Annes fast normales letztes Schuljahr – vom Mädchen zur jungen Frau (1)
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1. Endlich Ferien!
Es war einer dieser Wintertage, wie man ihn von unzähligen Postkartenmotiven kennt. Eine Zuckerdecke bedeckte die Kleinstadt im Badischen, die von der Sonne mit letzter Kraft beleuchtet wurde, aus den Buden des Weihnachtsmarkts duftete es, und der Rauch, der von einigen Buden nach oben stieg, verstärkte die Vorfreude auf das Weihnachtsfest in vier Tagen. Das hektische Treiben, das ansonsten den Adventsalltag bestimmte, fand hier Einhalt.
Das sind meine letzten Weihnachtsferien, dachte sich Anne. In wenigen Monaten würde die 18-jährige Schülerin ihr Abitur ablegen. Sie freute sich schon auf das Schulende, weil sie als Einzelgängerin wenig Kontakte zu ihren Klassenkameradinnen hatte. Eigentlich war sie eine Außenseiterin, was sie lange stark belastete. Sie wurde nicht geärgert oder gar gemobbt, sie wurde einfach ignoriert. Eigentlich die Höchststrafe! Nach vergeblichen Versuchen gab sie sich jedoch keine Mühe, Anschluss zu finden. Sie wirkte recht kühl, obwohl sie das gar nicht war. Das mochte an den hanseatischen Wurzeln, die sie ihrem Vater, der aus Bremen stammte, zu verdanken hatte, liegen. Dazu gesellte sich noch eine große Schüchternheit, was vor allem ihrer Mutter hin und wieder Sorgen machte. Anne war in ihrer körperlichen Entwicklung der Gleichaltrigen, selbst Jüngeren lange hinterher. Dass sie sich eher konservativ kleidete, untermauerte ihre mädchenhaftes Wesen. Erst im letzten Jahr wurde aus dem zierlichen, blonden Mädchen eine junge Frau. Als sich ihr Körper endlich veränderte, traute sie sich nicht, mit ihren Klassenkameradinnen darüber zu reden. Es veränderte sich sehr schnell sehr viel für sie, was sie theoretisch wusste, aber praktisch war es belastend für sie. Für die Anderen war sie deshalb immer nur die Kleine, mit der man sich nicht gerne abgab. Dass sie sehr gut in der Schule war, machte es ihr nicht leichter. Bei Schulaufgaben war sie noch am am meisten gefragt, weil man bei ihr gut abschreiben konnte, was sie bereitwillig zuließ, ohne Gegenleistungen zu erwarten. Es gehörte zu ihrem Wesen und war auch Bestandteil ihrer Erziehung, sich sozial zu zeigen. Für Jungs war sie folglich auch nicht interessant. Sie schwärmte schon mal für den einen oder anderen, aber sie spürte, dass sie sie sich nicht für sie interessierten. So zog sie sich Zuhause zurück und las sehr viel und begann sich sehr bald für das zu interessieren und begeistern, was ihr Vater, ein gefragter Strafverteidiger, beruflich machte. Ab und an half sie in seiner Kanzlei aus und schnupperte ein wenig in diese Tätigkeit rein. So stand für sie bald fest, in die Fußstapfen ihres Vaters treten zu wollen.
Erst in diesem Schuljahr suchten die Anderen vermehrt den Kontakt mit ihr, aber sie verhielt sich weiterhin sehr distanziert. Sie nahm es ihnen übel, sich vorher mit ihr nicht beschäftigt zu haben. Sollten sie doch bleiben, wo der Pfeffer wächst! Anne wandte sich einem Verein für Sozialarbeit zu, für den sie ehrenamtlich ab und an Rentnerinnen und Rentner betreute. Dort traf sie auf Menschen, die in ihr nicht das kleine Mädchen, sondern einfach nur Anne sahen und sie respektvoll und herzlich behandelten.
Anne konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so eine Vorfreude auf das große Fest verspürte. In den Jahren davor war es meistens grau und nass, von Winter war nichts zu spüren. Seit Anfang der Woche war die Luft jedoch richtig klar, jeden Atemzug konnte sie sehen, so kalt war es. Dass sie sehr schnell fror, störte sie heute nicht. Frohgemut ging sie den kleinen Hügel hinab, der auf die Hauptstraße führte. Jetzt war sie fast Zuhause.
Es war kurz vor Zwölf, als sie die Haustür hinter sich zuzog.
Endlich Ferien!
Wenige Minuten sollte sie das Haus fast für sich alleine haben, bevor Anton und Frederik, ihre 12- und 13-jährigen Brüder, ebenfalls aus der Schule kamen. Das 19-jährige Au-Pair-Mädchen Giulia war wahrscheinlich noch in der Sprachschule und würde im Laufe des Nachmittags ihre zweijährige Schwester Luisa aus der Krippe abholen. Lediglich ihre kroatische Reinigungskraft Radojka, von allen nur Rada genannt, war da, als die Haustür öffnete. „Oh, Anne, scheene Frollein, bist Du wieder da?“ „Hallo Rada.“ „Freust Dich auf Ferien“ „Ja, sehr. Freust Du Dich auch schon auf Deinen Urlaub?“ „Oh, weiß nicht. Weißt Du, muss ich mit Bobo nach Kroatien zu kranker Mutter. Ist halt alte Frau.“ Bobo, der eigentlich Slobodan hieß, war ihr Mann, der Hausmeister in dem Haus, in dem die Kanzlei ihres Vaters war, und regelmäßig den Rasen im Garten der Paulsens mähte. Beide gehörten zum erweiterten Teil der Familie, bei der sie, seit ihr erster Bruder auf die Welt kam, engagiert waren. Sie waren während des Balkankrieges nach Deutschland geflohen. Mit ihrem runden Körper und ihren großen, dunklen Augen, strahlte die Mitt-Fünfzigerin etwas sehr Temperamentvolles aus und konnte auch sehr energisch werden, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. Aber sie hatte ein großes Herz und wurde von allen sehr geschätzt. „Hoffentlich wird’s wenigsten ein bisschen schön.“ „Wird scheen. Feiern wir mit ganze Familie. Hast Du Hunger? Habe ich Suppe gekocht.“ Nee, danke. Später vielleicht. Hat Mama gesagt, wann sie wieder kommt?“ „Kommt 15 Uhr.“ „Danke, ich geh dann mal hoch.“ „Geh, habe ich frisch geputzt bei Dir. Hast Du so scheene und ordentliche Zimmer. Ist mir immer große Freide, bei Dir zu putzen.“ Anne lächelte und bedankte sich.
Sie hängte ihren grauen Wintermantel an die Garderobe, zog ihre Stiefel aus, bevor sie in die Küche ging. Sie warf einen Blick in den Kühlschrank, fand aber nichts, das ihren Appetit anregte, und ging nur mit einem Apfel in der Hand und einer Flasche Mineralwasser in ihr Zimmer unter dem Dach, das noch nach Orangenputzmittel roch. Seit zwei Jahren hatte sie dort ihr eigenes Reich mit Bad, das sie mit niemandem teilen musste. Ihre Eltern hatten den Dachboden ausbauen lassen, um eigentlich ein größeres Gästezimmer zu haben. Aber sie bemerkten, dass ihrer Tochter die Möglichkeit zum Rückzug sehr wichtig war und entschieden während des Umbaus, das Zimmer ihr zu geben. Ihr altes Zimmer wurde kurzerhand zum Gästezimmer umfunktioniert.
Die tief stehende Sonne strahlte durch die beiden Dachfenster und leuchtete ihr Zimmer mit sanftem Licht aus. Wohlige Wärme ging von den beiden Heizkörpern aus, dass Anne ihre Jeans auszog und sich nur in Strumpfhosen und Pullover auf ihr Bett lümmelte. Amy Winehouse sang leise aus dem Lautsprecher. Musik, die nicht so recht zu ihrer fröhlichen Stimmung passte, aber sie liebte ihre Stimme und Lieder. So vernahm sie auch den Lärm zwei Stockwerke unter ihr nicht. Ihre Brüder waren inzwischen auch nach hause gekommen und hatten noch jeweils einen Freund mitgebracht.
Sie döste ein wenig und freute sich auf den Nachmittag. Sie hatte sich mit Billy auf dem Weihnachtsmarkt verabredet, die sie nicht mehr allzu häufig sah. Ihre Freundin, mit der sie drei Jahre im Kindergarten und zehn Jahre in der Schule verbrachte, hatte nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Krankenschwester in der Freiburger Uniklinik begonnen. Wie es der glückliche Zufall wollte, hatte sie nun ein paar Tage frei, die sie möglichst viel gemeinsam verbringen wollten. Shoppen, Fernsehen, Tratschen – was beste Freundinnen eben so machen, wenn sie gemeinsame Zeit miteinander verbringen.
Obwohl sie vollkommen unterschiedlich waren, waren sie unzertrennlich. Billy, die eigentlich Sybille hieß, war die Aufgedrehte, Mutige und auch Frühreife, während Anne immer die Zurückhaltende und spät Entwickelte war. Billy störte das jedoch nicht. Für sie war sie die beste Freundin, die immer für sie da war, vor allem, wenn sie wieder Liebeskummer hatte. Hatte Anne noch keinen Freund, hatte Billy schon einige. Aber keine Beziehung hielt lange; es waren vor allem wesentlich ältere Männer, für die sie mehr Abenteuer als Ernst war. Billy wiederum war die Einzige, der sie sich anvertrauen konnte, als ihr Körper sich auf einmal entwickelte, und sie nur schwer damit zurecht kam. Sie hörte ihr zu und beriet sie in Fragen, die wichtig sind, wenn aus Mädchen Frauen werden. Anfangs nahm sie es ihrer Freundin ein wenig übel, dass sie sie alleine in der Schule zurück ließ. Sie versuchte sie zu überreden, doch bitte das Abitur zu machen. Doch Billy wollte arbeiten und Geld verdienen. Anne musste einsehen, dass es keinen Sinn hatte, sie zu überreden, nur damit sie nicht alleine war.
Durch den Schichtdienst sahen sich die Beiden nur noch unregelmäßig, aber wenn sie sich trafen, war die gemeinsame Zeit sehr intensiv.
Autor: couchier (eingesandt via E-Mail)
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Junge junge junge..
Junge ist das langatmig.
Geil, absolut geil.
DAS! ist eine richtig tolle Länge.
Wenn ich mir überlege wie extrem kleinlich und detailliert die jeweilige Beschreibung ist, Wahnsinn.
Und das ist erst der erste Teil.
Wenns nichts schon so spät wäre hätte ich weitergelesen.
Zumindest hab ich jetzt etwas zu lesen, lol.
Wie gesagt, richtig guter Anfang!