Die Verwandlung (20)
Windelgeschichten.org präsentiert: Die Verwandlung (20)
Day 25 Part 2 – Ein (fast) perfekter Nachmittag
Was bisher geschah:
Wir schreiben den Sommer des Jahres 2019. Sonnencreme, Freibad und Hitze. So konnte man den Beginn der Sommerferien des zwölfjährigen Finns wohl prägnant zusammenfassen. Aber das war nicht das, was während dieser Ferien alles im Leben des sonst so coolen und selbstständigen Noch-Sechstklässlers verändern würde. Finn, der sein ganzes Leben schon eine Zuneigung zu Windeln besaß, hatte es geschafft, wieder in den Genuss der weißen Knisterdinger zu kommen: Angefangen hatte es wie in einer klischeehaften Windelgeschichte – Finn hatte nachts wieder angefangen ins Bett zu machen. Seine Eltern hatten im irgendwann Pullup-Bettnässerhöschen besorgt die später saugfähigeren Pampers gewichen waren und Finn wähnte sich schon am Ziel seiner Träume. Mittlerweile trug Finn auch tagsüber Hochziehwindeln und ging außer fürs große Geschäft gar nicht mehr auf Toilette. Als wäre all das nicht schon Umstellung genug, hatte Finn inmitten der besonders ereignislosen Sommerferien des Jahres 2019 noch zwei neue Freunde gefunden: Das fünfjährige Windelkind Paul, welches auf seine Art irgendwie genau das ist, was Finn eigentlich schon immer sein wollte. Und den zehnjährigen Yannik, mit dem er eigentlich schon seit zwei Jahren in dieselbe Klasse gehen, den dort alle nur „Spielkind“ nennen und von dem er jetzt erst bemerkt hatte, wie viel Spaß das spielen mit ihm macht! Mittlerweile hatte sich Finn eine zweite Garderobe mit kindlicher Kleidung besorgt und gab sich, wann immer möglich, als Achtjähriger aus und trug auch tagsüber wann immer sich die Gelegenheit bot, die dicken, weichen und saugfähigen Pampers statt seiner Notfallhöschen.
Wäre Finns Leben eine Bühne, dann schlossen sich im Sommer 2019 wohl grade die Vorhänge, um das Ende des ersten Aktes, seiner Kindheit, zu besiegeln. Der zweite Part stand in den Startlöchern, alle machten sich bereit: Finns Teenager-Zeit. Doch der Hauptdarsteller des ersten Aktes hatte es sich anders überlegt: Hier war noch gar nichts vorbei!
„Hab dich!“, schrie das dunkelhaarige Mädchen aufgeregt, als sie endlich den dünnen, blassen Jungen zwischen den Bäumen entdeckt hatte. Es war Finn unerklärlich, dass Lina ausgerechnet Nils als letztes der Kinder gefunden hatte. Wie eine orange leuchtende Warnbake hatte er hinter den schmalen Fichtenstämmen am Rande des Außengeländes gestanden und war trotzdem der letzte von allen Kindergartenkindern gewesen, den Lina gefunden hatte. Marie, eine ganz in klischeehaftem Pink gekleidete Fünfjährige war, noch bevor er sich hatte verstecken können aufgeflogen, direkt danach hatte das aufgeweckte Mädchen Finn hinter dem kleinen Holzschuppen erspäht und kurz darauf auch Paul erwischt. Finn hatte sich nicht besonders geschickt angestellt bei der Verstecksuche, allerdings war er, das musste er sich rückblickend eingestehen, auch nicht so recht auf das Kindergarten-Bosslevel des Verstecken-Games vorbereitet gewesen.
„Zehn“, hatte Lina laut gerufen, als alle Kinder noch auf der großen Wiese beim Klettergerüst standen und sich grade erst darauf verständigt hatten, das sie zusammen verstecken spielen wollten. Und als Finn sich noch wunderte, warum Lina den Versteckern nur zehn Sekunden Zeit gab, rannten alle anderen Kinder schon los. „Neun“, rief das Mädchen und man konnte die neugierige Vorfreude auf die anstehende Suchrunde aus ihrer Stimme heraushören. Finn realisierte, dass sie vermutlich deshalb nur von Zehn runterzählten, weil die Kindergartenkinder noch gar nicht weiter als bis Zehn zählen konnten!
„Acht“, rief Lina und Finn begriff grade erst, dass es bei diesem Spiel auf Schnelligkeit ankam: Man hatte ultrawenig Zeit um ein Versteck zu suchen, also musste man schnell sein – deshalb waren eben auch alle wie von der Tarantel gestochen losgerannt.
„Sieben!“, lachte das Mädchen, als auch Finn endlich loslief sodass er sich kurz nicht sicher war, ob sie nicht zwischen ihren Fingern hindurchlinste und ihm hinterhersah. Finn drehte seinen Kopf nach hinten und sah, ob Lina ihre Augen immer noch mit den Händen verdeckte und wäre dabei beinahe gegen den Rand des Sandkastens gerannt. „Sorry!“, entschuldigte sich Finn bei einem Jungen, den er grade fast umgerannt hatte und ruderte mit den Armen, um nicht die Balance zu verlieren. „Sechs!“, schallte es von der Wiese herüber.
Finn bog ziellos, aber entschlossen nach links ab. Umkurvte Elegant zwei sich streitende Dreijährige und erblickte vor sich ein aufgestelltes Trampolin. Ob er darunter passen würde? „Fünf!“, rief die Sechsjährige aus dem Hintergrund und Finn wurde hektisch, rutschte mit seinen Beinen vorran eilig unter das kniehohe, glänzende Aluminiumgerüst und stieß bereits nach einem halben Meter gegen eine Querverstrebung, die ihm den Weg versperrte. „Viiiiier“, brüllte Lina.
Eilig krabbelte Finn wieder unter dem Trampolin hervor, rappelte sich hektisch auf, doch rutschte auf der losen Erde am Trampolinrand sogleich wieder aus. Sein Fuß verfing sich im Gerüst sodass der Zwölfjährige sich mit den Händen wieder vom Boden abstoßen musste, während er zu seinem entsetzen Lina rufen hörte: „Drei!“
Finn sprintete über den trockenen, kurzgeschorenen Rasen gradewegs auf den kleinen Unterstand zu, in dessen innerem die Spielgeräte für den Außenbereich gelagert wurden. Die kleine Hütte bestand eigentlich nur aus einer Rück-, zwei Seitenwänden und einem Giebeldach, die Vorderseite stand komplett offen und signalisierte den Kindergartenkindern, dass sie sich nach belieben an den Spielgeräten bedienen konnten.
„Zwei, eins! Ich koooooommeeeee!“, rief Lina und Finn rollte innerlich mit den Augen angesichts des ehrgeizigen und nicht ganz fairen Mädchens. Die hatte doch zwischen ,Zwei‘ und ,Eins‘ gar keine Pause gelassen! Hastig drückte Finn sich mit dem Rücken gegen die Seitenwand des Unterstandes in der Hoffnung, nicht sofort entdeckt zu werden. Vielleicht konnte er gleich ja noch ein besseres Versteck finden, wenn Lina grade woanders suchte.
„Du bist“, bestimmte Lina nachdem Nils aus dem kleinen Wäldchen herausgekraxelt war schließlich und zeigte auf ebenjenen hocherfreuten Fünfjährigen, der keine Zeit verlor, sondern sogleich seine Augen zudrückte und anfing rückwärts zu zählen. Doch auch Finn hatte schnell gelernt und die Tricks von Kindergarten-Verstecken gelernt. Mehr noch, er hatte die Zeit, die er mehr oder minder hilflos an der Rückseite der Spielzeughütte verbracht hatte, genutzt, um sich einen Plan für die nächste Runde auszuarbeiten: Finn rannte von der offenen Wiese, auf der die vier Kinder gestartet waren, nach hinten in Richtung der Rutsche, nur um diese einmal zu umkurven und anschließend im hinteren Bereich der Freifläche, wieder dahin zurückzulaufen, woher er gekommen war. Nur, um sicher zu gehen, falls Nils eben doch schummelte.
Der war schon bei „Fünf!“, angekommen, als Finn endlich auf sein eigentliches Ziel zusteuerte, erneut am Trampolin vorbeirannte und, als der Orange gekleidete Fünfjährige „Drei“ rief, sich zwischen den Spielgeräten in der kleinen Hütte hindurchzwängte. In der hinteren linken Ecke des Raumes, das hatte der Zwölfjährige schon vor Rundenanfang gesehen, standen drei große Schaumstoffwürfel. Etwa einen Kubikmeter groß und mit einem weichem aber trotzdem robustem Planenstoff überzogen. Die großen Würfel leuchteten im selben grellen Grün wie das Kindergartengebäude selbst und schienen einfach das perfekte Versteck zu sein!
Hastig kletterte Finn zwischen zwei eng aneinander geparkten Spielzeugtreckern durch bis er aufgeschreckt wurde: „Finn!“, flüster-rief ein erstaunter und verwunderter Fünfjähriger, der wachsahm hinter den Schaumstoffwürfeln stand und sich auf die Zehenspitzen stellte.
„Paul!“, flüsterte Finn überrascht und drückte den Traktor beiseite, während Nils im Hintergrund ,Eins!‘, rief. In letzter Sekunde huschte Finn zu seinem fünfjährigen Spielkameraden hinter die Würfelwand und verschnaufte erleichtert.
„Warum hast du so lange gebraucht?“, flüsterte Paul, während er durch den Schlitz zwischen den Würfeln die Wiese im Blick behielt. Unruhig tippelte der Fünfjährige herum und piddelte nervös an den Trägern seiner kurzen blauen Latzhose.
„Bin erst in die falsche Richtung gegangen, falls Nils guckt“, erklärte Finn leise, während er sich in der kleinen Hütte umsah.
„Nils guckt nicht. Nur Lina guckt manchmal“, erklärte Paul abwesend und stellte sich auf die Zehenspitzen. Plötzlich war es still in dem kleinen Raum. Hinter den Würfeln war es dunkel, nur vereinzelt drangen Sonnenstrahlen durch die Zwischenräume der Holzbalken zu den beiden Kindern hervor. Der Geruch von Plastikweichmacher drang in Finns Nase und dann war da noch der angenehme, warme Duft von trockenem Holz. Und Pipi, es roch nach Pipi hier! Finn war sich nicht sicher, ob das von ihm kam, oder von Paul, der dicht neben ihm stand. Er vermutete, dass es Paul sein musste, immerhin war dessen Pampers schon deutlich voller als seine eigene.
„Er kommt!“, flüsterte der fünfjährige Windelträger plötzlich aufgeregt und plötzlich war es ganz still in dem kleinen Unterstand. Nur vereinzelt hörte man schreiende Kinder von draußen oder ein knacken der Holzbalken. Die klimpernden Schnallen von Pauls Latzhosenverschluss klangen stechend laut in Finns wachsamen Ohren. Der Fünfjährige tippelte immer noch aufgedreht herum, er würde sie beide noch verraten!
„Schhhhh!“, flüsterte Finn kaum hörbar und drückte seine Hände auf Pauls Schultern um seinen Freund zu beruhigen während sein eigenes Herz aufgeregt klopfte. Mit seinem eigenen Kopf drückte er unbedacht Pauls Schädel zur Seite um selbst durch den Schlitz sehen zu können. Im selben Augenblick hörte er ein hohles, dumpfes Geräusch und sah im gleichen Moment, dass Nils eines der Bobbycars Beiseite drückte um in den Schuppen hineinzugehen. Endlich hörte auch Paul auf zu hibbeln und biss sich angestrengt auf die Unterlippe.
Finns ganzer Körper war nur darauf konzentriert, kein Geräusch zu erzeugen, während er sich leicht von rechts nach links verlagerte um durch den schmalen Spalt einen anderen Blickwinkel auf die Situation zu erhaschen. Nils war jetzt fast bei den Treckern angekommen und im Hintergrund sah er Marie stehen, die wohl schon entdeckt worden war. Es schienen also nur noch Lina und sie beide im Rennen zu sein. Das mussten sie unbedingt Gewinnen! Finn beobachtete wie Nils den Trecker, den er eben achtlos rumgeschoben hatte, beiseiterangierte, als plötzlich der gesamte rechte Schaumstoffwürfel nach vorne wackelte!
Alarmiert drehte Finn seinen Kopf zur Seite und sah, wie Paul sich mit einer Hand am Schaumstoffwürfel abstürzte, seinen Oberkörper nach vorne verlagert hatte und mit seinem Unterleib soweit wie möglich versuchte in dem engen Zwischenraum in die Hocke zu gehen. Sein Mund stand offen und ein kaum hörbares Stöhnen entwich dem Kindergartenkind das nun ansonsten völlig still geworden war. Finn drückte die Hand des Fünfjährigen von der Schaumstoffwand weg, woraufhin dieser nach seinem Arm griff, um sich halt zu verschaffen. Ein leiser Pups erklang dumpf aus Pauls Pampers, doch Finn hatte schon vorher begriffen, dass der kleine Junge hier grade seine Windel volldrückte. Vermutlich war er deswegen davor so hibbelig gewesen und hatte jetzt nichtmehr einhalten können. Paul sah mit großen, weiten Augen auf den Boden vor sich und drückte nun seine Beine auseinander bevor er ein zweites Mal angestrengd presste. Pauls Finger griffen fest an Finns Arm während seine andere Hand am Ende des Hosenbeins seiner kurzen Latzhose zog. Finn stand zur Seite gedrängt in der Ecke zwischen den Schaumstoffwürfeln und den Hüttenaußenwänden und musste sich verrenken, um einen erneuten Blick durch den Schlitz nach außen werfen zu können: „Er geht wieder!“, flüsterte Finn euphorisch.
Als Antwort schnaufte der Fünfjährige angestrengt, lies Finns Arm los, stützte sich mit den Händen auf seinen Oberschenkeln ab und kniete sich hin bis sein Po gegen die Rückwand stieß. Der Geruch von Pauls vollgekackter Windel erfüllte nun den kleinen Raum während Paul nun erleichtert ausatmete, noch einige Sekunden in seiner Position verharrte und schließlich verlegen zu Finn hochsah.
„Fertig?“, fragte der Zwölfjährige unsicher.
„Jaa“, sprach Paul mit von Erleichterung übersättigter Stimme und vergaß dabei zu flüstern. Langsam richtete er sich wieder auf und sprach anschließend leise: „Tschuldigung, konnte nicht länger“, erklärte er sich und Finn musste überrascht schmunzeln.
„Dafür sind doch die Pampers …“, kicherte Finn verlegen und klopfte sich selbst sachte auf seinen eigenen gepolsterten Po um Paul zu zeigen, dass er genau so ein Windeljunge wie sein Mitverstecker war.
„Machst du auch noch Stinki in die Pampi?“, flüsterte er schelmisch.
„Was?“, erschrak Finn: „Nein!“, antwortete er abwehrend und dachte dabei an die Reaktion seiner Mutter, auf dem Waldspielplatz, wo Paul Antonia und sie für einen Moment hatte glauben lassen, dass Finn die Pampers voll hatte und nicht er. Sich auch noch groß in die Hose zu machen war in Finns Vorstellung schon eine schmutzige Angelegenheit, doch eigentlich wollte er sich wirklich auch einmal so richtig vollmachen wie Paul das grade getan hatte. Klar, es stank ein bisschen, aber Paul sah auch nicht grade so aus, als würde ihn das Ergebnis in irgendeiner Art und Weise stören. Im Gegenteil. „Nur manchmal, wenn ich spiele, aus Versehen. Aber nur voll selten!“, log Finn.
Paul kicherte verschwörerisch und wollte seinem Windelkumpanen grade etwas entgegnen, als sie von draußen eine aufgeregte Jungenstimme rufen hörten: „Paul, Finn, kommt raus! Ihr habt gewonnen!“
„Yeah“, flüsterte Finn und hielt seine Hand zu einem Handschlag in Pauls Richtung. Dieser hatte jedoch andere Gedanken: „Pssst!“, flüsterte er immer noch und linste ein weiteres Mal durch den Schlitz: „Vielleicht ist das eine Falle!“
Erst als die beiden Jungen kurz darauf auch Lina aufgebracht rufen hörten: „Kommt jetzt, wir finden euch nicht!“, waren sie sich sicher, dass sie wirklich Sieger waren, stoßen theatralisch die Schaumstoffwürfel weg, kletterten über die Spielgeräte aus der kleinen Hütte raus, lachten ausgelassen und liefen stolz zu den anderen auf den Rasen.
„Ihh Finn, hast du Kaka gemacht?“, rief Nils als die beiden Jungen bei ihren Freunden angekommen waren und hielt sich die Nase zu. Finn sah empört zu dem kleinen Jungen herüber und fragte sich, wieso eigentlich immer alle dachten, dass er schuld daran war!
„Nein, ich hab!“, erklärte Paul schützend und verschränkte die Arme: „Na und? Hast du doch auch früher!“, rief er empört zurück.
„Hey, pssst!“, meckerte Nils erstaunlich kleinlaut und trat beleidigt in Pauls Richtung: „Du hast versprochen, das keinem zu erzählen!“, doch da beendete Lina die Diskussion bereits: „Weitermachen! Wer darf jetzt fangen, Paul oder Finn?“
Paul hüpfte aufgeregt auf und ab und sah flehend zu seinem großen Freund: „Darf ich? Darf ich? Bitte!“
Einige Zeit später standen Finn und Paul bis zum Bauch in einer großen Sandgrube. Bis auf den Grund des Bodens wollten sie buddeln! Das war keine kleine Sandkastenspielerei wie beim Paul im Garten vor ein paar Wochen, stattdessen hatten sich die vier Freunde mit Plastikschaufeln bewaffnet und mitten im Buddelbereich eine wirklich große Grube gegraben. Nils war bereits vor ein paar Minuten abgeholt worden und grade hatte sich auch Lina von den beiden Jungen verabschieden müssen. Markus hatte die Sechsjährige mehrmals auffordern müssen und trotzdem hatte das Mädchen mit den langen, glatten schwarzen Haaren erbost die Schaufel in den Sand geworfen, als sie sich schließlich von den beiden Jungen verabschieden musste. Auch Paul und Finn waren nicht zufrieden gewesen mit der Tatsache, dass die beste Bauarbeiterin auf ihrer gesamten Ausgrabungsstelle jetzt schon Feierabend machen musste. Lina hielt kurz inne und blickte für einen kurzen Moment wehmütig zu den beiden verbliebenen Kindern im Sandloch rüber, bevor sie ihren beiden Kumpanen augenzwinkernd, doch mit hochnäsigem Unterton zurief: „Tschö, ihr Windelpupser!“ Während Paul seiner Freundin lachend die Zunge rausstreckte, rollte Finn genervt mit den Augen, Lina war eben Lina. Komisches Mädchen.
Finn kniff beleidigt die Augen zusammen und rammte seine hellblaue Plastikschaufel mit Wucht in den Sand. Stellte sich mit einem seiner mit allerlei Sand bedeckten Klettschuhen auf die Schaufelkante, hob einen großen Batzen aus der Erde und schmiss ihn über seine Schulter auf den Schutthaufen hinter sich. „Huppalah“, rief plötzlich eine überraschte junge Männerstimme. Finn drehte sich überrascht um und blickte zu Markus, demselben jungen Erzieher, der ihn vor ein paar Stunden bereits am Eingang in Empfang genommen hatte, hoch.
„So, ihr Beiden …“, sprach sie der Kindergärtner an. Markus ging vorsichtig in die Hocke und blickte anerkennend zu den beiden Jungen in der Grube herüber: „Das ist wirklich ein großes Loch, was ihr da gebuddelt habt!“, staunte er während er mit der Hand eilig Sandkörner von seinem dunkelroten Hemd fegte: „Also wirklich, ich glaube, das ist nicht so schnell wieder aufgefüllt am Montag“, murmelte er nachdenklich, doch schüttelte dann den Kopf: „Aber so langsam müsst ihr wirklich nach Hause! Kommt dich heute jemand abholen, Pauli?“
„Äääh“, überlegte der Angesprochene und ließ seine Schaufel auf den Boden fallen. Finn fiel seinem Freund ins Wort: „Äh jaaaa …“, lachte Finn und mit einem Mal wurde ihm wieder bewusst, was sein eigentlicher Auftrag gewesen war: „Das soll ich machen!“, kicherte er, zog unschuldig die Schultern hoch und legte den Kopf schief.
„Mhm … “, nickte der Erzieher und sah dem vermeintlich achtjährigen Jungen aufmunternd in die Augen: „Und, willst du deine Aufgabe dann mal ausführen?“
„Mooooaaah“, seufzte Finn theatralisch und stützte seinen Kopf resignierend auf der Schaufelspitze auf: „Paaaaul, wollen wir nach Hause gehen?“, fragte er seinen Freund hörbar wenig begeistert.
„Nööö, jetzt nicht!“, skandierte Finns Fünfjähriger Bauunternehmungspartner voller Elan, doch da griff der große Erzieher auch schon unter Pauls Arme und hob den Fünfjährigen unbeeindruckt aus der Grube hinaus. „Ach du meine Güte, Paul!“, lachte der Erzieher, als ihm der Duftnote des Jungen in die Nase strich und er den prallen Windelpo seines kleinen Schützlings prüfend tätschelte: „Na du hast dich aber ordentlich vollgemacht! Was bin ich froh, dass Toni dich gleich wickeln muss und nicht ich …“
Paul lachte schelmisch und nickte zustimmend während Finn wiederwillig aus der Sandgrube kraxelte. Obwohl die Grube mitnichten so tief war, dass er nicht mehr über den Rand hätte hinausschauen können, bemerkte er erst als er wieder oben war, wie leer es im Außengelände des Kindergartens geworden war, Ein, zwei Kinder laufen noch umher und ein kleiner Junge wurde grade von seiner Mama an der Rutsche abgeholt, ansonsten war Ruhe auf der weiten Wiese eingekehrt. In der Ferne, hinter dem großen grünen Maschendrahtzaun, der den Kindergarten von den dahinterliegenden Feldern abgrenzte, sah er einen Traktor arbeiten, doch ansonsten war Ruhe auf dem weitläufigen Gelände eingekehrt. Die milde Nachmittagssonne brannte vom Himmel und kaum merklich bewegten sich die Blätter der großen Bäume am Rande des Geländes. Paul folge Markus watschelnd in Richtung des angenehm kühlen Innenbereich des Kindergartens und nach ein paar Sekunden löste sich auch Finn aus seiner Starre und rannte den beiden eilig hinterher. Anstatt wieder in den Spielraum der Mäusegruppe zu gehen, blieb der groß gewachsene Erzieher im Gang mit den Kleiderhaken und Schuhen stehen: „So Pauli, lass noch deine Gummistiefel hier und dann ab nach Hause mit euch Baumeistern, nicht, dass ihr noch Ärger bekommt!“, verabschiedete er sich von den beiden Jungen und war schnurstracks wieder nach draußen verschwunden.
Paul versuchte erst, sich im stehen seiner knallroten Gummistiefel zu entledigen doch bemerkte schnell, dass es sich dabei um ein aussichtsloses Unterfangen handelte. Von einem matschigen Schmatzgeräusch begleitet setzte er sich auf seinen stark aufgequollenen Pampershintern und zog anschließend mit beiden Händen erst am rechten, dann am linken Gummistiefel bis seine thematisch passenden Bob-der-Baumeister-Socken zum Vorschein kamen. Finn stand verlegen vor dem müffelnden kleinen Jungen und tippelte mit den Füßen herum. Durch die kurzen Hosenbeine von Pauls Latzhose konnte man direkt auf die mächtige, gelb-bräunlich verfärbte Windel schauen und sah wie sehr das vollgemachte Saugfließ in alle Richtungen aufgedunsen war um seinem Täger viele Stunden spielen ohne Klo- oder Wickelunterbrechung zu ermöglichen. Geniert blickte Finn zur Seite. Pauls Pampers sah aus, als hätte ihn seit heute Morgen niemand mehr gewickelt, dachte er still. Finns Windel war hingegen nur halbvoll: Man erkannte zwar anhand der dreiecksförmigen Ausbeulung in seinem Schritt mittlerweile schnell, dass auch er eine Pampers trug, aber obwohl das weiche Zauberpolster bereits merklich aufgequollen war, fühlte sich innendrin noch alles trocken an – Der Zwölfjährige war sich absolut sicher, dass das bei Paul nicht mehr der Fall sein konnte. Doch auch ansonsten trennte die Windel zwischen Finns Beinen in Sachen Füllstand noch sehr vieles von Pauls übervoller Pampers sodass der zwölfjährige Windelträger in diesem Moment etwas neidisch zu seinem fünfjährigen Kollegen hinuntersah.
Als könnte er Gedanken lesen, lachte das Vorschulkind leise, während er in seine gelben Crocs schlüpfte: „Das war echt cool! Markus sagt immer, ich bin der größte Junge den er kennt der noch in die Windeln macht. Auf der ganzen Welt!“, erklärte er halb verlegen und halb stolz während er schwungvoll aus der Hocke aufsprang und fügte amüsiert hinzu: „Das kann er jetzt nicht mehr sagen! Weil du bist echt viel größer als ich und machst auch noch in die Windel!“
Finn gluckste und blickte verlegen an die Decke: „Öhhh jau, stimmt“, befand er leise, während sie den Kindergarten durch die große Glastüre wieder verließen. Paul plauderte noch ein bisschen weiter über die Tatsache, dass er jetzt nicht mehr ,der größte Windelträger den es gibt‘ war und dass er seiner Mutter nun auch nicht mehr glauben wollte, dass man als Schulkind nicht mehr Windeln tragen dürfte. Vergeblich versuchte Finn anschließend, ihm zu erklären, dass es doch durchaus Vorteile hatte, wenn er wenigstens zum Beginn der ersten Klasse trocken werden würde, doch Paul lies keines der Argumente die von seinem windeltragenden Schulkindfreund hervorgebracht wurden, gelten.
Schnell drehte sich das Gespräch wieder um die Riesengrube im Buddelkasten, das Legoraumschiff und auch darum, wer nun der bessere Fänger gewesen war, Lina oder Nils. Fröhlich liefen die Jungen den breiten Bürgersteig entlang, umkurvten die frisch eingesetzten, noch mit einem Holzgerüst gestützten Linden und balancierten auf dem Bordstein herum. Es war ein angenehm milder Sommertag und die beiden Jungen genossen das Gefühlt von Freiheit, dass ihnen der unbegleitete Nachhauseweg durch die ruhige Vorstadt bot. Sie liefen um die Wette bis sie nicht mehr konnten und machten ein Spiel daraus, nur auf die hellen Gehwegsteine vor ihnen zu treten und die dunklen zu überspringen. Schließlich wurden die beiden Kinder immer langsamer, setzten sich vor einer großen, alt aussehenden Backsteinmauer auf den Boden, sahen den wenigen, langsam vorbeifahrenden Autos hinterher und merkten sich, wenn eines davon vergaß, an der Kreuzung zu blinken. Finn bemühte sich, unauffällig in seine Pampers zu pinkeln, während Paul etwas über Feuerwehrautos erzählte bevor es den zwei Kindern sogar gelang, eine im hohen Gras herumstreifende Katze anzulocken und ein wenig zu streicheln. Die schwarzweiße Katze hatte es sich in ihrer Mitte bequem gemacht und lief erst weg, als das Geläut der nahen Kirchturmglocken nicht nur sie sondern auch die beiden Jungen aufschreckte.
„Boah, voll laut!“, rief Paul und hielt sich demonstrativ die Ohren zu während die Katze bereits auf der anderen Straßenseite in einer Hecke verschwand. Aufmerksam zählte Finn die Glockenschläge mit: … Drei, vier, fünf. Sie mussten eigentlich schon seit einer Stunde Zuhause sein!
„Los Paul, komm! Wir müssen nach Hause! Wir kommen ja voll zu spät“, rief er aufgeregt und sprang auf. Paul ließ sich von der Hektik seines Freundes anstecken und drückte sich mit beiden Händen von der Mauer ab, sodass er in einer fließenden Bewegung vor Finn zum Stehen kam. Erst jetzt fiel Finn der nasse Po des Fünfjährigen auf: Zwei große, längliche Flecken hatten sich entlang der Seitenabschlüsse seiner hoffnungslos überstrapazierten Windel gebildet und waren so groß, dass sie beinahe zu einem einzigen, großen Flecken verschmolzen. Erst jetzt erinnerte sich Finn wieder daran, dass sein Freund immer noch die selbe, prallvolle Stinkewindel anhatte, wie beim fangenspielen im Kindergarten. Roch man gar nicht so sehr, hier draußen, musste er feststellen. „Du bist nass da hinten!“, warnte er seinen Freund doch dem war das in diesem Moment gar nicht wichtig, stattdessen legte er nun äußerste Eile an den Tag, möglichst schnell wieder zu Hause anzukommen.
Zielstrebig legten sie die letzten Meter zum Haus zurück und bogen nur wenige Minuten später bereits ein in die verkehrsberuhigte Pflastersteinstraße, in welcher Pauls Zuhause stand. Anstatt an der Türe zu klingeln, drückte Paul einfach das hölzerne Gartentor an der Seite des Grundstücks auf und lief vorbei am Gemüsebeet an der Seite des Hause, um sich kurz darauf mitsamt Finn auf der großzügigen Außenterasse wiederzufinden, auf der es sich auch die vier Erwachsenen gemütlich gemacht hatten.
„Da seit ihr ja endlich, ihr Beiden!“, freute sich Antonia und auch die anderen drei Eltern wirkten mit einem Male deutlich gelassener: „Na, hattet ihr viel Spaß?“, fragte die Enddreißigerrin mit den blond gelockten Haaren, während Paul auf ihren Schoß sprang und euphorisch lossprudelte: „Boah Mama, das war so cool mit Finn im Kindergarten! Wir haben ein rieeeesen Loch gebaut, mega Tief! Ehrlich! So tief wie Finn groß ist, mindestens!“, schwärmte Paul während er seine Mutter umarmte. Antonia rümpfte die Nase und fragte schließlich, Finn fühlte sich an einen sehr ähnlichen Moment ein paar Wochen zuvor im Erlebniswald erinnert: „Das klingt toll, Großer! Aber kann es sein, dass du die Pampi voll hast, mein Lieber?“
„Nö. Finn hat Stinker gemacht, nicht ich!“, versuchte der Fünfjährige trotzdem sein Glück, während Antonia bereits mit ihrer Hand an der Außenseite von Pauls angespannter Latzhose entlangstrich und den nassen Fleck am Po ihres Sohnes ertastete. Toni glaubte ihm kein Wort: „Nein Pauli, Finns Windeln sind nur noch für den Notfall, du bist der einzige, der hier noch einfach so mir-nichts-dir-nichts in die Pampi macht wenn er muss“, korrigierte sie den Fünfjährigen während Finn peinlich berührt auf seine vom Sand verdreckten Klettschuhe starrte.
„Hä nööö“, rief Paul nun erbost und merkte nicht, dass Finn versuchte, ihm zu signalisieren dass er nichts verraten sollte: „Finn hat Markus heute gesagt er muss nicht auf Klo gehen weil er hat ja ne Pampers! Und dann hat er da rein gepullert, einfach so!“, verteidigte sich das Vorschulkind beleidigt während Finn im selben Moment am liebsten im Erdboden verschwunden wäre und inständig hoffte, dass seine Mutter die Schilderungen des Fünfjährigen nicht allzu ernst nahm.
Autor: giaci9 (eingesandt via E-Mail)
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Man hat ja in der Schule gelernt, dass man das Positive zuerst nennen soll.
Also mache ich das auch 🙂
Das Zusammenspiel von Finn & Paul hats du super geschrieben.
Vor allem auch die klare Charakterzeihcnung finde ich fasznierend.
Dieser Frechdachs Paul wieder am Ende…der kann echt nichts für sich behalten und lässt Finn hier wohl wieder total auflaufen.
Auch die Entwicklung mit dem Käckerli in Pauls Windel finde ich klasse. Dem macht das gar nichts aus. Eine Traumwelt 😉
Zum Anderen möchte ich aber anmerken, dass ein 12-jähriger wie Finn kein Kitakind abholen darf. Rein rechtlich natürlich ein No-Go.
Und auch die pädagogische Fachkraft wie jetzt hier Markus…ist eigentlich dazu verpflichtet Pauli zu wickeln. Alles andere wäre – hart ausgelegt – Gefährdung des Kindeswohl.
Selbst wenn es eine Mutti wie die von Paul auch wohl etwas lockerer sieht.
Aber eine vollgeschissene Windel wird in der Regel sofort gewechselt.
Die Gefahr des Wund werdens kennen sicher viele von uns. 😛
Trotzdem danke für dieses tolle Kapitel.
Weiter so!
Hehe, danke für die Verwendung der Sandwichmethode! Da scheint man in der Schule ja doch was fürs Leben zu lernen, ich dachte immer, das wäre nur im Kindergarten so. 😉
Danke für dein Lob! 😀
Deiner berechtigten Kritik kann ich eigentlich auch nur „nickend“ mit zwei Aussagen antworten: „Es ist eine Traumwelt“ ist eine davon. Die Geschichte versucht an vielen Ecken und Enden, möglichst realistisch rüberzukommen, aber ist eben doch eine Traumwelt-Fantasiegeschichte. Frei nach X-Factor: Alles erfunden! 😉
Die andere Antwort wäre eine, in der ich eine Rechtfertigung versuchen würde: Im Grunde habe ich es schon in die Geschichte mit eingebaut, wo der Erzieher Markus von Pauls Mutter als „Toni“ redet. Die Umgebung ist die ruhige Vorstadt einer Kleinstadt, jeder kennt jeden und auch Antonia und Markus kennen sich recht gut – entsprechend geht Markus lockerer damit um, dass ein Kind Paul abholen kommt und nicht seine Mutter – dieselbe ausrede könnte man dann auch für das nicht-wickeln hervorbringen, wobei der liebe Markus in der Situation vermutlich auch sehr froh ist, den Fünfjährigen nicht saubermachen zu müssen … 😀
Aber ob diese Ausreden einer realistischen Betrachtung statthalten? Grade, wo Finn sich als Achtjähriger ausgibt und zum ersten Mal in Pauls Vorstadtkosmos auftaucht? Hmmm. Vielleicht doch lieber Traumwelt, hm? 😉 Aber es ist doch eine tolle Traumwelt, oder nicht? 😉
Endlich wurde in der Geschichte das Thema Aa-Machen für Finn angesprochen. Vielleicht kommt dann bald ne praktische Umsetzung, bin gespannt, wie Giaci das umsetzen würde.
Sehr coole und unterhaltsame Geschichte, freue mich auf eine Fortsetzung 🙂
Oh man Paul ist ja echt genial Am Ende musste ich wirklich grinsen 😀
Alles in allem wieder ein super schönes Kapitel Giaci!
Das erste mal groß in die Windel machen, müsste eigentlich stilecht mit einer Übernachtung bei Paul verbunden werden. Nachts ist es am realistischsten und ich denke Antonia hätte mehr Verständnis als Finns Mutter.
Bin gespannt.