Die Fußball Jungs (4)
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- Hektisch drehte Heike am kleinen Lautstärkeregler des Autoradios und schaltete es stumm. Die Popmusik aus den Boxen ihres VW Golfs waren jetzt zu viel für ihre Nerven. Sie war sauer! Anfangs hatte sie noch an einen geschmacklosen Telefonscherz gedacht, als die örtliche Polizeiwache kurz nach Mitternacht bei ihr anrief und sie unsanft aus dem Schlaf riss. Einer der diensthabenden Polizeibeamten erklärte ihr in knappen Worten, dass ihre beiden Söhne in die alte Schuhfabrik am Stadtrand eingedrungen waren und dort vom Wachpersonal erwischt wurden.
Sie bog auf den kleinen Parkplatz an der Polizeiwache Fichtenwald, wo nur hinter einem der Fenster Licht brannte. Mit schnellen Schritten betrat die Mutter der beiden Abenteurern das alte Gebäude und wurde direkt von einem hochgewachsenem Mann mit Glatze empfangen.
„Sie sind also die Mutter von Jonathan und Noah?“, frage der Mann barsch. Ihm war anzusehen, dass er die Nachtschicht an diesem Wochenende lieber gegen ein gemütliches Bett eingetauscht hätte.
„Ja, genau! Wo sind die Beiden?! Ist ihnen was passiert?!“, überschlug sich Heike fast beim Reden und umklammerte den ledernen Riemen ihrer Handtasche.
Ihrer anfänglichen Wut mischte sich mit einer gehörigen Portion Angst. Die Jungs waren ja schließlich erst Zwölf und Acht! Würde der Polizist ihr nun sagen, dass den beiden etwas schlimmes passiert war? Jonathan konnte zwar ein ziemlicher Draufgänger sein und auch Noah stand seinem Bruder in diesem Punkt in nichts nach, aber sie wusste genau, dass ihre Söhne viel zu sensibel waren, um nachts alleine durch verlassene Fabriken zu schleichen.
„Nein, nein. Keine Verletzungen, oder so. Sie sind nur etwas durch den Wind.“, beruhigte der Polizist die aufgeregte Mutter, klärte sie über das nächtliche Treiben der beiden Nachwuchseinbrecher auf und führte sie in den hell erleuchteten Pausenraum. Dort saßen Jonathan und Noah. Damit der Stuhl des Zwölfjährigen nicht nass wurde, hatten die Polizisten eine dicke Zeitung darauf ausgebreitet. Als der Wachmann sie schnappte, hatte der Siebtklässler vor lauer Angst in die Hose gemacht. Zwar hatte niemand auch nur ein Wort darüber verloren, doch trotzdem konnte Jonathan spüren, dass sich innerlich alle darüber totlachten. Das sein kleiner Bruder selbst in einer klitschnassen Babywindel steckte, hatte er mittlerweile völlig vergessen. Die ganze Situation war einfach viel zu verrückt!
„Mamaaa!“, rief Noah, als er seine Mutter zur Tür hereinkommen sah. Sie konnte sehen, dass ihr Sohn am liebsten aufgesprungen und zu ihr gerannt wäre. Vermutlich traute er sich in so einer Situation, hier auf dem Polizeirevier, einfach nicht.
Jonathan schaute stumm auf seine Schuhe und traute sich kaum hoch zu blicken. Er wusste ohne es überhaupt zu sehen, wie sauer seine Mutter war. Innerlich machte er sich schon auf ein Donnerwetter gefasst.
„Abmarsch ins Auto, Jungs! Aber zackig!“, bebte Heikes kräftige Stimme durch den Raum.
Sie blickte fassungslos auf ihre beiden Söhne. Wie konnten sie nur so etwas gefährliches unternehmen. Es hätte schließlich etwas wirklich schlimmes passieren können. Nein, so etwas hätte sie von Jonathan und Noah nicht erwartet.
Andererseits hatte gerade Noah manchmal wirklich Flausen im Kopf! Er konnte oft einfach nicht die Tragweite seines Handelns abschätzen und schoss so oftmals über das Ziel hinaus. So kam es oft vor, dass er seinen großen Bruder so lange nervte, bis ein handfester Streit aus einer Kleinigkeit entstand: Hausarbeit, Fernsehprogramm oder die gerechte Aufteilung einer Tüte Gummibärchen. Noah war immer auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Heike musste sich eingestehen, dass sie bei ihm viel mehr durchgehen ließ, als bei Jonathan. Ihr älterer Sohn musste im Haushalt helfen, während Noah meistens drum herum kam, wenn es ums Staubsaugen, Spülmaschine ausräumen oder Tischdecken ging.
Die kurze Autofahrt nach Hause verlief absolut stumm. Keiner der beiden Brüder traute sich auch nur einen Laut von sich zu geben. Das surrende Geräusch des Vierzylinders verstummte, als Heike ihn in der Einfahrt des Einfamilienhauses zum Stehen brachte. Der abnehmende Mond schien klar erkennbar am Horizont und tauchte den schmalen Vorgarten in ein gemütliches Licht. Die nächtliche Temperatur war zwar durchaus angenehm, aber die nasse Hose an Jonathans Beinen war immer kühler geworden und klebte unangenehm an seinen Oberschenkeln.
„Ich glaub, ich spinne! Was zum Teufel habt ihr euch dabei gedacht?! Noah? Du gehst sofort ins Bett! Und Jonathan? Du musst vorher erst mal duschen!“
Heike hatte Mühe, ihrer Stimme einen festen und strengen Klang zu geben. Sie war nicht nur stinksauer und furchtbar enttäuscht von ihren Söhnen, sondern auch schockiert, dass die beiden einfach so aus dem Haus verschwinden konnten, ohne dass sie es mitbekam. Die Tatsache, dass sie nicht davon aufgeweckt wurde, machte ihr große Angst. Wenn nun etwas schlimmes passiert wäre und ihr die leeren Betten erst am nächsten Morgen aufgefallen wären, dann hätte sie sich das doch niemals verzeihen können!
„Aber Mama, ich…“, setzte der Achtjährige Lockenkopf an. Die Pampers zwischen seinen Beinen war schwer geworden und fühlte sich seltsam auf seiner Haut an. Es war höchste Zeit für einen Windelwechsel.
„Kein Aber! Ab ins Bett!“, wurde Heike lauter. In all der Aufregung kam ihr natürlich nicht in den Sinn, dass Noah in all der Zeit ja bestimmt aufs Klo gemusst hätte und dementsprechend seine Nachtwindel dafür benutzt hatte. Sie hätte ihn natürlich nie mit einer nassen Pampers ins Bett geschickt. Aber durch den ganzen Trubel dachte sie schlichtweg nicht daran.
Mit hängenden Schultern ging der Achtjährige die Holztreppe nach oben. Er hatte seine Mutter lange nicht mehr so wütend erlebt. Natürlich konnte sie ab und zu mal laut werden und schimpfen. Aber heute war es etwas anderes. Kein normaler Ärger, wie wenn sich die Jungs wieder einmal gestritten hatten oder wenn er etwas angestellt hatte. Diesmal hatte Mama einen wirklich zornigen Gesichtsausdruck. Mit einem schlechten Gewissen zog Noah sich wieder seinen Schlafanzug an, der noch auf seinem Bett lag und kuschelte Tommy, den Kuschelhund, an sich. Gedankenverloren merkte der Grundschüler kaum, dass seine Blase wieder an ihrer Belastungsgrenze war. Es wurde plötzlich wieder warm in seinem Schritt und die schon stark beanspruchte Babywindel brauchte eine gewisse Zeit, um den heißen Urin völlig aufzusaugen. Mit dem Plüschtier im Arm unter der schützenden Bettdecke und der kuscheligen Windel an seinem Po überkam Noah ein wohliges Gefühl. So als würde doch noch alles gut werden und er nichts schlimmes fürchten musste.
Nebenan im Badezimmer hatte Heike ihrem älteren Sohn bereits eine frische Unterhose und seine Schlafklamotten gebracht. Verärgert sah sie auf die nasse Jeans, die nun auf dem Rand der Badewanne wartete, in die Wäsche befördert zu werden. Es musste schon etliche Jahre her sein, dass sich Jonathan in die Hose gemacht hatte. Lange bevor sein kleiner Bruder auf die Welt kam, hatten Heike und ihr Exmann ihn ans Töpfchen gewöhnt und auch nachts kam er schnell ohne Windel aus. Nicht einmal drei Jahre war der blonde Knirps damals alt, als die angebrochene Windelpackung im Bekanntenkreis der jungen Familie weitergegeben wurde. Auch als Noah geboren wurde, hatte Jonathan keinen Rückfall in Sachen Einnässen gehabt. Abgesehen von ein paar kleinen Unfällen, wie sie jedes Kind einmal hat, war er zuverlässig trocken und sauber gewesen.
„Ich bring die Sachen in die Wäsche. Duschen und ab ins Bett!“, wies Heike ihren Sohn an, der sichtlich beschämt den Duschvorhang zuzog. Wie peinlich war das denn bitte? Sie musste sich um seine vollgepinkelten Klamotten kümmern und hätte ihn beinahe nackig gesehen. Das Wasser, welches aus dem Duschkopf auf seinen Kopf prasselte, wurde langsam wärmer und der Zwölfjährige stellte sich drunter. Was zur Hölle war in den letzten Stunden passiert? War vielleicht alles nur ein schrecklicher Albtraum? Gedankenverloren starrte Jonathan den Duschvorhang an, während das warme Wasser seinen Körper herab floss. Es sollte doch nur ein kleines Abenteuer werden! Ein cooler Ausflug mit seinem besten Freund, womit man vor der Klasse angeben konnte. Und nun stand er hier: Hatte seinen kleinen Bruder in Gefahr gebracht, war erwischt worden und hatte obendrein noch das erste Mal seit vielen Jahren in die Hose gemacht! Es war so ziemlich alles schief gelaufen, was hätte schieflaufen können. Der absolute Super-GAU! Garantiert würde er von Mama Hausarrest, Fernsehverbot und eine frühere Bett-Geh-Zeit aufgebrummt bekommen. Und das schlimmste daran war: Er hatte es wirklich verdient! Es wäre keine überzogene Strafe einer genervten Mutter gewesen, sondern die gerechte Konsequenz aus den heutigen Ereignissen. Er hatte den Bogen wirklich überspannt.
Missmutig griff der blonde Siebtklässler nach einer der Flaschen in der metallenen Ablage und seifte sich ein. Das Duschgel auf seiner Haut fühlte sich gut an, nachdem die nasskalte Jeans eine gefühlte Ewigkeit an seinen Beinen geklebt hatte. Sein müder Blick fiel auf den Stapel Klamotten, als er den mit Blumen bedruckten Duschvorhang wieder zur Seite schob und nach dem Handtuch griff. Mama hatte ihm seinen kurzen Skateboard-Schlafanzug und eine alte, ziemlich uncoole, mit Fußbällen bedruckte Unterhose auf den Rand der Badewanne gelegt. Die hatte er das letzte Mal angezogen, als er gerade auf das städtische Gymnasium gewechselt war. Seine Mutter wusste genau, dass dieses Exemplar aus der hintersten Ecke des Kleiderschranks viel zu kindisch für den Zwölfjährigen war und das er sie niemals mehr freiwillig anziehen würde. Aber scheinbar versuchte Heike ihrem ältesten Sohn zu zeigen, dass sie die Chefin im Haus war.
Jonathan war klar, dass jetzt nicht der richtige Augenblick für Diskussionen war und zog mit widerwilligen Blick den niedlich gemusterten Slip an, bevor er in seinen Schlafanzug schlüpfte. Das Fenster machte er einen Spalt auf, damit der Wasserdampf vom Duschen seinen Weg in die warme Nachtluft finden konnte.
So fand diese abenteuerliche Nacht ein Ende. Jonathan ging ins Bett, Noah schlief bereits tief und fest mit seinem Plüschhund im Arm und auch Heike fand endlich wieder Ruhe in ihrem Schlafzimmer. Die sternenklare Nacht hielt jedoch noch eine weitere, unschöne Überraschung für die dreiköpfige Familie bereit.
Die morgendliche Sonne schien schon früh durch das große Fenster ins Zimmer des Siebtklässlers. Die Bettdecke mit dem Wappen seines Lieblings-Bundesligavereins hatte er sich bis zum Kinn hochgezogen, als er langsam seine verträumten Augen aufmachte. Etwas war anders als sonst! Es fühlte sich an, als ob er unglaublich viel geschwitzt hatte. Auch hatte sich ein übler Geruch in seinem Zimmer breit gemacht. Es roch deutlich nach Urin. Ein Schock durchfuhr die Glieder des Zwölfjährigen und ließ ihn unsanft hochschnellen. Er setzte sich auf und zog seine Bettdecke zur Seite. Ihm stockte der Atem. Sein Schlafanzug war nass und auf dem Bettlaken war ein großer, kreisrunder Fleck zu sehen. Er hatte ins Bett gemacht.
Im Zimmer nebenan hatte Noah einen weitaus schöneren Morgen. Wie gewöhnlich an Wochenenden war er lange vor seiner Mutter und seinem großen Bruder aufgewacht. Da Mama nie sonderlich begeistert war, wenn der aufgeweckte Achtjährige zu ihr ins Bett krabbelte und sie zum Aufstehen bewegen wollte, nutzte er die ruhigen Morgenstunden und spielte leise mit seinem Playmobil. Anders als sonst war die nächtliche Pampers so stark beansprucht, dass sie kurz davor war auszulaufen. Aber den Grundschüler kümmerte das recht wenig. Die Windel war morgens ja eh immer nass. Warum sollte er also Mama Bescheid sagen und womöglich noch Ärger riskieren? Es war ja schließlich auch kein unangenehmes Gefühl, in der aufgequollenen Babywindel zu spielen. Wohl wissend, dass sie ihn letzte Nacht mehr als einmal vor einer vollgepinkelten Hose bewahrt hatte. Nachdenklich schob der Achtjährige das Polizeiauto mit batteriebetriebenen Blaulicht über den Teppich und bekam die gestrige Nacht einfach nicht aus dem Kopf. Natürlich wusste er, dass Jonathan und er heute noch einmal tierischen Ärger für die Aktion bekommen würden. Mama war gestern so sauer gewesen, dass er sich in Gedanken schon von seinem Nintendo DS verabschiedete, da seine Mutter die Spielekonsolen der beiden Jungs ganz sicher erst einmal einkassieren würde. Es war jedoch nicht die zu erwartende Standpauke, die den blonden Lockenkopf so beschäftigte, sondern das seltsame Gefühl, welches ihm die Windel gegeben hatte! Es hatte ihn in eine Zeit zurückversetzt, von der er bis gestern nicht gewusst hatte, dass er sie so sehr vermisste. Die Jahre im Kindergarten, in denen er zwar tagsüber offiziell trocken war und morgens ohne Windel bei den netten Erzieherinnen abgegeben wurde, jedoch oft genug kleine oder größere Unfälle hatte, sodass er zur Sicherheit doch noch auf dem Wickeltisch der Kindertagesstätte landete. Es war niemand da, der sich darüber lustig machte. Sein großer Bruder war bereits eingeschult und für die anderen Kinder war es nichts ungewöhnliches, dass jemand in die Hose machte und dann gewickelt wurde. Seine Mutter jedoch war vom Vorgehen des Kindergartens nicht sonderlich angetan. Im Gegensatz zu Jonathan war Noah in Sachen Töpfchentraining eher schwierig gewesen. Er wäre niemals auf die Idee gekommen, von sich aus Bescheid zu sagen, dass er mal auf die Toilette musste. So musste die frisch geschiedene Heike den Kleinen im Halbstundentakt fragen, ob sie ihn mal aufs Töpfchen setzen sollte. Die Antwort des Jungen war meistens negativ, selbst wenn nur Sekunden später die Hose wieder einmal nass wurde. Es war zum Verzweifeln!
Noah störte sich aber kaum daran. Im Kindergarten war er manchmal sogar froh, einfach in die Windel strullern zu können, wenn er gerade eines der heißbegehrten Kettcars ergattert hatte und es so nicht an ein anderes Kind abgeben musste, um auf die Toilette zu gehen.
Der Achtjährige war völlig versunken in den schönen Erinnerungen an seine Kindergartenzeit, als die Zimmertür aufschwang und seine Mutter hereinkam.
„Guten Morgen, Noah.“,begrüßte Heike ihren Sohn mit ihrem „Beste-Mama-der-Welt-Kaffeebecher“ in der Hand.
„Hallo Mama.“, murmelte Noah, ohne seiner Mutter direkt ins Gesicht zu schauen. Sie war sicher noch stinksauer wegen gestern Nacht.
„Das Frühstück ist fertig. Kommst du bitte nach unten in die Küche?“
Nach einem kräftigen Schluck Kaffee, ging Heike eine Tür weiter und klopfte an.
Keine Reaktion. Vermutlich schlief Jonathan noch. Als sie die Tür aufriss, schauten sie jedoch zwei äußerst wache Augen an. Der Zwölfjährige saß aufrecht in seinem Bett und zog beschämt die Bettdecke vor seinen nassen Schlafanzug.
„Mama! Ich…“, stammelte Jonathan mit brüchiger Stimme los.
Heike konnte bereits am Geruch erkennen, was passiert war.
„Was ist denn hier los? Warum riecht es hier so nach Pipi?“
Der Angesprochene wusste, dass Leugnen keinen Zweck hatte und schlug die Bettdecke zur Seite. Der Blick seiner Mutter viel sofort auf den Fleck, welcher einen großen Teil des hellblauen Bettlakens einnahm.
„Och Jonathan, muss ich dir jetzt etwa auch wieder Pampers anziehen?“, rollte Heike genervt mit den Augen, „Ab unter die Dusche! Ich kümmer mich um das Bett.“
Mit leicht breitbeinigen Schritten machte sich der Zwölfjährige auf den Weg ins Badezimmer. Die Schlafanzughose klebte unangenehm an seinen Oberschenkeln und auch am Po war sie völlig durchnässt. Zum Glück war Noah bereits unten am Frühstückstisch und wartete darauf, dass Mama ihm wie üblich seine heißgeliebten Nutellabrote schmierte. Pampers anziehen? Hatte Mama das gerade wirklich gesagt? Er konnte es kaum fassen! Die waren doch was für kleine Babys wie Noah. Nicht für Gymnasiasten wie ihn! Mit einem flauen Gefühl im Bauch schlüpfte Jonathan aus den nassen Sachen und ging ein weiteres Mal unter die wohltuende Dusche.
Kurze Zeit später waren alle drei Familienmitglieder am hölzernen Küchentisch versammelt. Wie am Wochenende üblich duftete es nach Aufbackbrötchen und frischem Kaffee. Die Uhr an der Wand tickte leise vor sich hin und aus dem kleinen Küchenradio in der Fensterbank tönte ein alter Hit von Billy Idol. Heike atmete noch einmal durch, bevor sie mit das Radio leiser drehte und so den 80er-Jahre- Star fast zum verstummen brachte.
„Jungs, wir müssen reden!“, setzte sie an und zog die Aufmerksamkeit ihrer beiden Söhne auf sich.
„Was ihr gestern gemacht habt, geht einfach nicht! Ich bin wirklich sehr enttäuscht von euch. Ihr wisst ja gar nicht, in was für Gefahren ihr euch da gebracht habt. Euch hätte etwas wirklich schlimmes zustoßen können.“
Beim Reden wurde ihre Stimme immer lauter und kräftiger. Jonathan versuchte sie nicht direkt anzugucken. Ihm war die Situation einfach nur unangenehm. Nicht nur die nasse Hose gestern auf der Entdeckungstour, sondern auch die Sache mit seinem nächtlichen Pipi-Unfall kratzte am sonst so üppig vorhandenen Selbstbewusstsein des Zwölfjährigen. Er war hier doch nicht derjenige, der nachts ins Bett pisste und nichts davon mitbekam. Diese Rolle hatte all die Jahre sein kleiner Bruder eingenommen. Kaum eine Gelegenheit hatte er ungenutzt gelassen, wenn es darum ging, Noah deswegen aufzuziehen oder zu ärgern. Und ausgerechnet jetzt, wo Mama eh schon tierisch sauer auf ihn war, hatte er selbst, ohne es zu merken, ins Bett gepinkelt.
„Euer Taschengeld für nächsten Monat ist gestrichen und eure Spielekonsolen sind bis auf weiteres einkassiert!“, trug Heike die Strafe für ihre Söhne vor.
„Nein! Nicht meine Playstation!“, platzte es aus Jonathan heraus. Er hatte doch gerade erst mit dem FC Valencia die spanische Meisterschaft gewonnen und wollte diese nun gegen den FC Barcelona und Real Madrid verteidigen.
Heike blockte ab: „Keine Diskussion! Keine Playstation für dich und für Noah keinen Nintendo DS.“
Noah, der schon damit gerechnet hatte, versuchte es noch einmal mit seinem kindlichen Charme und setzte seinen traurigen Welpenblick auf: “Wie…wie lange denn, Mama?“
„Das kommt darauf an. Wenn ihr euch gut anstellt, dann bekommt ihr die in zwei Wochen zurück. Das heißt ohne Quengeln Hausaufgaben machen, Noah und für dich Jonathan, dass du mir im Haushalt hilfst! Und natürlich, dass ihr beiden euch nicht ständig streitet. Ihr seid Brüder, also seid nicht fies zueinander!“
„Aber…“
„Kein Aber! Ihr könnt froh sein, dass ich euch kein Fernsehverbot gebe, jetzt wo die WM losgeht. Und solltet ihr euch nicht an meine Spielregeln halten, dass kann ich das noch nachholen, verstanden?“
Jonathan schaute stumm auf sein Frühstücksbrett. Mama hatte ja Recht! Zwei Wochen ohne Fifa würde er überstehen. Aber die Fußball-WM wegen einem Fernsehverbot zu verpassen, das wäre für ihn die Höchststrafe! Auch sein kleiner Bruder sagte kein Wort mehr und widmete sich seinem warmen Brötchen mit der heißgeliebten Nuss-Nugat-Creme.
Die Zeiger der Küchenuhr standen bereits auf kurz nach Elf Uhr, als der Frühstückstisch abgeräumt und die Brüder ihr Geschirr sogar freiwillig in die Spülmaschine stellten. Noah war bereits von seinem Küchenstuhl aufgesprungen und gerade dabei zur Treppe zu laufen, als seine Mutter ihn an der Schulter zurückhielt.
„Moment, junger Mann. Du steckst immer noch in deiner nassen Windel von heute Nacht. Wir ziehen dir die aus.“
Normalerweise hätte Jonathan so eine Steilvorlage für einen fiesen Kommentar über das Bettnässen seines Bruders nicht ungenutzt gelassen, aber nachdem er heute selbst die Erfahrung eines durchnässten Bettes gemacht hatte, blieb er lieber stumm. Heike ging mit dem Grundschüler ins obere Badezimmer, wo dieser sich wie gewohnt den Schlafanzug auszog und ihn auf den Rand der Badewanne legte. Langsam war der rote, mit Lightning McQueen bedruckte Pyjama eher ein Fall für die Waschmaschine, wenn es nach Heike ging. Zum Vorschein kam die deutlich gelb angelaufene Pampers. Bis an die Grenze der Aufnahmekapazität gebracht und kurz davor, ihren Dienst zu versagen, hing sie an den Oberschenkeln des Drittklässlers herab, bevor die Klebestreifen aufgerissen wurden und Heike die deutlich schwere Babywindel zusammenrollte.
„Ich entsorg deine Pampers. Du gehst fix duschen, ja? Und Haare waschen nicht vergessen.“, deutete sie auf den Duschvorhang. Noahs Schlafanzug landete zusammen mit dem durchnässten Exemplar seines Bruders und dessen Bettwäsche in der Waschmaschine. Das heutige Juniwetter lud die zweifache Mutter gerade dazu ein, so etwas unhandliches wie einen Bettbezug draußen in der Sonne zu trocknen. Ihr älterer Sohn hatte heute um 14 Uhr ein Fußballspiel und den Kleinen würde sie leicht beschäftigt bekommen. Da hatte sie mal wieder die nötige Zeit, um sich um den Haushalt zu kümmern. Als alleinerziehende, arbeitende Mutter blieb unter der Woche einiges liegen.
Das sie allerdings im Laufe des heutigen Tages noch weitere Notfälle zu bewältigen haben würde, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Autor: Spargeltarzan (eingesandt via E-Mail)
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Sehr schöne Fortsetzung
Ich könnte mir vorstellen dass Jonathan während des Fußballspiel einnässt und er daraufhin tränenüberströhmt von seiner Mutter abgeholt werden musste.
Vielen Dank! 🙂
Ich schreibe schon fleißig am nächsten Kapitel.
Hallo,
ganz tolle Story. Da weiss ich grad nicht, mit wem ich mehr mitleide, Jonathan oder Noah. Oder doch Heike? Ne, Heike nicht, obwohl sie mir mit der ganzen Arbeit auch n bisschen leid tut… Aber die Jungs sind cool und tun mir schon n bisschen leid.
Danke für die Geschichte. Freue mich auf den nächsten Teil!
Also aus Erwachsenensicht tut mir Heike schon leid 😀
Aber für Jonathan ist die Situation ja auch eher unschön. Freut mich wirklich, dass dir die Geschichte gefällt 🙂
Sehr schön Geschichte, bringt wirklich Spaß zu lesen.
Ich würde mich freuen, wenn der Große zur Sicherheit jetzt Dryniets bekommen würde
Vielen Dank für das Lob 🙂
Es bleibt spannend, wie es mit Jonathan weitergeht. Ich bin schon fleißig am nächsten Kapitel dran.