Die Lehre (9)
Windelgeschichten.org präsentiert: Die Lehre (9)
Für Jessica. Möge deine Offenheit und Geduld immer so groß bleiben, wie der von Jule.
Kapitel IX
#die Anprobe II
Rückblick
Wir sind knapp vor den 80ziger Jahren. Jule, eigentlich Julian beginnt sein erstes Lehrjahr in der gut 25 Kilometer entfernten Kleinstadt. Als Dorfkind ergaben sich jetzt neue Möglichkeiten und Erfüllungen, die schon seit Jahren seine Gedanken und Wünsche bestimmten.
Seinen Wünschen und Träumen konnte Jule bis hierhin nur in den kiloschweren Versandkatalogen nachgehen.
Eine Kinderkarussell voller Gefühle als „Jule“ (Julian) die Verkäuferin Frau Schneider kennenlernt, scheinen all ihre frühen Kinderträume wahr zu werden: eine neue Stadt, der erste Job und dann noch Franzi – überaus aktiv, überaus selbstsicher und überaus erfolgssüchtig.
Wohlwissend, dass die ganze Freude innerhalb eines Tages wieder vorbei sein konnte.
Vergessen scheint Jules schwierige Kindheit. Vergessen auch ihr Vater, ihre zweite große Enttäuschung, der Jule gegenüber nicht mehr gerecht wird – bis der Vater die Entscheidung trifft Jule in die Hände seiner Schwester zu geben und von heute auf morgen für immer verschwand. Und dann steht Lore auf einmal vor ihr. Als ihre Stiefmutter von ihrer gemeinsamen Kindheit erfährt, weckt dies ihren Eifer aber auch ihre Eifersucht…..…
Die Erzählung spiegelt die Zeit zum Anfang der 80ger Jahre und enthält autobiographische Element.
Kapitel IX
#Die Anprobe II
Aus der Ferne hörte ich nur noch wie Franzi quengelte. „Mama, ich möchte auch so tolle Unterwäsche wie das kleine Mädchen da drüben am Spiegel haben, aber dann lieber in blau!“ Mama, bitteeeee!“
Mal sehen, vielleicht zu deinem Geburtstag, jetzt müssen wir erst einmal für Chrisie nach Stramplern schauen. „Och menno, nörgelte Franzi ungehalten weiter! Jetzt ist aber wirklich gut Franzi, herrschte ihre Mutter sichtlich verärgert zurück.
Naa.. wirklich toll, dachte ich mir nur. Auf der anderen Seite fragte ich mich, was sie jetzt wirklich über mich dachte. Im Nachhinein fand ich es nicht mehr so schlimm, dass Franzi und ihre Mutter mich in meiner ersten, eigenen geblümten Unterwäsche gesehen hatten, ganz im Gegenteil ich musste jetzt innerlich darüber amüsiert lächeln.
Frau Schneider blieb geduldig wartend neben mir stehen. Als sie mich an sah, deutete sie höflich in die Richtung der Umkleidekabine: „Bereit, wenn du es bist. Oder möchtest du erst wissen, warum dieses Mädchen um die gleiche Unterwäsche gebettelt hat, so wie du sie gerade trägst?“
Ich schüttelte den Kopf und rang mir, für den Moment, nur ein schwaches Lächeln ab.
Über meine Wortlosigkeit konnte sie nur den Kopf schütteln, ging aber unbeirrt weiter in die angewiesene Richtung. Frau Schneider bemerkte mein Zögern an der Umkleide und sagte leise: „Ich versichere dir, dass ich dir die zukünftige Rolle als Mädchen wirklich zutraue.“, „Also nach dir, Julchen.“
Für einen Augenblick kam es mir so vor, als hätte sie mich in Tüll und Watte gekleidet. Das tat ja so
gut, auch in meiner ganz eigenen Vorstellung. Ich stellte mir schon seit Jahren diese Sinnfrage.
Wir probieren jetzt zuerst alle „Schiesser-tausende-sassa“ Sets, von gelb bis zum tollen türkis-blau an, kam die kurze Ansage von Frau Schneider. „Du wirst sehen, dass dir die anderen Garnituren
auch so gut gefallen und dich toll kleiden.
Frau Schneider hatte nicht übertrieben, die anderen Unterwäschesets waren noch sehr viel hübscher. Mit jeder neuen Anprobe und jeden neuen Durchgang fühlte ich mich wohler und sicherer. Es fiel mir aber richtig schwer, es in Worte zu fassen. Trotzdem konnte ich es immer noch kaum glauben, dass es für mich wirklich möglich war, etwas so Tolles und Hübsches zu besitzen.
Mit jeder neuen Garnitur wurde mir leichter zumute. Ich ließ nicht nur meine schäbige, grüne Tarnunterwäsche hinter mich, sondern auch das kleine Dorf, die Enge, das Dauerfeuer an Langeweile und Einheitsdenken. Es fühlte sich an, als verließe ich die alte Welt, auf dem Rücken eines bunten Vogels, auf dem Weg zu neuen Sternen. Ich kannte das Gefühl natürlich schon von meinen stundenlangen, heimlichen Besichtigungstouren im Versandkatalog.
Frau Schneider war ganz in ihrem Element, oder war es doch mehr die Mama-Rolle mit all den Erziehungsmöglichkeiten.
Von Frau Schneider kam nur ein kurzer Seufzer: „Vor dir liegt noch eine Unmenge an Wissen und Erfahrung und dann erklärte sie mir: „Du bist das erste Mal alleine Einkaufen und das in einer fremden Gedankenwelt oder?“,sie erwartete keine Antwort von mir. „Lass mich dir ein bisschen helfen. Du wirst in Zukunft ganz anderes Wissen und Informationen gebrauchen müssen.
Ich verstand zuerst nicht, was sie meinte und ich drehte meinen Kopf fragend Richtung Frau Schneider.
Stirnrunzelnd sah ich auf und tippelte von einem Fuß auf den anderen. Mit meiner aufgesetzten Kinderstimme und rollenden Augen fragte ich Frau Schneider, „was ich denn so alles Wissen müsste.“
Frau Schneider holte tief Luft, übernahm das Gespräch und erklärte mir dann:
Vor allem bei der Zusammenstellung der ersten eigenen Garderobe sind die meisten ja oft noch sehr unsicher. Tja und was kauft man dann? Meistens zu kleine Sachen, die noch nicht einmal mitwachsen.
Gerade Unterwäsche, Höschen und Tageswäsche dürfen gerne noch etwas größer sein, denn oft sind Kinderbeinchen in der Regel kürzer und knautschiger. Später änderte sich das dann ja hoffentlich noch.
Komfortable Kleidung fängt nämlich schon bei der Unterwäsche an. Ab jetzt solltest du immer auf eine bequeme, praktische Passformen achten und tragen, aber vor allem sollte alles immer auch abgestimmt zusammen passen. Als Mädchen-Mama habe ich von meinen beiden Töchtern, Maria und Sophie, schon ziemlich früh gelernt was ihnen gefällt und worin sie sich wirklich wohlfühlen.
Für einen Moment kam es mir so vor, als hätte sie mich gerade mit unendlichem Zutrauen überschüttete, und ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit machte sich in mir breit. Es überraschte mich, aber ich wusste nicht, ob diese Lerneinheit nur für mich war oder auch echte kleine Mädchen bekamen. Jedenfalls traute ich mich nicht zu fragen.
Sie reichte mir dann nach und nach noch die anderen Garnituren aus dem Körbchen, bis ich fast alle Sets anprobiert und vor dem Spiegel getestet und gesehen hatte.
„Schön bei diesem Stretchmaterial von Schiesser ist, das sie sich sehr gut anpassen. Für meine beiden Kleinen hatte ich während der Windelphase immer zwei Größen im Haus. Weil sie mal mit und dann auch schon mal ohne Windeln auskamen.“
„Du brauchst Höschen, die ohne Windel super sitzen und solche – die auch dann nicht kneifen, wenn dein Windelpo darunter steckt. Schön sind auch die flachen Beinabschlüsse mit der feinen, elastischen Spitzenborde, die alles gut an Ort und Stelle halten. Unbedingt wichtig sind immer elastische Beinabschlüsse damit nichts verrutscht, denn einfache, flache Beinabschlüsse leiern gerne auch mal aus.“
Das Gewussel und die Lautstärke in der Abteilung wurde immer größer. Ich schaute mich etwas interessiert und ängstlich um.
„Hm.“ Etwa fünf Meter weiter stand eine Omi, Mutter und ihre etwa achtjährige Tochter. Vor dem Regal, für Nachtwäsche, stritten sich zwei Frauen recht lautstark über die richtige Auswahl und Größe. Drei ziemlich junge Mädchen amüsierten sich ausgelassen vor der BH-Abteilung.
Frau Schneider hatte mir gerade die feine „Ozona-Unterwäsche“ zur Anprobe in die Kabine gegeben. „Bist du soweit Jule?“, dann komm bitte zum Spiegel. Sie musterte den Sitz der Unterwäsche, zuppelte und korrigierte noch kurz am Höschen. „Das rosa Set mit den Wölkchen steht dir wirklich richtig gut.“
Frau Schneider hatte nicht wirklich geflunkert, die andere Unterwäsche von “Ozona“
waren nicht wie die von Schiesser. Sie waren definitiv anders, feiner und dünner und viel zu schade um sie unter Kleidern, Röcken oder Strumpfhosen zu verstecken.
„Selbstverständlich sollte es auch in deinem Kleiderschrank dann auch ein paar wirklich richtig „gute“ Höschen und Hemdchen mit deinen Lieblingsmotiven, und -farben geben. So siehst und merkst du selber die wirklichen Unterschiede.“
„Zu dir gehören in jedem Fall eher die zarten Farben!“ ,beurteilte Frau Schneider die Situation.
„Und was meinst du, Jule?“
Mir war schon ein bisschen mulmig zumute. Ich schaute noch mal in alle Richtungen. Keiner schaute rüber, alle waren soweit mit ihren Einkäufen beschäftigt. Jule: „Ja…“
„Alles in Ordnung?“ Jule: „Ja, das geht jetzt alles so schnell.“ In dem Moment kam das Omi, Mutti-Gespann mit dem Kind, auf die Kabine zugesteuert. Das Mädchen war bestimmt gut 5 Jahre jünger als ich. Ich wurde ein bisschen nervös und hatte zusätzlich noch ein mulmiges Gefühl im Magen.
Letztlich kam die beiden Frauen tatsächlich auf uns zu: „Ist die zweite Kabine eventuell noch frei?“ , wir würden gern die Nachthemdchen mit unserer Tochter anprobieren.“ Die Kleine hielt uns sofort freudestrahlend und stolz die beiden „Sarah Kay -Nachthemden„ entgegen.
„Mit einem nicken und „JA“, die Kabine ist gerade nicht belegt, sie können sie ruhig benutzen, beantworte Frau Schneider die Frage.“
Schweigend betrachten wir uns gegenseitig, ich sie von unten nach oben, sie starrte nur vom Hals abwärts, weil die rosa „Ozona-Unterwäsche“, die ich gerade vor dem Spiegel präsentierte, ihre wachen, großen, braunen Augen beschäftigte.
Ich sah, wie es in ihr arbeitete.
Ich drehte mich um und schaute zu dem Mädchen, die immer noch neugierig auf mich starrte. Ich lächelte leicht, um meine innere Spannung zu verbergen, und fragte: „Hey, und wer bist du.“ Das Mädchen lächelte selbstbewusst zurück, und sagte „Ich heiße Ines“ währenddessen unterhielten sich Frau Schneider und ihre Mutter weiter über geeignete Nachthemden für Ines.
„Magst du „Sarah-Kay“ genauso gern wie ich?“ , ich habe sogar eine Puppe von Sarah-Kay.“, tönte Ines selbstsicher. Fast alle meine Freundinnen mögen auch Sarah-Kay. Bist du auch ein Sarah-Kay Fan, fragte Ines ungeniert und frech weiter?“
Bevor ich mich mit Namen vorstellen konnte, kicherte Ines schon süffisant.
Sie beäugte mich immer noch intensiv von oben bis unten und sagte dann schließlich oberlehrerhaft und völlig ernst: „du trägst noch Windeln, warum?“
„Du bist doch bestimmt älter als ich! Aber ich brauche schon lange keine Windeln mehr…..stimmt`s Omi?“
Ich fühlte mich ziemlich unbehaglich, dass sie meine Windel bemerkt und auch erwähnt hatte. Frau Schneider, die meine Reaktion bemerkt hatte, legte ihre Hand auf meine Schulter und lächelte mich beruhigend an.
Ich schmollte und verschränkte meine Arme und sagte ebenfalls sehr ernst: „Ich bin aber nicht du oder die anderen Kinder!“
Frau Schneider übernahm schnell die nächsten Antworten für mich, was mir ganz lieb war. „Sie schmunzelte amüsiert: „Ines, es gibt auch Kinder, die brauchen aus unterschiedlichen Gründen sehr viel mehr Zeit. Jule gehört einfach nur zu den Kindern, die einfach noch ihre Windeln braucht.“
Dazu schwieg ich lieber und sie lächelte mich an: „Möchtest du mir vielleicht erklären, was dich gerade so an der Frage von Ines verärgert hat?“
„Einfach alles, sprudelte es aus mir heraus.“ „Mhhh, mit bockigen, zickigen Antworten wirst du nur das Gegenteil erreichen und Erwachsene, wie auch Kinder werden darauf meistens negativ reagieren.“, erklärte mir Frau Schneider.
„Ihr Gesicht wurde strenger:“ ,an solche oder ähnliche Fragen wirst du dich wohl gewöhnen müssen.“ In der Schule, im Sport oder auch deine Freunde werde es sehr schnell bemerken, oder möchtest du dich für immer verstecken wollen, Jule?“
Vielleicht machte ich doch etwas zu viel Drama darum, dachte ich mir.
„Lass dich, wann immer es möglich ist leiten und auch gehorsam führen, das mögen Erwachsene wie auch Kinder, egal in welchem Alter, viel lieber als Antwort hören. Sie werden dich dann auch viel lieber vor Gemeinheiten schützen und helfen und sie werden dich bestimmt nicht einfach nur vorführen. Deine Sonderausstattung ist wirklich nichts schlimmes, wenn du auch öffentlich dazu stehst und alles für ganz normal empfindest.“
Ich ärgerte mich über mich selbst. Eigentlich fand ich den Gedanken von Frau Schneider wirklich toll, dass jeder sehen konnte und durfte, dass ich wirklich bunte, geblümte Unterwäsche und Windeln trug, so als wäre es das Normalste in dieser Welt.
„Jule, ich weiß aber auch, dass du Enttäuschungen und Wut viel besser kontrollieren und steuern kannst. Und das, Jule, möchte ich von dir auch gerne sehen!“ Verständlicherweise möchte ich ungern, dass du gleich noch einmal trotzig wirst und andere Menschen anzischt. Dafür bist du wirklich noch „zu klein“!
„Du bist also ein braves Mädchen…?“ , Versprochen!“
„Benimm dich bitte altersgerecht und sei artig. Ich mag liebe Kinder, die mich brauchen. Merkst du dir das bitte.“
Eigentlich bot ich immer denkbar wenig Angriffsfläche. Meine Mutter achtete trotz ihrer eigenen schwankenden Gemütslagen peinlichst genau darauf, dass ich mich immer gut benahm und sehr zurückhaltend war.
Normalerweise verhielt ich mich nicht so, auch nicht, wenn ich etwas auf Anhieb nicht verstand. Ich schluckte meistens meinen Ärger für gewöhnlich runter und erledigte zuerst alle meine Aufgaben.
Mein kleiner Ausbruch tat mir angesichts der Betroffenheit von Frau Schneider schon wieder richtig leid.
Frau Schneider hatte sich offensichtlich nur wegen mir, bis jetzt die ganze Zeit frei gehalten, um mich gut zu beraten und sich um mich zu kümmern. War sie dafür nicht eigentlich zu beschäftigt? Wahrscheinlich verbrauchte ich mehr Zeit und Aufmerksamkeit, als ihr wirklich lieb war. Diese und ähnliche Überlegungen gingen mir alle dabei durch den Kopf.
Mir war das sehr peinlich, aber der Gedanke das ich Frau Schneider irgendwie enttäuschen könnte, machte mir gerade besonders viel Sorge.
Allerdings war ich auch froh, dass sie das Thema nicht noch weiter vertiefte.
Mir war völlig klar, dass ich die ersten Lektionen gerade lernen durfte, während sie noch den Gesprächen mit den beiden Frauen nachging.
„Ist das dann jetzt eine dieser neuen Regeln?“ ,ja, dass hast du schon ganz richtig erkannt, Jule.“
„Das ist ja herzallerliebst!“ , lobte Ines Mutter meine „Ozona“ Unterwäsche. Logischerweise konnte sie es sich nicht verkneifen, mich noch genauer zu mustern. Man sah mir nicht wirklich an, dass ich eigentlich doch ein paar Jahre älter war als Ines, was besonders durch ihre Größe kaum auffiel.
Meine Gedanken schweiften dadurch wieder zu Frau Schneider. Für den Moment konnte ich sie nicht anschauen. Es lag daran, dass ich mich noch unheimlich wegen der Begutachtung von Ines Mama schämte.
Kurz darauf stand Ines in ihrem rosa Sarah-Kay-Nachthemd neben mir am Spiegel. Ich möchte mal an den Spiegel, mach mal Platz für mich, ich will mich im Spiegel sehen. Ich wusste weder wo ich hinsehen sollte, noch was ich dazu sagen sollte. Für mich klangen ihre Worte irgendwie zu direkt und zu frech. Ines Mutter aber blieb gelassen und unberührt von ihrem drängeln vor dem Spiegel.
Mir wurde warm: „Wieso?“, fragte ich mich und meine Stimme stockte. Ich machte ihr geräuschlos den Weg frei, dachte aber, was für eine niedliches Nachthemd und freute mich schon darauf mein eigenes im Spiegel zu sehen.
Ines formte ihre Lippen zu einem stummen „Oh“, sagte dann aber: , „deine Unterwäsche ist aber wirklich sehr süß.“ So etwas habe ich auch noch nicht bei meinen Freundinnen gesehen. Wer hat sie dir denn ausgesucht und gekauft?“
„Vielleicht hat deine Mami einfach nur in den falschen Geschäften danach gesucht?“, fiebste ich das erstbeste, was mir gerade einfiel. Frau Schneider hat sie mir gezeigt und dazu geraten, schob ich noch stolz hinterher.
„Wirklich sehr süß, erwiderte ihre Mutter, die den Kommentar von Ines mitbekommen hatte. Na dann schauen wir doch gleich mal, ob wir für dich auch noch etwas Passendes finden können. „Oh toll Mami, schnalzte Ines neben mir lautstark.“
Frau Schneider schien kurz zu überlegen, dann holte sie Luft und sah zu mir runter: „Jule dreh dich doch bitte mal, damit die Kunden deine Wäsche auch von allen Seiten sehen und begutachten können. In der Verpackung wirken die Höschen und Hemdchen weniger edel und fein.
Darauf hatte ich zuerst keine Antwort, aber mir kam die Aufforderung ziemlich unnötig und unheimlich vor. Auf der anderen Seite löste der Wunsch von Frau Schneider ein angenehmes aber nervöses schönes Kribbeln in meinem Bauch aus. Das schöne Kribbeln konnte ich so gar nicht zuordnen. Deshalb verzögerte ich meine Bewegung bewusst.
„Warum, das verstehe ich nicht?“, gab ich zu und sah sofort wieder nach unten, nur um mein Gesicht zu verbergen. Diesmal lenkten mich ihre Worte etwas ab:“Vielleicht schämst du dich jetzt im ersten Moment, wenn du ungewohnt, komisch angeguckt wirst. Das musst du aberschon aushalten können, auch wenn fremde Leute darüber ihre Witzchen machen. Trotzdem solltest du nicht aufgeben!“
“ Frau Schneider legte ihre Hände in ihre Hüften: „Es gibt wirklich nichts, was wir alle noch nicht gesehen haben, also nicht so schüchtern Jule!“
Ich nickte und sie streichelte mir kurz über den Kopf: „Du machst das schon.“
Dessen war ich mir noch nicht so sicher. Doch welche Wahl blieb mir jetzt schon?
Also drehte ich mich wirklich mit hochrotem Kopf, vor Ines, ihrer Omi und der Mutti!
„Die „Ozona-Unterwäsche“ haben wir noch in zwei Ausführung vorne in der Auslage liegen, waren die begleitenden Worte von Frau Schneider, passend zu meiner drehenden Vorführung.“
Welche Größe trägt den Ines sonst, hakte Frau Schneider sofort nach. „Im Moment kommt sie noch gut mit 146 zurecht, wer weiß wie lange noch – meinte ihre Mutter, die Pubertät steht bei Ines schon deutlich vor der Tür.
„Jule trägt gerade die Größe 134 mit Windeln und sie ist noch reichlich dehnbar. „Ozona-Unterwäsche“ ist recht großzügig geschnitten ohne auszuleiern. Wirklich eine süße und stabile Garnitur, wenn sie mich fragen.“
Kurz darauf war Ines schon wieder in ihrem dunkelblauen Cord-Latzrock, mit roter Bluse, vor der Kabine zu sehen.
Ihre Mutter bedanke sich noch kurz für die Beratung und Informationen. Dann machten sie sich auf den Weg zur besagten Unterwäsche. Ines winkte mir noch zum Abschied und ich war völlig perplex. Bisher kannte ich so eine Aufmerksamkeit nicht, oder lag es jetzt nur einfach an dem neuen Kleinkind-Status, den ich hier in der Abteilung und durch Frau Schneider hinter lies.
Erst, als Frau Schneider wieder zu mir sprach, sah ich sie aufmerksam an: „Ich möchte das du in Zukunft auch mit jüngeren und gleichaltrigen Kindern immer höflich und respektvoll umgehst. Ich habe noch nie jemanden eingekleidet, dem ich wie dich, erst an alles gewöhnen muss und es dann nicht beibehält.
„Das ist jetzt wohl noch so eine Regel, oder?“, ich sah verlegen auf meine Hände und steckte die Finger fest ineinander. Frau Schneider schaute mir etwas ernster in die Augen: „Ja, das ist jetzt eine deiner neuen Regeln. Ebenso wie das annehmen von Hilfe.
Für mich waren das Regeln und Informationen aus einer mir immer noch ziemlich fremden Welt.
Mit jedem weiteren Durchgang legte sich etwas mehr von der kühlen Herbstluft auf meine nackte Haut und ließ meine Gänsehaut wachsen. Das größere Problem aber lag um meine Hüften. Der Zwiebellook aus meiner abgewetzten Mölny, den Stoffwindeln, der darüber sichernden Septa und den wechselnden engen Baumwollhöschen erhöhte die Temperatur zwischen meinen Schenkeln extrem. Meine Blase ergab sich zwangsläufig dieser Wärme hin und erhöhte damit den Feuchtigkeitsanteil merklich.
Am liebsten hätte ich vor Glück darüber gejubelt, allerdings wollte ich erst einmal das Gefühl still und heimlich genießen und verarbeiten, mir einfach und natürlich so in meine Windeln zu machen.
„Was bin ich?“, wollte ich wissen. Mir war es noch nicht wirklich klar und ich schaute an mir herunter, um nochmals meine Situation zu erfassen. „Ja sicher, es gab bestimmt kleine Mädchen, denen es tatsächlich gefiel für ihre Umgebung die Prinzessin zu spielen.“ So weit war ich aber noch nicht, auch wenn ich es mir im Gedanken so sehr wünschte.
Das Üben vor dem Spiegel mit Frau Schneider hatte sich wirklich schon gelohnt. Etwas zufriedener betrachtete ich meine geblümtes, buntes Erscheinungsbild. Nun war ich nicht mehr der offensichtlich, ungeliebte Sonderling vom Dorf, sondern so etwas wie ihr Windelmädchen. Auch wenn ich immer noch Angst hatte, dass das falsche Spiel bald vorbei sein konnte.
„Ein Junge, muss sich immer auch wie eine Junge verhalten!“, das waren die Ansichten, mit denen ich lange Zeit groß geworden bin.“
„Zeit konnte man nicht zurückdrehen.“, signalisierten mir meine Gedanken direkt zurück.
Es war wohl jetzt an der Zeit anzunehmen, dass ich mich als Windelmädchen lieber sehen mochte, so wie ich schon längst akzeptiert hatte, dass ich mich in diese Welt verliebt und schon immer gewünscht hatte.
„Aber was überhaupt konnte sich ändern, wenn man doch immer man selbst bleibt?“
Als ich mich, mit weichen Knien, wieder vom Spiegel zurück drehte, lächelte Frau Schneider noch immer: „Siehst du. War doch gar nicht so schwer.“
Mir war völlig klar, dass ich hier eine weitere Lektionen gerade gelernt hatte, während sie den Gesprächen mit einigen Verkäuferinnen weiter intensiv folgte. Unter den Verkäuferinnen sprachen einige Frau Schneider mit ihrem Vornamen „Anne“ an und verbrachten etwas mehr Zeit mit Gesprächen.
Enttäuscht und etwas neidisch an Gefühlen blieb ich in sicherer Entfernung stehen, bis sich die Mitarbeiterinnen wieder verabschiedeten und ihren Tagesaufgabe nach gingen.
Meine negativen Gefühle ärgerten mich selbst, aber ich mochte es wirklich, weil ich mich schon zu sehr daran gewöhnt hatte, dass Frau Schneider so viel Zeit für mich hatte und mich ihre Nähe und Stärke so gut tat.
„Könnten sie mir vielleicht beibringen, wie Ines, keine Angst mehr zu haben?“ , fragte ich Frau Schneider und ärgerte mich im gleichen Moment über meinen unglaublich, quietschigen Tonfall. Mir fiel es einfach schon immer sehr schwer, mich aus meiner passiven Haltung zu befreien.
„Ach Jule, jeder Mensch hat so seinen eigenen Charakter, und Erziehung und Prägung spielen natürlich auch noch eine sehr große Rolle.“
Dabei erzählte sie mir etwas von Maria und sich. Zuerst verstand ich nicht, was das mit mir und meiner Angst zu tun hatte, bis ich merkte und verstand, dass sie mir ihr innerstes anvertraute.
„Ich habe meiner Maria beigebracht, eine wirklich „Starke“ zu werden, erzählte Frau Schneider. Sie hatte ähnliche Schwierigkeiten wie du. Mit sechs Jahren wurde sie für Schuluntauglich angesehen, nicht nur weil sie noch Windeln tragen musste, sondern weil sie zu klein war, ihren Körper, ihre Haltung, ihre Motorik, selbst ihre Beine nicht jederzeit kontrollieren konnte. Für mich war sie so perfekt, wie sie war.
Ich wollte nur immer, dass Maria lern-, anpassungsfähig und flexibel mit sich und ihren täglichen Situationen umgehen konnte.
Frau Schneider schien kurz ihren eigenen Gedanken nachzuhängen und ich bemerkte, dass ich besser nicht nachfragen sollte.
„Ich habe ihr im wahrsten Sinne des Wortes „Selbst-Bewusstsein“ beigebracht. Sie musste einfach lernen, offen zu ihren Windeln zu stehen, ihren noch nicht ausgebildeten Körper annehmen, ihre etwas anderen Kleidungsstil zu akzeptieren und sich damit toll und richtig zu fühlen.
Unsere gemeinsamen Tagesaufgaben bestanden darin, auf unnötiges Schlenkern und Gestikulieren mit den Armen zu verzichten. Ruhige Motorik, gerader Rücken, aufgerichtetes Brustbein. Niemals aufregen, niemals wütend werden. Zusammen hat es uns wirklich Spaß gemacht und Maria ist so sehr daran gewachsen. Angst brauchte sie als Mädchen natürlich nicht verbergen, sondern durfte sie immer ausleben und benutzen.
Das Üben mit ihr hatte sich wirklich gelohnt. Sie wurde von Monat zu Monat immer ein Stück sicherer mit ihren Windeln. Und irgendwann war sie auch nicht mehr nur ein Windelmädchen. Heute ist sie eine junge, gestärkte und elegante Dame, sehr hübsch und schön, mit einem Hauch an Eleganz.
Viele Menschen sind sich ihres eigenen Körpers überhaupt nicht bewusst, dadurch senden sie ständig Unsicherheit aus, der alle anderen Menschen dann oft nur verwirrt.
Aus Körperhaltung, Bewegung und Gesten, deuten Menschen halt zu oft, wen sie vor sich haben, Mädchen oder Junge, Freund oder Feind. Und wer selbst unklar und unsicher ist, gerät selber schneller in Angst und Panik.
Was auch immer Frau Schneider da gerade machte und erzählte – sie machte mir wirklich Mut.
Gleichzeitig betonte sie aber auch, dass auch ich wirklich alles erlernen konnte und nichts befürchten musste. Sie war immer so freundlich und wollte sich einfach nur kümmern, auch um mich?
Trotz alledem, ich war nun wirklich kein Mädchen, bei der sie ihre große Erfahrung und Erfolge einfach anwenden konnte, oder konnte sie es doch?“ , dieser Gedanke blieb ungeklärt weiter in mir zurück.
„Wer anderen seinen Willen erklären und vermitteln kann, der braucht auch keine Angst zu haben.“
Auf mich, Julchen, wirkst du eher verunsichert. Wie Recht sie doch hatte, den Mut meine Vorstellung, ein Dasein als Vorschulmädchen zu leben, konnte ich noch nicht wirklich aussprechen.
Frau Schneider wirkte zufrieden, während ich weiter an Selbstzweifeln litt. Gleichzeitig schämte ich mich natürlich auch für meine bis hierher oft gestreckten Wahrheiten.
„Nie kannst du so leicht lernen als zu deiner Kinderzeit. Später, als Erwachsene, ist der Zugang und die Offenheit sehr schnell verbaut!“ „ Also dann, zeig es mir. Zeig mir, ob eine dieser Eigenschaften auf dich zutrifft. Ich bin wirklich sehr gespannt, Jule!“
Sie beschrieb glückliche, starke, sichere Kinder folgendermaßen: „kreativ, unschuldig, spontan, anpassungsfähig und frei von Unmut. Fast jedes Kind erkennt schnell zwischen echt und unecht“.
In mir machte sich wieder ein Gefühl breit, eines, welches ich seit langem erfolgreich verdrängt hatte.
Oft genug dachte ich, dass das weichlich, demütig, dienende ein Erbe meiner Mutter war. Ein besseres Gewissen hatte ich deshalb heute bei meiner Einkaufstour leider nicht gehabt. Frau Schneider übernahm immer mehr und gezielter die Kontrolle und kümmerte sich um Dinge meines kleinen Lebens, die eigentlich in die Hände guter Eltern gehörten.
Meine innerliche Angst und meine Bedenken bauten sich immer weiter ab. Dabei stieg meine Neugier und meine Glücksmomente ins unermessliche. Mein innerer Widerstand gegen meine eigenen Bedenken und den angehäuften Fragen lösten sich weiter langsam in Luft auf. Ich konnte und wollte auch nicht mehr gegen meine innere Überzeugung und Einstellung kämpfen.
KAPITEL X folgt schon bald……………………
Autor: Soe Lückel02 (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
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Wunderbarer Teil, bin so gespannt auf den nächsten Teil. LG
Hallo Petra,
danke für dein schönes Feedback.
Und natürlich dass es dir weiter genauso viel Spass macht, wie ich es beim Schreiben habe.
Liebe Grüße Soe
Ich danke dir das du an mich gedacht hast bei dieser geschichte
Ich habe ehrlich gesagt nicht mehr damit gerechnet das jemals nochmal ein teil kommt und er kam und es war mir wieder eine Freude diesen teil zu lesen.
Ich hoffe du hast wieder neuen Mut gefasst um diese geschichte endlich dem was ihr zusteht zu machen und dies ist es diese geschichte zu ende zu schreiben
Egal was andere sagen wie sie die geschichte finde
Ich finde sie nicht nur 10 von 10 sondern 100 von 10
Das ist eine geschichte wo man sich drin verlieren kann so viele Details und wer Geschichten liest sollte genug Vorstellungskraft haben um sich da hinein zu versetzen wer das nicht kann und nur dumme Kommentare schreibt
Glaube der sollte auf Seiten gehen wo es video Material gibt da geht das ganze schneller und ihr kommt schneller auf eure Kosten
Im diesen sinne nochmal danke und ich hoffe ich muss nicht nochmal so lange warten *grins*
Hallo liebe Jessica,
freue mich natürlich diebisch über deine Überbenotung!“ Diese Benotung hätte ich auch gern zu Schulzeiten gehabt…..*grins*….aber das ist eine andere Geschichte.
Wirklich warten musst du auf den zehnten Step nicht wirklich. Die Geschichte ist ja bereits gelebt und die Erzählung soweit geschrieben.
Ich habe mir natürlich die Frage gestellt, warum soll ich euch Leser*INNEN mit meiner Geschichte belästigen, wenn sie nicht lesefähig ist.
Die Zahlen 777 und 16:16 Uhr unter Kapitel 8 haben mich dann wieder geweckt.
Der Abstand war aber wohl nötig. Ich bleibe dran……und ganz bestimmt in kürzeren Abständen……
Ganz liebe Grüße von Soe
Dieser Teil der Geschichte sind 3,4 Sterne werd
Sorry für die so schlechte Bewertung.
Habe in letzter Zeit zu viele Spitzengeschichten gelesen
Schicksalhafter-ferienbeginn
JONAS
Kleine Maus mit großem Herz
…….
Hallo Julia-Jürgen,
immerhin Durchschnitt! * grins *Und jetzt weiß ich auch welche Geschichten vor mir auf der Hitliste stehen. Es wäre natürlich gelogen, wenn ich für mich nicht die „Eins-Plus“ sehr gerne abgeräumt hätte.
Deine Meinung und Kritik hilft mir dennoch, weil ich sie als Erstlingswerk schreibe. Danke dafür, denn hinter der Benotung bzw. Abstimmung, in der Summe, kann ich leider nie erkennen welche Zensur abgelegt wurde.
Mir bleibt in jedem Fall der Spaß daran erhalten.
Liebe Grüße Soe