Die LAN-Party (1)
Windelgeschichten.org präsentiert: Die LAN-Party (1)
Mein Körper stand plötzlich unter Strom. Hatte ich da etwa Schritte gehört? Kam etwa der kleine Bruder meines Kumpels oder seine Eltern um diese Uhrzeit auf die Idee, das Badezimmer aufzusuchen? Mitten in der Nacht? Panisch fiel mein Blick zur Tür. Nichts. Keine Bewegung.
Ich musste diese verdammte Windel loswerden! Nur wie? Warum zur Hölle war ich überhaupt auf diese völlig idiotische Idee gekommen? Egal. Für solche Gedanken hatte ich jetzt einfach keine Zeit!
Vorsichtig und nahezu geräuschlos riss ich die blauen Seitenteile der Bettnässerwindel auf. Wohin damit? Ich konnte ja schließlich nicht quer damit durch das Haus laufen. Auch wenn das noch die beste Lösung gewesen wäre. Das Risiko einem meiner Freunde oder den Eltern zu begegnen war einfach zu groß!
Mein Puls raste. Ich konnte förmlich spüren, wie mein Herz am liebsten aus meiner Brust gesprungen wäre. So stand ich also da, mit einer nassen Windel in der Hand. Mit meiner nassen Windel. In einem kleinen Badezimmer ohne Schlüssel im Türschloss, im Haus einer meiner besten Freunde. Ohne eine Möglichkeit, die Situation zu erklären. Wie ich auf diese wahnwitzige Idee gekommen bin? Lest selbst. Ich will euch gerne von diesem absolut verrückten Wochenende erzählen:
Ein nerviger Ohrwurm ging mir nicht aus dem Kopf. Freitag, 12:45 Uhr. Biologieunterricht.
Herr Meyer stand am großen, weißen Lehrertisch des Biologieraumes und warf mit dem Overheadprojektor das schematische Bild einer Zelle an die Wand.
Es war die letzte Stunde vor dem Wochenende. Gelangweilt blickte der Großteil meiner Mitschüler auf die Abbildung an der Wand und hörte mehr oder minder interessiert den Ausführungen des etwas pummeligen Mitfünfzigers zu.
„Wie wir ja schon in der letzten Stunde besprochen haben, sind die Mitochondrien die Kraftwerke der Zelle. Sie kommen sowohl bei tierischen, als auch bei pflanzlichen Zellen vor. Wie genau findet hier die Energiegewinnung statt?“
Herr Meyer schaute in die Runde. An freiwillige Beteiligung am Unterricht war um diese Uhrzeit nicht zu denken. Natürlich hatte ich nur mit halbem Ohr zugehört und blickte gedankenverloren auf meine Kritzelei in meinem Collegeblock. Strichmännchen, bewaffnet mit einer AK-47. Bereit in den Kampf zu stürmen gegen die bösen eukaryotischen Zellen.
„Linus! Erkläre uns das doch mal. Wie findet die Energiegewinnung statt?“
Ich zuckte zusammen. Energiegewinnung? Junge, lass mich doch in Ruhe! Hastig blätterte ich in meinem orangenem Biologiehefter herum. Irgendwo musste es doch stehen. Irgendwo zwischen Tintenklecksen und Strichmännchen.
Bingo!
Noch bevor ich eine Antwort geben konnte, wurde ich vom vierfachen Gong der Schulklingel erlöst. Endlich Wochenende! Das Biologiebuch und der orangene Hefter verschwanden mitsamt meiner Federtasche in meinem Rucksack, der unbequeme Drehstuhl aus Holz wurde an die Tischreihe zurückgeschoben und die Blicke meiner beiden Freunde Florian und Miko signalisierten mir, dass ich mich schnellstmöglich auf dem Flur mit ihnen treffen sollte.
„Jungs, wir müssen uns aufs Wochenende vorbereiten!“, verlautete Florian mit einem Grinsen im Gesicht.
„Definitiv! Lasst uns den Bus nach der siebten Stunde nehmen, dann haben wir noch genug Zeit zum Einkaufen.“, pflichtete Miko bei.
„Okay, also los.“
Wir verließen also den Gebäudeteil durch den Nebeneingang, der zur Sporthalle führt. So kam man auf schnellstem Wege über den Pausenhof zum Pfad am See. Natürlich waren um diese Uhrzeit ziemlich viele Schüler unterwegs. Selbst wenn man noch nicht Schulschluss hatte, war schließlich Mittagspause. Die strahlende Sonne lud an diesem Spätsommertag zum Verweilen an der frischen Luft ein. Jetzt, wo die Sommerferien schon ein paar Wochen vorbei waren, kam es mir so vor, als ob die meisten Schüler so viel wie möglich draußen verbrachten. Das gute Wetter würde schließlich nur noch für ein paar Wochen bestehen, bevor der typisch regnerische Herbst sämtliche Aktivitäten auf dem Schulhof unmöglich machte.
Diese Zeiten waren für uns allerdings eh vorbei. Immerhin waren wir seit ein paar Wochen Zehntklässler. Wir verbrachten unsere Zeit nicht mehr damit, uns draußen auf dem Pausenhof auszutoben. Viel zu uncool.
Durch das Gewusel an lauten Unterstufenschülern machten wir uns also auf den Weg. Der schmale Pfad durch den Wald, am kleinen See vorbei war heute besonders malerisch. Die Sonnenstrahlen wurden vom Wasser reflektiert, Bienen summten durch die Luft und ein Gefühl von absoluter Zufriedenheit machte sich in mir breit.
Die Sonnenstrahlen auf meiner Haut taten nach dem langen Tag in der Schule wirklich gut. So schlenderte ich mit meinen beiden besten Freunden in Richtung Innenstadt und wir unterhielten uns über das anstehende Wochenende. Wir wollten uns bei Miko treffen, um eine LAN-Party zu machen. Nur wir drei. Das machten wir öfters. Miko’s Eltern waren sehr entspannt. Gar nicht so spießig und streng wie normale Eltern. Daher hatten wir freie Bahn, was das lange aufbleiben anging. Es war nichts ungewöhnliches, dass wir die halbe Nacht durchzocken würden. Leider hatten wir nur den kommenden Freitagabend Zeit. Am Samstagabend musste Florian zur Hochzeit seiner Cousine. Aber trotzdem freuten wir uns wie verrückt auf die gemeinsamen Stunden voller Videospiele, Spaß und jeder Menge Cola.
Wir hatten den Busbahnhof bereits hinter uns gelassen. Hier löste sich die Traube an Schülern langsam auf, wodurch der allgemeine Lärmpegel deutlich sank. Gemütlich schlenderten wir die Gasse mit uralten Reihenhäusern entlang, blickten hoch, wenn ein Auto das Kopfsteinpflaster entlang sauste und kamen nach wenigen Minuten beim Supermarkt in der wenig belebten Innenstadt an.
Ohne die Obst und Gemüseabteilung auch nur eines Blickes zu würdigen, eilten wir die schmalen Gänge des Supermarktes entlang. Gesunde Ernährung gab es heute für uns nicht! Wir brauchten Chips, Cola, Energydrinks und Gummibärchen. Meine neuen Vans, die ich zum Start ins neue Schuljahr bekommen hatte, schlitterten über den alten Fliesenboden, als wir in der hintersten Ecke des Geschäftes unser Ziel fanden: Die Getränkeabteilung.
Mit gierigen Fingern griffen wir jeder nach zwei großen Colaflaschen. Immerhin würde es eine verdammt lange Nacht werden. Vor dem Morgengrauen würde niemand von uns an Schlaf denken! Daher konnten wir die flüssigen Wachmacher gut gebrauchen.
„Jungs, guckt mal da!“, rief plötzlich Miko und deutete auf eines der Preisschilder.
„Monster Energy für 89 Cent die Dose?! Ich brauch einen Gabelstapler!“
Euphorisch griffen Miko und ich zu. Nur Florian schaute skeptisch drein.
„Ihr wisst schon, dass das Zeug verdammt ungesund ist?“
„Ist doch egal! Bringt uns schon nicht um!“, feixte Miko und ging weiter zum Regal mit den Süßigkeiten und den Chips.
Nach unsrem kleinen Einkaufsbummel gingen wir erst einmal getrennte Wege. Wir lebten alle etwas verstreut im Umkreis der Kleinstadt, in der wir zur Schule gingen. Daher waren wir auch auf verschiedene Busverbindungen angewiesen, um nach Hause zu kommen.
Nachdem der Linienbus also mit lautem Getöse an der Haltestelle anhielt, saß ich also alleine im hinteren Teil des Busses und hörte Musik über meinen iPod.
Gedankenverloren blickte ich in meine grünen Augen, die sich in der Fensterscheibe des Busses spiegelten. In meinem Kopf rief ich meinen eigenen Namen: Linus.
Blonde Haare, grüne Augen, Brille und ein spitzbübisches Grinsen. Linus halt.
So war ich. Auch wenn die Pubertät mir nicht nur reichlich Pickel bescherte, sondern mich auch von dem niedlichen, verspielten Kind langsam zu einem launischen Teenager machte. Es war ein schleichender Prozess. Zuerst verschwand das Lego aus meinem Zimmer. Der alte Röhrenfernseher meiner Eltern hielt Einzug, gefolgt vom Computer auf meinem Schreibtisch. Mein Kinderbett wurde gegen ein 1,40 mal 2,00 Meter Modell ausgetauscht und statt Detektivhörspielen schallte elektronische Musik aus meinem Zimmer.
Natürlich war das alles völlig normal für einen Fünfzehnjährigen. Man war eben kein Kind mehr. Suchte Anschluss und wollte von den Gleichaltrigen als cool wahrgenommen werden.
Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster des Linienbusses. Cool wollte ich sein. Auch wenn es hierfür natürlich keine allgemeingültige Definition gab. Was war schon cool? Computerspiele, Serien, Markenklamotten. Halt das, was alle in meinem Alter so machten. Windeln gehörten sicher nicht dazu. Schon seltsam, dass diese weichen, weißen Dinger es mir so angetan hatte. Vor zwei Jahren war ich im Internet mehr zufällig darauf gestoßen: Pampers. In der typisch türkisen Verpackung. Ein Werbebanner hatte damals meine Neugier geweckt. Die Vorstellung wieder Windeln zu tragen faszinierte mich seitdem. Ich hatte zwar keinen Plan wie ich mir welche besorgen sollte, aber es gab kaum etwas, was ich mir mehr wünschte. Natürlich hatte ich mir in der Zeit ein breites Fachwissen zu der Thematik angeeignet. So war mir klar, dass mir Pampers selbst in der Größe Sechs nicht mehr passen würden und ich daher auf Bettnässer- oder langweilig designte Inkontinenzwindeln zurückgreifen müsste. Nur leider konnte ich nicht einfach so in die Apotheke spazieren und ein Paket Windeln verlangen. Viel zu groß war das Risiko, dass ich von irgendwem gesehen wurde. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Mutter die mit Abstand neugierigste Person auf diesem Planeten war. Ich müsste die Windeln also verdammt gut verstecken. Ich mochte mir nicht vorstellen, was meine Mutter zu meiner kleinen Vorliebe sagen würde. Vermutlich hätte sie mich für verrückt erklärt und mich bis zur Volljährigkeit zum Therapeuten geschickt.
Nein, niemand dürfte je davon erfahren!
Es war bereits halb Fünf, als Florian und ich bei unserem Kumpel Miko ankamen. Wir schleppten unsere Computerausrüstung hoch in sein Zimmer und begannen alles auszubauen. Miko’s Zimmer war riesig. Ich kannte wirklich niemanden, der so ein verdammt großes Zimmer hatte. Zusammen mit seinem kleinen Bruder und seinen Eltern lebte er in dem alten Haus, das ursprünglich seiner Großfamilie ein Zuhause bot. Sein Vater war hier mit Fünf Geschwistern aufgewachsen. Daher hatte ich die Theorie, dass es sich bei Miko’s Zimmer ursprünglich um eine Art Wohnzimmer gehandelt haben musste. Hellgrauer Teppichboden und ein Mobiliar wie als der Kinderabteilung eines Möbelhauses, versprühten eine sehr warme Atmosphäre. Es war nicht das typische Zimmer eines Fünfzehnjährigen. Kein großes Bett, kein Fernseher, dafür mehrere selbstgebaute Autos aus Lego.
„Leeeooo? Räumst du bitte noch deine Autos weg?“, rief Miko nach seinem Bruder.
Keine Reaktion. Unser Gastgeber mit den langen blonden Haaren trat zum Fenster und hielt Ausschau. Von hier hatte er einen guten Blick in den Garten.
„Da kann ich lange rufen. Der Kleine spielt draußen im Garten.“, lachte Miko und strich sich seine Haare aus dem Gesicht.
Die beiden Brüder hatte trotz ihres Altersunterschiedes ein ziemlich gutes Verhältnis. Aus wenn Milo manchmal genervt war, wenn sein Bruder unbedingt zugucken wollte, wenn wir am Computer spielten. Der Kleine gehörte irgendwie einfach dazu.
Wir hatten unser vertrautes Gaming-Nest aufgebaut: Miko’s Schreibtisch stand im Neunzig-Grad-Winkel zur Außenwand,woran wir einfach einen weiteren Tisch anbauten, an welchem Florian und ich Platz fanden. Von meinem Platz aus hatte ich einen guten Überblick vom Zimmer. Während ich meinen Monitor mit dem Computer verkabelte und Maus und Tastatur anschloss, kümmerte sich unser Technik-Ass Florian um den Switch, worüber wir gemeinsam spielen konnten. Gekonnt verband er unsere Rechner mit LAN-Kabeln und dem Switch und betrachtete zufrieden sein Werk. Seine Eins in Informatik hatte er sich verdient!
Es klopfte an der offenen Zimmertür. Miko’s Vater kam mit zwei Gästematratzen ins Zimmer.
„Jungs, ich hab schon mal die Matratzen von unten geholt. Braucht ihr nur noch beziehen.“, lächelte er.
„Danke Ralf-Jörg! Voll nett von dir.“, antwortete sein Sohn. Ich würde mich nie daran gewöhnen, dass er seine Eltern beim Vornamen nannte und nicht einfach Mama und Papa sagte. Gemeinsam platzierten wir die Matratzen in der Mitte des Raumes. Florian und ich kümmerten uns routiniert um das Spannbettlaken. Schon ein komisches Gefühl. Früher hätte meine Mutter mir vermutlich eine saugfähige Unterlage zum Schutz mitgegeben. Damals, als ich noch in regelmäßigen Abständen ins Bett machte. Ich war damals kaum jünger als Miko’s Bruder. Vielleicht war das Verlangen nach Windeln deshalb so groß. Ich bekam zwar nie Ärger, wenn ich einen nächtlichen Unfall hatte, aber ich merkte damals doch, dass es meiner Mutter nicht sonderlich gefiel, sich um mein nasses Bettzeug zu kümmern. Für mich war damals am schlimmsten daran, dass ich mir nie sicher sein konnte, ob die kommende Nacht trocken oder nass verlaufen würde. Egal wie sehr ich es mir vornahm, im Zweifelsfall fand ich mich am nächsten Morgen in einem kalten, nassen Schlafanzug wieder. In der dritten Klasse, kurz vor der ersten Klassenfahrt, hörte es plötzlich auf. Keine Angst vor dem Einschlafen mehr, keine Enttäuschung am Morgen und vor allem kein Sonne-Wolken-Kalender mehr. Gott, wie ich dieses Ding gehasst habe!
Mit einem Zischen öffneten wir die erste Dose Monster Energy.
„Prost, Jungs! Auf einen geilen Abend.“, sprach Milo einen Trinkspruch aus und wir stießen an.
Die Uhr des Radioweckers an Miko’s Bett zeigte bereits 18:32 Uhr an. Alles war aufgebaut und angeschlossen. Wir hatten sogar schon getestet, ob auch alles funktionierte.
„Juuungs? Es gibt Abendessen!“ rief Miko’s Mutter aus der Küche.
Wir gingen also in die Küche, wo der Geruch von gebratenem Hähnchen in der Luft hing. Es roch fantastisch. Der große Esstisch neben der Kochinsel war reich gedeckt mit Hähnchenschnitzeln, Backofenpommes und einer großen Schüssel Salat. Miko’s Vater hatte bereits seine Kochschürze abgelegt und öffnete das Küchenfenster:
„Leeooo, Essen ist fertig!“, rief er nach dem jüngsten Bewohner des Hauses.
Kurz darauf stand ein kleiner, blonder Junge in einem Wilde-Kerle-Pulli und einer von Matschflecken überzogenen Cargohose vor uns und musterte mit großen Augen den Esstisch.
„Mausi, so kannst du aber nicht essen! Geh schon mal auf die Toilette, ich bring dir eine saubere Hose.“, befand seine Mutter und verschwand im Kinderzimmer, während der Neunjährige ins Badezimmer trottete.
Wir nahmen Platz und befüllten unsere Teller. Es war eine entspannte Stimmung. Ich mochte Miko’s Eltern. Sie hatten so eine lockere Art. Nicht so voreingenommen wie andere Eltern. So hatten sie kein Problem damit, dass wir die Nacht über die von meiner Mutter so verhassten Ballerspiele zocken würden, oder das ihr jüngster Sohn im Garten seine Spielecke zu einem wahren Schlachtfeld verwandelt hatte. Sie ließen ihre Kinder einfach machen. Erfahrungen sammeln. Manchmal beneidete ich Miko wirklich darum.
„Ich hab voll den coolen Wassergraben gebaut!“, gab Leo mit seiner hellen Kinderstimme bekannt.
„Mensch, da hat sich der Bagger,den du zum Geburtstag bekommen hat ja schon richtig nützlich gemacht.“, lächelte sein großer Bruder und strich eine Haarsträhne aus seinem Gesicht.
„Jaaa, der ist so obercool!“, sprach Leo mit dem Mund voller Pommes weiter.
Miko erzählte manchmal, dass er zusammen mit seinem Bruder an dessen Gartenkonstruktionen baute. Der Kleine hatte eine blühende Fantasie und konnte sich von morgens bis abends draußen an der frischen Luft aufhalten. In seiner Spielecke im Garten hatte er alles was Kinderherzen höher schlagen ließ: Bagger, Planierraupe, Kipplaster, jede Menge Sand und natürlich Schaufel und Eimer.
Leo führte im Detail aus, was er den Nachmittag über auf seiner kleinen Baustelle so alles gemacht hatte. Zwischendurch nahm er immer wieder einen großen Schluck Apfelschorle. Das Tischgespräch drehte sich bald jedoch um den anstehenden Abend. Leo wollte mit seinen Eltern einen Disney-Film schauen. Sie hatten sogar extra Popcorn gekauft.
Mit vollen Mägen räumten wir unser Geschirr in die Spülmaschine und zogen ins wieder in unser Gaming-Paradies zurück.
„Jungs, ich geh mal kurz pissen, bevor wir die nächste Map spielen.“
Ich war echt froh, dass ich meine zusammengekniffenen Beine endlich aus dieser unangenehmen Position befreien konnte. Meine verdammt kleine Blase war einfach von der Menge an Flüssigkeit überfordert. Ich trank zwar auch normalerweise recht viel Wasser, aber bei Süßgetränken und vor allem bei Energy Drinks musste ich immer ziemlich schnell aufs Klo.
Von Milo’s Zimmer war es nicht weit zur Toilette. Nur ein paar Schritte noch. Der alte Teppichboden im Flur war ein einziges Chaos. Auch hier lag massenhaft Spielzeug von Leo. Es war jedoch etwas anderes, was mir sofort ins Auge fiel: Ein türkiser Karton mit der großen Aufschrift „Pampers“!
Um genau zu sein Pampers Größe 6. Die größte Babywindel, die du kaufen kannst! Dem Zustand nach zu urteilen war der Karton noch nicht allzu alt. Auf keinen Fall aus den Neunzigern. Also konnten sie wohl kaum zu Miko gehören, sondern waren ein Überbleibsel aus Leo’s früheren Tagen. Ich schaute mich kurz um. Niemand da. Einen Blick konnte ich also riskieren. Mit zittrigen Händen klappte ich den Windelkarton auf. Aber anstatt Windeln fand ich darin nur Schienen einer Holzeisenbahn vor. Wirklich viele Schienen. Mit diesem Fundus könnte man eine Strecke quer durch das ganze Haus legen. Vermutlich hatte der verspielte Neunjährige das vor kurzem auch gemacht. Sonst würde der Karton sicher nicht hier im Flur stehen.
Die Badezimmertür quietschte etwas, als ich sie öffnete. Das Haus war schließlich alt. So war auch die Einrichtung des stillen Örtchens wie aus einer anderen Zeit. Es erinnerte eher an das Badezimmer von Oma und Opa. Weiße Fliesen, die ihre besten Zeiten lange hinter sich hatten, graue Keramik und eine Klobrille aus Holz.
Lediglich die gelbe Quitscheente auf dem Rand der Badewanne gab dem Raum etwas Farbe. Dazu war es wirklich eng. In der Mitte des Raumes konnte man sich gerade noch so um die eigene Achse drehen. Links war die Badewanne, rechts die Toilette und dazwischen das Waschbecken mit einem an der Wand geschraubten Badschrank aus Holz.
Ich setzte mich also auf die hölzerne Klobrille und ließ meine Gedanken schweifen. Was wohl in diesem Schrank war? Badezimmerschränke fand ich immer spannend. Irgendwie konnte ich mich nie von der Vorstellung trennen, dass darin Windeln gelagert wurden. Seltsam,ich weiß!
Natürlich war es völlig idiotisch zu glauben, dass die Pampers aus dem Karton vor der Tür hier in diesem Schrank waren. Es war vermutlich schon fünf oder sechs Jahre her, dass Miko’s Mutter sie entsorgt hatte, da ihr jüngster Sohn sie nicht mehr brauchte.
Nachdem ich mir die Hände gewaschen hatte, kribbelte es mir jedoch in den Fingern. Wenn ich nicht nachguckte, dann konnte ich auch nicht völlig ausschließen, dass die alten Pampers hier im Schrank waren. Es wäre ja nur ein kurzer Blick.
Also zog ich, wenn auch mit einem schlechten Gewissen, am runden Knauf den Schranks.
Mir stockte der Atem. Neben all den unspektakulären Dingen sprang mir eine weiß-blaue Plastikverpackung ins Auge. Bedruckt im Skateboard-Design, mit einem braunhaarigen Jungen in der Mitte. Es handelte sich zweifelsfrei um Drynites. Windeln für Bettnässer!
Wie angewurzelt verharrte ich einige Sekunden vor dem offenen Schrank. Das war der Jackpot! Nicht mal in meinen kühnsten Träumen wäre ich so leicht auf Windeln in meiner Größe gestoßen. Ich war ja recht klein und ziemlich dünn für einen Fünfzehnjährigen. Daher müssten mir die Drynites perfekt passen. Hatte ich schließlich schon vor langer Zeit im Internet recherchiert. Vorsichtig betastete ich die weiche Oberfläche der Hochziehwindel. Ich musste sie einfach probieren! So eine Chance konnte ich nicht ungenutzt lassen!
Plötzlich viel mir auf, dass ich schon verhältnismäßig lange weg war. Miko und Florian durften auf keinen Fall etwas mitbekommen! Also nahm ich mir vor, im laufe des Abends eine der Drynites zu stibitzen und sie anzuziehen. Schließlich wurde ja damit geworben, dass sie vollkommen unauffällig sind. Niemand würde es bemerken. Mit einem zufriedenen Lächeln kam ich zurück zu meinen Freunden und setzte mich wieder an meinen Computer.
„Lasst mal die Map nur mit Jedis spielen.“, schlug Miko vor.
„Boah ja! Mit Darth Maul ist das richtig geil.“, stimmte Florian begeistert zu.
Ich nickte nur und wir fanden uns kurze Zeit später auf Tatooine wieder. Ich wählte Obi-Wan Kenobi aus. Einen meiner Lieblingscharakteren aus den Filmen. Aber so richtig konzentrieren konnte ich mich nicht.
Leo war also Bettnässer. Jetzt machte es auch Sinn, dass seine Mutter ihn immer noch an den Gang zur Toilette erinnerte. Er tat sich anscheinend schwer damit, rechtzeitig pinkeln zu gehen. Ich kannte Miko und Leo schon ein paar Jahre. Natürlich kam es mal vor, dass Leo mit einer nassen Hose vom Spielen reinkam. Am Rande hatte ich das schon mitbekommen. Aber ich hatte mir damals nichts dabei gedacht. Bei Kindern passierte das halt.
Shit! Mit seinem Doppellaserschwert brachte Florian meine Lebensenergie auf Null.
„Fuck, hast du ernsthaft in dem Gang auf mich gewartet?“; platze es ungläubig aus mir heraus.
„Klar, zum nächsten Kommandoposten musst du ja hier durch.“
Ich wählte wieder einen Jedi aus und startete wieder auf der Map. Mein Ehrgeiz wurde geweckt. Schließlich hatte ich die Schlacht gegen die dunkle Seite der Macht zu gewinnen! Meine Gedanken fokussierten sich wieder auf das Spiel. Runde um Runde verging. Meine Colaflasche stand immer griffbereit neben meinem Monitor und wurde von Zeit zu Zeit immer leerer. Dementsprechend meldete sich meine Blase wieder einmal.
Mit einem Kribbeln im Bauch betrat ich das Badezimmer. Es war eine Art Vorfreude. Wie am Geburtstag oder an Heiligabend. Mein Blick fixierte sich auf den Schrank. Das, wonach ich mich so lange gesehnt hatte, war dort drin. Ich brauchte es nur herauszunehmen und anzuziehen.
Es gab da jedoch ein kleines Problem: Man konnte das Bad nicht abschließen!
Ich musste also damit rechnen, dass jemand hereinkam. Wie lange würde ich wohl brauchen, um mir eine der Drynites anzuziehen? Hose aus, Unterhose aus, Windel an, Unterhose und Hose drüber. Vielleicht dreißig Sekunden? Eine Minute?
Aber was, wenn ausgerechnet in diesem Zeitraum jemand das Badezimmer betrat? Mir wurde bewusst, dass ich langsam wirklich eine Entscheidung treffen musste. Ansonsten würde es für Miko und Florian nur verdächtig wirken. Auch wenn sie natürlich nichts von meinem Plan ahnen konnten. Oder etwa doch?
Die Gedanken rasten durch meinen Kopf. Eine Minute! Ich musste es einfach riskieren!
Mit schweißnassen Händen zog ich am Knauf des Schrankes. Da lag sie, die Packung mit den Windeln. Ich bückte mich herunter und zog ein Exemplar heraus. Mein Herz pochte wie verrückt. Als ich die flauschig-weiche Oberfläche der Drynites betastete, wurde mir schlagartig warm. Ein leiser Pfeifton machte sich in meinem Kopf breit. Das Adrenalin flutete mein Gehirn. Es fühlte sich einfach nur seltsam an. So als würde der Mathelehrer einen anschreien, während man gleichzeitig im Lotto gewonnen hat. Wie eine Silvesterrakete, die in deinem Gehirn explodiert und alles in bunten Farben leuchten lässt.
Sie sah genau so aus, wie auf den Bildern im Internet. Blaue Seitenteile, an denen die Naht deutlich erkennbar war. Ein weißer Grund mit aufgedruckten Skateboards und E-Gitarren. So zusammengepresst, dass sie mir echt sehr dünn vorkam. Und so ein Ding soll eine nicht unerhebliche Menge Urin aufsaugen?
Ich faltete die Windel auf und schaute noch einmal sicherheitshalber zur Tür. Dann entledigte ich mich in Windeseile meiner Jeans und der karierten Boxershorts. Einen Fuß, dann den Zweiten in die vorgesehene Öffnung und einfach hochziehen. So einfach konnte Wickeln sein! Wie in Trance zog ich mich wieder an. Völlig berauscht von dem unglaublichen Gefühl, welches die Windel an meiner Haut auslöste. Der Auslaufschutz schmiegte sich an meinen Oberschenkel. Das Saugvlies gab mir ein seltsames Gefühl von Sicherheit. Es war so ein unglaublich krasser Gegensatz zu meinen herkömmlichen Boxershorts.
Ich hatte es wirklich getan! Ich hatte verdammt nochmal eine Windel um!
„Tschuldiguuung.“, vernahm ich eine Kinderstimme, als die Badezimmertür mit voller Wucht aufgerissen wurde.
Autor: Spargeltarzan (eingesandt via E-Mail)
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Wow, sehr sehr gute story. Kanns kaum erwarten mehr zu lesen.
Vielen Dank! Die Fortsetzung kommt bald 🙂
Tarzi, waaaaann kommt Teil 2? Waaann, wann wann? 😛
Baaald 😀