Die neue Mitschülerin (21)
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Kapitel 21: Auch beste Freundinnen haben Geheimnisse
Wie es bei kurzen Mittagsschläfchen immer der Fall war, erstreckte auch der Mittagsschlaf, zu dem Anna und Chris sich geeinigt hatten, länger, als es ursprünglich geplant war. Erst durch den Ruf von Maria im Treppenhaus, mit dem sie sich ankündigte, wurden die beiden wach. „Und Patricia habe ich auch gleich mitgebracht, die ist mir gerade vor der Haustür über den Weg gelaufen!“, hörte Anna noch, ehe sie schnelle Schritte die Treppe hochkommen hörte. „Verdammt!“, sagte sie laut, „ich hab ja noch meine Windel an!“
„Und?“, antwortete Chris verschlafen, „wir haben uns doch gerade hingelegt? Da ist es doch normal, dass du eine an hast?“
„Ja, aber dann ist die nicht SO voll. Und glaub mir, Patricia kann das beurteilen. Und meinen Rock habe ich ja vorm Hinlegen ausgezogen…“, tat Anna ihre Panik kund, als es auch schon an der Tür klopfte. „Herein?“, antwortete sie mit leicht zittriger Stimme, als Patricia auch schon hereinkam.
„Oh, ist dir kalt?“, fragte sie, als sie ihre Freundin eine Decke über ihre Beine gezogen hatte.
„Nein, wir hatten uns nur kurz hingelegt gerade.“, antwortete Anna und hatte eine Idee, wie sie aus der Situation entkommen konnte. „Ich…ich geh mir kurz meine Windel ausziehen.“, sagte sie, nachdem ihr eingefallen war, dass sie sich ja vor Patricia diesbezüglich keineswegs verstecken musste.
„Klar, mach das.“, antwortete diese, bemerkte aber, was Anna etwas Angst bereitet hatte: „Ui, die ist aber voll für kurz hingelegt.“
Anna schaute beschämt zu Boden. Natürlich konnte man ihre Windel und auch deren Füllstand gut durch die Strumpfhose sehen.
„Ja…also gut, setz dich, ich glaube ich muss dir was erzählen. Hätte ich dir vermutlich auch schon lange erzählen können. Oder vielleicht müssen.“, setzte Anna an, wohlgemerkt, ohne vorher ins Bad zu gehen und sich die Windel auszuziehen.
„Lass mich raten.“, setzte Patricia an, „Du hast die Windel nicht erst zum Mittagsschlaf angezogen, oder?“
„Richtig“, sagte Anna, „die Wahrheit ist, dass ich sie mir angezogen habe, kurz nach dem du aus dem Haus warst.“ Chris war innerlich dankbar, dass sie ihn aus der Angelegenheit heraus ließ.
„Aber warum?“, wollte Patricia wissen.
„Naja…ehrlich gesagt, gefällt es mir an sich sogar, Windeln zu tragen?“, gestand Anna.
„Was? Wirklich?“, war Patricia völlig verblüfft, „Dass ich das nicht gewusst habe…“
„Wie denn auch?“, merkte Anna an. Patricia war nun völlig neugierig.
„Und weiter? Wie lange machst du das schon? Wie oft? Was sagt Chris dazu?“, sprudelte es nur so aus ihr hervor.
„Jetzt mach mal langsam.“, musste Chris ein bisschen lachen und nahm Anna zumindest die Antwort auf die letzte Frage ab: „Mir hat sie es direkt gesagt, als ich herausgefunden habe, dass sie nachts Windeln tragen muss. Und ich habe kein Problem damit. Ich liebe Anna, und das hat keinen Einfluss darauf.“
„Danke“, sagte diese leise, während sich Patricia für ihre etwas forsche Art entschuldigte.
„Also“, setzte Anna an, „angefangen hat es damit, dass ich mal am Wochenende gemerkt habe, dass es auch praktisch sein kann, Windeln zu tragen. Kennst du ja bestimmt, wenn du morgens aufwachst und pinkeln musst, aber nicht aufstehen willst, oder?“
„Klar.“, antwortete Patricia kurz angebunden.
„Irgendwann habe ich mir mal gedacht, ich könnte ja einfach die Windel benutzen und noch liegen bleiben. Das hat sich dann tatsächlich an freien Tagen ziemlich regelmäßig wiederholt.“, fuhr Anna fort.
„Ok. Aber das erklärt noch nicht, warum du jetzt eine so volle Windel trägst.“, machte Patricia auf die Unvollständigkeit der Erzählung aufmerksam.
„Ja…als meine Eltern dann angefangen haben, mich auch mal alleine zu Hause zu lassen, habe ich mir dann auch manchmal tagsüber oder schon früh abends eine Windel angezogen.“, füllte Anna diese Lücke.
„Also…du magst es wirklich?“, hakte Patricia nochmal nach.
„Ja, hab ich doch gesagt.“, gab Anna zurück, „Es ist halt wirklich praktisch, nicht zur Toilette zu müssen, wenn man gerade bequem im Bett oder auf dem Sofa liegt. Und ich mag auch das Gefühl, wenn sie nass ist…“
Patricia war immer noch merklich beeindruckt. Chris merkte, dass sie dieses Detail über Anna nicht erwartet hatte. Dennoch schaffte sie es, sich trotz ihrer Verwirrung angemessen zu verhalten: „Anna, ich finde es schön, dass du mir das erzählst. Nach all den Jahren als beste Freundinnen lernen wir uns immer wieder noch besser kennen. Und das war mutig gerade.“
Die beiden Mädchen umarmten sich eine lange Zeit, bis Chris gespielt unsicher fragte: „Also…ich geh dann mal?“
„Doofkopf.“, sagte Anna nur, „bleib hier! Ich…ich ziehe mir jetzt aber wirklich mal die Windel aus.“ Mit diesen Worten ging sie ins Bad und zog ihren Rock wieder über die Strumpfhose.
„Anna, ich möchte dir auch noch etwas anvertrauen.“, fing Patricia an, als ihre beste Freundin wiederkam, „Chris darf das gerne auch hören.“
„Dann erzähl. Wie war überhaupt dein Tag mit Pia?“, war Anna neugierig geworden.
„Super, ich habe einiges gekauft.“, zeigte sie zunächst ihre Errungenschaften in Form der zwei Jeans, der Bluse und eines Paars Schuhe. „Aber das interessiert dich wohl eher weniger, oder?“
„Richtig.“, lachte Anna.
„Also…Pia und ich waren mittags in einem Café und haben uns gegenseitig erzählt, wie wir dich kennengelernt haben.“, erzählte Pia weiter, was Anna die Augen aufreißen ließ.
„Du hast aber nicht…?“, fragte sie in einem unvollständigen Satz.
„Nein, keine Angst. Also ich habe Pia schon im Grunde die Wahrheit erzählt. Aber das ein oder andere Detail vielleicht weggelassen.“ Patricia betonte das vorletzte Wort besonders, sodass Anna sich wieder beruhigen konnte. Sie hatte verstanden.
„Was ich aber eigentlich aufrichtig erzählen möchte…“, setzte Patricia an, „ich hab eine von Pias Zigaretten probiert…“
„Was!?“, reagierten Chris und Anna gleichzeitig.
„Und…?“, fragte Anna danach vorsichtig.
„Naja, beim ersten Zug musste ich ziemlich husten. Pia hat sich darüber sehr amüsiert. Danach ging es besser. Später habe ich dann noch eine ganze geschafft und musste dabei nur einmal husten…ich weiß nicht, irgendwie reizvoll, was Verbotenes zu tun. Und irgendwie eine Sache, die man glaube ich mal ausprobiert haben muss, ähnlich wie Bier trinken.“, führte Patricia aus.
„Oh…und…wie schmeckt das?“, wollte Anna wissen.
„Naja, es ging. Also ich kann verstehen, wenn man sagt, man raucht aus Genuss. Wahrscheinlich ähnlich wie Kaffee. Wenn man das erste Mal einen Schluck probiert, schmeckt der wahrscheinlich den Wenigsten. Aber der zweite und dritte schon besser.“, gab Patricia ihre Gedanken preis.
„Verstehe…du willst jetzt aber nicht anfangen zu rauchen, oder?“, stirnrunzelte Anna.
„Nee…erstens habe ich dafür nicht genug Geld, zweitens ist es ungesund, drittens hätte ich dann ein ziemliches Problem mit meinen Eltern. Aber hin und wieder auf einer Party eine zu rauchen dürfte ja nicht so schlimm sein.“, beruhigte Patricia sie.
„Hm…da hast du wahrscheinlich recht.“, antwortete Anna, auch wenn sie noch nicht ganz überzeugt davon wir. Patricias Erzählungen reizten sie, es allerdings mal zu probieren irgendwann. Kleine Dummheiten machen gehörte ja schließlich auch zum Leben dazu, fand sie.
„Ehm…Patricia?“, fragte Chris plötzlich.
„Ja?“
„Darf ich was fragen? Zum Thema Windeln?“, setzte Chris nach.
„Oookay? Was willst du wissen?“, fragte sie etwas verwundert.
„Ehm…also wenn du nicht willst, ist das auch ok.“, gab Chris von sich.
„Frag doch einfach. Ich weiß, wir kennen uns noch nicht so lange, aber du hast bestimmt schon gemerkt, dass ich insgesamt ein sehr offener Mensch bin, oder?“, lächelte Patricia.
„Ja…stimmt. Trotzdem, wenn ich zu persönlich werde…“, kam Chris immer noch nicht zum Thema.
„Dann werde ich dir schon ist Wort fallen, dich anschreien, und in dein bestes Stück treten, in Ordnung?“, fragte Patricia.
„Schon klar.“, verstand Chris die Ironie, „Du hast Anna ja so richtig auf der Klassenfahrt kennengelernt, weil ihr beide Windeln tragen musstet.“
„Ja. Aber das wird Anna dir bestimmt ja schon erzählt haben.“, beantwortete Patricia das Offensichtliche.
„Ja, hat sie. Ich bin nur neugierig…musst du immer noch nachts Windeln tragen?“, fiel Chris dann mit der Tür ins Haus.
„Ja…leider…würde gerne drauf verzichten.“, antwortete Patricia.
„Warst du wie Anna zwischendurch mal trocken?“, fragte Chris sie weiter aus.
„Nein. Ich kenne es gar nicht, ohne Windel zu schlafen.“, kam die nächste Antwort.
„Weißt du, woran das liegt?“, bohrte Chris weiter.
„Ja. Mein Kinderarzt hatte damals eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur diagnostiziert. Hatte dann Physiotherapie bekommen, dadurch wurde es auch besser, also ich hatte auch mal trockene Nächte. Aber jede zweite Nacht war meine Windel trotzdem nass. Das hat mich dann ziemlich schnell demotiviert.“, plauderte Patricia aus dem Nähkästchen.
„Verstehe…wie gehst du insgesamt damit um?“, gab Chris weiter den Interviewer.
„Ich habe es akzeptiert, wie es ist, falls es das ist, was du meinst. Wie gesagt, ich wäre froh, könnte ich ohne Windel nachts schlafen. Aber ändern lässt es sich eh nicht.“, gab sich Patricia etwas resigniert.
„Versuch’s doch nochmal mit der Physio.“, schlug Chris vor, „wer weiß, vielleicht hilft das ja jetzt? Ich meine, du wirst ja in den letzten Jahren bestimmt gewachsen sein, oder?“
„Klar…Weißt du, eigentlich wäre wohl wirklich mal wieder einen Versuch wert, danke für die Idee.“, freute sich Patricia. Zum ersten Mal war sich Chris sicher, dass sie ihn schätzte.
Anna wirkte hingegen zum Ende des Dialogs etwas niedergeschlagen.
„Hey, Süße“, beschwichtigte Patricia sie, als sie dies bemerkte, „egal, was bezüglich Windeln passiert oder nicht: Wir bleiben beste Freundinnen, versprochen?“
Anna konnte sich eine Träne nicht verkneifen, brachte aber trotzdem ein deutlich vernehmbares „Ok“, hervor, bevor sich die Mädchen in die Arme fielen.
„Und auch falls ich wider Erwarten trocken werden sollte: Du kannst immer zu mir kommen und so viele Windeln tragen, wie du willst und musst. Auch tagsüber.“, versprach Patricia, was Anna nun tatsächlich zum Weinen brachte, allerdings aus Freude, sich so auf ihre beste Freundin verlassen zu können.
„Eine Frage habe ich noch, wenn ich darf.“, versuchte Chris, das Gespräch weiterzuführen, als Anna sich wieder gefangen hatte, und blickte dabei bewusst beide Mädchen an, die beide nickten.
„Wer weiß davon, dass du Windeln tragen musst?“, wollte er wissen.
„Naja, meine Eltern, Anna und meine Geschwister. Das war’s tatsächlich. Aber vermutlich wird sich das nächstes Schuljahr ändern, da gibt’s eine Kursfahrt mit Übernachtung…“, antwortete Patricia.
„Hast du Angst davor?“, fragte Chris weiter.
„Du durftest aber nur eine Frage stellen.“, entschloss sich Patricia zum Klugscheißen, ehe sie doch antwortete: „Naja…nicht wirklich. Ich glaube, ich habe ein gutes Ansehen in meiner Stufe. Und ich kann mich gut durchsetzen, wie du vorgestern gemerkt hast.“
„Oh, stimmt.“, musste Chris feststellen, „dann drück ich die Daumen, dass das gut geht.“
„Wird es.“, versicherte Patricia.
Chris blieb noch zum Abendessen, anschließend gingen die drei wieder in Annas Zimmer. Zu dritt spielten sie noch eine Runde Mario Kart, aber schnell musste Patricia feststellen, dass sie keine Chance hatte. Im Anschluss ging sie unter die Dusche, Chris wollte sich gerade verabschieden, als Anna nochmal ihren ganzen Mut zusammennahm: „Chris…kannst du mir noch einen Gefallen tun?“
„Klar, was denn, Schatz?“, fragte er nach.
„Kannst du…mich wickeln?“, wünschte sich Anna. Damit hatte Chris nicht gerechnet, er stimmte aber zu.
„Ich hoffe, ich habe heute nichts falsch gemacht?“, wollte Chris wissen, nachdem er Anna ihre Windel angelegt hatte.
„Wie kommst du drauf?“, hakte sie nach.
„Naja…mein Ausfragen von Patricia hat dich ja doch ein bisschen mitgenommen.“, tastete sich Chris an einen möglichen Konflikt heran.
„Hm…ja, schon ein bisschen…aber alles gut. Ich verstehe, dass du neugierig bist. Und dass Patricia so offen antwortet…naja, ist eben Patricia.“, lachte Anna.
„Ich glaube, wir können mit dem Tag heute zufrieden sein. Wir sind uns alle näher gekommen und haben glaube ich gemerkt, dass wir uns aufeinander verlassen können. Also vor allem wir beide und du und Patricia.“, sprach Chris seine Gedanken laut aus.
„Ja, stimmt wohl. Und ich merke, dass Patricia dich auch sehr mag.“, fügte Anna hinzu.
„Sicher? Bin ich mir noch nicht ganz. Ich meine, woran merkst du das?“, wollte Chris wissen.
„Ich bin mir sicher: Alleine schon, dass du mein Freund bist und ich mit dir glücklich bin. Eine Sache würde Patricia nicht offen zugeben: Nämlich, dass sie sich sehr um mich sorgt, wie eine große Schwester. Einfach, dass ich mit dir glücklich bin, tut ihr auch sehr gut.“, erklärte Anna.
„Oh, das merkt man wirklich nicht.“, stellte Chris fest.
„Tut man auch nicht. Patricia ist zwar sehr aufrichtig und offen, aber sie kann auch gut verbergen, was andere nicht wissen sollen.“, ergänzte Anna.
„Hm…ich glaube, ich geh dann mal.“, sagte Chris, „danke für den schönen Tag. Ich liebe dich.“
„Ich dich auch.“, erwiderte Anna Chris‘ Worte, seine Umarmung und seinen Kuss. „Gute Nacht und bis bald.“
„Ich finde allein raus, bleib ruhig hier. Dann musst du mit der Windel nicht runter.“, entlastete er seine Freundin und verabschiedete sich. Er klopfte noch kurz an der Badezimmertür, hinter der die Dusche nicht mehr zu hören war und rief noch „Ciao, Patricia. Gute Nacht.“, was mit einem „Gute Nacht“ quittiert würde. Auf vergleichbare Weise entschied er sich noch von Maria, Rudolf und Nala und wies Annas Eltern darauf hin, dass sie und Patricia sich bereits bettfertig gemacht hatten, aber sicherlich noch aufbleiben würden.
Autor: Theseus (eingesandt via E-Mail)
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