Der Winterurlaub (19)
Windelgeschichten.org präsentiert: Der Winterurlaub
Kapitel 19
Am nächsten Morgen weckte mich ein vorwitziger Sonnenstrahl, der über mein Gesicht wanderte. In kürzester Zeit, also so in etwa 15 Minuten, war ich einigermaßen wach und in der Lage meine Umgebung wahrzunehmen. Neben mir schniefte Jorin leise im Schlaf vor sich hin und beim Anblick stutzte ich erst ein wenig, bis mir die Ereignisse vom Vorabend wieder ins Gedächtnis drängten.
Mein Liebster hatte immer noch den Schnuller im Mund! Komisch, bisher war mir bei ihm keine Nuckel—Tendenz aufgefallen. Okay, okay, irgendwie schon! Aber halt nicht in Richtung Daumenlutschen oder so! Also wirklich. Wo ihr schon wieder hindenkt!
Ich selbst, soviel hatte ich unterdessen trotz meiner morgendlichen Schlaftrunkenheit mitbekommen, hatte meinen Nuckel nicht mehr im Mund. Da sollte ich mich wohl mal lieber auf die Suche begeben. Ah. Da war er ja. Er lag neben Jorins linkem Ohr. Naja, vielleicht hatte ich ja im Schlaf daran genuckelt?
Ich schaute mir das Ding etwas genauer, nunmehr bei Tageslicht an. Hellblau, aus Plastik, mit einem Ring dran und natürlich dem eigentlichen Nuckelstück. Ich musste leise kichern, Jorins Schnuller war rosa. Wer war nun von uns beiden die Freundin?
Ein Blick auf die Uhr: kurz vor acht. Da konnte ich ja eigentlich versuchen, auch noch ein wenig zu schlafen oder wenigstens zu dösen. Ich warf noch einen leicht zweifelnden Blick auf den Schnuller, dann steckte ich ihn mir wieder in den Mund. Was gut für Jorin war, konnte für Lucas nicht schlecht sein, oder? Dann kuschelte ich mich an Jo und war kurz darauf wieder eingeduselt.
Das nächste Mal wurde ich durch leise Stimmen wach. Ich ließ die Augen zu und sperrte meine Lauscher auf.
„Hehe, ich hab dir doch gesagt, dass die Kleinen darauf abfahren werden.“
„Ja, hast du Martin.“
„Okay, drück ab bevor die noch wach werden und was merken.“
Moment mal. Abdrücken? Bevor wir was merken? Ich sollte wohl doch mal lieber die Augen aufmachen. Aber zu spät!
Klick!
Jetzt riss ich meine Augen weit auf und sah in der Türöffnung die Schnullerschenker vom Vorabend. Aber das war ja noch nicht so schlimm, viel schlimmer war der Fotoapparat, den Tom in der Hand hielt. Mir war sofort klar, was das für ein Klickgeräusch gewesen war. Ich spuckte den Schnuller auf die Bettdecke.
„Du hast uns jetzt nicht wirklich so fotografiert, oder?“
„Doch, na klar hab ich das!“
„Und was hast du mit dem Bild vor?“
Oh, Jorin war auch wach und hatte kapiert, was hier eben abgelaufen war.
„Och, nicht viel. Das bekommen eure Eltern.“
„Unsere Eltern!?!“
„Ja klar, Lucas. Eltern zeigen doch gerne die Babyfotos ihrer Kinder in der Verwandtschaft und Bekanntschaft herum.“
Mein Leben war zu Ende. Das würde ich nicht überstehen. Ob es wohl einen Sinn hatte zu versuchen, Thomas die Kamera zu entreißen? Wohl eher nicht, ich steckte noch komplett unter der Bettdecke. Ehe ich aus den Federn raus wäre, wäre Tom samt Kamera und dem kompromittierenden Foto längst über alle Berge. So war das nun wirklich nicht geplant, wir wollten doch eigentlich Babyfotos von Jakob machen!
„Ihr seid fies!“
„Och, Jo—Baby, nicht eingeschnappt sein. Sonst gibt es kein Frühstück!“
Frühstück? Jetzt wo Martin das sagte… mir knurrte der Magen.
„Macht euch aus den Federn und kommt runter. Irene und Wolfgang haben schon zum Frühstück gerufen.“
Nunja, wenigstens etwas.
„Esst ihr auch bei uns mit?“
„Ja, wir sind eingeladen.“
„Und geht ihr so wie ihr jetzt seid runter?“
Auch Tom und Martin waren wohl gerade erst aus dem Bett gefallen. Beide trugen noch die Strampler mit den Windeln drunter.
„Klar, warum nicht? Gibt doch eh nichts mehr zu verbergen.“
Komisch. Wieso hatten die alle diese Mir—doch—egal—was—andere—denken—Einstellung? Ich selbst tat mich damit dann doch noch etwas schwer. Aber naja, in Gesellschaft der beiden älteren Teenager würde ich mir nicht ganz so doof vorkommen.
Tom und Martin ließen uns alleine, was mich ein wenig um die Frühstücksvorräte zittern ließ.
„Los Jo, raus aus den Federn, bevor die uns alles wegfuttern.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen und kurz darauf standen wir auf unseren Füßen.
„Sag mal, wie findest du das mit den Nuckeln?“
„Weiß nicht so recht. Scheint nicht so übel zu sein, immerhin hatte ich den die ganze Nacht drin, bis Tom und Martin mit der Knipse auftauchten. Und wie war das bei dir?“
„Als ich das erste mal aufgewacht bin, hatte ich ihn nicht im Mund. Es war aber noch zeitig, also hab ich mich noch mal hingelegt und ihn wieder rein gesteckt. Naja, den Rest der Geschichte kennst du ja.“
„Jup. Ob die das Foto wirklich unseren Eltern geben, was meinst du?“
„Keine Ahnung, aber ich hab eh irgendwie das Gefühl, dass uns hier alle zu richtigen Babys machen wollen.“
„Ja, kommt mir manchmal auch so vor.“
„Und?“
„Was und?“
„Na was sagst du dazu?“
„Hm. Keine Ahnung. Irgendwie komisch ist das auf jeden Fall, aber andererseits…“
„Andererseits?“
„Okay, aber lach mich bitte nicht aus, versprochen?“
„Versprochen, Jo.“
„Es gefällt mir irgendwie. Ich weiß nicht, wie ich es genau sagen soll. Ich fühl mich wohl dabei. Irgendwie geborgen, sorgenfrei, als ob mir überhaupt nichts Schlimmes passieren könnte. Deshalb stören mich auch die Windeln gar nicht mehr. Keine Ahnung, du hältst mich jetzt bestimmt für verrückt.“
Das tat ich schon seit langem, aber ich fand Jorins Verrücktheit irgendwie niedlich und sehr anziehend.
„Genau so liebe ich dich, Jo—Baby.“
Über das Thema geborgen fühlen würde ich bei anderer Gelegenheit noch mal genauer nachdenken müssen. Jetzt war ich dazu nicht mehr in der Lage, ich brauchte erstmal eine ordentliche Nahrungszufuhr.
„Na los, gehen wir erstmal was futtern!“
Dagegen hatte auch Jo nichts einzuwenden, und kurz darauf saßen wir mit dem Rest der Ferienhaustruppe am gut gedeckten Frühstückstisch und ließen es uns schmecken. Jorins Eltern waren im Morgenmantel, alle anderen Anwesenden trugen Strampler und mit Ausnahme von Jakob dicke Windelpakete drunter. Was zumindest bei mir auch gut so war, denn ich hatte meine Windel während der kurzen Wachphase am Morgen bestimmungsgemäß benutzt.
„So, was machen wir denn nun heute mit dem ersten Weihnachtsfeiertag?“
„Martin und ich fahren runter ins Gasthaus. Wir wollen in den Swimmingpool, eventuell in die Sauna und nachmittags dann auf die Bowlingbahn.“
„Was denn, habt ihr jetzt auch eine Bowlingbahn angebaut?“
„Ja, die ist im Herbst fertig geworden. Die könnt ihr übrigens auch benutzen. Ihr müsst nur vorher kurz reservieren.“
„Das werden wir bestimmt in den nächsten Tagen mal machen. So, und was machen wir? Lucas, Jorin, habt ihr irgendwas bestimmtes vor?“
„Irene, wenn ich was vorschlagen darf?“
„Klar, nur zu Tom.“
„Die Jungs, also auch Jakob und Jan, könnten mit uns runter ins Hotel kommen. Oder habt ihr keine Lust auf Pool und vielleicht Bowling?“
„DOCH!!!!!“
Dreimal dürft ihr raten von wem der Aufschrei kam. Kleiner Tipp: Es war jemand, dessen Vorname mit J beginnt.
Oh. Ich merke gerade, dass das gar kein so heißer Tipp war. Die Brennerschen Eltern hatten bei den Anfangsbuchstaben der Nachwuchsvornamen eine gewisse Konstanz bewiesen. Na gut, will ich mal nicht so sein: es war natürlich Jan.
„Ich weiß nicht, fallen die euch nicht mit der Zeit auf den Wecker? Gerade der Zwerg kann ziemlich anstrengend sein.“
„Keine Bange, das ist wirklich kein Problem.“
„Außerdem kann ich ja auf Jan aufpassen. Und auf Lucas und Jorin natürlich auch. Die haben einen Aufpasser vielleicht sogar noch nötiger.“
„Blödmann!“
„Angenehm, Brenner.“
Uralter Spruch, aber er reichte um Jorin zum Schweigen zu bringen. Irene war immer noch nicht ganz überzeugt, aber darum kümmerte sich jetzt ihr Ehemann.
„Ich finde den Vorschlag gut. Dann könnten wir zwei uns mal einen schönen gemütlichen Tag machen. Nur wir beide, ohne die ganze Bagage. Abends sind wir dann eh bei Katrin und Darius eingeladen, da können wir hinterher die Jungs wieder mit hoch ins Haus bringen.“
„Die können auch bei uns übernachten, wir haben genügend Platz.“
„Danke für das Angebot Tom, aber ich weiß nicht. Also Jan auf keinen Fall.“
„Ich fahr dann auch lieber mit euch hierher.“
Jetzt richteten sich alle Blicke auf Jorin und mich. Ich schaute zu Jorin, der schaute zu mir und wir nickten uns zu.
„Gerne, Tom!“
Jo nahm mir die Worte aus dem Munde.
„Dürfen wir, Mutti?“
„Also wenn das Tom und Martin wirklich nicht zuviel wird…“
„Wird es nicht, wirklich nicht. Die beiden sind herzlich eingeladen.“
„Na gut, dann soll es so sein. Aber dann müsst ihr nachher schnell alles zusammenpacken was ihr für heute und die Nacht so braucht. Strampler, Windeln, Wäsche zum Wechseln, Waschzeug.“
Okay, mal wieder einen neuen Versuch starten.
„Irene, können wir für diesen Anlass nicht mal auf die Windeln verzichten? Jan wird doch bestimmt auch keine anziehen, oder?“
„Du hast recht, wenn ihr euch die meiste Zeit im Haus aufhaltet, braucht Jan auch keine Windel.“
Halleluja! Es sah so aus, als wäre mir dieser kleine Sieg gegönnt!
„Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ihr zwei keine Windeln braucht! Ich habe euch das gestern gesagt und es bleibt dabei. Bis zum Ende des Urlaubs steckt ihr rund um die Uhr in Windeln. Bloß weil ihr bei Thomas und Martin zu Gast seid, ändert sich daran nun wirklich nichts. Außerdem: die beiden wissen es eh, sie tragen nachts selber welche, also gibt es keinen Grund für euch, dass ihr euch so ziert.“
Von himmelhochjauchzend auf zutodebetrübt innerhalb weniger Sätze. Ich sollte wohl wirklich alle Hoffnung fahren lassen; meine kläglichen Versuche waren zum Scheitern verurteilt. Am schlimmsten war das überhebliche Grinsen, welches Jan nun in seinem Gesicht spazieren trug.
„So, dann sollten wir uns aber wohl alle mal etwas beeilen. Jakob, du kümmerst dich erstmal um Jan. In der Zwischenzeit können Lucas und Jorin ihre Sachen zusammenpacken. Danach gehen die beiden durchs Bad und ich kümmere mich um ihre Windeln.“
Genau so wurde es erledigt und gegen halb elf waren wir mehr oder weniger abflugbereit.
„Jo, was ziehen wir an? Die Schneeanzüge doch heute nicht, oder?“
„Nee, ich denke normale Jeans reichen völlig aus.“
Wir legten also noch Jeans und Sweatshirts an, schnappten uns unsere Taschen und gingen hinunter. Dort warteten auch schon die vier anderen der fröhlichen Truppe und Irene kontrollierte noch mal, ob alles an Bord war.
„So Jungs, habt ihr alles? Auch die Badehosen nicht vergessen?“
Hatten wir nicht. Im Gegensatz zur Bowlingbahn gab es den Pool schon länger, wir waren also darauf vorbereitet gewesen.
„Gut. Jakob, du hast das Kommando über die drei und du kümmerst dich bitte darum, dass Lucas und Jorin nicht zu lange in nassen Windeln rumlaufen. Und lass dich bloß nicht von denen breitschlagen, von wegen auf die Windeln verzichten! Wenn wir davon etwas mitbekommen, bist du der nächste, der sich zur Windelfraktion gesellt! Verstanden?“
„Alles klar Mutti. Keine Angst, ich setz mich schon durch.“
Nach dieser mütterlichen Drohung würde er das wohl tatsächlich tun.
„So, dann wollen wir mal. Wir fahren wieder wie vorgestern: Jorin mit Martin, Jan mit Jakob und Lucas mit mir. Also los, ihr kennt ja die Prozedur.“
Die kannten wir tatsächlich. Unsere Tasche wurde noch auf Martins Schlitten festgeschnallt, wir zogen uns die Schlupfmützen und die Handschuhe an und dann ging es in lauter, wilder Fahrt abwärts ins Tal, dem Swimmingpool und der Bowlingbahn entgegen.
Autor: Mark (eingesandt via Nachricht)
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