Die Verwandlung (21)
Windelgeschichten.org präsentiert: Die Verwandlung (21)
Day 26 Part 1 – Fear of missing out
Was bisher geschah:
Wir schreiben den Sommer des Jahres 2019. Sonnencreme, Freibad und Hitze. So konnte man den Beginn der Sommerferien des zwölfjährigen Finns wohl prägnant zusammenfassen. Aber das war nicht das, was während dieser Ferien alles im Leben des sonst so coolen und selbstständigen Noch-Sechstklässlers verändern würde. Finn, der sein ganzes Leben schon eine Zuneigung zu Windeln besaß, hatte es geschafft, wieder in den Genuss der weißen Knisterdinger zu kommen: Angefangen hatte es wie in einer klischeehaften Windelgeschichte – Finn hatte nachts wieder angefangen ins Bett zu machen. Seine Eltern hatten im irgendwann Pullup-Bettnässerhöschen besorgt die später saugfähigeren Pampers gewichen waren und Finn wähnte sich schon am Ziel seiner Träume. Mittlerweile trug Finn auch tagsüber Hochziehwindeln und ging außer fürs große Geschäft gar nicht mehr auf Toilette. Als wäre all das nicht schon Umstellung genug, hatte Finn inmitten der besonders ereignislosen Sommerferien des Jahres 2019 noch zwei neue Freunde gefunden: Das fünfjährige Windelkind Paul, welches auf seine Art irgendwie genau das ist, was Finn eigentlich schon immer sein wollte. Und den zehnjährigen Yannik, mit dem er eigentlich schon seit zwei Jahren in dieselbe Klasse gehen, den dort alle nur „Spielkind“ nennen und von dem er jetzt erst bemerkt hatte, wie viel Spaß das spielen mit ihm macht! Mittlerweile hatte sich Finn eine zweite Garderobe mit kindlicher Kleidung besorgt und gab sich, wann immer möglich, als Achtjähriger aus und trug auch tagsüber wann immer sich die Gelegenheit bot, die dicken, weichen und saugfähigen Pampers statt seiner Notfallhöschen.
Wäre Finns Leben eine Bühne, dann schlossen sich im Sommer 2019 wohl grade die Vorhänge, um das Ende des ersten Aktes, seiner Kindheit, zu besiegeln. Der zweite Part stand in den Startlöchern, alle machten sich bereit: Finns Teenager-Zeit. Doch der Hauptdarsteller des ersten Aktes hatte es sich anders überlegt: Hier war noch gar nichts vorbei!
„Kannst du mir die große MDF-Platte hochgeben?“, rief Yannik hinunter zu seinem Freund, der grade mit zwei großen Bechern gefüllt mit rotem, von Lena selbst aufgebrühtem Eistee aus der Küche des Bauernhofes zurückkam und sich nun fragte, wie er die vollen Gefäße wohl den große Baum hochbekommen sollte.
„Äh gleich!“, antwortete er und fügte begeistert an: „Ich hab was zu trinken dabei!“ Yannik ließ den kleinen türkisblauen Akkuschrauber, mit dem er eben noch zwei Querbalken fixiert hatte, auf die kleine Platte unter sich fallen und drehte sich rasant in Finns Richtung um. Der Zehnjährige hockte in zweieinhalb Metern Höhe inmitten des kleinen, aber äußerst stämmigen Ahornbaumes an der Nordgrenze des Hofgrundstückes den die beiden Jungen als perfekte Baumhausbasis identifiziert hatten. Es war der frühe Abend des brütend heißen, vorletzten Hochsommersamstages der Sommerferien. Nachdem die beiden Sechstklässler etliche Stunden damit zugebracht hatten, im Dachgeschoss vor den Familiencomputern virtuelle Holzhäuser in Minecraft zu bauen, hatte Ludwig sie irgendwann zum Spielen nach draußen gescheucht, sodass sie nun seit einigen Stunden damit beschäftigt waren, ihren Plan fortzusetzten, ein nicht-virtuelles Baumhaus zu erschaffen. War deutlich mehr Arbeit, als er Anfangs gedacht hatte, hatte mittlerweile Finn realisiert.
„Hier, nimm!“, rief Finn angestrengt, während er auf Zehenspitzen gestreckt vor dem Baum stand und seine Hände mitsamt der beiden Becher soweit nach oben streckte wie möglich. Yannik legte sich bäuchlings auf die Plattform, langte mit seinen Armen nach unten und nahm die Gefäße mehr oder weniger erfolgreich entgegen: „Heeey!“, quiekte Finn überrascht-empört, als ein Schwall der angenehm kühlen Flüssigkeit auf sein hellgrünes Brontosaurus-Shirt herabtropfte. „Sorry!“, entschuldigte sich Yannik, doch da war Finn schon dabei, über die dicken Äste des Baumes nach oben zu klettern. Für ein paar Sekunden beherrschte wieder die wunderbar weiche Windel zwischen seinen Oberschenkeln sein Bewusstsein, die seinen Unterleib nass und warm umschloss und grade beim Klettern bei jeder Bewegung deutlich zu spüren war. Finn hatte heute Morgen mal wieder eine seiner Babydrys statt der nervigen Hochziehpseudopampers angezogen und verbrachte so einen weiteren traumhaften Ferientag als echtes Windelkind. Seine Eltern waren heute Morgen, bevor sie zu ihrer kleinen Reise aufgebrochen waren, zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen um das dicke Polster unter seiner Shorts zu bemerken und hier bei Yannik hätte es vermutlich sowieso eher für Verwunderung gesorgt, wenn er ohne Pampers unter der Hose hier angekommen wäre. Kaum war Finn die paar Meter nach oben in die Baumkrone geklettert, hatte er seine Pipiwindel aber auch schon wieder vergessen, setzte sich erschöpft neben seinen Freund auf den Holzbalken und ließ die Beine nach unten baumeln.
„Boaaah, voll gut!“, befand Yannik den Eistee seiner Mutter und auch für Finn war das kühle Getränk in diesem Moment eine wahre Wohltat. Die beiden Jungen saßen für einen Moment schweigend nebeneinander, blickten hinüber in die Gärten der Nachbarschaft und nippten an ihrem Becher. Finn fuhr nachdenklich über die geriffelte Außenseite der knallroten Einwegplastikbecher: „Das sind die College-Becher, oder? Sind die nicht voll schwer zu bekommen?“, fragte er seinen Freund erstaunt.
„Äh, glaub nich? Die haben wir schon immer. College-Becher?“, wunderte sich Yannik überrascht
Finn räusperte sich verlegen und begriff, dass er wohl einer Pralerei auf den Leim gegangen sein musste: „Tobi hat die bei seinen Parties und der hat erzählt, die gibt’s nur in Amerika. Das sind echte Becher, wie sie die Leute auf College-Parties verwenden für Beerpong und so …“, erklärte er und wurde dabei selbst immer leiser.
Yannik lachte: „Nee, da hat Tobi bestimmt nur gelabert!“, konstantierte er amüsiert, doch wurde dann selbst wieder still und blickte für einen Moment auf seinen roten Collegeparty-Becher herab. Finn nippte an seinem Eistee und sah zu seinem Freund hinüber, der just in diesem seinen Kopf anhob. Die Blicke der beiden Jungen, die noch fast Kinder waren, kreuzten sich.
„Die … Tobis Party ist heute, oder?“, fragte der blonde Zehnjährige
Finn nickte nachdenklich: „Jap“, antwortete er einsilbig während er mit seinen Beinen hin- und herschaukelte.
„Warum bist du nicht da?“, fügte Yannik schüchtern an.
„Äääääh“, kicherte der Zwölfjährige verlegen: „Ähm, darf nicht. Hatte Streit mit meinen Eltern …“, erklärte er in einem betont sachlichen Tonfall.
„Oh man! Ist das nicht voll doof?“, fragte ihn sein Freund betroffen.
„Och, geht. Ja, irgendwie schon, aber bei dir ists eh cooler!“, sagte er nicht sonderlich überzeugt und runzelte nachdenklich die Stirn. Ja, bei Yannik war es vermutlich am Ende spaßiger als bei Tobis Party, aber irgendwie wurde er das Gefühl in seinem Magen nicht los. Ein Gefühl, dass in ihm grummelte und auffordernd rief: ,Finn, du verpasst etwas!‘: „Da ist am Ende eh immer nur wichtig, wer dabei gewesen ist“, rechtfertigte er sich: „So cool ist das nicht, tun nur alle nachher so!“
„Echt?“, staunte Yannik und stellte seinen Becher auf dem Holzbrett ab: „Ich dachte immer, das ist voll toll da. Aber ich war ja auch noch nie eingeladen.“
Das grummelnde Gefühl in Finns Magengegend wurde für einen Moment überlagert von einem hämmernden schlechten Gewissen, das ihn noch aus dem letzten Schuljahr heimsuchte. Wie gemein sie zu Yannik gewesen waren. Selbst wenn Tobi eigentlich die ganze Klasse eingeladen hatte, ,Spielkind‘ lies er demonstrativ außen vor. Why? Es gab wesentlich nervigere Leute als Yannik!
„Du wärst echt gerne dabei, oder?“, fragte Finn vorsichtig und sprach mittlerweile so leise, dass der Rasenmäher in einer der Nachbarsgärten seine Worte beinahe übertönte.
Yannik nickte stumm.
Finn schwieg einen Moment, kniff die Augen zu und ließ dann die Hände in den Schoß fallen: „Scheiß drauf! Meinst du, deine Mutter fährt uns zu Tobi?“
„Was?“, fragte Yannik erstaunt: „Willst du da jetzt einfach hingehen? Ich bin doch gar nicht eingeladen!“
Finn nickte, war plötzlich voller Tatendrang und rief überzeugt: „Klar! Ich lad dich einfach ein! Was will Tobi machen? Und meine Eltern sind eh nicht da, dann kann ich da jawohl auch hingehen!“ Verdammt ja! Das war ein super Plan! Aufgregt hangelte sich Finn vom Baum herunter und lies sich auf den Rasen fallen: „Komm! Wenn wir uns beeilen, dann verpassen wir nicht so viel!“
Zögerlich, ein wenig ängstlich und mit pochendem Herzen folgte Yannik seinem besten Freund. Klar, etwas zu verpassen, wovon die ganze Klasse einen Monat lang reden würde, war ein Scheißgefühl. Aber die Aussicht, einen ganzen Abend mit all seinen Klassenkameraden zu verbringen war auch nicht grade beruhigend für den zehnjährigen Außenseiter. Doch Finn, Finn war dabei. Das würde schon gut gehen, redete er sich ein.
Kurz darauf standen die beiden Kinder in der gemütlichen Küche des altertümlichen Hauses einer skeptischen Lena gegenüber: „Hm“, sagte sie nachdenklich während sie den Chatverlauf zwischen Tobias und Finn auf dessen Handy durchscrollte. Aufgeregt waren die Zwei in die Küche gelaufen und hatten sie gebeten, sie zur Party ihres Klassenkameraden zu fahren. Lena hatte geschluckt. Natürlich wusste sie von der Party. Yannik hatte es letztes Jahr bereits einmal das Herz gebrochen, nicht eingeladen worden zu sein. Vergeblich hatte sie schon vor einem Monat diskret versucht, bei Tobias Eltern höflich zu intervenieren und ein gutes Wort für ihren Sohn eingelegt. Doch die hatte die ganze Geschichte null interessiert. Es war manchmal nicht leicht mit ihrem Sohn, der zwei Klassen übersprungen hatte, gleichzeitig so verspielt und clever war und stets der kleine Junge war, egal wo er auftauchte.
„Jungs, ich versteh euch ja wirklich. Aber ihr könnt da nicht einfach so auftauchen ohne eingeladen zu sein. Kommt, wir machen uns …“, hatte sie geseufzt und versucht, die beiden Jungen zu trösten, bevor Finn sie beleidigt unterbrochen hatte: „Hä klar sind wir eingeladen! Tobi ist mein Freund! Und ich kann auch bestimmt noch jemanden mitbringen!“, hatte er gerufen.
Lena konnte Finn nicht glauben. Dem liebenswerten kleinen Jungen, der im direkten Vergleich immer noch verspielter und kindlicher wirkte als ihr eigener Sohn es ohnehin schon tat. Doch der Zwölfjährige war schnell nach oben in Yanniks Zimmer gelaufen, hatte sein Handy aus dem Rucksack gefischt, den Chat mit Tobi geöffnet und hatte nach oben gewischt, bis die Nachricht, in welcher er zur Party eingeladen worden war, angezeigt wurde und war wieder nach unten gelaufen. Hatte Lena das Handy über den Küchentisch zugeworfen, die daraufhin das Sozialgefüge in der 6b noch weniger verstand als ohnehin schon. Ausgerechnet Tobi, der Junge, mit dem ihr Sohn die meisten Probleme hatte? Verwundert hatte Lena in dem Chatverlauf nach unten gescrollt und hatte, ohne es zu wollen, die neueste Nachricht im Chat gelesen. Sie stockte einen Moment und las dann laut vor: „Sorry Tobi, ich darf nicht zu deiner Party, hab Stress mit meinen Eltern“
„Ähhhh“, stammelte Finn und das selbstsicher-beleidigte Auftreten das er beim Beweisen seiner Freundschaft mit Tobi an den Tag gelegt hatte, war wieder einem spitzbübisch-ertappten Schmollmund gewichen. Verlegen starrte Finn an die Decke bis Lena seufzte.
„Okay Jungs“, sagte sie und nickte dabei, als müsste sie sich selbst noch überzeugen, dass das, was sie nun tat, richtig war: „Hier ist der Deal: Wenn deine Eltern fragen, wart ihr heute hier und habt im Baumhaus gespielt. Und wenns nicht gut läuft auf der Party, dann könnt ihr mich jederzeit anrufen, okay?“
Zwei erstaunte Jungen nickten der jungen Frau von der anderen Seite des Küchentisches zu. „Yes!“, flüsterte Yannik begeistert und lief sofort nach oben um seine Schlafsachen zusammenzupacken und Finn wollte es ihm grade gleichtun als Lena ihn abfing: „Ähm Großer, du machst dich aber nochmal frisch, bevor ihr zu der Party geht, oder?“, fragte sie ihn angesichts der schwer zwischen seinen Beinen hängenden Windel zweifelnd.
„Ööööh“, stellte Finn fest: „Klar!“, antwortete er. Das hatte er noch gar nicht bedacht. Die Pampers. Sein Dinoshirt. Die Klettverschlusschuhe. Seine flauschige orange Stoffshorts. Die bunten Ringelsocken. Er stockte einen Moment und man konnte ihm ansehen, wie es in seinem Kopf ratterte: „Kannst du nochmal bei mir Zuhause halten, bevor du uns zu Tobi fährst? Liegt echt auf dem Weg!“
Seine Bluetoothbox von der Flurkommode zu schnappen, war das erste, das Finn tat, nachdem er das Licht im dunklen Flur seines Hauses angeknipst hatte. Lena hatte ihren blauen Hochdachkombi in der leeren Einfahrt geparkt und die beiden Jungen waren schnell ins Haus verschwunden. Finn tippte und wischte auf seinem Handy herum, bis „I Will Never Let You Down“ von Rita Ora im R3hab Remix aus dem kleinen Lautsprecher erklang. Ein Übergangspart mit dreißig Sekunden eingängiger, mixkompatibler Vierviertel-Bassline, bevor ein eingängiger Sawlead und Vocals einsetzten. Finn grinste und schüttelte die Box im Takt zur Musik und wippte mit seinem Kopf umher: „Komm!“, rief er seinem Freund, der noch skeptisch an der Gaderobe des aufgeräumten, beinahe steril wirkenden Haues stand: „Zuerst kümmern wir uns um dich!“, kündigte der Zwölfjährige an.
„Ich? Du bist hier der, der neue Pampers braucht“, kicherte Yannik empört, doch folgte seinem Freund über die moderne Stahltreppe nach oben in den ersten Stock. Finn warf seine Box auf sein Bett auf dem noch sein bunter Schlafanzug lag und knipste sowohl die weiße Deckenlampe als auch die coole, bunte LED-Leiste hinter seinem Schreibtisch an. Im Takt zur Musik hin- und herwippend tanzte er beinahe zu seinem Kleiderschrank, öffnete die beiden weißen Türen und durchwühlte aufgeregt den Klamottenstapel. Zog ein paar Shirts sowie zwei Hosen heraus, bevor er die Türen wieder schloss und stattdessen eine der Schubladen des Schrankes öffnete und zwischen seinen ganzen bunten Strümpfen ein paar schwarze Nike-Socken hervorkramte.
„Hier, probier das mal aus!“, rief er seinem Freund zu und warf ihm ein weißes Shirt mit aufgedruckten, rot-blauen Balken und Markenschriftzug zu.
„Ich?“, wunderte sich Yannik: „Wa …“, setzte er an, aber verstand selbst, was Finn vorhatte. Coole Jugendlichenkleidung würde auf der Party definitiv keine schlechte Idee sein.
„Hier, und das auch!“, sagte Finn noch, warf Yannik eine schwarze washed-out-Jeans zu, fischte sich eine frische Hochziehwindel aus der Windelschublade seines Schrankes und verschwand leichtfüßig ins Badezimmer: „Ich geh mir schnell … du weißt schon was!“, rief er seinem Freund zu. Rabiat zog Finn die Badezimmertüre zu, sodass der Bass der Musik nur noch leise zu hören war und streifte sich langsam, beinahe behutsam zuerst das grüne Dinoshirt und anschließend die orange Shorts ab. Die so wunderbar nasse, gelb angelaufene und vollgepullerte Pampers öffnete er, faltete sie routiniert zusammen und warf sie wie ein nutzloses Stück Müll in den Windeleimer. Langsam und gründlich säuberte er sich mit den bereitliegenden Feuchttüchern um nicht den geringsten Uringeruch an seinem Körper haften zu lassen, cremte sich gewohnheitsmäßig neu ein und zog die frische Pullup zwischen seinen Beinen nach oben.
Finn hatte die halbe Autofahrt darüber gegrübelt. Dass er nicht mit einer Pampers bei Tobis Party auftauchen konnte, war klar. Aber mit einer Boxershorts? Wo waren seine Boxershorts überhaupt? Das wusste er gar nicht. Und außerdem, das hatte sich Finn im Stillen gestanden, traute er sich gar nicht mehr so richtig, vollkommen ohne Sicherheitsunterwäsche auf einer Party aufzutauchen. Zu oft war es in letzter Zeit zu knapp gewesen und er hatte, gut, das störte ihn bislang auch nie, desöfteren ungewollt und versehentlich in seine Windelhosen gemacht. Schlussendlich war der heutige Abend vielleicht mal einfach mal eine gute Gelegenheit um die Hochziehwindeln auch einfach mal endlich dafür nutzen, wofür sie gedacht waren: Für den Notfall! Dann würden sie mit der Zeit auch nicht dick und nass werden und er lief nicht in Gefahr, entdeckt zu werden und war trotzdem geschützt. Und hatte das weiche Zauberpolster zwischen den Beinen!
Finn zog die hellblaue Skinny-Stretchjeans, die vor seiner Grundschüler-Verwandlung eine seiner Lieblingshosen war, hoch und zog sich trotz der warmen Temperaturen ein Unterhemd über, dessen Enden er sorgfältig in seiner Jeans einsteckte damit der Pullup ja-nicht über der Hose hinausblitzen konnte, egal was passierte. Das luftige, schwarze Tshirt mit giftgrünem Energydrink-Logo komplettierte das Bild wenige Sekunden später und der Zwölfjährige drehte sich zum Waschbecken um und sah in den großen, Kreisrunden, von einer Lichtleiste eingerahmten Badezimmerspiegel. Aus der Box auf der anderen Seite der Badezimmertüre schallte nun „Solo“ von Clean Bandit im sommerlichen Seeb-Mix und Finn hatte auf einmal richtige gute Laune! „Yeah!“, rief er seinem Spiegelbild voller Vorfreude auf den Abend zu, bevor er mit beiden Händen seine Haare ordnete, anschließend Haarspray und zum Schluss noch einen Kamm zu Hilfe nahm um aus seinem „Woke-up-like-this and didn’t care“- Strubbelpony wieder eine ansehnliche Frisur zu schaffen. Die Verwandlung zurück zum Teenager war schnell vonstattengegangen, sodass der zwölfjährige Bald-Siebtklässler zufrieden das Badezimmer verließ. Bei Yannik würde das Umstyling wohl komplizierter werden.
„Yannik!“, kreischte Finn überrascht, als er sein Zimmer betrat und für den Bruchteil einer Sekunde wirkte selbst die elektronische Musik aus seinem tragbaren Lautsprecher wie eingefroren. Sein Zehnjähriger Freund stand inmitten seines Zimmers, hatte das weiße Shirt angezogen und war grade dabei in die schwarze Jeans zu steigen. Doch, und das hatte Finns Reaktion ausgelöst, unter dem grellweißen, von Finn ausgesuchten Shirt, lugte eine seiner Pyjamahöschen hevor! Eine Hochziehwindel! An Yannik!
„Ist das auch ein Experiment aus rein chemischer Sicht?“, fragte Finn nervös lachend, während sich Yannik erschrocken zu ihm umdrehte. „Wa … Fi … Mo“, stotterte der Zehnjährige peinlich berührt. „Ich wusste es!“, flüsterte Finn als hätte er grade ein Rätsel gelöst und dachte an die Situation vor einer Woche zurück, als er Yannik Abends in dessen Zimmer dabei erwischt hatte, wie der sich einen seiner Pullups aus seinem Rucksack genommen hatte: „Du magst die auch, oder?“, fragte er beinahe beleidigt, dass Yannik ihm das nicht einfach erzählt hatte. ,Auch‘, hatte er gesagt. Weil Yannik eigentlich wusste, dass Finn seine Windeln ziemlich toll fand. Wissen musste. Fand er.
Yannik nickte: „Nein! Nee. Naja. Ein bisschen. Die sind so schön weich“, gestand er während er eillig die schwarze Hose hochfriemelte: „Das fühlt sich sooo vertraut an, wie früher …“, erklärte der Zehnjährige verlegen.
„Jaaa, ich weiß!“, stimmte Finn euphorisch mitein als hätte er nur darauf gewartet, endlich mit jemandem über Windeln sprechen zu können: „Man fühlt sich so geborgen, und es wird mega schön warm, wenn man …“, schwärmte er und sah mit einem träumerischen Blick in die nicht vorhandene Ferne: „ … reinstrullert“, vollendete Yannik den Satz seines Freundes leise stammelend, bevor seine Gesichtsfarbe ins rötliche kippte als ihm bewusst wurde, was er da grade gesagt hatte: „Ich hab letztens als du übernachtet hast eine von deinen aus dem Rucksack genommen und gestern Morgen mal ausprobiert“, erklärte er.
„Ich wusste es!“, rief Finn abermals euphorisch: „Das war voll die schlechte Ausrede die du gebracht hast“, lachte er
„Ich weiß“, schmunzelte der Zehnjährige peinlich berührt. Grinsend sah Finn seinen Freund an und verstand genau wie der sich grade fühlte: „Willst du noch ein paar von meinem mitnehmen?“, bot er an: „Ich hab ja mehr als genug und bei meinem Verbrauch merkt eh niemand wenn da mal ein paar fehlen“, flexte er angeberisch, griff in seine Windelschublade und nahm fünf Pullups auf einmal heraus: „oder willst du lieber richtige Pampers?“
Yannik holte tief Luft, doch bevor er seine Antwort aussprechen konnte unterbrach das Geläut der Türklingel die beiden. „Oaaah, Mann!“, rief Finn frustriert und sprintete die Treppe runter. Wer störte denn jetzt? Ohne darüber nachzudenken, dass er ja noch fünf Pullupwindeln in der linken Hand mit sich herumtrug, riss er die Haustüre auf und stand einer höflich lächelnden Lena gegenüber.
„Na? Ist ja schön, dass ihr beiden Spaß habt da oben“, sagte sie während sie instinktiv zu der leise aus dem oberen Stockwerk schallenden Musik mitwippte. ,Rise‘ von Jonas Blue im Retrovision Remix pumpte in voller Lautstärke aus dem mobilen Lausprecher. „Aber wollt ihr das nicht lieber für Tobias Party aufsparen? Jungs, ich warte jetzt schon seit fast einer halben Stunde auf euch, ihr kommt doch auch zu spät!“, erinnerte sie den Zwölfjährigen an das, was sie heute Abend eigentlich vorgehabt hatten.
„Oh, ähm, ja!“, nickte Finn aufgeregt: „Wir beeilen uns! Versprochen! Sind gleich fertig!“, rief er und sprintete die Treppe wieder hoch ohne die Haustüre vorher wieder zu schließen. Geduldig wartete Yanniks Mutter noch weitere zehn Minuten, bis zwei Jungen die Treppe herunterkamen, die aussahen, als wären sie soeben der Bravo entsprungen. Oder der ,In‘? Ach keine Ahnung, was wusste sie schon, dachte Lena sich. Die beiden Freunde trugen lässige Tshirts und modische Hosen und ihr Sohn hatte sogar die bunten Fairtrade-Socken die er immer so bequem fand gegen zwei schwarze Exemplare von Nike ausgetauscht. Die dunkelblonden Strubbelhaare des Zehnjährigen waren größtenteils unter einem dunkelroten Basecap, welches verkehrt herum auf seinem Kopf saß, verschwunden. Lena schluckte. Ihr kleiner Junge sah plötzlich gar nicht mehr so klein aus. Finn hatte ganze Arbeit geleistet und beeindruckende Stilsicherheit darin bewiesen, den Zehnjährigen in ein Teenagerdouble seiner selbst zu verwandeln. Lena ließ es sich nehmen, mütterlich stolz ein Foto der beiden Jungen zu machen, bevor sie in ihre Schuhe schlüpften, wieder auf die Rückbank des blauen Familienautos stiegen und dabei kicherten wie die beiden kleinen Jungen die sie eigentlich noch waren. Aber niemand konnte das in diesem Moment besser verstehen als Lena. Die beiden waren eben aufgeregt. Himmel, sie selbst war doch auch aufgeregt!
Voller Vorfreude auf den Abend ließ Finn sich in einen der beiden Kindersitze auf der Rückbank fallen, bevor Yannik es ihm auf der anderen Seite gleichtat. Entspannt rutschte er auf dem dünnen Polster etwas nach unten und spreizte die Beine etwas, als er bemerkte, dass er schon wieder ein wenig pinkeln musste. Leise atmete er aus, entspannte seinen Schließmuskel,
und erwartete bereits dieses wunderbare Gefühl, dass einen überkam während man sich in die Hose machte. In letzter Sekunde durchzuckte ihn die Erinnerung an den Vorsatz, den er für heute Abend gefasst hatte: Nicht in die Hose pullern, außer im Notfall! Finn kniff die Beine zusammen und brach das einpullern ab noch bevor es begonnen hatte. Glück gehabt. Meine Güte, das konnte ja heiter werden, dachte der Bald-Siebtklässler still während er gedankenverloren aus dem Fenster sah. Klar, nach mehreren Wochen absichtlichem windelvollpullerns war irgendwann Routine eingekehrt und wenn Finn ehrlich mit sich selbst war, dann dachte er manchmal gar nicht mehr vorher nach, bevor er lospinkelte. Außer ihm selbst war das keinem aufgefallen, wie auch? Er war stets bemüht gewesen, genau diesen Anschein zu erwecken: Das er versehentlich in die Hose machte. Damit hatte er ganze Arbeit geleistet, alle im Umfeld des Zwölfjährigen glaubten dessen Beteuerungen, dass er eben nichts von seinem Harndrang mitbekam, bis es zu spät wurde. Es war auch Finns Glück gewesen, dass seine Eltern in den letzten Wochen zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen waren, um sich an den Termin beim Urologen zu erinnern. Ansonsten wäre sein Schwindel vielleicht schon aufgeflogen. Doch so hatte seine Mama selbst dann noch ebenjenen Beteuerungen geglaubt, als ihn Paul gestern Abend so unbedacht verpetzt hatte. Zumindest war es Finn so vorgekommen. Das war wirklich Glück gewesen. Nicht auszudenken, was sonst losgewesen wäre. Und auch Yannik, dem mittlerweile ohne jeden Zweifel bewusst sein musste, dass Finn seine Zauberunterwäsche verdammt gerne mochte und der ihn in dieser Neigung verstehen konnte wie kein Zweiter, glaubte immer noch, dass Finn seine Windeln aus Notwendigkeit tragen würde.
Eigentlich musste er es ihm beichten. Wie es wirklich gewesen war mit seinen Unfällen.
Finn tauchte erst aus seinen Grübeleien auf, als Lena eine Viertelstunde später das Auto in der Mitte der halbkreisförmigen Einfahrt von Tobis Haus anhielt. Eilig bedankten sich die beiden Jungen bei ihr, doch konnten es nicht erwarten, aus dem Auto auszusteigen. Finn war bereits herausgesprungen, als Lena noch mit ihren Händen eine Telefoniergeste in Richtung ihres Sohnes machte um ihr Notfallangebot, die beiden jederzeit wieder abzuholen, zu bekräftigen. Yannik lächelte angesichts des Gefühls von Geborgenheit, dass die Tatsache, sich jederzeit auf seine Mutter verlassen zu können, in ihm erzeugte und zwinkerte seiner Mutter zum Abschied kurz zu. Vielleicht kam das Gefühl auch von dem Pullup zwischen seinen Beinen, der Zehnjährige war sich nicht ganz sicher. In jedem Falle, er fühlte sich bereit. Für die Party. Für alles.
„Heeeey, Finn! Geil, dass du trotzdem da bist, Man!“, johlte Tobi, nachdem er die hohe, weiße Eingangstüre des großen Hauses geöffnet hatte. Im Flur blinkten bunte Lichter und aus dem Haus hörte man laute Musik sowie ein aufgeregt-fröhliches Stimmenwirrwarr. Im Hintergrund erkannte Yannik seine Klassenkameradin Sarah, die eilig in die Küche lief bevor sich im selben Moment die Blicke von ihm und Tobias kreuzten. Mit einem Male war das mulmige Gefühl wieder voll da.
„Spielkind?“, prustete der Hausherr misstrauisch und fragte Finn: „Was macht der denn hier?“ und deutete mit der Hand auf Yannik ohne mit ihm selbst zu interagieren.
„Yan. Er heißt Yannik. Yan.“, sagte Finn bestimmt und mit einer erstaunlichen Ruhe. Und Wut, man konnte die Wut aus seiner Stimme heraushören.
Autor: giaci9 (eingesandt via E-Mail)
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Ich muss einfach immer wieder sagen, dass der Schreibstil die Geschichte echt wahnsinnig authentisch wirken lässt.
Man fiebert förmlich mit!
Viele Grüße und ein gutes neues wünscht Liam, der hofft dass die Geschichte noch viele Kapitel hat.