Die neue Mitschülerin (27)
Windelgeschichten.org präsentiert: Die neue Mitschülerin (27)
Kapitel 27: Persönliche Krisen
Am Samstag blieb es wie geplant bei der Verabredung, die Anna mit Tamara hatte. Wie abgesprochen klingelte Anna um 14 Uhr an der Tür ihrer Freundin, die ihr wenige Momente später öffnete.
„Komm rein.“, begrüßte Tamara Anna mit einem Lächeln.
„Was ist mit dir?“, fragte sie weiter, als die beiden sich auf das Sofa in Tamaras Zimmer gesetzt hatten und Tamara den Eindruck hatte, dass Anna mit den Gedanken woanders war.
„Nichts. Was soll sein?“, fragte Anna.
„Ach komm, du brauchst mir nichts vormachen. Ich merke doch, dass dich irgendwas ziemlich beschäftigt.“, sagte Tamara einfühlsam und nahm Annas Hand. Diese blickte ihre Freundin an und erklärte: „Ja gut. Also es ist nichts schlimmes, aber ich habe das heute Morgen mit Chris und meinen und seinen Eltern schon durchdiskutiert.“
„Das klingt ja doch nach was Großem, wenn ihr sogar eure Eltern zusammenholt.“, merkte Tamara an, „Willst du nicht doch erzählen?“
„Muss wohl sein, oder?“, fragte Anna, immer noch nicht überzeugt.
„Kennst mich ja.“, lächelte Tamara.
„Ok, die Kurzfassung: Meine beste Freundin Patricia war ja Anfang der Ferien hier und wir waren zusammen mit Chris im Park unterwegs. Wir sind gerade auf einen Schleichweg eingebogen und haben gesehen, wie ein Mann einer älteren Frau die Handtasche aus der Hand gerissen hatte.“, konnte Anna erzählen, ehe sie unterbrochen wurde.
„Was?“, war Tamara schockiert, „das wusste ich ja noch gar nicht, dass ihr das ward. Ich hatte nur in der Zeitung gelesen, dass ein Räuber von drei jungen Leuten aufgehalten und dingfest gemacht wurde. Ist euch irgendwas passiert?“
„Nein. Also, ja, Patricia jetzt irgendwie doch.“, bemühte sich Anna, den Faden wiederzufinden.
„Was meinst du?“, wollte Tamara wissen.
„Ehm…also ja, der Mann hatte die Handtasche und wollte fliehen. Patricia hat mit ihrer Handtasche gegen seinen Kopf geschlagen und die Überraschung genutzt, um ihn festzuhalten, bis die Polizei kam.“, erzählte Anna weiter.
„Wow, nicht schlecht.“, kommentierte Tamara, „aber warum beschäftigt dich das ausgerechnet heute?“
„Patricia hat heute Morgen angerufen. Der Idiot hat die doch tatsächlich wegen Körperverletzung angezeigt.“, beantwortete Anna die Frage.
Tamara klappte die Kinnlade herunter und konnte offensichtlich keine passenden Worte finden. Einige Augenblicke dauerte es, ehe sich dies änderte.
„Das ist ja nicht zu glauben.“, sagte Tamara schließlich kopfschüttelnd, „Kann ich irgendwas für dich oder für euch tun?“
„Naja, ich glaube aktuell nicht. Chris und ich warten erstmal, ob für uns auch noch irgendwas kommt und Patricias Eltern kümmern sich um einen Anwalt.“, erläuterte Anna die aktuelle Situation.
„Na dann…ok…ich hoffe, das geht gut aus.“, ermutigte Tamara ihre Freundin.
„Hoffe ich auch…“, antwortete Anna.
„Weswegen wolltest du dich eigentlich ursprünglich mit mir treffen heute?“, wechselte Tamara schließlich das Thema.
„Kannst du dir denken, oder?“, suggerierte Anna, „wie in der Schule schon gesagt, lange halte ich den Zwist zwischen dir und Pia nicht aus. Und wenn ich vermitteln muss, vermittle ich halt.“
„Ja…natürlich habe ich mir das schon gedacht.“, seufzte Tamara.
„Möchtest du zuerst erzählen. Also, was du am Montag meintest?“, fragte Anna einfühlsam.
„Weiß nicht…“, war Tamara unsicher.
„Komm schon, ich bin für dich da. Und wenn du drauf bestehst, behalte ich natürlich alles für mich.“, versicherte Anna.
„Na gut, vielleicht muss das einfach raus.“, vermutete Tamara und wurde von einem herzlichen Nicken Annas weiter ermutigt.
„Also…ich fang mal bei Pia an. Dass es ihr absolut beschissen ging und auch immer noch geht, ist ja offensichtlich. Und dass ich dann als ihre Freundin für sie da bin, ist ja genau so selbstverständlich. Also, als ich im Urlaub war halt nicht. Aber danach habe ich ihr nicht einmal abgesagt und mir mehrfach die Geschichte mit Ben angehört, ihr Ratschläge gegeben und war halt für sie da.“, erzählte Tamara.
„Ja ok. Aber das ist ja nicht das Problem.“, merkte Anna an.
„Ja…du hast Recht. Ganz ehrlich: Mir geht es aktuell auch nicht so unglaublich gut. Und da finde ich darf ich auch mal Pia davon erzählen und sie darf dann auch mal für mich da sein.“, fuhr Tamara fort, während es ihr zunehmend schwer fiel, ihre Tränen zurückzuhalten.
„Was auch immer es ist: Hast du mit jemandem schon drüber geredet?“, fragte Anna.
„Nein…“, antwortete Tamara und schluchzte.
„Dann erzähl es mir. Wie gesagt, ich bin für dich da.“, ermutigte Anna ihre Freundin. Tamara brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und zeigte Anna zuerst ihre Dankbarkeit.
„Egal, was ich erzähle, denk bitte nicht schlecht von Pia.“, zögerte Tamara ihre Erzählung allerdings weiter heraus.
„Warum sollte ich?“, wunderte Anna sich.
„Weil ich vielleicht nicht unbedingt ganz fair sein werde…“, erklärte Tamara mit leicht zittriger Stimme.
„Alleine dass du das schon ansprichst…ich finde, das ist sehr fair.“, merkte Anna an.
„Hm…danke.“, hauchte Tamara mit einem kurzen Lächeln.
„Also – dann los?“, blieb Anna nicht locker und lächelte zurück.
„Ok…ich weiß nicht, wie sie mit dir darüber geredet hat, wenn überhaupt oder wie das sonst bei dir angekommen ist. Seit sie in Ben verschossen war, war das ihr Hauptthema. Teilweise dachte ich, sie hätte überhaupt keine anderen Interessen mehr.“, begann Tamara, auszuführen.
„Ist jetzt nichts Ungewöhnliches, würde ich sagen, oder?“, ging Anna sicher, ob die Vorstellungen der beiden Mädchen diesbezüglich übereinstimmten.
„Keine Ahnung. Ich hab mich halt noch nie verliebt, kann da gar nicht so viel zu sagen.“, gab Tamara zurück.
„Echt nicht? Also nicht mal so ein bisschen, dass du jemanden süß fandest?“, hakte Anna erstaunt nach.
„Weiß nicht…ich würde sagen nein.“, antwortete Tamara schulterzuckend und erzählte weiter: „Also…vielleicht doch. Aber so ein Gefühl dass ich irgendwas mit einem Jungen wollte – oder auch einem Mädchen – kenne ich nicht, so wie Pia mit Ben und du mit Chris das wohl hast. Naja, und Pia hat halt immer weiter erzählt und sich dann auch darüber gewundert, wenn sie mich mal gefragt hat. Und ehrlich: Auch wie toll Ben immer ist, Ben hier, Ben da, hat genervt, gerade als sie frisch zusammen waren.“
„Kann ich mir vorstellen…ich hoffe, ich bin da nicht so schlimm…“, zeigte Anna sich einfühlsam. „Nee, tatsächlich nicht. Du und Chris seid aber auch nicht so extrovertiert wie Pia.“, beruhigte Tamara Annas leichte Befürchtungen.
„Erzählst du noch weiter?“, fragte Anna schließlich.
„Jetzt wo ich mal angefangen habe, muss ich ja wohl…naja, wie Pia so ist hat sie auch immer ganz offen über ihre Beziehung geredet und auch mit ein paar Details, was sie so im Bett gemacht haben. Das fand ich irgendwie abstoßend ehrlich gesagt. Hab ich auch Pia so gesagt…“, berichtete Tamara.
„Wie hat sie darauf reagiert?“, wollte Anna wissen.
„Ich glaube, sie meinte es nicht so. Aber sie hat gesagt ‚Das ist doch nicht normal. Du bist 16 und nicht 6.‘ Fand ich aber trotzdem ziemlich daneben. Aber irgendwie hab ich darüber nachgedacht…“, erzählte Tamara und sorgte bei Anna durchaus für einen kleinen Schock.
„Wow…also dass Pia forsch ist, weiß ich ja, aber das sie sowas sagt…“, versuchte Anna, sich zu ordnen, „aber was meinst du damit, du hättest darüber nachgedacht?“
Tamara atmete tief durch und blickte Anna nun direkt in die Augen: „Sei bitte ehrlich: Findest du mich normal? Findest du das normal, dass ich mit fast 17 noch nie verknallt war?“
Anna spürte die Angst, die in Tamaras Stimme lag und glaubte auch, eine Träne in ihrem rechten Auge zu erkennen. Ganz sicher war sie aber nicht, ob sie sich das vielleicht auch nur einbildete. Sie antwortete: „Was heißt schon normal?“
„Ich weiß, was du damit meinst…“, reagierte Tamara, „aber das hilft mir gerade auch nicht weiter.“
„Entschuldige“, gab Anna zurück und lächelte, „Ich kann dir versichern, egal, worauf wir uns gleich einigen, also ob du normal bist, oder nicht, ich mag dich als Freundin.“
Tamara boxte Anna leicht in die Schulter, konnte aber die Situation auffangen: „Danke. Aber jetzt ehrlich: Was denkst du darüber?“
„Mir fällt tatsächlich gerade was aus Pädagogik ein.“, begann Anna.
„Wirklich, aus der Schule?“, war Tamara verwundert.
„Ja…du hattest Pädagogik nicht gewählt letztes Jahr, oder?“, fragte Anna nach.
„Nee“, antwortete Tamara, „aber was ist dir denn eingefallen?“
„Wir hatten mal über Erwachsenwerden gesprochen. Und vor allem, was Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsenenleben typischerweise so alles durchmachen. Und dazu gehört halt auch, Erfahrungen mit Liebe, Sexualität und so.“, erzählte Anna.
„Also findest du mich auch nicht normal?“, fragte Tamara und konnte ihre Erschütterung kaum verbergen.
„Nein, nein, im Gegenteil!“, reagierte Anna schnell, als sie merkte, dass sie Tamara versehentlich auf den falschen Weg geleitet hatte, „wir haben auch darüber gesprochen, dass nicht alle Jugendliche diese typischen Erfahrungen machen. Wie genau wir dann darauf kamen, weiß ich nicht, aber was du von dir erzählt hast, klingt das für mich, als könntest du asexuell sein, vielleicht auch aromantisch. Und du weißt: Da ich studierte Diplompsychologin bin…“
Bei Annas letzten Worten musste Tamara lachen. „Was heißt das denn? Also die Begriffe?“, fragte Tamara nach und hatte bereits merklich an Selbstsicherheit zurückerlangt.
„Also asexuell bedeutet, dass man kein Interesse an…du weißt schon hat. Und aromantisch, wenn ich das richtig verstanden habe, bedeutet dass man keine romantischen Gefühle für andere hat und vielleicht auch gar nicht haben kann.“, erklärte Anna und merkte, dass Tamara ein Licht aufging. Sie fuhr fort: „Und ich denke mal, verlieben kann man nicht erzwingen. Aber wenn es bei dir nicht passiert, könnte das eine Erklärung sein. Und eine andere natürlich, dass du noch nicht die richtige Person zum Verlieben gefunden hast.“
„Wow…“, war Tamara mit den Informationen merklich überfordert, „ich…ich weiß nicht was ich sagen soll…“
„Worte vielleicht?“, konnte Anna zum wiederholten Mal Ironie nicht zurückhalten.
„Ach…“, reagierte Tamara entsprechend, „also…das klingt schon brauchbar. Aber ich glaube, da muss ich in Ruhe drüber nachdenken und das verarbeiten. Und sicher auch selbst nochmal genauer einlesen.“
„Klar, das verstehe ich. Das ist sicherlich sehr viel für dich.“, zeigte Anna Empathie.
„Anna, wirklich: Danke. Du hast mir wirklich geholfen, mit mir selbst klarzukommen, auch wenn ich das noch nicht verarbeiten kann.“, bedankte Tamara sich.
„Gerne. Freut mich, wenn ich helfen kann. Das klang gerade so, als wolltest du mich höflich rausschmeißen?“, fragte Anna nach.
„Naja…also…“, druckste Tamara herum, „also…nein…na, doch, ja. Ich glaube ehrlich gesagt, ich könnte jetzt Zeit allein gebrauchen.“
„Alles gut, ich bin dir doch nicht böse.“, lächelte Anna und machte sich bereit, Tamaras Zimmer und auch das Haus zu verlassen. „Wenn du weiter jemanden zum Reden brauchst, sag Bescheid. Wie gesagt, ich bin für dich da.“
Tamara fiel Anna um den Hals, die beiden Mädchen umarmten sich fast eine halbe Minute lang. Als sie sich lösten, musste Tamara sich eine Träne aus dem Gesicht wischen. Sie bedankte sich noch einmal und brachte Anna zur Tür.
Autor: Theseus (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
Suche
Weitere Teile dieser Geschichte
- Die neue Mitschülerin (46)
- Die neue Mitschülerin (45)
- Die neue Mitschülerin (44)
- Die neue Mitschülerin (43)
- Die neue Mitschülerin (42)
- Die neue Mitschülerin (41)
- Die neue Mitschülerin (40)
- Die neue Mitschülerin (39)
- Die neue Mitschülerin (38)
- Die neue Mitschülerin (37)
- Die neue Mitschülerin (36)
- Die neue Mitschülerin (35)
- Die neue Mitschülerin (34)
- Die neue Mitschülerin (33)
- Die neue Mitschülerin (32)
- Die neue Mitschülerin (31)
- Die neue Mitschülerin (30)
- Die neue Mitschülerin (29)
- Die neue Mitschülerin (28)
- Die neue Mitschülerin (27)
- Die neue Mitschülerin (26)
- Die neue Mitschülerin (25)
- Die neue Mitschülerin (24)
- Die neue Mitschülerin (23)
- Die neue Mitschülerin (22)
- Die neue Mitschülerin (21)
- Die neue Mitschülerin (20)
- Die neue Mitschülerin (19)
- Die neue Mitschülerin (18)
- Die neue Mitschülerin (17)
- Die neue Mitschülerin (16)
- Die neue Mitschülerin (15)
- Die neue Mitschülerin (14)
- Die neue Mitschülerin (13)
- Die neue Mitschülerin (12)
- Die neue Mitschülerin (11)
- Die neue Mitschülerin (10)
- Die neue Mitschülerin (9)
- Die neue Mitschülerin (8)
- Die neue Mitschülerin (7)
- Die neue Mitschülerin (6)
- Die neue Mitschülerin (5)
- Die neue Mitschülerin (4)
- Die neue Mitschülerin (3)
- Die neue Mitschülerin (2)
- Die neue Mitschülerin
- Die Neue Mitschülerin (47)
- Die neue Mitschülerin (48)
Archiv
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Tobi bei Florians Schatten (4)
- Michael Two bei Zwischen gestern und Morgen (21)
- Michael Two bei Florians Schatten (4)
- Joerg Zach bei Niko (4)
- Phil bei Florians Schatten (4)
- Jojo bei Florians Schatten (4)
- Oliver bei Zwischen gestern und Morgen (21)
- Ralf Müller bei Zwischen gestern und Morgen (21)
Echt Super Geschichte.
Finde schön wie sie ausgeschrieben ist und man sich in die Personen einfühlen kann.
Bin echt gespannt wie es weiter geht.