Annes fast normales letztes Schuljahr – vom Mädchen zur jungen Frau (2)
Annes fast normales letztes Schuljahr – vom Mädchen zur jungen Frau (2)
2. Halbstarkenhölle mit acht Augen und Eskimokuss
Inzwischen verspürte Anne doch ein wenig Hunger und ging wieder in die Küche, wo sie auf vier pubertierende Jungs stieß. „Du hast ja nix an“, blaffte Frederik sie an, worauf hin alle lachten. „Stimmt doch gar nicht!“ „Doch, wir haben alle Hosen an und Du nicht!“ Nun bemerkte Anne, wie acht Jungenaugen auf ihre Beine starrten. „Wenn eine Strumpfhose, noch dazu eine Baumwollstrumpfhose, nix ist, dann weiß ich es auch nicht.“ Dass sie sich nicht einfach eine Jogginghose angezogen hatte, bereute sie nun ein wenig. „Ihr könnt ja wegschauen oder in Eure Zimmer gehen, wenn Ihr meinen Anblick nicht ertragen könnt.“ Normalerweise war es kein Problem, wenn sie nur in Strumpfhosen und Pullover durchs Haus ging, aber zu viert fühlte sich die Bande offenbar richtig stark. Sie drehte ihnen den Rücken zu, um die von Rad zubereitete Kartoffelsuppe aufzuwärmen. Um sich einen Teller aus einem der unteren Schränke zu holen, musste sie kurz in die Hocke gehen, was den Jungs wieder Anlass zum Aufbegehren gab. „Was ist denn jetzt schon wieder?“ Genervt drehte sie sich zu ihnen. „Man sieht Deine Unterhose und Deinen Arsch!“ Wieder setzte großes Gelächter ein. „Mein Gott, Ihr seid doch keine kleinen Kinder mehr!“ Die Viererbande brach in Gelächter aus. Sie drehte die Herdplatte ein wenig höher, damit sie aus dieser zur Halbstarkenhölle verkommenen Küche so schnell wie möglich verschwinden konnte. Eigentlich wollte sie die Suppe in der Küche essen, aber den Plan hatten die vier Jungs erfolgreich durchkreuzt. Als sie sich erneute bückte um ein Brett zum Schneiden des Baguettes aus einem der Unterschränke zu holen, ertönte das Klicken eines Smartphones. Als sie sich blitzschnell umdrehte, sah sie, wie Frederik rasch sein Handy unter dem Küchentisch versteckte. „Hast Du mich jetzt fotografiert?“ Der Angesprochene, dessen Gesicht von zotteligen Haaren umrahmt wurde, errötete. „Nein, äh, nicht.“ „Lüg mich nicht an!“ Anne war inzwischen richtig sauer geworden. „Ich will jetzt sehen, wie Du das Bild löschst“, fuhr sie ihn scharf an. Ihr Bruder nahm sein Handy unter dem Tisch hervor, zeigte ihr das Bild, das sie verwackelt von hinten in braunem Pullover und grauen Strumpfhosen zeigte, und löschte es. „Ein Profibild sieht anders aus, Bruderherz.“ Die drei anderen Jungs versuchten sich das Lachen zu unterdrücken, weil sie die Solidarität mit Frederik nicht untergraben wollten. Dann begab sie sich mit dem Suppenteller wieder in ihr Zimmer.
Nur noch wenige Sonnenstrahlen erhellten Annes Zimmer, als sie aus dem Bett stieg, um sich für das Treffen mit Billy fertig zu machen. Sie ging ins Bad, um etwas für kleine Mädchen zu erledigen und sich ein wenig zurecht zu machen. Sie zog sich noch ein paar dicke Wollsocken über ihre Strumpfhose, bevor sie in eine braune Cordhose stieg, die sehr gut zu ihrem Cashmerepullover passte.
Auf dem Weg zum Flur schaute sie noch bei den Brüdern und ihren Freunden in Antons Zimmer vorbei. „Ich bin dann weg. Mama und Giulia kommen ja bald.“ „Jaja, passt schon.“
Sie wollte sich gerade auf den Weg machen, als Giulia mit ihrer Schwester zurückkam. „Ist so kalt draußen.“ Für die Sizilianerin war der Winter ein ziemlicher Kulturschock. „Ja, das ist Winter.“ Anne lächelte sie verständnisvoll an. In der Enge der Garderobe fiel ihr auf, dass sie nur Chucks und Söckchen zu ihren hautengen Jeans trug. Ihre Knöchel waren waren komplett nackt. „Wenn ich so dünn angezogen wäre wie Du, würde ich allerdings auch frieren.“ „Habe nur wenig.“ „Wenn ich zurück bin, gebe ich Dir was von mir. Und meine Eltern sollen Dir Geld geben, dass Du Dir etwas für den Winter kaufen kannst. Der ist noch lang.“ Sie ärgerte sich, dass ihre Eltern da so nachlässig waren. Giulia lächelte sie an. „Muss Luisa neue Windel geben.“ Ihre kleine Schwester war inzwischen im Wohnzimmer forderte Aufmerksamkeit ein. Anne ging noch einmal zurück und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, „Eskimokuss“, forderte Luisa, und die beiden Schwestern rieben sich die Nasen.
Es war für die ganze Familie überraschend, dass Bettina vor knapp drei Jahren noch einmal schwanger wurde. Im Gegensatz zu Anne, Frederik und Anton war Luisa nicht geplant. Aber das ungewollte Kind abzutreiben, kam für die Eltern nicht in Frage, und im Laufe der zehn Monate stellte sich bei allen Freude auf das Geschwisterchen ein. Und die kleine Luisa war ein richtiger Sonnenschein. Bettina beklagte sich manchmal nur ein wenig leise, dass es ruhig ein ruhigeres Kind hätte sein können. Mit Anfang 40 noch einmal Mutter zu werden, sah ihre Lebensplanung nicht vor. „Es wäre besser gewesen, wenn ich erst Luisa und dann Dich bekommen hätte“, sagte sie mal zu Anne. Aber dann strahlte das kleine Mädchen über das ganze Gesicht, wenn sie wieder etwas aus dem Bücherregal gezogen hatte, und ihre Mutter konnte ihr nicht böse sein.
Autor: couchier (eingesandt via E-Mail)
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Du schreibst sehr schön, nur im Winter scheint deine Sonne nie unterzugehen.
Bei mir im Norden ist sie innerhalb von 5 Minuten weg, wenn sie sich dem Rand vom Horizont nähert.
Doch Anne hat Zeit genug sogar Essen noch zu machen. 🙂
Marion gefangen … kann ich hier auch wieder finden.
Schön das es dich zumindest inspiriert hat.
Werde deine anderen Teile auch lesen, mal sehen wohin dein Weg führt.