Die Fußball-Jungs (3)
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Die Fußball-Jungs – Kapitel 3
Mit pochendem Herzen kam Noah hinter den Mülltonnen hervor. Er wollte doch nur herausfinden, warum sich sein großer Bruder aus dem Haus schlich, war ihm heimlich gefolgt und nun doch aufgeflogen. Sein großer Bruder blickte ihn verärgert an und auch dessen Kumpel Simon schien nicht begeistert zu sein, dass sie scheinbar einen Begleiter hatten. Mit einer kräftigen Handbewegung machte Jonathan seinem Bruder deutlich, dass sie vom Haus weggehen sollten. Wenn Simons Eltern wach wurden und davon erfuhren war die Aktion vorbei, ehe sie überhaupt begonnen hatte.
„Was soll das, Noah?! Warum dackelst du uns hinterher?“, fauchte Jonathan.
„Ich…ich wollte doch nur…“, setzte Noah zu seiner Verteidigung an.
„Geh nach Hause! Das ist nichts für kleine Jungs.“
„Aber…“
„Kein Aber! Abmarsch, du Nervensäge!“, zischte der Zwölfjährige.
„Ich hab aber kein Schlüssel. Und wenn ich klingel, dann merkt Mama was. Und dann bekommen wir alle Ärger.“
Beiläufig wollte Jonathan nach seinem Schlüsselbund greifen, stutzte jedoch, als er durch die leere Hosentasche seiner Jeans tastete.
„Scheiße!“, murmelte der Zwölfjährige und wurde blass im Gesicht.
„Was ist los?“
„Kein Schlüssel. Wir haben keinen Schlüssel! Fuck, wie kommen wir jetzt wieder ins Haus?“
„Hat eure Mutter keinen Ersatzschlüssel irgendwo versteckt?“
„Nö, nachdem letztes Jahr überall in der Stadt so viel eingebrochen wurde, hat Mama den wieder ins Haus getan.“
„Und jetzt?“
„Jetzt muss ich bei euch bleiben!“, meldete sich Noah wieder zu Wort.
„Vergiss es! Versteck dich doch zuhause in der Gartenhütte.“, maulte Jonathan genervt.
„Nööö!“, protestierte sein kleiner Bruder, „Da sind Spinnen und es ist dunkel. Entweder ich darf mit, oder ich sag Mama, dass ihr weg seid!“
Jonathan rollte mit den Augen und stieß ein wütendes Grummeln aus. Ihm war klar, dass sie den Zwerg wohl oder übel mitnehmen mussten. Auch wenn es ihm natürlich überhaupt nicht passte, für den nervigen Grundschüler auch noch den Babysitter spielen zu müssen.
Jonathan rollte mit den Augen: „Boah, na gut. Aber hältst die Klappe, kapiert?! Kein Wort zu irgendjemanden.“
Der Angesprochene nickte und die drei Jungs machten sich auf den Weg in angrenzenden Wald, durch den ein Pfad zum alten Fabrikgebäude am Stadtrand führte. Der letzte Rest an Tageslicht, der um diese Uhrzeit kaum noch Helligkeit spendete, schaffte es nicht durch die Blätter der Bäume hindurch. Jonathan knipste die Taschenlampe wieder an und ging voraus. Sein kleiner Bruder blieb dicht hinter ihm, da die Atmosphäre des Waldes auf ihn einen unheimlichen Eindruck machte. Hinter jeder Tanne vermutete er ein gefährliches Ungeheuer, dass sich auf sie stürzen würde. Ungeheuer deren Leibspeise kleine Kinder waren, die nicht brav in ihren Betten schliefen. Simon dagegen wirkte noch entspannt. Er war schon oft in der freien Natur zelten gewesen und hatte daher keine Angst im nächtlichen Wald.
„Rück mir nicht so auf die Pelle!“, nörgelte Jonathan und versuchte etwas Abstand zu seinem Bruder zu gewinnen.
Ein Uhu heulte durch die Dunkelheit, was Noah eine Gänsehaut bescherte. Mit einem flauen Gefühl im Magen blickte er sich um, konnte den Vogel aber nicht entdecken. Reflexartig presste er seine Hand in den Schritt, da er vor Schreck fast in die Hose gemacht hätte. Da er immer noch seine Nachtwindel trug, wäre das nicht einmal schlimm gewesen. Jedoch konnte er sich die Windel selbst weder an- noch ausziehen. Er hatte keine andere Wahl gehabt, als sie anzubehalten, als er die Verfolgung seines Bruders aufgenommen hatte. Die Babywindel zwischen seinen Beinen war zwar noch völlig trocken, aber langsam merkte der achtjährige Lockenkopf, dass er mal pullern musste. Aber die Windel konnte er ja nicht so einfach herunterziehen wie eine Unterhose. Das Ausziehen seiner saugfähigen Nachtwäsche erledigte immer seine Mutter. Daher konnte er sie auch nicht mal eben so ablegen, um zu pinkeln. Gefrustet kniff Noah die Beine zusammen und tapste seinem Bruder hinterher.
„Nicht mehr weit bis zur Fabrik.“, stellte Simon fest, der sich geografisch gut in der Kleinstadt auskannte.
„Fabrik? Die alte Schuhfabrik? Gehen wir dahin?“, fragte Noah erstaunt. Er war bis jetzt davon ausgegangen, dass es sich um eine schlichte Nachtwanderung der beiden Siebtklässler handelte.
„Ja, machen wir. Oder hast du Schiss?“
„Ich? Schiss? Niemals!“
In Wirklichkeit lief dem Achtjährigen ein kalter Schauer den Rücken herunter, als er an die alte Schuhfabrik dachte. Jedes Kind in der Stadt kannte die Gruselgeschichten über das verlassene Gelände, wo es angeblich sogar spuken sollte. Jedenfalls erzählte man sich das auf dem Pausenhof der städtischen Grundschule. Die Jungen konnten bereits in der Ferne sehen, dass der Baumbestand spärlicher wurde. Und dann war es auf einmal vor ihnen: Ein Monster aus verwitterten Backsteinen, welches sich über mehrere Stockwerke in den Himmel erstreckte.
„Booaah!“, staunte Noah und trat einen Schritt näher an das rostige Eisentor.
„Da sind wir. Let’s go, Jungs!“, grinste Simon.
Noah tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen. Er musste nun wirklich verdammt dringend pinkeln.
Jonathan bemerkte natürlich, dass sein kleiner Bruder mal wieder eine volle Blase hatte: „Musst du pissen?“
„Nööö, gar nicht!“, versuchte der Achtjährige zu flunkern und wurde rot im Gesicht.
„Hopp hopp, geh halt schnell im Wald!“
„Das…geht nicht.“
„Hä? Warum nicht? Kannst du jetzt nicht einmal mehr im Stehen pissen?“, rollte Jonathan genervt mit den Augen. Noah war so ein Baby!
„Ich..also…du weißt schon…“, stammelte er herum. Hoffentlich verstand sein Bruder, was das Problem war, ohne dass Noah vor Simon seine Pampers ansprechen musste.
„Junge, jetzt sag doch einfach was los ist!“
Langsam verlor Jonathan die Geduld. Vor ihm sank Noah immer mehr zusammen und wirkte nun gar nicht mehr so aufmüpfig und energiegeladen wie sonst immer.
„Wegen…also…meine Windel. Die hab ich noch an.“
Jonathan rollte mit den Augen. Das war ja mal wieder typisch für seinen Bruder. So unselbstständig, dass er sich nicht einmal selbst die Windel ausziehen konnte. Sogar das musste Mama noch für ihn erledigen. Für den armen kleinen Noah, der sich nie um etwas kümmern musste. Hatte er mal wieder seinen Turnbeutel in der Umkleidekabine vergessen oder seine Regenjacke verschlampt wurde eben eine neue gekauft. Jonathan hätte in seinem Alter einen riesigen Ärger, inklusive Fernsehverbot und Hausarrest, bekommen! Aber der Zwerg hatte den fettesten Kleiner-Sohnemann-Bonus aller Zeiten!
„Ernsthaft, Junge? Dann zieh sie halt aus, wenn du im Wald pinkeln gehst.“
„Das…das kann ich nicht.“, murmelte Noah und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Zwar wusste Simon als bester Freund seines großen Bruders natürlich, dass Noah nachts seit eh und je gewickelt wurde, aber jetzt vor ihm darüber zu sprechen und sich zu rechtfertigen war eine Qual.
„Und jetzt? Ich werde mich ganz sicher nicht um deine Pampers kümmern! Dann musst du halt reinpissen.“
Noah fühlte sich, als hätte ihm jemand eine Bratpfanne über den Kopf gezogen. In die Windel machen? Mit voller Absicht? Das Zwicken in seinem Bauch gab ihm zu verstehen, dass sein Pipi bald eh in die Windel laufen würde. Seine Blase war kurz vorm Platzen!
„Aber…Aber ihr dürft nicht hingucken, ja?“
„Boah, geh doch einfach in den Wald. Wir wollen dir eh nicht beim Pissen zugucken. Ist ja voll eklig!“
Mit zusammengekniffenen Knien ging Noah einige Meter zurück, bis er sich in den Bäumen verstecken konnte. Niedergeschlagen vergewisserte er sich, dass die beiden großen Jungs ihn nicht sehen konnten und schaute auf seine Hose herab, auf der man die Pampers darunter erkennen konnte. Die Situation war ihm furchtbar unangenehm. Jonathan und Simon lachten sich bestimmt kaputt darüber, dass ihr nächtlicher Begleiter wie ein Baby in die Windel pinkelte. Noah ballte seine Fäuste und strengte sich an. Er wollte die Anderen nicht warten lassen und presste seine Beine zusammen. Gar nicht so einfach! Es war schließlich Jahre her, dass er das letzte mal bewusst eingepullert hatte. Er streckte seinen Po etwas nach hinten und versuchte an die Toilette zu denken. Langsam entspannte er sich, die Fäuste lösten sich aus ihrer Starre und sein Blick glitt in die Ferne. Da geschah es: Sein aufgestautes Pipi bahnte sich seinen Weg in die Babywindel. Es wurde angenehm warm zwischen seinen Beinen und gab ihm ein seltsam vertrautes Gefühl. Ein Gefühl, von dem der Achtjährige erst in diesem Moment realisierte, wie lange er es vermisst hatte. Wie damals im Kindergarten, als er nach dem Einnässen zur Sicherheit von der Erzieherin gewickelt wurde und dann beim Spielen in der Sandkiste einfach lospieseln konnte. Einfach so, ohne doofe Unterbrechung. Die Erinnerungen schossen durch Noahs Kopf, als die Stimme seines großen Bruders ihn schlagartig wieder zurück in die Realität holte:
„Noah, wo bleibst du?!“
Der Inhalt seiner kleinen Blase war bereits vollständig von der Pampers aufgesaugt. Nun war wirklich deutlich zu erkennen, dass der Grundschüler eine nasse Windel unter seiner Jeans trug. Die auffällige Windelbeule ließ keinen Zweifel daran.
„Komme ja schooon.“, nörgelte der Angesprochene und tapste mit leicht breitbeinigem Gang zurück zu seinem Bruder und dessen besten Freund. Die Hose war wirklich nicht für nasse Windeln konzipiert! Die Jeans drückte das aufgequollene Saugpolster der Windel an seine Oberschenkel und machte das Gehen für den Jungen eher zu einem Watscheln.
Bei diesem Anblick konnte Jonathan nicht anders, als loszulachen. Sein kleiner Bruder sah aus, wie ein zu groß geratenes Kindergartenkind.
„Junge,du watschelst wie ein Pinguin.“, feixte der Zwölfjährige und betrachtete den Windelpo seines Bruders.
„Halt die Klappe!“, beschwerte sich Noah mürrisch.
„Wusste gar nicht, dass deine Pampers so dick werden, wenn du reinpisst. Muss ja echt eklig sein.“
Jonathan lies halb angewidert, halb belustigt seine Zunge heraushängen und bekam von seinem Bruder dafür einen leichten Schlag auf die Schulter. Das bewegte ihn jedoch nicht dazu, mit dem stänkern aufzuhören: „Würde mir ja stinken, wenn ich in deinem Alter noch Babywindeln tragen müsste!“
Jonathan hielt sich demonstrativ die Nase zu und scherzte noch ein wenig herum, während die Gruppe einen geeigneten Eingang suchte.
„Da hinten ist eine Stelle, wo man gut reingehen kann.“, meldete sich Simon zu Wort.
Er hatte bei Tageslicht schon genau ausgekundschaftet und ging zielsicher voraus. Etwas abseits lag eine Stelle, die nur notdürftig mit Maschendraht geflickt wurde und durch rohe Gewalteinwirkung vorheriger Besucher so heruntergekommen war, dass die Jungs leicht hinüberklettern konnten. Vorsichtig stiegen Jonathan und Simon auf allen Vieren über den Maschendraht und kamen so auf das verwilderte Gelände der Fabrik.
„Jetzt du, Noah. Komm schon!“, ermutigte Simon den Jungen, der etwas skeptisch auf das düstere Gebäude blickte, das nur vom Mondlicht ein wenig erhellt wurde.
„Sei kein Feigling!“, reif Jonathan seinem kleinen Bruder zu.
Vorsichtig kletterte der Achtjährige über den eingeknickten Maschendraht, wobei er die feuchte Pampers zwischen seinen Beinen deutlich spürte. Jonathan leuchtete mit der Taschenlampe und wartete ungeduldig. Das mehrstöckige Fabrikgebäude war mit wildem Wein überwuchert und zeigte auch ansonsten deutliche Spuren des Verfalls. Viele der Fenster waren eingeschlagen, die Fassade bröckelte an vielen Stellen ab und der Betonboden des Geländes war von Rissen übersät, aus denen hohes Gras wuchs. Der Anblick wirkte verstörend auf die drei Jungen, aber weckte andererseits auch ihre Neugier. Vor allem Noah kam sich vor, als wäre er in ein Detektiv-Abenteuer eingetaucht. Die Pampers zwischen seinen Beinen trat für ihn in den Hintergrund.
„Gehen wir da jetzt rein?“, fragte der aufgeregte Lockenkopf die beiden anderen Jungs.
„Pssst! Nicht so laut.“, zischte Simon, „Wer weiß, ob hier nicht noch jemand ist?“
Noah schluckte: „N-noch jemand? Aber…aber die Fabrik ist doch…verlassen?“
Er bekam plötzlich ein ungutes Gefühl. So als würde ihn irgendjemand oder irgendetwas beobachten.
„Verlassen schon, ja. Aber hier können trotzdem noch Wachmänner oder andere Leute herumlaufen. Also sei bloß nicht so laut!“, raunte Jonathan seinem kleinen Bruder zu. Er hatte den Plan mit Simon zwar ziemlich akribisch ausgearbeitet, aber ob die alte Schuhfabrik von einem Sicherheitsdienst bewacht wurde, wusste er nicht.
Langsam gingen die drei Jungs auf das monströse Gebäude zu. Die schwere Eingangstür war einen Spalt geöffnet und vom Rost in ihrer Position gehalten. Vorsichtig leuchtete Jonathan mit der Taschenlampe hinein und befreite den schmalen Durchgang ins Innere der Fabrik von den vielen Spinnweben.
„Booaah!“, staunte Noah, „Da stehen ja noch voll viele Maschinen.“
Sein Blick schweifte neugierig umher und fixierte die vielen Arbeitsgerätschaften, welche verstaubt und eingerostet in der alten Produktionshalle ihr trauriges Dasein fristeten. Als hätten sämtliche Arbeiter der Fabrik eine Pause gemacht, von der sie niemals zurückgekehrt waren.
„Was steht da?“, fragte Noah neugierig und zeigte auf eines der zahllosen Graffiti, die im Laufe der Zeit von jugendlichen Besuchern an die Wände gesprüht wurden.
„All Cops Are Basstards.“, las Simon vor. Der Schriftzug war ihm bekannt. Auf dem Jungsklo des Lise-Meitner-Gymnasiums war er ebenfalls mit Edding gekritzelt an der Tür zu finden.
Natürlich hatte der Grundschüler kein Wort davon verstanden und quengelte: „Und was heißt daaas?“
„Ist doch egal. Nerv nicht, du Zwerg!“, giftete Jonathan genervt und holte seine Kamera aus dem Rucksack.
„Fotografier die Maschinen. Die sehen aus, als wären sie locker fünfzig Jahre alt.“, gab Simon seinem Kumpel Anweisungen. Der Angesprochene stellte das Blitzlicht ein, da bei der spärlichen Beleuchtung ansonsten keine brauchbaren Bilder herauskommen würden. Noah schlenderte durch die alte Produktionshalle und entdeckte eine eingeschlagene Glastür, die zu einem Treppenhaus führte.
„Hier kann man hochgehen!“, krähte er und drückte die Türklinke nach unten. Sie war zwar verschlossen, aber das zersplitterte Glas der Tür gab genug Platz frei, um in das schmale Treppenhaus der Fabrik zu gelangen. Fasziniert begutachtete der Achtjährige die alten Fliesen an der Wand, an dem ein Kasten mit einem Feuerwehrschlauch montiert war. Der Schlauch war aus seiner Halterung gerissen und lag wie eine Riesenschlange auf dem kalten Betonboden des Treppenhauses.
Es war ein Röcheln, dass alle drei Jungs plötzlich aufschrecken ließ. Ein lautes Keuchen, welches schnell näher zu kommen schien. Keiner der drei Abenteurer konnte das Geräusch zuordnen, aber sowohl Noah, als auch die beiden Zwölfjährigen jagte es schlagartig eine höllische Angst ein.
„Was war das?“, flüsterte Noah und lief herüber zu den beiden anderen.
„Shhh!“, zischte sein großer Bruder, der versuchte cool zu wirken, obwohl ihm selbst auch die Knie zitterten.
Fragend schaute er zu Simon, aber auch der schien von seiner Angst völlig überwältigt zu sein. Er spitze die Ohren und hörte das Röcheln erneut. Die Panik stieg in ihm auf. Irgendetwas war da draußen und wollte ihnen ans Leder.
„Weg hier!“, schrie Noah und lief los. Das Adrenalin flutete seinen Körper, sodass er mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit durch die zerbrochene Glasscheibe der Treppenhaustür sprang und die verstaubte Betontreppe nach oben lief.
„Noah, warte!“, brüllte Jonathan und rannte mit Simon hinterher.
Ein metallisches Kratzen war von der schweren Eingangstür der Fabrik zu hören, aber die beiden Siebtklässler registrierten es kaum noch. Sie kletterten durch die Tür, welche der Zwerg mit einem Hechtsprung überwunden hatte und liefen in den ersten Stock hinauf. Sie trauten sich nicht nach Noah zu rufen. Um jeden Preis wollten sie verhindern, dass man sie hier oben hören konnte.
In diesem Stockwerk war die Tür vom Treppenhaus bereits herausgebrochen und lag zusammen mit unzähligen Glassplittern auf dem Boden. Hier oben gab es eine weitere Produktionshalle, die jedoch weitaus kleiner war. Ein schmaler Korridor mit etlichen Türen zog sich die Ostseite des Gebäudes entlang. Die Türschilder gaben Auskunft darüber, dass sich früher hier eine Teeküche, ein Pausenraum und das Büro der Werkssicherheit hier befanden. Von Noah war jedoch nichts zu sehen. Vorsichtig öffnete Simon die Tür zum Pausenraum und leuchtete hinein. Da blitzten unter dem großen Tisch zwei feuchte Kinderaugen auf.
„Noah? Bist du hier?“, hauchte Jonathan mit brüchiger Stimme.
Der Achtjährige krabbelte unter dem Tisch hervor und warf dabei fast einen der Stühle um, die um dem Tisch herumstanden.
„Jonathan?“, wisperte er ängstlich mit Tränen in den Augen, „Was ist das?! Ein Geist?“
Er vergrub seinen Lockenkopf in den schwarzen Kapuzenpullover seines Bruders und raunte: „Ich will nach Hause!“
Zum ersten Mal nach vielen Jahren überkam Jonathan ein seltsamer Beschützerinstinkt. Normalerweise kümmerte ihn sein Bruder recht wenig. Er war der nervige, unselbstständige Zwerg, mit dem man ständig Streit hatte. Nicht selten eskalierten die brüderlichen Gefechte der beiden, sodass die Mutter der zwei Streithähne eingreifen und ein Machtwort sprechen musste. Aber jetzt, wo der Kleine weinend sein Gesicht an ihn presste und einfach nur Schutz bei seinem großen Bruder suchte, fühlte er eine Verbundenheit zu ihm.
„Hab keine Angst.“, flüsterte er Noah ins Ohr, „Wir kommen hier unbeschadet raus, versprochen!“
Noah hatte höllische Angst. Völlig unbemerkt kapitulierte seine schwache Blase und flutete seine Pampers mit warmen Urin. Das Saugvlies der Babywindel dehnte sich immer mehr aus, sodass der Windelpo von Noah nun wirklich nicht mehr zu leugnen war. Der Grundschüler bekam es jedoch nicht mit. Er wollte einfach nur weg von hier! Warum war er nur auf die blöde Idee gekommen, den großen Jungs zu folgen? Er war schließlich erst Acht und noch viel zu klein für solche Abenteuer!
Aus dem unteren Stockwerk waren Schritte zuhören. Simon schlich vorsichtig in Richtung der Treppe, um der Sache auf den Grund zu gehen. Viel konnte er zuerst nicht erkennen. Doch plötzlich bemerkte er den Lichtkegel einer Taschenlampe.
„Da ist jemand!“, flüsterte er den anderen Jungs zu.
Die Schritte wurde lauter. Simon deutete stumm in Richtung der Produktionshalle. Dort konnte man sich besser verstecken und hatte die Treppe besser im Blick. Vorsichtig schlichen die drei Jungs voran. Es war nicht einfach, geräuschlos durch die Halle zu gehen. Überall stand altes Gerümpel herum und der Boden war bedeckt mit den Glasscherben der eingeworfenen Fenster. Die Stimmung war gespenstisch. Jonathan, Simon und Noah trauten sich kaum zu atmen.
„Der soll weggehen.“, wimmerte der Achtjährige Lockenkopf, woraufhin Jonathan mit seinem Zeigefinger an den Lippen signalisierte, dass sie keinen Laut von sich geben durften.
Der Lichtkegel der Taschenlampe wanderte langsam die Treppe herauf, begleitet von einem Schnaufen. Eine Gestalt wurde sichtbar. Groß und dick. Mehr konnten die drei Jungs nicht erkennen. Hustend und schwer atmend blieb sie stehen und durchleuchtete die Produktionshalle.
„Kommt raus!“, rief die Gestalt mit dröhnender Stimme. Es anscheinend ein älterer, dicker Wachmann.
Genervt suchte er mit der Taschenlampe den Raum ab: „Kommt raus, oder ich rufe die Polizei!“
Ein schlimmer Hustenanfall hinderte den Wachmann am Weitersprechen. Jonathan versuchte diese Chance zu nutzen und lief blitzschnell los. Er wusste selbst nicht wieso. Die beiden anderen konnten nur noch zusehen, wie der Wachmann Jonathan daraufhin am Kragen packte und ihn wütend anstarrte.
„Was habt ihr hier verloren?!“, stieß der Wachmann mit durchdringendem Blick hervor.
„Lassen sie mich…wir…“, stammelte der ansonsten so coole Zwölfjährige, ohne das man ihn ausreden ließ.
Der Wachmann wollte offenbar kurzen Prozess machen: „Ich rufe die Polizei.“
In Jonathans Bauch zog sich etwas zusammen. Polizei? Das wäre eine Katastrophe! Nicht nur waren Simon und er in die alte Fabrik eingestiegen, auch hatte er seinen kleinen Bruder dabei. Für beides hatte er keine Erklärung. Seine Mutter würde komplett ausrasten und ihn vermutlich in eine Erziehungsanstalt für kriminelle Jugendliche stecken. Er hatte wirklich großen Mist gebaut. Es wurde plötzlich warm in seinem Schritt. Die Angst und der Schrecken waren einfach zu groß, sodass er nach vielen Jahren wieder wie ein kleiner Junge vor Angst in die Hose machte. Der Urin floss seine Hosenbeine entlang und ließen sie an seinen Beinen kleben. Ungläubig sah der Wachmann ihn an. Simon und Noah kamen hervor und trauten sich kaum auch nur ein Wort zu sagen.
Autor: Spargeltarzan (eingesandt via E-Mail)
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Endlich mal wieder eine großartige Geschichte auf dieser Website! Diese Geschichte hat einfach alles was man braucht, Spannung und ausgeklügelte Charaktere zum Beispiel! Vielen Dank für diese tolle Geschichte
Vielen Dank für dein Lob. Die Charaktere sind mir auch sehr ans Herz gewachsen 🙂
Richtig gut geschrieben. Die beiden Brüder wirken sehr realistisch und die Mutprobe erinnert mich ein wenig an meine eigene Kindheit. Auf jeden Fall fieser Kliffhänger am Ende
Der Cliffhanger ist echt fies. Das muss ich zugeben. Aber ich gebe mir Mühe, schnell für Nachschub zu sorgen 😀
Einfach genial! Ich bin gespannt auf den nächsten Teil.
Vielen Dank 🙂
Auch von mir ein dickes Lob, wirklich eine interessante Geschichte !
Schreib bitte bald weiter…
VG
Vielen Dank! Ich bin schon am vierten Kapitel dran 🙂
Wirklich tolle Geschichte hatte schon befürchtet es würde kein neuer Teil mehr kommen. Bitte schreib so schnell es geht weiter kann den nächsten Teil kaum erwarten
Super geschrieben bis jetzt, bitte weiterschreiben, wir alle möchten gerne wissen wie die Geschichte weitergeht. 5 Sterne