis, dass “Scheiße” ehrlich gesagt mein Problem war, nicht seins. Aber ich wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut, was gerade in Juli vorging. Die Windel als Notlösung war das Eine gewesen, sie dann aber auch zu benutzen, war etwas ganz anderes. Und wenn ich das richtig sah, dann hatte Juli wirklich nichts mitbekommen. Was war nur los mit ihm? Bei mir gab’s eine ärztliche Diagnose. Aber Juli? Hatte er vielleicht auch ein Inkontinenzproblem? Warum hatte ich das auf dem Schiff nicht mitbekommen? Und warum hatte er nichts gesagt?
Ich gönnte ihm ein paar Minuten. Um runter zu kommen. “Ich hab nnnnnichts mitbekommen!”, brachte er mühsam hervor, als er irgendwann langsam aus seiner Verzweiflung heraus fand. “Eeeehrlllllich nnnnnicht!” Sein Stottern war jetzt am Anschlag. Die nassen Windel hatte ihn also nachweislich komplett aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich hätte ihm aber auch so geglaubt. Mehr als ein Nicken musste in diesem Moment nicht von mir kommen. Und doch wollte ich der Sache auf den Grund gehen. Ich nahm also meinen gesamten Mut zusammen und sprach Juli einfach drauf an. Fragte ihn ganz direkt, wann er das letzte Mal in einem nassen Bett aufgewacht war. Ehrlich gesagt hatte ich eigentlich keinen Zweifel daran, dass Juli eigentlich noch nie Probleme damit gehabt hatte. Ich rechnet also mit 7 oder 8 Jahren. Und wurde überrascht. Weil ich falsch war. Julis Vergangenheit vergessen hatte. Oder besser: verdrängt. Es war der Tod seiner Eltern. Juli hatte nach dem Tod seiner Eltern immer mal wieder ins Bett gemacht. Nicht so regelmäßig wie ich. Aber doch eine ganze Weile. Erst nach fast zwei Jahren hatte der Spuk ein Ende. “Spuk”. So hatten das Julis Großeltern genannt. Nicht “Inkontinenz”, oder “Bettnässen”. Das war keine Wortklauberei, sondern Ausdruck ihrer Überforderung. Weder der Graf, noch die Gräfin hatten Erfahrung im Umgang mit traumatisierten Kindern. Sie mussten mit dem Verlust ihrer Tochter klar kommen und sich zusätzlich noch um Juli kümmern. Der reagierte am Tag nach Außen hin mit gespielter Stärke, Aggression und Trotz, verlor in der Nacht aber immer wieder den Kampf gegen seine inneren Dämonen. Er bekam Alpträume, reagierte auf Stress mit Schlafwandeln und Stottern, nässte immer wieder ein. Windeln waren allerdings nie ein Thema gewesen. Das hätten Julis Großeltern niemals zugelassen. Sie standen ihm zur Seite, ohne ihm allerdings die Zuneigung und Liebe vermitteln zu können, nach der er sich sehnte. Sie stürzten sich in die Arbeit und gaben Juli in die Obhut verschiedener Internate. Nirgendwo hielt Juli es lange aus. Er eckte an und neigte zu Wutausbrüchen. Nicht weil er sich gerne prügelte. Sondern weil es nie sehr lange dauerte, bis seine Mitschüler die Schwächen hinter der harten Fassade entdeckten. Die wirklich coolen Jungs pinkeln nicht ins Bett oder nuckeln am Daumen. Das hatte sich Juli übrigens erst in seinem letzten Internat angewöhnt. Wahrscheinlich eine Art Übersprungshandlung. Und doch auch ein kleiner Ausweg. Denn mit dem Daumennuckeln bekam Juli immerhin die nassen Nächte in den Griff. So hatte er es fast zwei Jahre im letzten Internat ausgehalten. Erst als mit einem Wechsel der Internatsleitung auch sein Privileg des Einzelzimmer kassiert wurde, kamen die alten Probleme zurück und Juli musste auch diese Einrichtung verlassen. Um einen Neustart bemüht, hatten seine Großeltern diese Reise organisiert, an deren Ende er wieder auf eine staatliche Schule wechseln sollte. In die gleiche, auf die auch ich kommen würde. Der Rest war Geschichte. Von unserer Begegnung auf dem Kreuzfahrtschiff bis zu unserem Wiedersehen hier am Hafen.
Fast 30 Minuten hatte Juli erzählt, zusammengerollt in der Ecke meines Bettes und dabei eigentlich permanent Tränen in den Augen. Kein Schluchzen. Stille Tränen als Untermalung seiner Geschichte. Aber er redete. Ohne Pause. Ließ mich hinein, in sein Leben. Seinen Schmerz. Seine Sorgen. Ich war sprachlos. Weil ich vieles davon gespürt hatte. Aber viel zu wenig davon hatte wissen wollen. Warum auch? Ich hatte ja schließlich selbst genug Sorgen. Anders als Juli, sah man mir aber mein Problem deutlich an. Die dicke Windel unter meinen Klamotten war für die meisten Menschen Erklärung genug. Julis “Rucksack” war viel schwerer wahrzunehmen. Fast unsichtbar. Und jetzt? Jetzt hatte er Panik. Panik, dass alles noch viel schlimmer werden würde. Und ich verstand genau, was er meinte. Windeln rund um die Uhr. Wie bei mir. Natürlich. Mit dem wichtigen Unterschied, dass meine körperlichen Ursachen sehr bald “behoben” sein würden. Bei Juli war aber wahrscheinlich viel mehr “kaputt”. Ich sah, wie ihn diese Nacht, diese nasse Windel quälte. Sah seine Angst. Sah seine Unsicherheit. Sah seine Scham.
Und war deshalb noch nie so froh wie jetzt, Onkel Phil zu sehen. Dessen Oberkörper tauchte auf einmal vor unserer Koje auf. Weiß der Teufel, wie lange er schon da gestanden hatte. Das war mir auch egal. Er war da. Und er sah nicht so aus, als ob ihn das sonderlich überraschte, was er hier vorgefunden hatte. Ich wollte ihm kurz erklären, was passiert war. Was Juli mir anvertraut hatte. Kam aber nicht weit. Ein ausgestreckter Zeigefinger vor seinen Lippen. Ich verstand. Du hast jetzt Pause, Paul. Als sich Onkel Phils kräftigen Arme durch die Öffnung der Koje schoben und Juli aus seine Ecke zogen, als wäre er nicht mehr als ein kleiner Teddybär, hielt ich die Luft an. Juli hatte es nicht so, mit Körpernähe. Ich hoffe, dass Onkel Phil das auf dem Zettel hatte. Hatte er natürlich. Aber es interessierte ihn nicht sonderlich. Er nahm diesen, im Vergleich zu mir riesigen Kerl, hob ihn aus dem Bett und hängte ihn sich einfach über die Schulter. Und Juli klammerte sich instinktiv an Onkel Phil fest. Keine Worte. Nichts. Nur das leise Rascheln von Julis Klamotten und das Knistern seiner Windel. Dann kamen die Tränen. Dann das Schluchzen. Und dann brachen bei Juli alle Dämme. Onkel Phil ließ sich mit ihm langsam auf den Boden gleiten und hielt ihn fest. Ihn, den starken Juli, der jetzt an ihm hing wie ein nasser Sack.
Mich hielt es nichts mehr im Bett. Trotz Gipsarm kam ich in Rekordzeit neben Onkel Phil auf die Beine, ließ mich auf die Knie sinken und war einfach nur da. Mehr konnte ich gerade nicht tun. Dennoch unternahm ich den Versuch und wollte Juli zumindest eine Hand auf die Schulter legen. Ihm zeigen, dass ich da war. Onkel Phils großen Augen stoppten mich. “Juli braucht noch ein bisschen, okay?”, sagte er leise und mit dieser warmen Stimme, die mir schon so oft geholfen hatte, den Ausweg aus einer scheinbar hoffnungslosen Situation zu finden. Klar war das in Ordnung. “Wenn du mir helfen willst, dann nimm bitte in der Küche die Eier vom Herd und deck’ den Frühstückstisch fertig. Schaffst du das?” Keine Frage. Alles war besser, als hier hilflos neben Juli zu sitzen und die Luft zu verpesten. Ich hatte die Windel offensichtlich wirklich mehr als voll. Das war jetzt aber nicht wichtig. Sofort war ich wieder auf den Beinen, schaffte es aber nicht, mich von Onkel Phil und Juli zu lösen. Weil ich Juli so nahe stand? Auch. Weil ich im beistehen wollte? Ganz sicher. Aber auch, und das jagte mir in diesem Moment einen riesigen Schrecken ein, weil ich eifersüchtig war. Eifersüchtig auf Juli, der Onkel Phil gerade komplett für sich hatte. Meinen Onkel Phil! Der Selbstekel traf mich wie ein Faustschlag und holte mich zurück in die Realität. Gerade noch rechtzeitig . “Klasse! Und keine Sorge, Juli fängt sich wieder. Aber das musste jetzt alles einfach mal raus!” Ich nickte. Und wusste genau, dass Onkel Phil Recht hatte. Weil ich solche Situationen in den letzten 14 Tagen selbst erlebt hatte. Und immer war Onkel Phil da gewesen. Und immer ging’s mit hinterher besser. Alles wurde besser. Manchmal sogar gut. Jetzt war Juli mal dran. Ich machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in Richtung Küche. Die aufgequollene und kalt-klebrig gefüllte Windel, die bei jedem Schritt mitwippte, versuchte ich zu ignorieren. Da musste ich jetzt durch. Für Juli.
Ein Blick auf den Timer in der Küche machte deutlich, dass das Thema wachsweiche Eier seit fast fünf Minuten Geschichte war. Sei`s drum. Ich drehte dem Induktions-Kochfeld den Saft ab und schob den Topf mit dem gefährlich brodelnden Wasser vorsichtig vom Kochfeld. Mir war schon klar, dass ich die Eier eigentlich abschrecken musste, aber Töpfe mit kochendem Wasser waren für mich nicht nur zu Hause tabu. Auch Onkel Phil war da sehr eindeutig in seiner Kommunikation. Statt dessen räumte ich den Eierkarton zurück in den großen Doppeltür-Kühlschrank, der so einen coolen Eiswürfelspender besaß, den ich bislang nur aus amerikanischen Fernsehserien kannte. Sobald Juli wieder auf dem Damm war, würden wir uns jede Menge bunter Cocktails mixen. Ich musste Onkel Phil nur noch dazu kriegen, mit uns einkaufen zu fahren, um die nötigen Zutaten zu besorgen.
Anschließend warf ich noch einen Blick auf den halbfertig bestückten Frühstückstisch. Ich ergänzte die fehlenden Geschirrteile, das Besteck und die wchtigsten Lebensmittel und machte mich dann daran, alles ordentlich aufzubauen. Chaos auf dem Esstisch konnte Onkel Phil nicht leiden. Essen, da war für ihn so viel mehr als Nahrungsaufnahme. Ich kannte seine Tisch-Regeln fast auswendig. “Essen ist Kultur, Kommunikation und Zivilisation!”, hörte ich ihn in meinem Kopf mit seiner Oberlehrer-Stimme sagen, die ich bislang zum Glück nur sehr selten zu hören bekommen hatte. Zur Tisch-Kultur gehörten für Onkel Phil nicht nur, ordentlich auf dem Stuhl zu sitzen, nicht mit offenem Mund zu kauen und das Besteck auch zu benutzen, das neben den Tellern lag, sondern auch, das offene Lebensmittel ordentlich auf Tellern oder Platten angerichtet wurden. “Nur Schweine essen aus Plastiktüte oder Pappschachteln!”, oberlehrerte es wieder in meinem Kopf. Also richtete ich Käse und Aufschnitt appetitlich auf einer kleinen Platte an und schob das frisch geschnittene Obst in eine kleine Schüssel. Dann noch schnell die Kaffeemaschine für Onkel Phil vorwärmen, Teewasser aufsetzen und zum Schluss die Servietten neben die Teller legen und ein paar Blumen in einer kleinen Vase auf dem Tisch ausrichten. Fertig! Ich hielt den Kopf schief und war sehr zufrieden mit mir. Und wie aufs Kommando schob sich der erste Sonnenstrahl des Tages durch eines der Dachfenster und tauchte den Frühstückstisch in ein warmes, Spätherbst-Licht. Konnte also losgehen. Jetzt musste nur Juli wieder auf den Damm kommen.
Ich war fast 20 Minute in der Küche und am Esstisch zu Gange gewesen. Dennoch ließ ich mir Zeit, zurück ins Kinderzimmer zu gehen. Bevor ich ins Zimmer polterte, warf ich einen vorsichtigen Blick in den Raum und fand, was ich gehoffte hatte. Ein sauberer Dielenboden. Ein paar verstreute Playmobil-Figura. Aber kein Onkel Phil und kein Juli mehr auf dem Fußboden. Also ging ihr ruhig durch die Tür und orientierte mich automatisch in Richtung Wickeltisch. Dort lag Juli und wischte sich gerade das Gesicht mit einem warmen Baumwolltuch ab. Tränen, Rotz und Spucke hatten offensichtlich erstmal Pause. Onkel Phil zog ihm zeitgleich die rote Strumpfhose aus, die ich gedanklich aus meinem Besitz strich. Die war mir eh viel zu groß. Und Juli hatte sie jetzt bereits zum zweiten Mal getragen. Ich räusperte mich kurz, um mich bemerkbar zu machen. Arbeitsaufträge erledigt! Die Information verfehlte ihre Wirkung nicht. Onkel Phil lächelte mich stolz an. Und auch Juli schien um Welten besser drauf zu sein, als noch vor 25 Minuten. “Danke, Paul! Du hast mir sehr geholfen!” Wow. Das ging runter wie Öl. Ich wurde fast ein bisschen rot. Onkel Phil war aber noch nicht fertig. “Juli, soll Paul rausgehen, während ich dich anziehe, oder ist es okay, wenn er hier auf seine frische Windel wartet?” Jetzt war es Juli, der erstaunt schaute. “Warum sollte Paul denn raus?”, fragte er fast ohne zu stottern. “Ich hab doch auch schon ganz oft zugesehen, wenn Paul eine frische Windel bekommen hat!” Das stimmte natürlich. Und natürlich hatte Onkel Phil auf diese Reaktion spekuliert. Aber: Er legte eben nicht nur bei mir großen Wert darauf, dass Kinder ihre eigenen Entscheidungen trafen. “Sehr gut!”, gab sich Onkel Phil einen Ruck und brachte damit endlich Bewegung in die Sache. Nicht, dass wir nicht eigentlich alle Zeit der Welt hatten. Wir waren immerhin im Urlaub. Aber ich musste jetzt wirklich aus dieser Windel raus. Ich konnte mich nicht mehr riechen und war mir sicher, dass es den anderen nicht anders ging. “Wir haben alle Hunger, oder?”, kam es von Onkel Phil. Rhetorische Frage. Das zeigte nicht nur ein Blick auf Juli, der garantiert kurz vorm Unterzucker-Koma stand. Er hatte auf dem Schiff ganz sicher nichts gegessen und später lediglich einen Eimer Kakao beim großen Paul getrunken. Das reichte bei seinem Grundumsatz eigentlich nur für die halbe Nacht. Entsprechend heftig fiel das doppelte Kopfnicken als Antwort auf die Frage aus. “Gut. Dann machen wir jetzt Teamwork, dann sitzen wir in der Hälfte der Zeit am Tisch!” Onkel Phils Definition von Teamwork folgte unmittelbar im Anschluss: “Erst hilft mir Paul dabei, Juli frisch zu machen und umgekehrt!” Eh klar.
“Dass deine Klamotten noch auf dem Weg sind ist kein Problem, Juli. Hier im Haus sind drei Kinder groß geworden. Heißt: Es gibt mehr als genug Auswahl. Auch in deiner Größe!” Die hatten hier auch Elefanten? Ich wollte den Spruch eigentlich nur denken. Stellte jetzt aber zu meinem Erstaunen fest, dass Juli und Onkel Phil mich mit großen Augen ansahen. Ups. Wann würde ich eigentlich meine große Klappe in den Griff bekommen? Es war Juli, der den Witz als Erster für gut befand und grinste. “1:0 für dich, Paul!” Uff. Gerade nochmal gut gegangen. Aber ich wusste nur zu gut, dass Julis Konter nicht lange auf sich warten lassen würde. “Paul hat hier im Haus eigentlich immer eine Strumpfhose und einen Pullover an. Ist das okay für dich? Dann kann Paul dir aus dem linken Schrank gleich was raussuchen, während ich mich um deine Windel kümmere.” Ein gleichgültiges Achselzucken von Juli. Es war okay für ihn, das wusste ich. Lange Unterwäsche gehörte bei diesen Temperaturen auch bei Julis Großeltern zu den nicht verhandelbaren Klamotten-Basics. Bevor ich in Sachen Outfit losmarschierte, wollte Onkel Phil noch ein letztes Detail mit Juli klären. Die Sache mit den Windeln. Die Frage verwirrte mich. Warum wollte Onkel Phil mit Juli über die Windeln sprechen. Was gab es denn da zu besprechen? Er war doch auf dem Kreuzfahrtschiff sehr gut mit normaler Unterwäsche klar gekommen. Als ich aber in Julis Augen sah, war ich mir meiner Sache gar nicht mehr so sicher. Ich konnte sehen, wie unsicher Juli war. Was in ihm alles kaputt gegangen war, in den letzten Jahren. Wie sehr er sich nach einem Stück Geborgenheit sehnte. Und Onkel Phil hatte das ebenfalls längst gesehen. “Ich bin mir sicher, dass du eigentlich keine Windel brauchst. Nicht in der Nacht. Und schon gar nicht am Tag. Aber ich glaube du weißt selbst ziemlich genau, dass du gerade ziemlich durch den Wind, bist, oder?” Kein Widerspruch. Juli bekam kein Wort heraus. Aber sein Gesicht sprach Bände. Es war dieser “Bitte triff du die Entscheidung für mich”-Blick. Den kannte ich. Von mir. Dagegen war Onkel Phil immun. “Sorry Juli, aber die Entscheidung kannst nur du treffen!”. Na bitte. Ich hätte auf diesen Onkel-Phil-Satz wetten sollen. Die Antwort quälte Juli. Das sah ein Blinder mit Krückstock. Er war 12 und gedanklich Lichtjahre entfernt davon, eine Windel zu tragen. Nicht nur, weil er sie eigentlich gar nicht brauchte. Körperlich war er topfit. Nix kaputt, so wie bei mir. Und doch hatte Juli seine Windel heute Nacht an ihre Belastungsgrenze gebracht. Ein normaler Zwölfjähriger würde sich davon nicht aus der Bahn werfen lassen. Ein peinlicher Unfall nach viel zu viel Kakao. Nichts weiter. Aber Juli schleppte eben im Rucksack den Verlust seiner Eltern mit sich herum. Und die vielen Jahre der Zerrissenheit. Die ganzen Demütigungen durch seine Mitschüler. Nein, er braucht ganz sicher keine Windel. Ich wusste das. Onkel Phil wusste das. Und wahrscheinlich wusste das Juli auch. Theoretisch. Im Alltag konnte sich Juli allerdings aktuell so überhaupt nicht auf sein “Selbstbewusstsein” verlassen. Er misstraute sich selbst. Misstraute seinem Körper. Seinem Kopf. Eine Entscheidung zu treffen war das Letzte, was man in so einer Situation hinbekam. Das wusste natürlich auch Onkel Phil. Und kam Juli deshalb mit einem Vorschlag ein Stück entgegen.
“Ich glaube,”, begann er an Juli gerichtet, “dass du dich eigentlich schon für die Windel entschieden hast!”. So. Jetzt war’s raus. Schlagartig veränderte sich Julis Gesichtsausdruck. Ein Stück Anspannung verließ seinen Blick. Onkel Phil lag also richtig. War aber noch lange nicht fertig. “Ich bin nicht scharf drauf, hier zwei große Windeljungs um mich herum zu haben, das muss dir genauso klar sein, wie Paul! Aber genau wie bei Paul will ich auch dir helfen. Und wenn du in den nächsten Tagen die Windel brauchst, weil sie dir Sicherheit gibt, dann kriegen wir das hin. Das verspreche ich dir!” Wieder ein Stück Angst, die sich aus Julis Augen verabschiedete. “Aber: Paul trägt diese Windelhosen, weil er komplett inkontinent ist. Alles geht in die Windel. Das lässt sich nur mit diesen dicken Klebe-Windel lösen! Die kann ich dir gerne anziehen. Aber: Eigenständige Toilettengänge wirst du damit nur sehr schwer hinbekommen. Schon gar nicht, wenn wir unterwegs sind!” Ich wusste, worauf Onkel Phil hinaus wollte. Juli noch nicht wirklich. Woher denn auch. Seine Windelerfahrung beschränkte sich auf gerade mal eine Nacht. “Das ist vor allem ein praktisches Problem, Juli! Ohne Hilfe dauert es ziemlich lange, aus den Dingern rauszukommen. Du musst ja erst die Klamotten drüber loswerden und dann noch vier Klebebänder aufbekommen. Im Zweifel sind das aber die entscheidenden Sekunden, die zwischen Erfolg und Unfall liegen. Und dann ist da noch das Problem mit der Lautstärke. Die Klebebänder machen einen ziemlichen Krach beim Öffnen. Und jetzt stell’ dir das mal in einer Kabine einer öffentlichen Toilette vor, in der sich ja meist noch viele andere Menschen aufhalten!” Alleine von der Vorstellung bekam Juli einen roten Kopf. Und ich auch.
Die Entscheidung, die Juli dann traf, überraschte mich. Weil es ein Kompromiss war und doch zeigte, wie unsicher sich Juli tatsächlich fühlte. “Kann ich bitte mit der Windel anfangen? Bis zum Wochenende?” Ein besonnenes Nicken von Onkel Phil. “Und ab Montag versuche ich dann eine Woche lang, ob ich es mit Pullups hinbekomme? Danach dann hoffentlich wieder ganz ohne!”. Wieder nickte Onkel Phil. “Ein guter Plan, finde ich!”. Damit verschwand auch der letzte Zweifel aus Julis Augen. So ganz ohne Regeln ließ Onkel Phil Juli aber nicht davon kommen: “Wir versuchen das mit Pauls Windeln bis zum Wochenende. Aber: Die Dinger sind kein Freifahrtschein für Bequemlichkeit, klar! Ich möchte, dass du hier zu Hause versuchst, auf die Toilette zu gehen. Vor allem für das große Geschäft!” Dazu gab es nicht viel zu sagen. Schon gar nicht von Juli. Es war sein Plan. Für ihn war das also okay.
Als ich zwei Minuten später mit einem hellgrünen Tom&Jerry-Pullover, einem gelben Sonnen-T-Shirt, einem hellblauen Unterhemd, der passenden dunkelblauen Slipboxer und einer beigen Frottee-Strumpfhose mit aufgedruckten Formel-1-Autos zurückkam, war von Juli erstmal nur sein nach oben gestreckter, kotverschmierter Po zu sehen, den Onkel Phil gerade mit großen Feuchttüchern routiniert säuberte. So etwas hatte ich mir schon fast gedacht. Spätestens bei seinem Zusammenbruch heute morgen war auch Julis Darminhalt in der Windel gelandet. Das war sicher ein weiterer Grund, warum er sich für die nächsten Tage für die Nummer-sicher-Windel-Variante entschieden hatte. Onkel Phil schlug sich wacker und hatte die Sauerei schnell im Griff. Kein Wunder, er war ja auch im Training. Anschließend cremte er Julis Windelbereich dünn mit der Salbe ein, mit der er auch meine entzündete Haut behandelt hatte. “Muss ja nicht sein, dass du gleich am ersten Tag wund wirst!”, brummte Onkel Phil dabei. Der Rest war Routine. Frische Windel unter den Po, vier Klebebänder verschließen, fertig. Dann half Onkel Phil Juli noch in die Unterwäsche. Den Rest musste er alleine hinbekommen. Er hatte ja schließlich zwei gesunde Arme.
Juli war kaum vom Wickeltisch gesprungen, da hievten mich auch schon zwei starke Arme nach oben. “Dann wollen wir doch mal sehen, wer hier schon die ganze Zeit die Luft verpestet hat!”. Und schon lag ich auf der weichen Wickelunterlage und spürte, wie Onkel Phil mir die dicke Strumpfhose von den Beinen schälte. Ich verkniff mir jeden Kommentar und schloss stattdessen die Augen. Das tat ich eigentlich immer, wenn ich die Windel richtig voll hatte. Ich wollte das nicht sehen, was da in meiner Windel war. Schlimm genug, dass ich das riechen konnte. Riechen musste. Mit drei dumpfen Knacksern öffnete Onkel Phil meinen Body und legte die Windel frei. Füllstand: Oberkante Unterlippe. “Juli, kannst du Paul bitte aus dem rechten Schrank frische Klamotten holen? Unterhemd und Slip brauchen wir aber nicht, Bodys habe ich noch hier!” Obwohl ich die Augen geschlossen hatte konnte ich hören, wie Juli losmarschierte. Das lag an den Gumminoppen der Anti-Rutsch-Socken, die er jetzt trug. Als er zurückgeschlurft kam, hatte Onkel Phil gerade das Vorderteil meiner Windel weggeklappt und hob meine Beine nach oben. Einen ganzen Stapel Feuchttücher später lag mein Po wieder auf einer frischen Windel. Ich schnaufte dankbar. Das war wirklich nötig gewesen. Fand auch Onkel Phil, während er aus einem der Fächer einen frischen Body angelte. Rot-weiß gestreift. Dazu reichte ihm Juli eine dunkelblaue Thermo-Strumpfhose mit angedeuteten weißen Wölkchen auf dem Po. Ich verdrehte die Augen. Juli hattte mit traumwandlerischer Sicherheit genau die Strumpfhose erwischt, die ich am wenigsten leiden konnte. Konnte er ja aber nicht wissen. Also kein mittelschwerer Nervenzusammenbruch wegen dem Teil, sondern nur ein genervter Blick. Den aber niemand so wirklich wahrnahm. Blieb noch ein warmes weißes Kapuzenshirt und ein gelber Minions-Pullover. Dazu kamen noch meine warmen Hüttenschuhe. Dann war auch ich bereit für den offiziellen Start in den Tag. Während mir Onkel Phil vom Wickeltisch half, regelte er noch schnell die nächsten Minuten bis zum Frühstück: “Ich muss hier noch sauber machen und den Wickeltisch desinfizieren. Anschließend bekommt das Frühstück seinen Feinschliff, dann können wir essen! Klaro?” Sonnenklar. “Du hast also zehn Minuten, um Juli das Haus zu zeigen, Paul!” Oh. Hoppla. Daran hatte ich in der Tat noch nicht gedacht. Abgesehen von unserem Zimmer hatte Juli ja in der Tat noch gar nichts von unserem Feriendomizil gesehen. Als wir gestern Abend ankamen, schliefen wir ja beide. “Und bitte macht auf dem Weg raus noch die Fenster auf! Die Reste eurer vollen Windeln sind noch sehr gut zu riechen!” Klick. Zweimal roter Kopf. Danke auch. Aber natürlich hatte Onkel Phil völlig Recht. Und so teilten Juli und ich uns die insgesamt vier kleinen Fenster untereinander auf und sorgten für die dringend benötigte Frischluft.
Angenehmer Nebeneffekt: Die frische, aber eiskalte Morgenluft machte wach und Lust auf mehr. Mehr “draußen. Vor allem mir. Drei Tage Unwetter-Innendienst waren echt genug. “Soll ich selbst gucken gehen und deinen erfrorenen Körper nachher einfach mit zum Frühstück tragen? Wir haben nur noch fünf Minuten, du Vogel!”, bohrte sich Julis ungeduldige Stimme in die Frischluft-Watte in meinem Kopf. Was? Oh. Stimmt. Da war ja noch was. Beziehungsweise jemand. Da musste ich mich echt erst wieder daran gewöhnen, dass ich ab jetzt kein Einzelkämpfer mehr war. Fünf Minuten? Kein Problem. Also Hausbesichtigung im Schnelldurchlauf. Mal sehen, ob der adlige Moppel mit mir mithalten konnte. Konnte er. Zumindest auf den Geraden. Aber immer wenn ich einen Haken schlug, um in ein Zimmer oder einen anderen Flur abzubiegen, war Juli sein Körperumfang im Weg. Oder wechselweise auch ein Teppich, der ihn zu Fall brachte. Konnte mir nicht passieren. Ich wusste ja, wo die rutschigen Dinger lagen. Gleich drei Mal landete Juli auf dem Hintern und lernte dabei seine Windel auf eine Art und Weise zu schätzen: als Stoßdämpfer. “Du hättest mir ruhig mal sagen können, wie praktisch die Dinger sind!”, grinste er mich an, als wir schwer schnaufend in der Loggia ankamen und ich Juli erst den Whirlpool und dann den Blick in den Dünen-Innenhof zeigte. Danach war Ruhe. Alles andere hätte mich auch überrascht. Diese Wirkung hatte das Dünen-Haus ganz sicher auf alle Besucher.
Dass wir zwei Minuten später als geplant am Frühstückstisch ankamen, störte natürlich kein bisschen. Onkel Phil schaufelte gerade eine ziemlich beeindruckende Portion frisch gebratenen Frühstücksspeck in eine Schüssel und grinste, als er in Julis Gesicht sah. “Denkst du, du hältst es hier die nächsten 14 Tage aus?” Juli, der sich gerade auf einen der Stühle fallen ließ und dabei die Schüssel mit dem Speck fixierte, zuckte mit den Achseln und meinte dann lediglich “wenn ich mich so ein klein wenig einschränke, wird’s schon gehen!. Ironie konnte er. Keine Frage. Ich war froh, dass “mein Juli” langsam wieder sichtbar wurde. “Sehr schön. Dann kann unser Urlaub ja endlich beginnen, oder?” Ja, Onkel Phil. Jetzt konnte es losgehen!
Autor: DerBeobachter (eingesandt via E-Mail)
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Ich warte immer wieder sehnsüchtig auf den nächsten Teil.
Hoffentlich lässt er nicht allzulanfe warten.
Es ist immer noch eine der besten (Windel-)Geschichten, die ich je gelesen habe. Ich habe nichts zu beanstanden. 🙂