Der Winterurlaub (30)
Windelgeschichten.org präsentiert: Der Winterurlaub
Kapitel 30
Unsere kleine Windelkarawane traf gerade noch rechtzeitig am Treffpunkt zum großen Schneeausflug ein. Und es würde wohl wirklich ein großer Ausflug werden, jedenfalls wenn man sich die Teilnehmerzahl so anschaute. Ich erkannte viele Gesichter von der Pyjama—Party wieder, unter anderem hatten sich Ben und Florian, die Zwillinge Nico und Nicole, Phips und natürlich auch Pascal samt kleinem Bruder Sascha eingefunden. Als Pascals Blick dem meinigen begegnete, errötete sein Gesicht unter der Mütze. Ich wusste genau, warum das so war, zuckte mit den Schultern und grinste ihn an.
Die Bergströms, also Pascals Eltern, gehörten auch zu den Organisatoren des Ausflugs.
„Also hört mal bitte alle her! Schön, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Wir haben uns das so gedacht: wir fangen an mit einem kleinen Wettbewerb im Schneemannbauen, und zwar direkt vor dem Hotel. Für die schönsten Schneemänner gibt es auch ein paar kleine Preise.“
Einige der Kiddies wurden vor lauter Vorfreude schon ganz zappelig.
„Nach der Prämierung gibt es dann Kuchen, Tee, heiße Schokolade und andere schöne Sachen, und zwar auch alles hier draußen im Schnee.“
Das musste man den Scholls lassen, die ließen sich nicht lumpen.
„Anschließend dürfte es schon langsam dunkel werden, deshalb wandern wir dann noch mit Fackeln durchs Dorf.“
Na das gab ein Hallo unter den Kids und auch Jorin schien begeistert zu sein, denn er drängte sich ganz dicht an mich und flüsterte mir ins Ohr.
„Wie romantisch…“
Ja, irgendwie romantisch klang das schon. Wesentlich romantischer wäre es aber sicherlich OHNE eine Herde von Kindern im Grundschulalter dabei. Aber ich sollte wohl damit zufrieden sein, dass wir diesmal zumindest nicht auf diese Kinder aufpassen mussten.
„Also dann, gehen wir zur Schneemann—Baustelle! Alles mir nach!“
Herr Bergström marschierte los und die ganze kunterbunte Kinderschar mit einigen wenigen älteren Jugendlichen, zu denen ich mich natürlich auch zählte, und Erwachsenen folgten ihm. So ungefähr musste das damals auch beim Rattenfänger von Hameln ausgesehen haben.
Unterdessen hatten sich Phips und Pascal zu uns gesellt, während Jan sich Sascha und den Zwillingen angeschlossen hatte.
„Na Phips, auch nichts Besseres zu tun?“
Der Angesprochene grinste Tom an.
„Nee. Die Alternative wäre gewesen, mit meinen Eltern zu so ’nem komischen Weihnachtslieder—Singen zu gehen. Da ist mir das hier doch deutlich lieber.“
Das konnte ich nachvollziehen.
„Hehe, verständlich. Außerdem muss man das ausnutzen, soviel Schnee hat man nicht immer. Ach übrigens, das hier ist Pascal. Pascal, das ist Phips.“
Stimmt ja, die beiden hatten sich ja noch nicht kennen gelernt.
Mittlerweile waren wir am Veranstaltungsort des Schneemann—Wettbewerbs eingetroffen. Die große Wiese vor dem Haupteingang war dafür perfekt geeignet. Bei der gewaltigen Schneemenge sollte es keine Probleme mit dem Baumaterial geben.
„Da wären wir. Am besten wäre es wohl, wenn ihr ein paar Teams bilden würdet.“
Das schien auch mir eine vernünftige Idee zu sein. Ich schaute zu Jorin und brauchte ihn gar nicht erst zu fragen.
„Los Luki—Baby, fangen wir an. Wir haben einen Wettbewerb zu gewinnen!“
Argh! Luki—Baby! Und das auch noch in aller Öffentlichkeit!
„Das wollen wir doch mal sehen! Den Wettbewerb gewinnen Tommy—Baby und ich!“
Damit war klar, dass Tom und Martin ebenfalls ein Team bilden würden. Nun schauten sich auch Pascal und Phips an.
„Wollen wir denen mal zeigen, WIE man einen ordentlichen Schneemann baut, Phips?“
Als Antwort reckte der Bayern—Nachthemd—Träger den rechten Daumen nach oben.
Moment mal. Mir fiel ein, dass es da ja noch jemanden gab, der bisher zu keinem Team gehörte.
„Jaki—Baby? Willst du bei uns mitmachen?“
Wieder einmal war mir Jorin zuvorgekommen. Der schien irgendwie genau zu wissen, was ich gerade dachte. Oder aber er dachte immer genau das gleiche wie ich. Beängstigend!
„Nein lasst mal, ich mache nicht mit. Wäre ja unfair euch Kindern gegenüber, wenn auch noch Erwachsene um die Preise mitkämpfen würden.“
Jo und ich prusteten los und auch Tom und Martin fielen in das aufkommende Gelächter ein. Erwachsene. Jakob. Erwachsen. Na der hatte vielleicht seltsame Vorstellungen von sich selbst! Der hatte wohl vergessen, was er für ein extrem unerwachsenes Windelpaket unter seinem Schneeanzug trug!
Einen Moment sah es so aus, als wollte Jake auf dieses Gelächter reagieren, dann aber winkte er nur resignierend ab und zog von dannen, um sich zu den anderen, also den wirklichen Erwachsenen, zu gesellen.
„Nun steht mal nicht rum als gäbe es nichts zu tun! Wir sollten mal langsam anfangen mit der Schneemann—Bauerei! Ansonsten gewinnen die kleinen Kinder da drüben schon alleine deshalb, weil wir nicht fertig werden.“
Die Stimme der Vernunft, diesmal aus Pascals Mund. Okay, er war von uns „Zurückgebliebenen“ ja auch der älteste. Wir stürzten uns also mit Feuereifer auf die Arbeit und schon bald schossen auch bei uns die ersten Rümpfe der eiskalten Schneegesellen in die Höhe.
Überall auf der großen Wiese wurde gebaut, von den jüngsten bis zu den ältesten Teilnehmern waren alle mit Feuereifer dabei. Als dann langsam abzusehen war, dass die Fertigstellung der Kunstobjekte kurz bevorstand, tauchte Jakob, dessen Verschwinden wir gar nicht bemerkt hatten, zusammen mit den Gasthofbetreibern auf. Gemeinsam schleppten sie zwei große Wäschekörbe nach draußen. Ihnen folgte noch ein Mann mit einer ganzen Kollektion von Besenstielen und einem großen Beutel voller Mohrrüben.
„So, hier habt ihr noch etwas Verschönerungsmaterial! Bedient euch!“
Jorin und ich flitzten zu ihnen hinüber, dicht gefolgt von den anderen vieren aus unserer „älteren“ Gruppe. In den Wäschekörben befanden sich lauter Mützen und Schals, auch einige offensichtlich alte Pfannen und Kochtöpfe waren zu sehen.
„Mutti? Wo kommen die ganzen Klamotten her?“
„Aus unserem Fundbüro. Aber keine Bange, das sind alles Sachen, die schon mindestens ein Jahr dort herumliegen. Also greift ruhig zu.“
Wir wühlten in den Körben herum, was gar nicht so einfach war, da eine Menge Hände das gleiche tat. Dann sah ich etwas, was ich für unseren Schneemann herausfischte. Ich zog mich mit dem Fang etwas zurück.
„He Jo, schau mal! Wie wäre es damit?“
Jorin schaute zu mir herüber, dann fing er an breit zu grinsen.
„Okay!“
Wir gingen zu unserem mittlerweile fast fertigen Schneemann zurück und nachdem wir die letzten Feinarbeiten erledigt hatten, bekam er die von mir ausgesuchten Sachen verpasst. Dabei handelte es sich passenderweise um eine pinkfarbene Pudelmütze und den dazugehörigen Schal! Kaum war das alles angebracht, als es neben uns auch schon losprustete.
„Hehe, ist das eine Schneefrau oder ist der einfach nur schwul?“
„Letzteres Pascal, der ist genauso schwul wie seine Eltern.“
„Oh…“
Ups! Mir fiel ein, dass Pascal ja noch gar nichts von uns gewusst hatte. Hoffentlich hatte er damit kein Problem. Schien aber nicht so zu sein, denn er grinste schon wieder übers ganze Gesicht.
„Cool.“
Na das wollte ich doch auch meinen! Jorin besorgte noch einen Strohbesen, eine Mohrrübe als Nase sowie einige ebenfalls von den Scholls spendierte schwarze Dame—Steine als Knöpfe, und damit war dann unser Siegerkandidat fertig. Thomas und Martin hatten ihrem Schneemann einen roten Schal und einen Blechtopf verpasst, Phips und Pascal dem ihrigen Schal und Mütze in dunkelblau.
„So, wie schaut’s denn aus, sind alle Schneemänner fertig? Können wir mit der Begutachtung beginnen?“
Tatsächlich schienen alle Teams fertig zu sein. Also liefen jetzt die Scholls, die Bergströms und sogar Jakob zwischen den versammelten Meisterstücken umher und beschauten sich diese ausgiebig. Da gab es große und kleine, dicke und dünne, sauber gearbeitete und eher notdürftig zusammengeschusterte. Ich war gespannt, wie die Bewertung ausfallen würde.
Nach einigen Minuten trat die Jury etwas zur Seite und besprach sich. Dann war es wohl soweit, das Ergebnis würde verkündet werden! Alle Augen und Ohren hingen an den Mündern von Frau Scholl.
„Also ihr habt euch wirklich alle viel Mühe gegeben und es ist eine sehr schwierige Entscheidung einen Sieger zu bestimmen. Und darum haben wir beschlossen, dass ihr alle Sieger seid! Jeder von euch bekommt einen kleinen Preis, und zwar nach der Fackelwanderung, wenn ihr zurück ins Hotel kommt.“
Das war eine sehr faire Entscheidung und entsprechend groß war der Jubel aller Beteiligten.
„So, und jetzt gibt es was schönes zu Essen und zu Trinken. Herr Völker hat schon alles aufgebaut, also kommt alle rüber zum Eingang!“
Dort standen ein paar Tische, auf diesen wiederum standen Teller mit Kuchen und Lebkuchen und aus großen Isolierkannen gab es Tee und heiße Schokolade. Als ich das alles sah, bemerkte ich plötzlich auch, wie hungrig mich die körperliche Arbeit im Schnee gemacht hatte.
Es bildeten sich jetzt mehrere Grüppchen die schmatzend und schlürfend zusammenstanden. Plötzlich tauchte Sascha auf und drängelte sich an seinen großen Bruder. Mit einem frechen Grinsen wies er auf dessen Teetasse.
„Trink nicht soviel, sonst musst du nachher unterwegs irgendwo an einen Baum pinkeln.“
Pascal wurde wieder knallrot im Gesicht, aber sein kleiner Bruder war noch nicht fertig mit ihm.
„Du solltest bei solchen Gelegenheiten wirklich mal Windeln probieren!“
Das war’s, der arme Pascal verschluckte sich an einem Stück Kuchen und fing wie wild an zu husten. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. Dann zog er seinem vorwitzigen kleinen Bruder die Pudelmütze ins Gesicht. Dieser lachte jedoch nur, schob die Mütze wieder zurück und nahm einen Schluck aus seiner Kakaotasse.
„Wer sagt dir denn, dass ich nicht längst eine anhabe?“
Jetzt war es an Sascha, vor Überraschung loszuprusten, was mit Kakao im Mund nicht unbedingt empfehlenswert ist. Zum Glück stand niemand in seiner „Schussbahn“.
„Was… hust… wie bitte?“
Sein großer Bruder klopfte ihm auf den Rücken, um bei der Bewältigung des Hustenanfalls behilflich zu sein und bald hatte Sascha diesen auch überwunden.
„Meinst du das jetzt ernst?“
Ich hätte ja nicht gedacht, dass Pascal das so öffentlich zugeben würde, auch wenn unsere Gruppe etwas abseits von den meisten anderen stand. Aber der junge Mann mit dem nordischen Nachnamen wurde noch etwas mutiger. Er schaute sich kurz um und als er sah, dass sich momentan niemand für uns interessierte, griff er sich die linke Hand seines kleinen Bruders und führte sie an sein einigermaßen unsichtbar gepolstertes Hinterteil
„Hier, fühl mal.“
Genau das tat Sascha auch. Und während er dies tat, wurden seine Augen immer größer. Dann zog er seine Hand wieder weg.
„Wow, tatsächlich!“
„Tja Brüderchen, ich bin lernfähig.“
„Hätte ich dir nicht zugetraut. Und, hast du die Windel schon benutzt?“
„Pssst. Sprich nicht so laut. Und DAS werde ich dir nun nicht auf die Nase binden.“
„Okay, brauchst nicht mehr zu sagen. So wie ich dich kenn, kenne ich die Antwort eh.“
Pascals neuerliches Erröten zeigte mir, dass sein kleiner Bruder da wohl absolut richtig mit seiner Einschätzung lag. Aber Pascal befand sich in guter Gesellschaft, auch meine Windel war nicht mehr trocken, auch wenn ich kaum bemerkte hatte, wie es dazu gekommen war.
Während wir uns weiter an den Köstlichkeiten labten, brachte der Hausmeister bereits die Fackeln für die Wanderung. Es wurde bereits langsam dunkel und ich war mal wieder überrascht, wie schnell und unbemerkt die Zeit vergeht, wenn man intensiv mit einer Sache beschäftigt war. Bald war es auch soweit und wir machten uns abmarschbereit.
„So, hört jetzt bitte alle mal genau zu. Seid bitte vorsichtig mit den Fackeln! Denkt dran, das ist echtes Feuer! Bleibt bitte unterwegs schön beisammen, dass uns keiner verloren geht.“
Oh ja, ich konnte Frau Scholls Sorge verstehen! Eine Wanderung bei Dunkelheit mit einer ganzen Horde kleiner Kinder! Ich war wirklich froh, dafür nicht die Verantwortung zu tragen!
„Ich werde mit Herrn Völker vorangehen, Herr und Frau Bergström gehen in der Mitte und die großen Jungs da hinten gehen am Ende der Kolonne.“
Mit den großen Jungs waren ganz offensichtlich wir gemeint. War wohl nichts mit „keine Verantwortung“.
„Also dann, jeder kann sich jetzt bei Herrn Völker eine Fackel abholen. Wer seine Fackel hat, geht bitte zum Tor und wartet, bis alle versorgt sind und wir losgehen können.“
Genau so wurde es dann auch gemacht und schon einige Minuten später setzte sich unser Zug mit flackernden Fackeln in Bewegung. Mittlerweile war es auch schon richtig dunkel geworden und das ergab einen wirklich tollen Anblick.
„Super!“
Auch Jorin schien dieser Meinung zu sein.
„Lucas, nimm die Fackel in die rechte Hand.“
Ich brauchte nicht groß zu fragen, warum ich dies tun sollte, denn kaum hatte ich es getan, als Jorin auch schon die jetzt freie, linke Hand von mir ergriff. Ein zufriedenes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit und spiegelte damit wohl in etwa den Ausdruck auf meinem eigenen Gesicht wider. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte mir, dass sich Thomas und Martin ein Beispiel an uns nahmen.
So zog unsere Karawane durch die Straßen des Ortes und alle Leute die uns sahen, blieben stehen und schienen von diesem Anblick gefangen zu sein. War das der Zauber der Weihnacht?
Wir waren etwa 20 Minuten unterwegs und ich bemerkte, wie wir langsam einen Bogen schlugen, der uns wieder zum Gasthaus zurückführen würde. Allerdings bemerkte ich auch noch etwas anderes: Jakob, der sich bisher leise mit Pascal und Phips unterhalten hatte, wurde irgendwie immer nervöser, stiller und zappliger. Auch Jorin fiel das auf!
„Jake? Was ist los mit dir?“
„Nichts!
Nach nichts sah das allerdings nicht aus, auch sein Gesicht erschien mir ziemlich verkniffen.
„Blödsinn, du hast doch was!“
„Verdammter Mist!“
So langsam machten wir uns alle Sorgen.
„Was ist los, Jakob? Geht’s dir nicht gut?“
„Mein Magen…“
Ohoh…
„Was ist damit?“
„Ich weiß doch auch nicht! Irgendwas ist mir nicht bekommen, ich habe richtige Magenkrämpfe!“
Der Ärmste! Er krümmte sich schon regelrecht ein wenig.
„Ich brauche dringend ein Klo!“
Ich schaute mich um und erkannte grob die Gegend, in der wir uns gerade befanden. Selbst wenn Jakob sofort losrennen würde, falls das in seinem Zustand überhaupt möglich wäre, würde er mindestens 10 Minuten bis zurück zum Gasthof brauchen.
„Schaffst du es noch bis zurück?“
„Ich weiß nicht Tom, ich glaube nicht! Verdammt!“
„Okay, hör zu. Wenn Alles nichts mehr hilft, denk dran was du anhast.“
„Hä? Was?“
Mein Gott, er hatte es wohl genauso vergessen wie ich! Jakob hatte ja eine Windel an! Okay, da groß rein zu machen war wohl nicht sonderlich angenehm. Wir hatten uns das bisher immer verkneifen können, aber in einem solchen Notfall konnte er doch wirklich dankbar für diese Möglichkeit sein!
„Die Pampers, Jakob.“
„Was? Oh. Stimmt ja! Und du meinst, ich soll wirklich…“
„Wenn es gar nicht mehr anders geht, wirst du gar keine andere Wahl haben.“
Und er würde uns wohl auf ewig dankbar sein müssen für unseren Überfall vom Mittag!
„Ich hoffe lieber, dass ich es noch bis zum Hotel durchhalte.“
Tja, da durften wir wohl gespannt sein, ob er das wirklich schaffen würde.
Autor: Mark (eingesandt via Nachricht)
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