Der Filmstar (4)
Windelgeschichten.org präsentiert: Der Filmstar (4)
Die Tür zur Männertoilette wurde klar hörbar geöffnet.
Mein Gehirn musste einen Wahrnehmungsaussetzer gehabt haben. Auf einmal konnte ich nicht mehr nachvollziehen, was gerade passiert war. Schritte arbeiteten sich zu meiner Kabine vor, während ich mich aus meiner unbequemen kauernden Position am Boden erhob und auf den heruntergelassenen weißen Toilettendeckel setzte, der mir einigermaßen sauber erschien. Ich versuchte in wenigen Sekundenbruchteilen das eben geführte Gespräch mit Vanessa Revue passieren zu lassen.
Sie war so kurz davor gewesen zu mir reinzukommen. Aber als ich mich verbal zur Wehr gesetzt hatte, war sie plötzlich an meinen Wünschen interessiert gewesen?
‚Rätselhaftes Erlebnis…‘, dachte ich mir. Vanessa war eine Figur, deren Motive ich nicht wirklich einschätzen konnte. Doch die Figur, deren Motive ich am wenigsten verstand, war… ich selbst!
Für eine halbe Minute hatte ich rumgestottert, bis ich wie aus einem fremden Mund meinen Wunsch aussprach: „Ich will, dass Fabian kommt!“
Klopfen. An der Kabinentür. Und Herzklopfen.
Was wollte ich überhaupt von Fabian? Er war als Regisseur von allen Personen in diesem Gebäude wahrscheinlich am meisten für meine Unterwäsche verantwortlich!
Mir war schleierhaft, was mich dazu bewegt hatte, seinen Namen zu nennen. Die Worte waren aus mir herausgekrochen, ohne dass ich etwas dazu beigetragen hatte. Es hatte sich angefühlt, als wäre in diesem Moment nicht ich für mein Mundwerk zuständig gewesen.
„Hallo?“
Auf dem Klodeckel sitzend nahm ich mit allen Sinnen dieses fremd-vertraute weiche, wohlige Gefühl unter meinem Po wahr. Unheimlich heimelig schmiegte es sich an meinen Körper, als wollte es mich einlullen. Ich war restlos überfordert mit meiner Gefühlswelt und hatte Schwierigkeiten, nicht vom Sitz zu fallen.
„Tobias? Bist du da drin?“
Mir rutschte das Herz in die Windel. Fabian war da draußen! Was nun?
„Nein!“, log ich.
War ich eigentlich noch zu retten?
„Darf ich zu dir reinkommen?“, fragte Fabian vorsichtig. Zu meiner eigenen Verwunderung ging ich wie ferngesteuert auf die Tür zu und entriegelte sie. Als mir klar wurde, dass ich dadurch jetzt fast entblößt vor ihm stand, versuchte ich kläglich die Häschenwindel mit dem Rübenmuster durch meine Hände zu verdecken.
„Nimm die Hände weg! Ich weiß jetzt doch sowieso wie du in der Windel aussiehst…“
Nun kam ich mir blöd vor und nahm die Hände weg.
„Es, ähm…“ Fabian wirkte unruhig und wich meinem starren Blick aus. „Es tut mir leid, dass… Das war alles etwas… viel für dich und wir hätten, also ich hätte dir, beziehungsweise wir hätten dich nicht so ähm… Also dass wir dir die nun ja so einfach angezogen haben war unge-…. Naja nicht direkt, vielleicht etwas über-… ähm“, stammelte mir Fabian eine Entschuldigung entgegen.
Ich stand vor ihm und fing einfach nur an zu weinen. Die Tränen suchten sich ihren Weg und kullerten meine Backe hinab, rollten hinter in den Nacken, um dann den Rücken runterzulaufen, bis sie schließlich hinten in meine Windel tropften.
Warum entschuldigte sich Fabian Fuchsberger jetzt? Er hatte gelacht! Mit allen anderen, als ich meinen Body im Studio, gut ausleuchtet von den frisch ausgebauten Scheinwerfern, vor den Augen fast der gesamten Crew geöffnet hatte. Fabian hatte gelacht. Es war ihm egal gewesen, wie ich mich dabei fühlte. Für diese Filmleute zählte doch nur, wozu man Schauspieler vertraglich zwingen konnte. Und das schlimmste daran war, dass diese Windel auch noch so verdammt tröstend kuschelig war!
Ich heulte Rotz und Wasser. Fabian reichte mir ein Stofftaschentuch, tätschelte mir mehrfach den Kopf und legte mir einen Arm um die Schulter. Scheinbar schien er doch ein schlechtes Gewissen zu haben…
Irgendwann versiegten die Tränen – garantiert nur wegen meinem Wassermangel, hatte ich doch schließlich seit meiner Ankunft nichts mehr getrunken…
„Geht es wieder?“, fragte Fabian besorgt.
Ich nickte stumm. Mein Hals tat weh von meinen Heulkrämpfen. Außerdem wollte ich nicht wirklich mit Fabian sprechen. Das merkte er auch.
„Tobi, bitte hör mir zu!“, bat er mich daher.
Sollte ich dem komischen Regisseur, der nicht soviel älter war als ich mein Gehör schenken? Oder mir trotzig die Ohren zuhalten?
Meine angeborene Neugier siegte und so nickte ich wieder stumm und Fabian begann zu reden:
„Vor vielleicht fünf Monaten bekam unsere Werbefirma den Auftrag den Werbespot für ‚Thickies‘ zu produzieren. Es war unser erster Großauftrag seit Jahren und daher unmöglich für uns ihn nicht anzunehmen.“
Verwirrt blickte ich ihn an: „Was ist denn Thickies aigentlich?“
„Weißt du, Thickies ist eine alteingesessene Firma. Früher hat sie Kleidung in Übergrößen hergestellt, dann brachte sie lange Zeit den bekannten Kleber ‚Gluetooth‘ auf den Markt. Leider gab es eine Klage wegen dem Produktnamen. Daher benannte man ihn um in ‚Kuckuck‘. Seitdem sind die Umsätze massiv eingebrochen. Also begann sich die Firma nach neuen Märkten umzusehen, in die man einsteigen könnte. Durch einen Zufall bekamen sie eine interessante Idee: Ein Mitarbeiter verschrieb sich bei einer Online-Suche und fand plötzlich ein Internetforum, dass mit merkwürdigen Buchstabenfolgen für sich warb: ‚Ein Forum für TBs, ABs, und DLs aller Art‘ war dort zu lesen. Interessiert recherchierte der Mitarbeiter zu dem Thema und bald war der neue Markt gefunden: Erwachsenenwindeln!“
„Erwachsenenwindeln? Sowas gibt’s?“
„Na klar, oder was hast du gerade an?“
„Ähm… Ach ja!“
„Du glaubst gar nicht, wie groß die Nachfrage nach Windeln unter Erwachsenen ist.“
„Hä? Wozu brauchen sie die denn?“
„Zum einen natürlich bei klassischer Inkontinenz oder bei Bettnässen. Aber auch wenn man beruflich nicht ständig auf die Toilette gehen kann, zum Beispiel als Pilot oder Astronaut.“
„Astronauten sind kuuuhl! Aber die haben Babywindeln an?“
„Keine Babywindeln, sondern Astronautenwindeln“, erklärte Fabian.
„Wow!“, staunte ich über das, was ich gelernt hatte.
„Aber es gibt auch Menschen, die körperlich keine Windeln mehr brauchen.“
„Klar, ich zum Beispiel! Darf ich sie jetzt ausziehen?“, fragte ich lieb.
„Vergiss es! Nicht vor Drehschluss! So, es gibt wie gesagt Menschen, die eigentlich keine Windeln bräuchten, aber trotzdem welche tragen.“ Fabian gab mir einen Crash-Kurs über die unterschiedlichen Bezeichnungen von freiwilligen Windelträgern. Ziemlich verwirrt setzte ich mich wieder auf den Toilettendeckel und dachte darüber nach.
„Aber warum woll‘n die das? Wer will denn schon gerne ein Baby sein?“, wunderte ich mich.
„Ich muss gestehen“, antwortete der Regisseur, „dass ich das auch noch nicht ganz verstanden habe. Fakt ist, es gibt daher einen großen Markt für saugfähige Windeln, die eine gewisse Dicke aufweisen. Und hier hat Thickies eine der saugfähigsten und dicksten, aber trotzdem sichersten, bequemsten und diskretesten Windeln entwickelt, die bislang existieren. Preiswert soll sie auch sein, wenn sie den Markt bald endgültig erobert. Und um die Verkäufe anzutreiben und für Interesse am Produkt zu sorgen, möchte die Firma natürlich einige repräsentative Werbefilme vorzeigen können.“
„Und da komm ich ins Spiel?“, fragte ich nun wieder ängstlich.
„Ja. Und aus diesem Grund möchte ich mich bei dir entschuldigen, dass wir dich mit unserem Vorhaben so überrumpelt haben. Wir sind nur sehr panisch geworden, als unser erster Kandidat abgehauen ist, bevor wir richtig mit dem reden konnten. Daher dachten wir, bei Kandidat Nr. 2 müssten wir mehr Druck ausüben. Dass das falsch war, hab ich jetzt eingesehen. Ich hoffe, dich jetzt nicht abgeschreckt zu haben. Wir sind sehr daran interessiert mit dir drehen. Also, bist du weiterhin dabei?“, sagte Fabian und lächelte mich an…
Autor: kigaki (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.