Die neue Mitschülerin (33)
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Kapitel 33: Kleine Veränderungen
„Also, du kommst dann nach der Schule zu mir?“, vergewisserte Anna sich noch einmal.
„Ja, wie verabredet. Ich fahr zum Mittagessen nach Hause und dann komme ich rüber.“, entgegnete Chris.
„Sehr schön. Dann bis heute Nachmittag würde ich sagen.“, fasste Anna zusammen und gab Chris einen Kuss. Dieser erinnerte sich wieder: Anna war nach der zweiten Stunde beurlaubt, weil sie einen Termin beim Zahnarzt hatte. Und da sie in den ersten beiden Stunden in unterschiedlichen Kursen waren, würde Chris seine Freundin tatsächlich nicht nach dem Unterricht im Bus sehen. Gegen 14.30 Uhr drückte er also das Klingelschild mit der Aufschrift Schneefeld, wie er es unzählige Male in den letzten Wochen und Monaten getan hatte. Es dauerte nur einen kurzen Moment, da öffnete Maria ihm die Tür.
„Oh hi, bist du heute gar nicht arbeiten?“, wunderte sich Chris etwas. Normalerweise waren Annas Eltern um diese Uhrzeit noch nicht daheim.
„Hi Chris, komm rein. Ich habe heute meinen freien Tag, war ganz praktisch, da konnte ich heute Vormittag Anna zum Zahnarzt begleiten.“, erklärte Maria, während Chris die Hälfte seiner Aufmerksamkeit der über sein Erscheinen erfreuten Hündin widmete.
„War das eigentlich irgendwas Schlimmes? Ich meine…mich wundert es, dass Anna fast den ganzen Tag in der Schule beurlaubt wurde?“, fragte Chris.
Maria lächelte. „Nein. Aber das kann sie dir ja gleich selbst erzählen.“, erklärte sie. Also machte Chris sich auf den Weg nach oben und erhielt ein „Herein!“ von Anna als Antwort, als er an ihrer Tür klopfte. Als er im Türrahmen stand, lächelte sie und stand von ihrem Bett, in das sie sich zum Lesen halb gelegt, halb gesetzt hatte, auf. Das Buch legte sie mit dem Cover nach Oben auf ihren Schreibtisch und begrüßte ihren Freund mit einer Umarmung und einem innigen Kuss.
„Schön, dass du da bist.“, sagte sie und lächelte.
„Finde ich a…“, begann Chris, dem auffiel, dass irgendetwas an Anna anders war.
„Deine Zahnspange ist raus!“, stellte er nach einer gefühlten Ewigkeit, die tatsächlich nur wenige Sekunden dauerte, fest. „Das hast du mir ja gar nicht gesagt.“
„Sollte eine kleine Überraschung werden.“, lächelte Anna wieder. Chris konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. An ihr neues Lächeln würde er sich wohl gewöhnen müssen, auch wenn er fand, dass es keineswegs schlechter aussah als ihr Lächeln mit Zahnspange. Irgendwie auch nicht besser, sondern nur anders.
„Die Überraschung ist dir gelungen. Ähm…Glückwunsch? Oder so? Keine Ahnung, sagt man da irgendwas Bestimmtes?“, fragte Chris.
„Keine Ahnung. Gute Frage.“, rätselte Anna mit, „Aber danke auf jeden Fall trotzdem. Ist ein schönes Gefühl, muss ich sagen.“
„Kann ich mir vorstellen. Wie lange musstest du die eigentlich tragen?“, wollte Chris wissen.
„Puh…ehm…“, lachte Anna verschmitzt, „ich glaube, ich hab die bekommen, als ich in der achten war, müssten also über drei Jahre gewesen sein. Wurde auch mal Zeit, dass die raus kommt. Eeeeeendlich wieder Kaugummi kauen!“
„Geht das mit Zahnspange nicht?“, staunte Chris über diese Worte.
„Naja, gehen tut das schon. Wurde mir aber quasi verboten, weil das die Spange beschädigen kann.“, erklärte Anna.
„Ah, ok, das ergibt irgendwie Sinn.“, befand Chris.
„Komm setz dich.“, forderte Anna ihn auf. Nachdem er auf dem Sofa saß, setzte Anna sich auf seinen Schoß und legte ihre Arme um seinen Hals.
Irgendetwas fühlte sich anders an, war sich Chris sicher, als Anna auf seinem Schoß saß. Irgendetwas war anders als sonst.
„Hast du eine Windel an?“, fragte Chris verwundert.
„Jap.“, antwortete Anna knapp. Er hatte nicht explizit drauf geachtet, aber unter dem Kleid, das sie heute trug, hätte er eine Windel ohnehin nicht erkennen können. Zumindest aus einem normalen Blickwinkel.
„Obwohl deine Mutter da ist?“, hakte Chris nach.
„Jap.“, lautete die knappe Antwort identisch.
„Irgendwas hab ich verpasst, oder?“, schlussfolgerte Chris.
„Durchaus.“, lachte Anna freudig darüber, dass ihr dieser kleine Streich gelungen war.
„Dann erzähl mal.“, war es nun an Chris, eine Forderung zu stellen.
„Ok, also ich hab mich ja Donnerstag mit Pia und Tamara in der Stadt getroffen.“, fing Anna an.
„Genau, die beiden haben sich irgendwie wieder versöhnt, hattest du geschrieben.“, erinnerte Chris sich.
„Korrekt. Pia hatte dann die Idee, auf diese neue Freundschaft“, setzte Anna fort und malte beim Wort neue mit ihren Händen Anführungszeichen in die Luft, „anzustoßen. Haben wir dann am Freitag gemacht. Und ich hab bei Pia übernachtet.“
„Was?“, kam Chris nicht mehr aus dem Staunen heraus.
„Ja, richtig gehört. Also Pia hatte die Idee schon am Donnerstag. Ich hab entschieden, dass es Zeit ist, meine Karten offen auf den Tisch zu legen. Als wir uns aus der Stadt auf den Heimweg gemacht haben, sind wir erst noch zu mir gefahren und ich habe ihnen den Inhalt der Schublade gezeigt.“, berichtete Anna weiter.
„Finde ich super.“, lächelte Chris, „Mutig von dir.“
„Naja,“ reagierte Anna etwas verlegen, „es wurde auch mal Zeit. Die Ausrede, dass meine Eltern mir das verbieten ist langsam aber sicher über.“
„Wie haben die beiden denn reagiert?“, wollte Chris wissen.
„Nicht so neugierig wie du.“, lachte Anna.
„Das wäre glaube ich auch schwer zu toppen gewesen.“, antwortete Chris verlegen.
„Wahrscheinlich. Also sie waren total verständnisvoll und haben auch ein paar Sachen gefragt, also ob ich schon immer nachts Windeln tragen muss und wie sich das anfühlt und so weiter. Ich habe dann auch alle Karten auf den Tisch gelegt und gesagt, zu welchen praktischen Zwecken ich noch gerne meine Windeln nutze.“, erzählte Anna.
„Wow…das…das ist echt mutig von dir.“, lobte Chris seine Freundin.
„Danke.“, lächelte diese, „Daraus entstand dann aber ein kleines Problem. Keine Angst, das hat sich mittlerweile gelöst.“
„Was denn? Waren die davon dann doch nicht so…naja…angetan?“, fragte Chris, wobei es nun an ihm war, Anführungszeichen in die Luft zu malen.
„Was?“, verlor Anna kurz den Gesprächsfaden, „Nein, mit Pia und Tamara hat das nichts zu tun. Aber meine Mutter hatte das zufällig mitbekommen und mir gestern beim Abendessen sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir haben offen miteinander geredet und naja, sind zu dem Ergebnis gekommen, dass meine Eltern es prinzipiell gut finden, dass ich einen Weg für mich gefunden habe, mit meinem nächtlichen Problem umzugehen. Ich hatte das Gefühl, dass der Weg, den ich gefunden habe, ihnen nicht so gefällt, aber sie akzeptieren es. Das heißt, sie wissen, dass ich auch gelegentlich mal am Tag eine Windel trage und ich brauche mir keine Sorgen zu machen, dass sie das merken.“
„Cool. Hast du…?“, setzte Chris zu einer weiteren Frage an.
„Nein, dich habe ich da rausgelassen.“, flüsterte Anna und blickte zur Tür, so als würde jeden Moment ihre Mutter hereinstürmen. „Ich habe nur erzählt, dass du davon weißt.“, flüsterte sie weiter.
„Danke.“, senkte auch Chris die Lautstärke seiner Stimme. „Was meinst du damit, dass der Weg ihnen nicht so gefällt?“, fragte er nun wieder mit normaler Stimme.
„Naja…Windeln sind nicht gerade super billig…“, fing Anna mit einer Erklärung an.
„Hab ich nie drüber nachgedacht. Klingt aber logisch.“, erwiderte Chris.
„Also die Krankenkasse zahlt einen Zuschuss, aber der ist eigentlich ein Witz. Den Großteil müssen wir selbst zahlen. Wie auch immer. Habe dann mit meinen Eltern einen Deal geschlossen.“, kommentierte Anna und forderte Chris indirekt auf, weiter zu fragen.
„Was für einen Deal?“, wollte er wissen.
„Dass sie mir die sozusagen zusätzlichen Windeln bezahlen. Aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht anfange zu rauchen.“, antwortete Anna.
„Das sollte ja wohl kein Problem sein.“, kommentierte Chris.
„Also…ähm…naja, die Ironie daran ist, dass ich das am Freitag bei Pia mal probiert habe…“, erzählte Anna, unsicher, wie Chris darauf reagieren würde.
„Rauchen?“, hakte er nach, woraufhin Anna nickte.
„Okay…“, sagte Chris nur, „das heißt, der Deal mit deinen Eltern ist schon geplatzt?“
„Nein, zum Glück nicht. Konnte nachverhandeln. Also wenn ich richtig rauche wie Pia, dann platzt der Deal, aber mal zwischendurch ist ok. Ich will auch gar nicht süchtig werden, sondern ich sehe das eher als Genussmittel. Quasi wie Alkohol.“, erklärte Anna.
„Ah, verstehe. Ist aber ein komisches Genussmittel. Wie kam es eigentlich dazu, dass du das probiert hast?“, wollte Chris noch wissen.
„Also ich hatte schon ein bisschen Sekt und Bier getrunken und naja, Pia ist dann halt auf den Balkon gegangen und Tamara und ich sind mit. Dann habe ich gefragt…Und naja, es schmeckte zumindest meinem betrunkenen Ich gar nicht so schlecht, wie ich es erwartet hatte. Gut, ist vielleicht auch kein Maßstab, ich hatte eigentlich gar keine Erwartung.“, antwortete Anna.
„Hm…“, machte Chris.
„Findest du das schlimm?“, wollte Anna wissen.
„Was? Nein, alles gut. Das ändert nichts daran, dass ich dich liebe.“, lächelte Chris und küsste sie. Eine lange Zeit lagen die beiden Teenager einfach nur auf dem Sofa, schwiegen und kuschelten miteinander. Unterbrochen wurde die Stille gelegentlich nur durch die wenigen vorbeifahrenden Autos, die durch das kippstehende Fenster ebenso zu hören waren, wie Kinder, die scheinbar auf dem Weg zum nächsten Spielplatz waren. Einmal konnte Chris auch das charakteristische Zischen hören und wusste, dass Anna in dem Moment in ihre Windel machte. Er dachte über ihre Argumentation nach. In seiner Welt war man entweder Raucher oder Nichtraucher. Aber genauso gibt es Alkoholiker, Leute, die gar keinen Alkohol trinken und auch Leute, die vielleicht einmal im Monat oder in irgendeiner anderen, mehr oder weniger, Regelmäßigkeit Alkohol aus Genuss tranken. Wie ein Glas Bier zum Essen im Restaurant. Warum sollte das nicht mit Zigaretten ähnlich sein? Naja, teurer, gesundheitsschädlicher und süchtigmachender sind sie wohl. Er überlegte, ob er auch eines Tages mal eine Zigarette probieren sollte. Die Neugier und das Argument, dass es verboten und deshalb reizvoll war, waren allerdings die einzigen beiden Argumente, die er irgendwie auf der Pro-Seite verorten konnte. Die Contra-Seite war mit dem finanziellen und den gesundheitlichen Argumenten bereits länger, zudem kam dazu, dass Zigarettenrauch nicht gerade nach Parfüm riecht. Und seine Eltern würden sicherlich auch nicht begeistert sein, wenn sie davon Wind bekämen. Also beschloss er, zumindest für den Moment, es Anna diesbezüglich nicht gleich zu machen
Autor: Theseus (eingesandt via E-Mail)
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Nimmt Anna denn auch Schnuller ?
Ist interessant das Anne Ihre Eltern Sie so unterstützen und auch Ihr Freund. Das Sie mit rauchen was am Hut hat ist zwar typisch für die Generation, aber ich hätte gedacht Sie bleibt standhaft.
Schöne Fortsetzung
Mal schauen wann Chris sich bei den anderen Kids und den Eltern outet.
Vielleicht gibt es auch mal eine Windelparty …..