Divergent (6)
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Wandern und ein Waschbärenkind mit seiner Mama
Als ich meine Augen wieder aufschlug, wurde ich durch Mamas liebevolle Hand geweckt, die sanft über meinen Kopf strich.
“Hast du gut geschlafen, mein Kind?”, wollte sie wissen. Ich rieb mir mühsam den Schlaf aus den Augen. “Was ist denn los?”, kamen die verwirrten Worte aus meinem Mund.
”Hanna, es ist Zeit für die Schule.”
“Oh nein, ich bin noch so müde”, gähnte ich während mir Mama langsam die Decke wegzog.
“Komm mein Mäuschen”, trieb sie mich an, nahm mich auf den Arm und trug mich ins Badezimmer.
Sie setzte mich auf der Badewanne ab. “Zieh dich mal aus, ich gehe mal unser Frühstück richten.”
Langsam zog ich den Reißverschluss meines Pyjamas auf.
Warum war ich heute so müde, fragte ich mich, während ich mühsam an meiner Nachtwäsche zupfte.
Plötzlich kam Yala voller Energie ins Badezimmer. “Hast du gut geschlafen, Hanna! Du siehst aber heute noch verschlafen aus.”, wünschte sie mir einen guten Morgen. Ich nickte und bereute schon ein wenig, dass ich so lange aufgeblieben war. Warum musste ich immer die Zeit beim Lesen übersehen?
Aber nein, hey, warum muss ich überhaupt so bald aufstehen, wo doch kaum mehr etwas Wichtiges in der Schule passiert. Am liebsten würde ich mich wieder ins Bett legen und noch eine Stunde schlafen.
“Was ist mit dir Hanna, bist du immer noch nicht fertig.”, neckte mich Mama, als sie mich immer noch im Pyjama auf dem Rand der Badewanne sitzen sah. “Komm, so geht das ja mit dir nicht weiter, wir brauchen echt eine Lösung, dass du früher ins Bett kommst.”, teilte sie mir mit. Ich sah sie mit großen, schuldbewussten Augen an.
Langsam kam sie auf mich zu und half mir aus dem Schlafanzug. Schnell war mit ihrer Hilfe mein Pyjama ausgezogen und in der kalten Luft begann mein Rücken zu zittern.
Dann nahm sie mir die mittlerweile schwer gewordene Windel ab und schob mich gekonnt unter die Dusche.
“Das kann ich schon alleine”, wollte ich wieder selbständig sein, als sie zum Waschlappen griff. “Nein mein Kind, du sitzt seit einer halben Stunde im Bad und es geht gar nichts weiter, du hattest deine Chance.”, kommentierte sie ernst aber mit einem liebevollen Lächeln meinen Versuch in der Dusche etwas zu trödeln.
So begann sie mich einzuseifen und mich zu waschen und sobald ich mich darauf einließ und akzeptierte, dass ich heute nicht eine halbe Stunde das warme Wasser genießen konnte, begann ich es zu genießen von ihr wieder wie ein kleines Kind für die Schule fertiggemacht zu werden und auch ihr ernster Ton wegen meiner Trödelei im Bad, war bald verflogen und hatte einem breiten Lächeln Platz gemacht.
Wir lachten gemeinsam und ich glaube, auch sie hatte Spaß dabei. Denn wenn sie mir beim Anziehen oder beim Wickeln hilft, kommen wir uns so nahe, wie sonst nur ganz selten. Es erinnert mich an früher, und an eine Vertrautheit, die ich in den letzten beiden Jahren schon fast verloren glaubte.
Mama hat mich damals oft gewickelt, weil ich das irgendwie nur sehr ungern selber lernen wollte und weil es uns nach dem Tod von Papa, Zeit nur für uns zwei gab.
Als wir im Bad fertig waren, trug sie mich ins Kinderzimmer und holte eine Windel-Pants aus dem Kasten und zog sie mir hoch. Sie ließ mich auf ihren Schoß sitzen und zog mir eine Latzhose und ein nicht allzu kindisches T-Shirt an. Ich kuschelte mich einstweilen eng an Mama und genoss die Nähe zu ihr.
Dann hob sie mich hoch und ging mit mir hinunter in die Küche, wo Marcus und Yala schon beim Frühstück saßen.
Ich sah auf die Uhr. Oje, ich musste in 10 Minuten zum Bus gehen. Mama stellte mir einen Teller geschnittenes und mit Marmelade bestrichenes Brot und einen klein geschnittenen Apfel hin.
Schnell hatte ich alles gegessen und sie half mir mit einem geschickten Handgriff in die Schlaufen meiner Schultasche. “Vergiss nicht, ich hole dich am Nachmittag wieder ab.”, sagte sie zu mir. Ich nickte und nahm die Jacke, die Mama mir noch hinhielt und rannte los.
Gerade noch schaffte ich es den Bus zu erreichen und ein paar monotone Momente später betrat ich die Schule. Nur noch heute und morgen, dachte ich, dann sind endlich Ferien.
***
Hallo liebes Tagebuch
Ach, das war wieder ein schöner Abend mit Marcus. Wir haben gestern so lange im Wohnzimmer geplaudert, über mich, über ihm und auch über unsere wunderbaren Kinder. Ich habe ihm vom Tod meines Mannes erzählt und von der Zeit danach als ich mit der kleinen Hanna alleine war. Wie schwer wir es die erste Zeit hatten und wie ich um unser gemeinsames Unternehmen gekämpft hatte, wie eine Löwin. Ich war eigentlich die Technikerin von uns beiden und mein Mann der Kaufmann, der alles plant und berechnet.
Und auch darüber, was mit Hanna los war, als ich gemerkt habe, dass mit ihr etwas nicht stimmt und sie nicht so aufwächst, wie sie sollte. Welche Sorgen ich mir um mein Baby gemacht hatte. Ich habe ihm erzählt, wie oft ich im Krankenhaus bei ihr übernachtet habe, und den Schock, als mir die Ärzte erklärt hatten, dass sie vielleicht nie so groß werden wird, wie andere Kinder.
Marcus hat mir dann auch von seinem Leben erzählt, von seiner Scheidung und seiner Frau und dem unschönen Rechtsstreit um Yala. Wie seine Frau sich in der Welt der Drogen verloren hatte, und wie sie immer weniger und weniger für ihr Kind da war. Das sein Kind dann immer mehr seine Nähe suchte und sich weigerte erwachsener zu werden und wie sie dann auch allen Belohnungen zum Trotz das Töpfchen nicht mehr probieren wollte.
Hanna hatte dann am Abend mit der Kleinen ein Bilderbuch gelesen und es war so schön wie die Beiden dann wie Schwestern nebeneinander lagen, wie Hanna der kleinen Yala alle Bilder zeigte und ihr Zeit gab alles zu verstehen. Als seine Tochter dann in ihren Arm eingeschlafen ist, sahen sie unzertrennlich aus.
Es war ein Bild, das so schön war, weil es uns den Weg zeigte, auf dem wir beide wieder jemand haben würden, der für mich ein Partner und ein Gefährte war, mit dem man im Leben gemeinsam seinen Weg gehen kann und mit dem man alle schönen und besonderen Momente teilt, der da ist, wenn man schwach ist und den man stützt, wenn er stolpert. Und auch jemanden, der mein Herz wärmt und der meiner Liebe und Sehnsucht würdig ist. Es war einfach so schön.
Dann habe ich am späten Abend wieder Hanna beim Hörbuch hören erwischt, zu einer Zeit, zu der sie eigentlich schon längst schlafen hätte sollen und sie ist heute auch kaum aus dem Bett gekommen. So kann das einfach nicht mehr weitergehen. Ich habe dann auf dem Weg in die Arbeit viel überlegt, wie ich ihr da helfen kann, ohne das ich ihr ihre Freiheit nehme.
Ein Babyfon für sie oder dauernd bei ihr im Zimmer stehen mag ich nicht, das würde sie zu sehr kontrollieren und ihr keinen Platz mehr lassen. Sie soll ja frei entscheiden, was sie tun will und selbst verantwortlich über ihre Zeit entscheiden, aber so wie es jetzt läuft, braucht sie Hilfe.
Dann hat Marcus mir ein Werbeprospekt vom Kindergarten in die Hand gedrückt und ich werde ihr heute vorschlagen, dass wir das gemeinsam ausprobieren. Mal sehen, wie sie darauf reagiert.
So jetzt muss ich wirklich Schluss machen für heute, die neuen Mails tanzen schon wie verrückt über den Bildschirm und ich will nachmittags auch früher los und meine kleine Hanna abholen.
Liebe Grüße Judith
***
In der Klasse musste ich erst mal einen Moment nachdenken, bevor ich meinen neuen Platz
neben Theresa fand. Sie grinste mich an. “Wolltest du dich aus Gewohnheit auf deinen alten Platz setzen”, kicherte sie.
„Ja, ich bin noch gar nicht so richtig munter.”, gestand ich Theresa, die kurz lächeln musste.
“Heute haben wir wieder einen ganzen Tag zum Filme schauen mit den Lehrern, da kannst du dich eh noch ein bisschen ausschlafen.”, kommentierte sie den Fernseher, den die erste Lehrerin schon in die Klasse geschoben hatte.
“Was hast du denn gestern so lange gemacht, dass du heute so müde bist?“, löcherte sie mich mit Fragen.
Ich begann ihr zu erzählen, das ich viel zu lange an meinem Hörbuch gelauscht hatte und sie erzählte mir, das sie gestern Nachmittag mit Lyana noch in der Stadt war.
Inzwischen war unser Geschichtslehrer wiedergekommen und er belud das alte TV-Gerät mit einer DVD, einen Film über ein historisches Thema, das wir im Unterricht behandelt hatten und ließ uns in den hinteren Bänken mit unseren leisen Gesprächen alleine.
So konnte ich mit Theresa weiter über die anstehenden Ferien plaudern. Es war spannend zu hören, was sie in den nächsten Wochen alles unternehmen wollte, während ich hingegen noch nicht so große Pläne hatte.
Mama wollte zwar sicher wieder wohin fahren, aber mir war das Sightseeing in den Städten oft zu heiß und so hatten wir noch keinen Urlaub gebucht.
Theresa würde hingegen mit ihrer Familie ans Meer fahren und freute sich schon sehr. Sie hatte mir erzählt, dass sie immer an den gleichen Campingplatz Urlaub machen und dass es dort besonders schön ist.
Vielleicht sollte ich mit Mama auch mal so wo hinfahren. Jetzt wo ich die Schwimmflügel wieder habe, wäre das Meer ja auch nicht so schlimm, oder? Dachte ich mir, ohne den Gedanken gleich mit meiner Banknachbarin zu teilen.
“Magst du eigentlich am Freitag mit Lyana und mir den Ferienbeginn feiern?”, lud mich Theresa zu ihr ein. “Wir wollen am Nachmittag ganz entspannt bei einer Feier die Ferien einläuten. Paul und Thomas will ich auch noch einladen.”
Sie hatte mich nun völlig überrascht. Ich war seit dem Kindergarten schon auf keiner Party mehr eingeladen. In der alten Schule war das völlig ausgeschlossen. Da war ich ja immer das Klassenbaby. Aber sie wusste schon so viele Geheimnisse von mir und sie hat mich nie ausgelacht und jetzt lädt gerade sie mich zu einer Party ein?
“Lyana möchte auch über Nacht bleiben, willst du das vielleicht auch?”, erzählte sie freudig, während es mir kalt über meinen Rücken lief.
“Das geht doch nicht!“, erwiderte ich leise.
“Magst du nicht oder hat deine Mama gesagt, dass du nicht darfst?”, wollte Theresa wissen.
“Ich weiß nicht, meine Mama habe ich auch noch nicht gefragt, aber es geht nicht, weil ich … Naja du weißt schon.”
“Willst du nicht kommen, weil du Angst hast, dass jemand deine Windeln sieht?”, flüsterte sie.
Ich sah sie erschrocken an. Jetzt hatte sie es ausgesprochen! Sie hatte es doch nicht weitererzählt. Aber sie hat es einfach gesagt.
Plötzlich läutete die Schulglocke zur Pause und Theresa legte ihre Hand auf meine Schulter.
“Magst du in einer einsamen Ecke des Pausenhofs noch mit mir darüber reden?”, schlug sie vor. “Ich fände es sehr schade, wenn du nur deswegen nicht mitkommen willst. Ich kenne Lyana sehr gut und ich glaube nicht, dass sie dich deswegen auslachen würde.”
Gemeinsam nahmen wir unsere Jausenboxen, gingen in eine ruhige Ecke des Schulhofs und setzten uns dort unter einen Baum.
“Du glaubst doch nicht, dass ich deswegen schlecht von dir denken würde?”
“Nein”, gab ich zu. “Aber ich habe so Angst davor, weil man mich in meiner alten Schule deswegen immer verspottet hat.” Jetzt war es raus.
“Hast du dich deswegen von allen Mitschülern so zurückgezogen?”
Ich nickte und wischte mir eine Träne aus den Augen.
“Das war sicher eine ganz schlimme Zeit für dich, du musst darüber nicht sprechen, aber du sollst wissen, dass ich nie über wen lachen würde, nur weil er Windeln braucht. Und bei uns zu Hause ist das sicher kein Problem.”
“Ich weiß nicht, ob ich mich schon traue woanders über Nacht zu bleiben.”, meinte ich nochmals unsicher. “Du kannst ja mal nur am Nachmittag kommen und wir machen, wenn du dich sicherer fühlst, in den Ferien eine Übernachtungsparty.”, schlug Theresa vor.
“Ja vielleicht.”, antwortete ich immer noch unsicher.
“Ich freue mich erst mal, dass du morgen Nachmittag kommst. Du wirst sehen, es wird lustig.”, ermutigte sie mich.
Ich nickte und strahlte sie mit meinen Augen an. Mich hatte schon lange keiner mehr auf eine Party eingeladen.
“Ich frag schnell meine Mama, aber ich will unbedingt auch kommen.”, stimmte ich ihr nun schon zuversichtlicher zu.
Theresa lächelte mich an. “Es würde mich sehr freuen, wenn du als meine neue Freundin kommst.”, erklärte sie mir.
“Danke!”, wisperte ich und war richtig glücklich.
Danach läutete die Glocke wieder zur nächsten Stunde und wir mussten wieder zurück in die Klasse. Ich fühlte mich neben Theresa jetzt sicherer. Nicht nur das sie auf mich schaute, weil sie Klassensprecherin war, vielleicht konnte ich ihr auch Vertrauen, wie einer Freundin.
Die nächsten beiden Stunden waren wieder eher langweilig, aber die Lehrerin ließ keine Plaudereien zu, sodass wir bis zum erlösenden Läuten der Schulglocke still nebeneinander saßen und dem Film der Lehrerin folgten.
Dann war für heute der Unterricht endlich vorbei. “Sagst du mir noch Bescheid wegen morgen Nachmittag.”, erinnerte mich Theresa.
“Ja, mach ich”, sagte ich und kramte in meiner Schultasche nach meinem Handy, aber ich konnte es nirgends finden.
“Was suchst du denn?”, sorgte sie sich um mich. ”Ich glaube ich habe mein Handy verloren.”, gestand ich ihr, während ich unruhig all meine Hefte aus der Tasche zog.
“Hast du es heute überhaupt eingepackt, ich habe es heute noch gar nicht in deinen Händen gesehen.”
Ich zuckte mit den Schultern. Dann fiel mir ein, dass Mama es mir gestern abends weggenommen hatte und ich heute beim Frühstück ganz vergessen hatte, sie danach zu fragen.
“Ja vielleicht liegt es zu Hause.”, gab ich zu und stopfte meine Schulsachen wieder in die Tasche. Nun fiel mir ein, dass sie mich heute von der Schule abholen wollte.
Neben Theresa und Lyana, die noch auf uns gewartet hatte, ging ich ein vorletztes Mal vor den großen Ferien aus der Schule. Hinten am Parkplatz konnte ich gleich ihr Auto sehen.“ “Theresa, dort drüben steht das Auto meiner Mama. Wollt ihr nicht gleich mitkommen, dann kann ich sie gleich fragen, ob ich morgen Nachmittag kommen darf.”
“Du fragst deswegen noch immer deine Mama?”, kommentierte Lyana meine Antwort.
“Warum denn nicht? Fragst du deine den nicht mehr?”, plauderte ich ohne viel nachzudenken.
Lyana schüttelte den Kopf. “Nein, ich sag ihr nur, wenn ich weg bin.”, meinte sie, etwas forsch und versuchte cool zu wirken.
Ich dachte kurz darüber nach, machten Jugendliche das nicht mehr. Hatte ich jetzt zu viel von mir preisgegeben.
“Aber es ist auch ganz Ok, wenn du sie noch fragen willst.”, versuchte sie mich zu beruhigen, als sie merkte wie meine Gedanken kreisten. “Ich find das nicht schlimm, dass du das noch tust.”
Ich sah ihr dankbar in die Augen.
Inzwischen waren wir bei unserem Auto angekommen. “Hallo Mama.”, rief ich. “Schönen Nachmittag, Frau Vogt”, begrüßten Theresa und Lyana sie.
“Darf ich morgen Nachmittag zu Theresa und Lyana fahren. Sie wollen eine Schulschlussparty feiern und haben mich eingeladen?”
Sie schaute etwas überrascht. “Wenn du willst, darfst du natürlich.”, erlaubte sie es mir.
“Hurra. Theresa, das ist super!”, freute ich mich lautstark. “Dann kann ich morgen zu euch kommen.“. Vor lauter Freude fiel ich ihr um den Hals.
Die beiden sahen mich mit großen Augen an und grinsten. “Ok wir freuen uns auch auf morgen” stammelte Theresa und klang dabei ein bisschen verwundert über mich und meine kindliche Freude.
“Und Hanna, vielleicht kannst du auch deine Schwimmsachen einpacken, wir haben einen Pool im Garten.”
Ich schluckte kurz. “Ok”, stammelte ich wieder etwas verlegen.
“Mach dir keine Sorgen, wir passen schon auf dich auf.”, versprach Theresa.
“Dann packe ich die morgen ein.”
“Und wann soll ich Hanna zu euch bringen und wieder abholen.” mischte sich Mama ein.
“Ich weiß nicht, Lyana kommt zu mir, sobald sie zu Hause zu Mittag gegessen hat. Aber du kannst gerne schon um 12 da sein. Dann können wir in Ruhe alles vorbereiten. Und am Abend will Lyana ja bei mir bleiben” sagte Theresa und versuchte mich nochmals zu überreden doch bei ihr zu übernachten.
Ich senkte etwas unsicher meinen Kopf. Da half mir Mama aus der Patsche und entgegnete “Ich glaube beim ersten Mal ist es noch besser, wenn ich dich am Abend abhole. Ich könnte so gegen 18 Uhr bei euch sein”, ergänzte sie.
“Na gut.”, erwiderte Theresa etwas enttäuscht.
Wir verabschiedeten uns noch und sie ließ mich hinten am Beifahrersitz auf meiner Sitzerhöhung Platz nehmen.
„Ich habe gute Nachrichten, dein Arzttermin wurde heute vormittags abgesagt. Hast du stattdessen Lust auf einen kleinen Spaziergang?”, bot sie mir an. “Dann kannst du mir alles erzählen, was heute passiert ist und wie du zu der Einladung von deiner Schulfreundin gekommen bist.”
Ich nickte. “Wollen wir in den Kobernaußerwald fahren, dort ist es so schön ruhig.”, schlug ich ihr vor. Sie fuhr auf der Bundesstraße Richtung Norden, während ich ihr erzählte, wer Theresa und Lyana waren und wie ich zu der Einladung zu ihrer Party gekommen bin. Ich erzählte ihr auch, dass ich noch etwas unsicher war, ob es mir gefällt und Angst davor hatte, dass Lyana meine Windeln sehen würde. Ein paar Minuten später waren wir auf einem Parkplatz im Wald angekommen. Hier war es richtig ruhig und abgelegen.
“Soll ich dich noch frisch wickeln, bevor wir losgehen.”, bot mir Mama an. “Ich weiß nicht”, gestand ich ihr, heute Vormittag hatte ich die Pullup wieder zum größten Teil vergessen, oder besser gesagt sie einfach so als Hilfe angenommen, dass ich nicht lange darüber nachdachte, ob ich mal Pipi musste.
Kurz fragte ich mich, ob ich heute denn mal am Klo war. Hmm leider nicht.
“Hey meine Maus.”, sagte sie zu mir. “Wenn du willst, kann ich auch manchmal diskret nachschauen, ob du nass bist.”
Ich wurde wieder rot und nickte zaghaft. “Mama, aber bitte nur, wenn es keiner von meinen Klassenkameraden sieht.“
”Das muss dir doch nicht peinlich sein. Komm, lege dich schnell auf die Rückbank.” Sie nahm mich an der Hand und ich war froh, dass sie mir half. Sachte legte sie eine Decke auf den Rücksitz, sodass uns von der Straße und dem Parkplatz niemand sehen konnte.
“Danke”, flüsterte ich in ihr Ohr während sie mich auf die Decke legte und nach ein paar geübten Griffen hatte sie meine Pants an der Seite aufgerissen. Sie griff sich eine meiner Windeln aus der Handtasche und ehe ich mich versah, lag ich frisch und trocken auf der Rückbank. “Alles wieder ok mein Schatz”, küsste sie mich und lächelte mich an.
“Na, dann bist du bereit, den Wald zu erkunden.”
“Ja Mama, mit dir immer.”, freute ich mich und umarmte sie.
Sie hob den kleinen Rucksack aus dem Auto und losging es, in den dichten Wald. Die ersten Minuten genoss ich einfach die Freiheit hier, lief mal weiter vor und staunte dann wieder an einem Tümpel oder einer Blume bis sie mich eingeholt hatte.
Nach ein paar Minuten, in denen ich den Wald mit allen Sinnen genossen hatte, nahm sie mich an die Hand.
“Ich wollte mit dir heute auch über zwei wichtige Dinge reden.”, erklärte sie mit ernster, aber liebevoller Stimme.
“Was denn Mama?”, wollte ich aufgeregt wissen, während mein Geist zu rasen begann. Was wollte sie von mir? War ich ihr zu kindlich? Habe ich was ausgefressen?
Sie sah in mein erschrockenes Gesicht.
“Ach Kindchen, so schlimm wird es nicht”, versicherte sie mir.
“Du weißt doch, dass ich Marcus sehr gerne mag?”, führte sie mich zum Thema. Ich nickte.
“Ich mag Yala auch sehr gerne.”, antwortete ich ihr. “Sie sind beide sehr lieb.”
Ich merkte, wie sie nach Worten rang.
“Bist du in ihn verliebt?”, sprach ich aus, was ihr auf dem Herzen lag und schaute ihr in die Augen. Ich brauchte gar nicht lange auf eine Antwort zu warten, auch wenn ich selber noch nie in einen Jungen verliebt war erkannte ich das Glitzern und Leuchten in ihren Augen.
“Aber das ist doch toll, Lieblingsmama”.
Sie war immer noch sprachlos.
“Manchmal ist mein kleines Baby schon viel erwachsener, als ich denke.”, erwiderte sie und ich kuschelte mich an ihre Bluse, die sie schon vorher in der Arbeit anhatte und die so schön nach ihrem Parfüm roch
“Ich wollte dich fragen, ob es dir was ausmacht, wenn die Beiden öfter bei uns sind und ich möchte, dass du weißt, dass ich dich trotzdem genauso lieb habe, auch wenn ich am Abend manchmal Zeit alleine mit Marcus verbringe.”
“Magst du, dass Marcus und Yala bei uns einziehen?”
“Ich weiß nicht”, zweifelte Mama “Ich habe ihm noch gar nicht gefragt, mein Schatz. Wäre das denn schlimm für dich?”
Ich schüttelte meinen Kopf. “Nein, ich mag Yala und manchmal wünsche ich mir, sie wäre meine Schwester und vielleicht könnten wir ein gemeinsames Kinderzimmer haben.” Mama legte die Hand um meine Schultern.
“Aber wir können doch das Gästezimmer in ein zweites Kinderzimmer für Yala umbauen”, erwiderte sie.
“Aber sie kann doch bei mir schlafen.”, rief ich enttäuscht.
“Wir werden schon sehen, zuerst muss ich Marcus überhaupt fragen, ob er zu uns ziehen will. Aber was er mich schon gefragt hat ist, ob wir beide mit ihm und Yala in den Urlaub fahren möchten, die Beiden wollen in den Sommerferien für drei Wochen ans Meer nach Kroatien.”
Drei Wochen gemeinsamer Urlaub, das ist ja ein schönes Feriengeschenk. Ich strahlte vor Freude. “Und du musst auch gar nicht arbeiten?”, fragte ich sie besorgt.
“Nein mein Schatz diesmal nicht, es reicht, wenn ich hin und wieder bei wichtigen Entscheidungen meinen zweiten Gesellschafter anrufe.”, Ich sah sie unsicher an.
“Das dauert auch sicher nie lange”, versicherte sie mir. Drei Wochen mit Yala als Kind durch die Ferien flitzen, freute ich mich. Das klang nach richtig viel Spaß und da konnten wir als Schwestern vielleicht auch etwas zusammenwachsen.
Mein kleiner Kopf dachte gerade nur an die vielen schönen Sachen, die man dort machen konnte und an all die Erzählungen von Yala und Theresa, ob das denn wirklich so schön werden würde?
Wir setzten uns auf einen dicken Stamm und ich kuschelte mich auf ihren Schoß. Die kühle feuchte Waldluft strich sanft über meinen Rücken, während sie unsere Wasserflasche aus dem Rucksack holte.
Ich trank einen großen Schluck kühlen Wassers, während Mama ihr Handy aus der Tasche zog.
“Lieblingsmama, hast du eigentlich mein Handy noch? Ich habe heute in der Früh ganz vergessen, dich danach zu fragen.”
“Ja, das habe ich noch.”, antwortete sie mir etwas reserviert.
“Kann ich es vielleicht wieder haben?”, wollte ich vorsichtig wissen.
“Ja sicher, es ist ja deins, aber vorher möchte ich mit dir nochmal über gestern abends reden.”
“Du meinst, weil ich so lange aufgeblieben bin?”, flüsterte ich ängstlich.
“Das auch”, sagte sie bestimmt. “Ich bin mir nur nicht sicher, ob du, wenn du immer wieder solch große Angst vor Situationen in deinem Leben hast, am Abend so lange vor dem Smartphone hängen solltest.”
“Aber ich habe doch nur einmal die Zeit übersehen.”, versuchte ich mich zu rechtfertigen.
“Außerdem brauche ich das Telefon, um zu lernen und mit meinen Klassenkameraden Kontakt zu halten. Gerade jetzt, wo ich mich ein bisschen mit Theresa angefreundet habe.”
“Ich will es dir ja auch gar nicht wegnehmen”, erklärte sie mir. “Und es sollte auch keine Strafe für dich sein. Ich glaube nur, dass du ein bisschen mehr Hilfe brauchst, damit es das nächste Mal nicht mehr passiert.”
“Du weißt, dass es Apps am Handy gibt, die Kindern ein wenig helfen, nicht zu viel Zeit mit dem Handy zu verbringen.”
“Mama, meinst du wirklich, dass ich das noch brauche?”
“Ich glaube es würde es für dich einfacher machen und ich müsste nicht immer nachschauen, ob du in der Nacht schläfst. Aber ich denke, du bist alt genug, dass du dabei auch mitreden darfst. Deswegen möchte ich, dass wir das am Abend gemeinsam machen und dann kannst du dein Telefon gerne wieder haben.”
Irgendwie war das wieder Mama, die sich um mich kümmert, aber ich war mir noch nicht sicher, ob mir das so recht war.
“Aber ich will keine App, wo ich eine spezielle Kinderoberfläche habe. Das ist dann doch sehr peinlich vor meinen neuen Freunden.”
“Nein, dazu bist du schon zu alt, aber es gibt auch welche, die lassen dich das Telefon ganz normal nutzen und erinnern dich trotzdem, wenn es Zeit ist, was anderes zu tun. Und wir können ja die erste Zeit alle paar Tage darüber reden, ob dich was stört und deine Regeln für dich anpassen. Sodass du dich damit wohlfühlst und du trotzdem Regeln hast, die dir helfen.”
“Vielleicht war das Ganze gar nicht so schlimm, wie ich mir gedacht hatte.
Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Sie hatte ja irgendwie recht und ich fühlte mich auch jetzt wieder von ihr beschützt und nicht bevormundet. Und wenn ich die kleine Hanna bin, passt das auch irgendwie zu mir.
“Bist du schon wieder so tief in Gedanken versunken oder ist das wirklich so schlimm für dich?”
“Nein Mama”, antwortete ich, “Ich muss mich nur mit dem Gedanken anfreunden und du hast ja versprochen, dass du mehr auf mich aufpasst. Ich will dir da einfach vertrauen.”
“Wollen wir nicht noch etwas den Wald genießen, bevor wir heute wieder nach Hause müssen.” Ich sah sie an und kuschelte mich noch kurz an sie, bevor wir aufstanden und uns wieder auf den Weg machten.
“Mama, ist es für dich eigentlich schlimm, dass ich wieder so kindlich bin und du dich wieder mehr um mich kümmern musst,” fragte ich sie.
Sie legte ihren Arm um meine Schulter. “Nein mein Schatz. Ich will, dass es dir gut geht und du glücklich bist, wenn ich dir etwas helfen kann gibt es mir auch irgendwie das Gefühl noch gebraucht zu werden und nicht zum alten Eisen zu gehören.”
“Du bist so lieb zu mir, da kannst du noch gar nicht zum altem Eisen gehören.”, entgegnete ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Gemeinsam mit ihr ging es über kühle, verschlungene Waldpfade zurück in Richtung Parkplatz. Und auch, wenn ich es mir nicht anmerken ließ, war mein Kopf voller Gedanken über alles, was ich mit ihr besprochen hatte und ich freute mich auch sehr für sie, dass sie nun endlich jemanden gefunden hatte, der vielleicht die leere Stelle in unserem Haus und unseren Herzen wieder füllen konnte.
Ich dachte auch immer wieder an Papa, ob er uns von oben im Himmel zuschaut. Ob er uns Marcus und Yala geschickt hatte. Er mag sicher, dass ich wieder glücklich bin, dass Mama nicht alleine ist und dass ich keine Angst mehr habe.
Inzwischen waren wir nicht mehr die einzigen Wanderer. Hier in dem bekannteren Teil des Waldes waren viele Spaziergänger und Familien mit Kinder unterwegs. Weiter vorne in Richtung des Parkplatzes gab es auch einen Waldspielplatz.
“Darf ich da auf den Baumstämmen balancieren?”, bat ich sie um Erlaubnis. “Ja sicher mein Kind.”
Sie setzte sich auf einen der Stämme, während ich um sie herum turnte. Ich war jetzt wieder so richtig ein Kind. Und fühlte mich so richtig frei und sicher bei meiner Mama.
Und es machte mir richtig Spaß im Wald zu spielen, ob das Yala wohl auch lustig findet? Ich mochte es sehr, die Stämme, mit ihrer rauen Rinde, unter meinen Füßen den Geruch von frisch geschnittenem Holz und die immer noch warme Sommersonne auf meinen Rücken zu spüren.
Plötzlich beunruhigte mich ein Grummeln in meinem Bauch. Was sollte ich jetzt tun? Ich wollte aber auf keinen Fall aufhören zu spielen. Das schaffst du doch locker noch bis nach Hause, dachte ich mir und verdrängte den Gedanken aus meinem Kopf.
Ich sprang vom Baumstamm runter und begann ein paar schöne Zapfen für mein Kinderzimmer zu suchen. Vielleicht konnte ich ja mit Yala etwas Schönes daraus basteln. Das wäre mal ein interessantes Spiel für einen verregneten Sommertag.
“Mama, hast du das alte Stoffsackerl noch im Rucksack”, fragte ich sie.
“Ja sicher”
Sie kramte ein beiges Stück Stoff heraus.
“Ich will ein paar Zapfen mitnehmen, damit ich mit Yala was Schönes daraus machen kann” erklärte ich ihr und reichte ihr meine Auswahl. “Die sind aber toll.”, bestätigte sie mir anerkennend und gab mir einen Kuss auf meine Stirn.
Wieder grummelte es in meinen Bauch. “Na Kindchen, musst du mal aufs Klo?”, wollte sie wissen.
“NEIN MAMA, das geht jetzt nicht.”, sagte ich trotzig und sah Mama nur mit großen Augen an.
“So wie sich dein Bauch gerade beschwert hat, musst du wohl schon ganz dringend, oder? Wenn du willst, kann ich dir helfen, dass du die Windel kurz ausziehen kannst.”
“Aber dann sieht doch jeder, dass ich eine Windel anhabe. Das geht doch nicht.” widersprach ich entschlossen.
“Magst du lieber nach Hause?”
Wieder schüttelte ich trotzig den Kopf. “Nein, ich mag noch etwas spielen und kurz vor dem Parkplatz ist ja auch der Spielplatz.”
“Ach was machen wir dann mit dir.”, sagte sie lächelnd und zog mich zu sich auf den Schoß und begann mich zu knuddeln und zu drücken. “Weißt du, manchmal bist du echt wieder so wie früher Hanna.”
“Mama nicht, sonst passiert mir noch was.”, sie sah mich an und hörte auf.
“Wäre das für dich so schlimm, mein Kind?”
“Du meinst, ich könnte, … Dann einfach weiterspielen. Ich weiß nicht.” Ich dachte an mein peinliches Erlebnis am Wochenende.
“Weißt du, früher hast du dich oft beim Spielen versteckt, wenn du groß musstest.”
“Ja, aber da war ich nur zwei und nicht dreizehn Jahre.” sagte ich und schüttelte den Kopf.
“Nein, da warst du schon viel älter, liebes Kind.”, sagte sie mit einem Lächeln. “Wir können gerne in meinem Tagebuch nachlesen, aber sicher nicht viel jünger als Yala jetzt. Du hattest immer Angst vor dem großen Klo und deinen lustigen Sitz hatten wir nur zu Hause.” erzählte sie mir.
“Ja, Yala passiert das ja auch noch oft”, sagte ich zu ihr, so als versuchte ich mich für den Gedanken zu rechtfertigen, dass ich das vielleicht auch machen könnte.
“Aber ist das nicht eklig für dich.”
“Ach wickeln muss ich dich ja sowieso und ein paar Taschentücher habe ich auch mit, um dich untenrum wieder sauberzumachen und kleinen Mäusen passiert das halt manchmal.”
Ich kuschelte mich wieder an meine Mama.
“Mach dir nicht so viele Sorgen!”, meinte sie zu mir, “willst du nicht viel lieber weiter zum Spielplatz gehen?”
Ich sprang auf und rannte los. Es waren nur mehr wenige hundert Meter und eine Wegbiegung
“Hanna, lauf doch alleine noch nicht so weit vor.”, ermahnte sie mich.
Ich schaute mich um und sah sie zehn Meter hinter mir stehen.
Wieder grummelte es in meinen Bauch. Aber wollte ich das einfach so vor ihr machen.
Ich verstand nun, warum ich mich als Kind immer versteckt hatte. Wenn jemand dabei zuschaut, ist das noch peinlicher. Ich versuchte während des Laufens zu drücken. Aber es passierte nichts.
Endlich war der Spielplatz in Sicht. “Na lauf schon”, erwiderte sie meinen fragenden Blick.
So schnell mich meine Füße tragen konnten, sprintete ich los. Und schon bald gruben sich meine Füße in den sandigen Boden des Spielparadieses. Was wollte ich zuerst ausprobieren? Zuerst Rutschen oder aufs Klettergerüst? Bei der Rutsche waren gerade wenig Kinder. Also stieg ich auf den kleinen Turm hinauf zur Rutsche. Mit jedem Schritt, den ich über die Sprossenwand hinaufkletterte, freute ich mich mehr darüber, heute mal wirklich, wie ein kleines Kind, herumtoben zu dürfen. Oben angekommen wartete ich ungeduldig bis das Kind vor mir gerutscht war. Dann war endlich ich an der Reihe.
Als ich mich setzte, sah ich, dass meine Mama schon unten stand und mir winkte. Voller Energie stieß ich mich ab. Die große Rutsche machte echt Spaß.
Sofort lief ich wieder hoch und nahm diesmal den schwierigeren, aber kürzeren Weg über die Kettenbrücke. Die nur mit Ketten verbundenen Stufen schaukelten unter meinen Schritten hin und her und ich musste feststellen, dass es gar nicht so einfach ist. Ich musste echt wieder öfter mit ihr auf den Spielplatz gehen, das konnte ich früher ja schon mal viel besser.
Als ich mitten auf der Brücke stand, rief sie von unten und machte ein Foto von mir.
Dann als ich gerade auf den nächsten Block steigen wollte, grummelte es plötzlich wieder in meinem Bauch, und nun musste ich so dringend, dass es fast weh tat. Rasch ging ich die letzten Meter bis zum nächsten Turm. Was sollte ich jetzt tun? Konnte ich das einfach hier machen? Ich sah mich Hilfe suchend um. Dann sprach wieder meine Kind-Ich-Stimme. Ist doch egal, mach einfach rein, dann kannst du weiterspielen.
Ich ging in die Hocke und tat so, als würde ich gleich in den Kettentunnel kriechen und lies diesmal ganz locker. Nicht mal zwei Sekunden später tat mein Bauch nicht mehr weh und die Windel fühlte sich ganz eigenartig an.
Du bist wirklich wie ein Kleinkind, versuchte das Jugendliche-Ich noch mich aus dem Konzept zu bringen.
Aber das Kind-Ich war diesmal stärker. Los, jetzt kannst du wieder Spaß haben.
Immer noch unsicher krabbelte ich auf allen vieren durch den Tunnel und über die Rutsche ging es hinunter zu Mama.
“Magst du kurz was trinken?”, bot sie mir die Wasserflasche an. Ich nahm einen schnellen Schluck und wollte schon wieder los, als sie mich am Arm hielt.
“Ich glaube wir machen einen kurzen Boxenstopp im Auto?”, kommentierte sie meine nun volle Windel.
“Aber es ist gerade so lustig!”, sprach mein Kind-Ich direkt zu Mama, ohne lange nachzudenken.
Sie schüttelte nur ihren Kopf, nahm mich hoch und trug mich die paar Meter zum Parkplatz. Ich kuschelte mich ganz eng an sie und sie streichelte mir sachte über den Kopf.
“Alles ok, mein Muffelchen?”, wisperte sie in mein Ohr und küsste mich liebevoll. Mit ganz glasigen Augen nickte ich ihr zu.
Sie machte die Heckklappe des Autos auf und setzte mich am Boden daneben ab. Dann breitete sie eine Decke aus. Peinlich berührt kuschelte ich mich Hilfe suchend an ihr Hosenbein.
“Komm mein Kind”, flüsterte sie und legte mich auf die Decke und zog meine Hose aus.
“Aber hier sieht mich ja jeder!”, versuchte ich wieder zu protestieren.
Doch sie gab mir nur einen Kuss auf die Stirn. “Nein mein Baby, es ist kaum jemand da und jeder sieht nur eine Mama, die ihr kleines Kind wickelt.”, sie kitzelte mich etwas bevor sie mir meine Hose auszog.
Sie klappte meine Windel auf und begann mich mit ihren Taschentüchern sauberzumachen. Während ich mich immer mehr in meiner Kind-Sein-Rolle vergrub, war es mir plötzlich gar nicht mehr so peinlich. Nur schade, dass ich jetzt nicht mehr weiterspielen konnte.
“Ich glaube, wir müssen für dich wieder eine Wickeltasche packen, meine kleine Maus” meinte sie, als sie die zweite Packung Taschentücher verbraucht hatte. Dann legte sie mir eine frische Windel unter den Popo, verschloss vorne die Klebestreifen und zog mich wieder an.
“Und war es so schlimm für dich?”, wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf. “Es war gar nicht schlimm” wiederholte ich fast ihren Satz. “Irgendwie komisch schon, aber nicht schlimm, doch du hast, damit doch sicher viel mehr Arbeit, oder?”
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. “Du machst mir keine Arbeit, du bist mein Kind und für dich würde ich alles tun.”, und nach ein paar Sekunden ergänzte sie “Ich glaube wir haben irgendwo im Keller noch deine alten Babysachen, da müsste die Wickeltasche auch dabei sein.”
Ich gähnte und rieb mir vor lauter Müdigkeit die Augen. “Na, du siehst auch schon ganz fertig aus.”
“Nein!”, widersprach ich, “ich muss ja unbedingt noch rutschen und aufs Klettergerüst.”
“Ich weiß nicht, ob das für dich heute noch so gut ist, du kannst ja deine Augen schon fast nicht mehr offenhalten.”
“Aber Mama, ich wollte doch noch etwas spielen” bettelte ich und wischte mir eine Träne aus den Augen.
“Nein, für dich ist es Zeit zum Heimfahren, aber ich verspreche dir, meine Kleine, wir werden wieder öfters, mit dir auf den Spielplatz gehen.”
“Ja, aber ich mag noch nicht nach Hause.”
“Doch mein Kind, aber was hältst du davon, wenn wir am Weg noch beim Baumarkt Sand und Farbe für deine Spielecke im Garten kaufen?”
“Ja Mama.”, stimmte ich ihr etwas traurig und sehr müde zu.
Sie hob mich von der Decke des Kofferraums und trug mich rüber zu meiner Sitzerhöhung.
Dort schnallte sie mich an und machte meine Tür zu.
Schon nach wenigen Sekunden wurden meine Augen richtig schwer und ich lehnte meinen Kopf gegen das Fenster.
Inzwischen ist sie eingestiegen und mit letzter Kraft meiner Gedanken sah ich, wie wir vom Parkplatz fuhren.
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Als ich meine Augen wieder aufschlug, standen wir in der Garage und Mama legte den letzten der drei schweren Säcke mit Sand aus dem Kofferraum auf die Scheibtruhe
“Wann hast du die denn eingekauft?”; wollte ich wissen.
“Als du meine kleine Maus tief und fest geschlafen hast, waren wir noch schnell im Baumarkt.”
“Das habe ich ja gar nicht mitbekommen.”
Sie schnallte mich ab und ließ mich aus dem Auto steigen.
“Wenn du öfters im Auto einschläfst, wäre es besser, wenn wir wieder deinen alten Kindersitz verwenden?”
“Aber Mama!”, rief mein jugendliches Ich. “Ich schlafe ja gar nicht mehr dauernd ein!”
“In den letzten Tagen schon”, widersprach sie mir. “Mein Kind, wenn du schläfst, kippst du immer auf die Seite und dann ist es mit Rückenstütze für dich einfach sicherer.”
Ich fühlte mich gerade richtig klein und kuschelte mich an sie.
“Aber ich will doch schon groß sein.”, versuchte ich sie ein letztes Mal zu überzeugen.
“Du bist doch auch mein großes Kind und ich habe dich so lieb. Aber ich habe dir auch versprochen, mehr auf dich zu schauen.”
Ich nickte und vergrub mein Gesicht in ihrer Bluse. Sie hatte ja recht, aber es fühlte sich an, als würde ich mein Leben als coole Schülerin aufgeben und vergessen.
Sie sah mich fürsorglich an. “Kann ich es dir irgendwie leichter machen.”, flüsterte sie mir zu, während sie mich sachte hin und her wiegte. „Wäre es für dich leichter, wenn du mit dem alten Kindersitz vorne sitzen darfst, wenn wir nur zu zweit fahren?”
Ich sah sie fragend an. “Darf ich echt vorne neben dir sitzen?”, staunte ich. “Dann wäre ich ja gar kein kleines Kind mehr, weil die dürfen das ja nicht.”
“Und du könntest mir helfen den richtigen Weg zu finden, wenn wir unterwegs sind”
Nickend strahlte ich sie an.
“Aber nur, wenn wir ohne Yala und Marcus unterwegs sind. Und ich höre kein Gezeter mehr, wegen des alten Kindersitzes.”, schränkte sie ihr versprechen doch etwas ein.
Das war mir nun egal, ich bin Mamas großes Kind, freute ich mich. “Ja, Mama”, sagte ich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie setzte mich auf den Estrich der Garage ab.
“Hast du meinen alten Kindersitz nicht schon verkauft?”, wollte ich von ihr wissen.
“Nein, der steht noch im Keller, mein Schatz. Den holen wir auch gleich und dann sehen wir, ob er vorne auf den Beifahrersitz passt?”
Ich grinste sie an. Es war eine komische Situation für mich. Einerseits fühlte ich mich klein, weil ich meine, mit langer Diskussion erkämpfte, Sitzerhöhung wieder gegen den Kindersitz tauschte, andererseits auch irre erwachsen, weil ich in Zukunft neben ihr sitzen darf.
Sie ging mit mir in den Keller und nach wenigen Handgriffen hatte sie meinen Kindersitz aus dem Stapel mit alten Sachen geholt. Und drückte ihn mir in die Hand. “Ich will noch eine andere Kiste mit hochnehmen.”, erklärte sie mir und holte eine alte Box aus Karton heraus.
‘Hannas Kleinkind-Sachen’ stand mit schwarzem Stift auf dem Karton.
“Ist da meine alte Wickeltasche drinnen?”, wollte ich wissen.
“Unter anderem auch mein Kind, aber wir sehen die gemeinsam durch.”
Ich nahm meinen alten Sitz und ging wieder hinauf in die Garage. Nun war ich doch ganz froh, dass ich den alten Sitz wieder hatte. Und dachte an das gemütliche Schlafen im Auto am Wochenende zurück. Das war viel angenehmer als in ihrem Auto mit der Sitzerhöhung.
Mama hatte einstweilen die Kiste im Vorzimmer abgestellt und half mir den für mich doch sehr sperrigen Gegenstand auf den Beifahrersitz des Autos zu stellen. Irgendwie sah es schön und gemütlich aus.
“Willst du mal Probesitzen?”, bot sie mir an und hob mich gleich auf den weinroten, weichen Platz. Ich fühlte mich gleich wieder ganz wohl und geborgen. Mit ein paar Griffen stellte sie die Lehne so ein, dass ich meinen kleinen Kopf auf die Kopfstützen legen konnte. So fühlte ich den weichen Stoff, der mich wie ein Kissen hielt. Hier würde ich echt gut schlafen können, dachte ich, denn auch wenn ich es nie zugeben würde, wusste ich wie oft ich es nicht schaffte meine Augen bis zu Hause offenzuhalten.
“Mama, das ist echt angenehmer.”, gestand ich ihr leise und sah ihr dankbar in die Augen.
“Das ist ja gut, du sollst dich damit ja auch wohlfühlen.” schmeichelte sie mir und strich mir durchs Haar. Ich sah, wie ihre Augen voller Gefühle für mich waren, während sie den Gurt nahm und versuchte mich anzuschnallen. So fädelte sie das schwarze Band wie für ältere Kinder empfohlen durch die Halterung an meiner Schulter.
“Drückt er irgendwo?” vergewisserte sie sich, dass der Sitz passte.
Ich gab ihr als Antwort einen Kuss auf die Wange und sie ließ mich wieder aus dem Auto aussteigen.
“Danke, Mami”, bedankte ich mich mit einer innigen Umarmung.
Sie schloss das Auto ab und an ihrer Hand brachte sie mich ins Wohnzimmer.
“Magst du noch ein Glas Saft, bevor wir uns gemeinsam dein Handy ansehen.”, bot sie mir an.
“Muss das wirklich sein? Das mit dem Handy?”, versuchte ich mich gegen die peinliche App zu wehren.
“Doch meine Kleine, zumindest für ein paar Wochen, bis sich das ins Bett gehen wieder eingespielt hat.”, bestimmte sie mit strenger aber liebevoller Stimme.
Ich ließ kurz den Kopf hängen, folgte Mami aber dann doch in die Küche und sah dort noch die Fläschchen, die wir vor kurzen für mich und Yala gekauft hatten. Sie hatte meine Schätze nach dem Waschen in die Trockenwanne neben der Abwasch gestürzt.
Ich nahm eins in die Hand. Das fühlte sich gestern so gut an und hat mein schlechtes Gefühl weggewaschen, als mir Mama nach meinen Hörbuch Marathon ins Gewissen geredet hatte. Vielleicht würde es mir auch heute helfen und ich fühlte mich klein genug dafür.
“Willst du heute das Fläschchen haben, statt einem Glas?”, kommentierte sie das bunte Ding in meinen Händen.
Ich sah fast etwas erschrocken in ihre Augen. Doch die Chance darauf, dass es mir so wie gestern helfen würde, lies mich leicht, für jeden anderen fast unmerklich, nicken.
“Gib mal her”, meinte sie als die meine unscheinbare Geste erkannt hatte und schraubte den Deckel mitsamt Sauger ab.
“Mama, Danke, dass du das alles für mich machst.”, nuschelte ich und legte meine Arme um ihre Hüfte.
“Ich mag doch auch, wieder meine glückliche und lächelnde Tochter sehen. Heute hast du so ein Strahlen auf dem Gesicht, mein Kind, da kann ich dir keinen Wunsch ausschlagen.”
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich wirklich schon ein paar Stunden nicht mehr gefürchtet hatte und wenn ich sie nun so sah, war sie auch glücklich. Sie war so fürsorglich und liebevoll gewesen, dass ich es fast übersehen hätte. Dieses freudige Lachen auf ihrem Gesicht, ihre sorgenfreie Stirn, ihre kraftvolle Stimme. War ich das? War das, dass sie jetzt wusste, dass ich nichts gegen Marcus hatte.
Während ich nachdachte, hatte Mama Apfelsaft, mit Wasser verdünnt, in mein Kinderfläschchen gefüllt.
“Bringst du das schon mal auf den Wohnzimmertisch”, sagte sie und reichte es mir. “Ich hole noch schnell den Laptop und dein Handy.”
Mit einem grinsen im Gesicht nahm ich unsere Getränke und brachte alles auf den Wohnzimmertisch.
Auch wenn mir das mit meinem Handy heute mit Mama im Wald sehr peinlich war, fühlte ich mich jetzt, da ich ihr vertraute, etwas wohler bei dem Gedanken daran, dass Mama mir da hilft und ich konnte ein wenig Verantwortung für mich an sie abgeben.
Während sie in ihrer Tasche nach meinem Telefon suchte, hüpfte ich noch schnell in mein Kinderzimmer und suchte mein Lieblingsstofftier. Ich hatte sie, als ich so erwachsen sein wollte, in den Tiefen meines Kleiderkastens versteckt. Allerdings hatte ich sie gleich nach dem Schulwechsel wieder, aus ihrem dunklen Gefängnis befreit und seitdem hatte sie wieder ihren Platz auf meinem Bett.
Sie ist ein flauschiger weißer Tiger, den ich Mina getauft hatte, und nun schämte ich mich fast dafür, dass ich Mina damals an diesem dunklen Ort verbannt hatte. Ich streichelte liebevoll, entschuldigend über ihren flauschig weißen Kopf.
Lachend vor Freude brachte ich Mina mit mir ins Wohnzimmer und setzte mich mit ihr wieder zurück auf das Sofa und wartete bis Mama mit meinem Handy und ihrem Laptop zurückkam.
“Na, hast du Mina als Verstärkung mitgebracht”, kommentierte sie den Tiger, den ich schutzsuchend an mich drückte.
Als Antwort kuschelte ich mich wortlos dicht an sie, während sie ihren Laptop startete und mich bat, mein Handy mit dem Muster zu entsperren.
Als ich ihr mein entsperrtes Telefon reichte, war es fast so als würde ich ihr meine Verantwortung dafür schenken.
“So dann wollen wir mal”, sagte sie und lud eine Anwendung, die ich noch nicht kannte herunter und meldete sich mit ihren Zugangsdaten an. Dann musste sie jede Menge Einstellungen setzen, währenddessen ich meinen Kopf auf ihre Füße legte und meinen Tiger an mich drückte.
Ich fühlte mich ganz eigenartig, leicht und unbeschwert, so als ob Mama mir eine Last abgenommen hatte und von ihr beschützt und geliebt. Im selben Moment aber spürte ich, was sie mit mehr auf mich schauen gemeint hatte, dass ich sie in Zukunft vielleicht fragen müsste, wenn ich was Neues ausprobieren will oder wenn ich mal länger aufbleibe.
Inzwischen hatte sie die Installation auf dem Handy fertig und sah sich auf dem PC die Einstellungsmöglichkeiten durch. Da gab es ganz unterschiedliche Filter und Berechtigungen. Kurz schaute ich auf die Seite, die sie geöffnet hatte, dort stand in großen Lettern Sperrzeiten, Internetfilter, App Berechtigungen und Bonus TAN. Sollte ich da mit Mama noch mal diskutieren? Würde sie mir zu viel meiner Freiheit nehmen?
“Wo sollen wir den anfangen?”, holte sie mich aus den Gedanken und fand dann den Button für die geführte Einrichtung.
Eine witzig aussehende Superheldenfigur führte uns hier durch den Konfigurationsprozess und erklärte, dass wir am ersten Bildschirm das Alter und den Namen des Kindes festlegen sollten.
“Magst du tippen?”, bot sie mir an, um mich etwas einzubeziehen.
“Nein Mama.”, schüttelte ich meinen Kopf, ich fühlte mich immer noch so klein und ich wollte nun einfach darauf vertrauen, dass sie das richtige für mich macht. Und ich konnte ja immer noch Einspruch erheben, wenn mir was gar nicht passt. So tippte sie meinen Vornamen ein. Beim Alter gab es eine kleine Informations-Box, die sie vorlas.
Geben Sie hier den Altersbereich ihres Kindes an. Es sollte hier nicht nur das Alter herangezogen werden, sondern auch wie sicher ihr Kind im Internet unterwegs ist. Für unsichere und ängstliche Kinder sollte im Zweifel die jüngere Altersstufe gewählt und dann einzelne Dienste und Apps, die ihr Kind nutzt, von den Eltern freigeschaltet werden.
Sie öffnete den Auswahldialog und erklärte mir, “hier gibt es zwei Altersklassen, in die du passen würdest, 10 bis 12 oder 13 bis 14 Jahre.”
“Mama, aber ich bin ja schon 13”, protestierte ich und zog meinen Stoffliebling enger an mich.
“Na gut, nehmen wir diesmal die ältere Stufe. Aber wenn ich merke, dass du mehr Hilfe brauchst, reden wir da nochmal darüber. Ok meine Maus.”
Sie klickte auf weiter und der Superheld zeigte uns jetzt einen Stundenplan für den ganzen Tag, an dem man freischaltet, wann ich mein Handy verwenden konnte und wann nur eingeschränkte Apps erlaubt sein würden. Der Superheld, der seine Schulter über ein Kind mit einem Telefon legte, erklärte uns, dass man hier Schlafenszeiten oder Schulzeiten sperren kann.
“Ich denke Hanni wir blockieren hier fürs Erste nur die Zeit zum Schlafen.”
Rasch nickte ich und war froh, dass sie nicht auch meine Schulzeiten blockieren wollte und fühlte mich gerade ganz besonders eigenartig. Irgendwie mag ich es, wenn sie Hanni sagte, das war auch neu und erinnerte mich an früher.
Sie begann den Stundenplan in der Nacht in Rot auszumalen. “Wir stellen die App mal auf halb zehn ein” bestimmte sie mit strengem Ton.
“Mama!“, protestierte ich wieder, “es sind doch gleich Ferien und ich will am Abend mal lesen.”
“Nein meine Maus, zu lange ist für dich im Moment nicht gut, aber wenn das ins Bett gehen besser funktioniert können wir, das ja mal verlängern und 21 Uhr 30 ist sicher für den Anfang Ok.”
“Aber…”, brummte ich, und fühlte die Einschränkung, die sie damit aussprach. Ich erinnerte mich, wie oft ich heimlich noch länger wach war.
“Es ist doch nur, damit es dir wieder besser geht und wenn es dich zu sehr einschränkt, verlängern wir es in ein paar Tagen.”, erklärte sie mir und beendete die Diskussion über meine für meinen Geschmack schon sehr frühe Bettgehzeit.
Sie klickte auf weiter.
Der nächste Bildschirm zeigte eine Übersicht über meine Apps und für welches Alter die geeignet waren. Die Programme waren nach dem Alter sortiert. In Rot erschien alles, was für Erwachsene war, in Gelb leuchteten die Anwendungen, die nur für ältere Jugendliche waren und in Grün alle für Kinder geeignete Apps.
Mama begann, durch die Liste zu scrollen.
Mein Kind, schauen wir die roten und gelben Einträge mal durch. Rot waren alle meine Tools sie ich bei Mama im Büro installiert habe und ein paar Spiele, die meine früheren Klassenkameraden empfohlen hatten. Mama erlaubte mir alle IT-Tools mit einem Häkchen und fügte auch die Berechtigung für TED und andere Wissenschafts-Apps hinzu. Bei den Spielen hingegen blickte sie mich fragend an. Spielst du die gerne, wollte sie vorsichtig wissen und ließ ihre Maus über einem 18+ Spiel schweben.
“Nein Mama, die habe ich nur, weil die bei uns in der Klasse mal cool waren.”
“Mir wäre es lieber, wenn du sowas nicht spielst, schon gar nicht alleine.” Sie klickte auf Deinstallieren und Blockieren und ließ mich damit wieder ganz in die Kind-Ich-Rolle eintauchen. Auch wenn ich die Spiele nicht mochte, merkte ich, dass sie mir nicht alles erlauben würde. Ich musste ihr vertrauen, dass sie für mich entschied. Und mit dem Deinstallieren, gab ich einen Teil, meiner Ich bin schon erwachsen Haltung, auf und begann einen Hauch ihrer liebevollen Verantwortung über mich zu spüren.
Sie merkte, dass etwas in mir vorging und streichelte über meinen Kopf.
Dann scrollte sie noch durch die gelben Einträge. Hier fanden sich alle meine Messenger und sie klickte hier mal auf die Optionen.
“Mama, die brauche ich doch!”, rief ich gleich, um sie etwas zurückzuhalten.
“Ja, aber sieh mal, hier gibt es auch einen geschützten Modus”
“Ihr Kind kann auf bekannte Kontakte zugreifen und wird vor Mobbing und ungeeigneten Inhalten geschützt.”, las sie vor und als sie die Option auswählte, wechselte der Eintrag von Gelb auf Grün.
Der Superheld teilte ihr mit, dass sie bei gefährlichen Schlüsselwörtern auf ihrem Handy gewarnt wird und dann den Kontakt zu dieser Person einschränken und verbieten kann.
Die letzte Seite war mehr an mich als Kind gerichtet. Der Superheld erklärte mir, dass er dafür da ist, dass ich im Internet sicher unterwegs bin und mich nicht unnötig einschränken will und meine Mama, wenn ich sie frage, die Regeln mit ihrem Passwort erweitern und anpassen kann. Weiter erklärte er, dass meine Eltern, für mich auch für Lern Apps Bonus-Zeit vergeben können.
Ich sollte lernen, mit dem Internet und dem Handy verantwortungsvoll umzugehen.
Dann listete er noch einige Artikel für meine Eltern auf, wie sie die Regeln für mich anpassen sollten und wie sie mich an den Umgang mit dem Internet heranführen konnte. Aber das ist ja für jüngere Kinder und nur eine Information für sie, dachte ich mir und begann mein Handy wieder zur Hand zu nehmen.
Zuerst sah ich gar keinen Unterschied, bis ich einen kleinen Overlay Link entdeckte, der mir die Stunden und Minuten bis zu meiner Bettgehzeit anzeigte. Daneben war noch ein kleiner Info-Button und es öffnete sich ein Bildschirm.
Hallo Hanna
Ich will dir helfen, einen Überblick über deine Onlinezeiten zu behalten.
Darunter waren die einzelnen Apps und die Laufzeit aufgelistet. Uhi dachte ich als ich die YouTube App betrachtete. Habe ich wirklich schon zehn Stunden diese Woche damit verbracht? Das ist ja fast ein ganzer Tag. Vielleicht hat Mama ja doch recht und die Kindersicherung hilft mir. Da hätte ich viel mehr am Spielplatz sein können, oder im Wald.
Dann sah ich im Chat mit Theresa, die mir kurz geschrieben hatte, dass jemand schon einen Kuchen für morgen gebacken hatte. ‘Cool’ tippte ich. Und freute mich schon auf morgen.
Kurz nachdem ich die Nachricht verschickt hatte, meldete sich das Overlay wieder und eine Miniaturausgabe des Superhelden begann mir zu erklären, dass ich im Messenger nun auch einen Hilfe-Knopf hatte, den ich drücken konnte, um eine Mitteilung meiner Mama zu schicken, wenn ich Angst vor einer Nachricht hatte.
Ich fühlte mich eigentlich ganz gut mit den neuen Regeln und legte das Telefon zur Seite.
“Danke Mama, dass du dich so um mich kümmerst”, dankte ich ihr, und hatte jetzt wieder das gute Gefühl, dass Mami für mich da ist und auf mich aufpasst, fast wie auf ein kleines Kind.
Klar meine Tochter und ich denke in ein paar Tagen reden wir dann mal wie es dir mit den neuen Regeln geht?
Ja ich habe gerade gesehen wie viel Zeit ich mit sinnlosen Apps verbringe, da kann ich doch viel besser mal auf den Spielplatz gehen.
Sie lächelte mich an.
Freut mich, wenn dir die App hilft.
“Es ist so schön, dass ich heute so dein Kind sein darf.”, verriet ich ihr ganz leise, dass ich nun nicht mehr zweifelte, dass sie das Richtige tat.
“Das darfst du doch immer, meine Große.” Mama stellte den Laptop zur Seite und begann mich zu knuddeln. “Magst du noch etwas kuscheln?”
“Ja bitte”, flüsterte ich und nahm mein Fläschchen, das immer noch unangetastet auf dem Tisch stand, in die eine Hand und meinen Stofftiger Mina in die andere.
Sie hielt mich in ihren Armen, sodass ich mich richtig sicher fühlen konnte. “Hast du denn gar keinen Durst” fragte sie mich, als sie das immer noch volle Fläschchen sah.
“Doch.” entgegnete ich und sah sie fragend an und als sie nichts sagte, nahm ich wie gestern abends erst mal vorsichtig das Fläschchen in den Mund und begann zu saugen und kuschelte mich an sie.
Eine Welle der kindlichen Emotionen kam in mir hoch und mit jedem Schluck fühlte ich mich sicherer und mein Vertrauen und die Nähe zu ihr wuchsen und ich merkte, dass sie für mich da ist.
Ich konnte mich hier bei ihr so richtig auftanken und mich wie früher bei ihr sicher fühlen. Und als ich wenig später merkte, dass ich aufs Klo musste, war für mich ganz klar, dass ich nicht aufstehen würde. Ich drückte diesmal und merkte, das schon vertraute warme, etwas nasse Gefühl, das ich mit meiner neuen Unterwäsche nun so oft spürte.
Nach einer halben Ewigkeit, in der wir so aneinander gekuschelt dagelegen hatten und ich entspannt mein Kindertrinkgefäß geleert hatte, wurde uns etwas kühl. Die Sonne war bereits hinter den Bäumen verschwunden und von der Terrasse zog eine kühle Brise zu uns herüber.
“Was magst du denn mit dem angebrochenen Abend noch machen, mein Kind?”
“Ich weiß nicht, Mama. Können wir meine Sandkiste noch füllen?”
“Nein, das dauert doch viel zu lange.”
“Aber was hältst du davon, wenn wir gemeinsam noch ein gutes Buch lesen, eine Seite du und eine ich, du hast gestern für Yala so toll vorgelesen und ich würde dich so gerne wieder hören.”
“Ich kann ja gar nicht toll vorlesen Mama, da tue ich mir doch so schwer.”, protestierte ich ein wenig.
“Doch das kannst du, gestern am Abend warst du ganz großartig und wenn du mit mir in den Ferien ein bisschen übst werden nachher alle Staunen.”
“Meinst du wirklich.”
“Suchen wir uns ein gutes Buch, ich habe ein paar neue für meine schlaue Tochter besorgt.”
Sie zog ein Buch aus ihrer Aktentasche, und zeigte es mir. Es sah gleich spannend und interessant aus. “Der geheime Schlüssel zum Universum.”, las ich den Titel laut vor.
“Es ist ein lustiges spannendes Buch, mit vielen spannenden Geschichten über den Weltraum.”, bestätigte sie mir.
Ich sah sie mit strahlenden Augen an. Das war wieder etwas, was ich mit ihr gemeinsam machen kann, nur wir beide. Mein Herz wurde ganz warm.
“Ja, das wäre so schön”, freute ich mich. “Aber ich will es nur mit dir gemeinsam lesen.”
Sie lächelte mich an. “Vielleicht, könnten wir das Buch, wie eine Gute Nacht Geschichte lesen, also jeden Tag ein Kapitel” schlug sie vor.
Ich nickte. “Aber es ist ja noch viel zu bald zum Schlafen und die Gute Nacht Geschichte. Es ist ja noch gar nicht richtig finster.”, protestierte ich ein wenig.
“Ich glaube, ich muss mein Muffelchen von heute Nachmittag vorher noch gründlich baden.”, erklärte sie mir ihren Plan.
“Aber ich muffle ja gar nicht mehr, das war nur heute, weil ich, na ja.”, schämte ich mich etwas.
“Aber mein Kind, das war ja gar kein Problem. Ich fand es auch gar nicht schlimm, dich wieder sauberzumachen.”
“Echt nicht, auch nicht, wenn das so ist wie heute?”, versuchte ich die peinliche Situation zu umschreiben.
“Ich habe dich schon lange nicht mehr so sorgenfrei und glücklich gesehen, wie heute Nachmittag. Und wenn ich dir helfe, fühle ich mich richtig gebraucht und das ist auch für mich schön, wenn ich dir helfen kann meine Hanni. Findest du das schlimm, mein Kind?”
“Nein Mami, ich hatte immer Angst, dass ich dir zu viel Arbeit mache, wenn ich dich brauche oder mir was Angst macht. Aber heute war es für mich so schön mal ganz deine kleine Tochter zu sein und nicht dauernd denken zu müssen, ob ich das darf oder wie ich sein muss, sondern einfach Ich zu sein. Zu spielen, wenn ich spielen will, meine Sorgen zu vergessen und auch mein nerviges Problem mit dem aufs Klo rennen.”
“Und Mami”, ergänzte ich nach ein paar Sekunden, “Ich mag das, wenn du zu mir Hanni sagst, das klingt so wie früher.”
“Ich finde Hanni auch schöner, gerade jetzt wo ich wieder so für dich da bin. Und du mein kleines Kind bist. Aber jetzt komm, für dich ist es Zeit für ein langes Wannenbad.”, sie nahm mich hoch und trug mich ins Badezimmer.
“Mami, bekomme ich jetzt immer ein Wannenbad, wenn mir so ein Unfall passiert?”, sprach ich mit leuchtenden Augen.
Sie gab mir einen Kuss, “Ich kann dich auch so öfters Baden, wenn du das gerne hast, auch wenn du nicht groß in die Hose gemacht hast.”, erklärte sie mir.
“Mama!”, quiekte ich schon wieder peinlich berührt. “Warum musst du das sagen!”
“Warum darf ich nicht sagen, dass meine kleine Maus öfters gebadet wird?”
“Nicht das!”
“Ist es dir so peinlich, was heute war?”, wollte sie besorgt wissen.
Inzwischen hatten wir das Badezimmer betreten und sie setzte mich auf dem Rand der Badewanne ab und begann das Wasser einzulassen.
“Irgendwie schon und dann auch wieder nicht. Ich habe mich heute so wie ein ganz kleines Kind gefühlt und das war auch schön, aber auch voll peinlich.”
“Das muss dir doch gar nicht unangenehm sein.”
Mama holte aus dem Kasten eine Flasche Kinderschaumbad, die wir schon ein paar Jahre nicht benutzt hatten und schon bald schwammen schöne Schaumkronen im Badewasser. Sie griff ins warme Nass um zu schauen, ob die Temperatur passt und half mir mich auszuziehen. Ich machte zwischendurch einfach die Augen zu und genoss es, dass sie für mich da war und ich ihr vertrauen konnte.
Am Schluss machte sie meine Windel auf, warf sie in den kleinen Badezimmereimer und hob mich sachte in das warme Badewasser.
Ich musste gleich etwas mit dem schönen Schaum spielen.
“Kann ich dich kurz alleine lassen, mein Kind. Ich will noch schnell was für dich holen”
“Was denn?”, wollte ich wissen.
“Das siehst du gleich, Hanni.”
Ich hatte erstmal genug zu tun mit den vielen Schaumkronen. Und genoss das komische Gefühl auf der Hand, wenn der Schaum meine Haut berührte. Dann hörte ich, wie Mama mit etwas Schweren die Stufen hinaufstieg und es ins Gästezimmer nebenan stellte. Was könnte das wohl sein? Dann hörte es sich an wie Plastik, das aneinander stieß.
Wenige Sekunden später kam Mama mit einer kleinen Kiste ins Badezimmer.
“Ich habe mich erinnert, dass in der Kiste mit deinen Sachen auch noch das ganze Badespielzeug war.”, klärte sie mich nun auf. “Ich weiß nicht, ob du das auch wieder haben willst, aber das haben wir auch nach einem Besuch deiner Klassenkameraden weggeräumt und du hast damit vorher oft noch so süß gespielt.”
“Ja Mama”, sagte ich und stand vor Freude auf, um gleich mal in den Karton zu schauen. Da saßen alle meine kleinen Entchen und Boote aufgereiht in der Kiste und auch die Wassermühle, die ich früher hatte, wartete auf mich.
“Komm setz dich wieder hin, du kannst sie eh gleich haben.”, bat sie mich, als sie meine Freude und das Leuchten in meinem Gesicht sah.
Sie warf die Entchen und Bote in den wilden schäumenden Ozean meiner Badewanne. “Die armen Entchen”, rief ich gleich und begann die kleinen gelben Dinger aus den Fluten zu retten und eng an meiner Brust zu halten, damit sie leicht über die Schaumkronen hinwegsehen konnten.
Vergnügt grinste sie und holte noch die kindliche Wassermühle und einen Becher vom Waschbecken und nahm dann während ich in Ruhe spielte einen Waschlappen mit etwas Seife und begann mich zu waschen. Es war so schön ihre Berührung zu spüren und gleichzeitig so tief in meiner eigenen Kindheitswelt zu sein. Viel zu schnell wurde das Wasser kühl und sie musste mich aus der Wanne holen und mit einem Handtuch trocken rubbeln.
“Danke Mama”, strahlte ich sie an, als sie mich dann wie früher in ein Handtuch gewickelt hatte.
Sie ließ nun das Wasser aus und legte meine Badespielsachen wieder in die Box.
“Die kommen aber nicht wieder in den Keller, dafür hatte ich viel zu viel Spaß damit.“, hoffte ich, dass sie meinen wiedergefundenen Schätzen einen Platz im Badezimmer einräumte.
“Nein, die bekommen hier im Bad einen Ehrenplatz und warten darauf, dass mein kleines Muffelchen wieder mal baden muss.”
“Mama!”, kicherte ich und umarmte sie so plötzlich, dass mein Handtuch zu Boden fiel.
“Ich denke wir werden am Samstag im Bad für mein Muffelchen und Yala einen Wickeltisch bauen, da haben dann auch deine Spielsachen einen Platz. Aber heute machen wir das nochmal auf deinem Bett.”
“Ich bin doch schon lange kein Muffelchen mehr. Jetzt bin ich ja frisch gewaschen und bin doch deine Waschbärin.”, konterte ich ihren Versuch mich etwas zu necken.
Sie nahm mich auf den Arm, trug mich in mein Zimmer und setzte mich auf dem Bett ab.
“Dann will ich mein frisch gewaschenes Waschbären Kind mal anziehen.”
Sie öffnete den Schrank und durchsuchte meine Sachen. “Was haben wir denn da, das meinem Waschbärchen passt?”, dachte Mama laut, als sie in meinem Kleiderschrank wühlte.
“Du brauchst eindeutig ein paar schöne neue Kindersachen zum Anziehen”, meinte Mama dann frustriert.
Sie holte einen meiner Pyjamas aus dem Kasten, doch er sah so gar nicht nach Kinderschlafanzug aus. Den hatte ich voriges Jahr bekommen als ich unbedingt möglichst erwachsen sein wollte. Aber heute kam mir der Anzug komisch vor. Viel zu schlicht und steif.
“Ach Kindchen”, sagte Mama, als sie mein trauriges Gesicht sah, “deine verspielten Sachen von früher sind nun alle in der Wäsche.”
“Ja”, versuchte ich meine Enttäuschung zu verbergen
“Wenn du magst, können wir in den nächsten Tagen mal für dich was Schönes einkaufen gehen.”
Sie zog mir am Bett den Pyjama mit dem viel zu erwachsenen Look an. “Ist doch gar nicht so schlimm.”, meinte sie und drückte mir mein Stofftier in die Hand.
“Aber Mama, muss ich denn echt schon schlafen?”, wollte ich überrascht wissen.
“Nein, aber wir haben doch auch früher immer zusammen in meinem Bett gelesen.”, erklärte sie mir.
“Ja und dann durfte ich auch bei dir im Bett weiterschlafen.”, musste ich hoffnungsvoll ergänzen.
“Holst du das Buch aus dem Wohnzimmer, ich mache schnell das Bett für uns fertig.”, erklärte sie.
Als ich wieder aus dem Wohnzimmer zurück war, bezog Mama gerade die zweite Seite ihres Bettes mit meiner wasserdichten Unterlage. Schnell half ich ihr die Ecken, um die Matratze zu schlagen. “Du meinst, ich darf wirklich heute Nacht bei dir im Bett schlafen und mit dir kuscheln.”
“Ja sicher meine Kuschelmaus.”, sie spannte das Leintuch wieder darüber. Und schon konnte mein Stofftiger Mina aufs Bett springen und auch ich legte mich gleich hinein und ließ mich von ihr zudecken.
“Ich hole für uns noch schnell was zu trinken.”, erklärte Mama als sie aus dem Schlafzimmer ging und wenig später mit einem meiner Fläschchen und einem Glas mit Strohhalm für sich selbst zurückkam. “Fürs Bett sind die ja echt praktisch”, erwähnte sie, als sie mir das warme, gut nach frischen Früchtetee riechende Kindertrinkgefäß reichte.
“Danke Mama”, sagte ich, und nahm das weiche Ende in den Mund und trank einen Schluck. Dann kam sie zu mir ins Bett und legte ihre Hand um meine Schulter. Die ersten fünf Minuten wollte ich noch gar nicht lesen, so groß war mein Bedürfnis nach Ihrer Nähe und der Sicherheit, die sie mir gab.
“Darf ich wieder öfter zu dir kuscheln kommen?”, bat ich nach ein paar Minuten, in denen ich nur an ihrer Seite gelegen hatte und sie mich sanft hin und her wiegte.
“Aber natürlich darfst du das, mein Kind, die Tür hier herein ist immer für dich offen, egal ob du Kuscheln willst oder in der Nacht Angst hast. Und jetzt wo du wieder Windeln trägst und das Bett geschützt ist, kannst du auch öfters bei mir schlafen, wenn du das willst.”
“Ja, das wäre so schön, so wie früher.”
“So wollen wir nun noch etwas lesen?”, schlug sie vor und begann die erste Seite in meinem Kinderbuch vorzulesen, während ich ganz gespannt an ihren Lippen hing. Nach einer Seite blätterte sie um und hielt mir das Buch hin.
“So jetzt lese, ganz ruhig, so wie gestern mit Yala, das klang so schön. Und ich bin ja da, wenn es mal bei einem langen Wort nicht gleich flüssig klappt.”, bat sie mich.
Ich atmete einmal ganz tief ein und begann zu lesen. Zuerst war der Text einfach und ich kam gut ohne zu stammeln durch den Absatz. Dann wurden die Wörter länger und schwieriger und ich musste mich immer mehr anstrengen und konzentrieren.
Pass auf, rief die jugendliche Stimme in mir. Und schon brach mein Lesefluss ab und ich musste mich Silbe für Silbe durch das lange Wort quälen. “Macht nichts, komm lies weiter.” versuchte Mama mir Mut zu geben. Und drückte mich etwas mehr an sich und schon ging es wieder besser und ich las nun wieder Zeile für Zeile vor.
Auf der nächsten Seite hörte ich wieder ihrer Stimme zu.
Als ich wieder an die Reihe kam, merkte ich, dass meine Blase vor lauter Aufregung schon leicht drückte.
Diesmal war es viel schwieriger. Ich war mit meinen Gedanken nicht so ganz bei der Sache und Mama musste mir bei ein paar Wörtern mit ihrem Finger helfen, damit ich nicht die Zeile verlor.
Plötzlich als ich wieder ins Stocken geriet, merkte ich, dass es in meiner Windel wie von selbst ganz warm wurde. Ich habe doch nicht … dachte ich und merkte, dass ich bei einem schwierigen Wort ganz abbrach.
“Was ist denn, mein Kind?”
“Mama, ich habe gerade …”, stotterte ich weiter.
“Nur Pipi, oder bist du wieder mein Muffelchen?”
“Nur Pipi”, flüsterte ich erleichtert.
Sie drückte mich wieder eng an sich. “Aber es ist doch gar nichts passiert, deswegen hast du die Windeln doch an mein Kind. Und bei der ersten Seite ging es so gut, da hast du fast keine Hilfe gebraucht.”
“Ja, aber da musste ich noch gar nicht!”, versuchte ich mich zu rechtfertigen.
“Das hat dich so schlimm abgelenkt?” sorgte sie sich um mich. “So ich lese jetzt die Seite für dich fertig und wenn du nochmal musst, möchte ich, dass du einfach gleich in die Windel machst und dann ganz entspannt weiterliest. Ok mein Kindchen”
Was ist, wenn da dann mal mehr passiert? Erschreckte mich mein jugendliches Ich, ehe ich mich an den Gedanken gewöhnen konnte.
“Aber Mama, ich kann doch nicht… Und was ist, wenn ich dann wieder dein Muffelchen bin?”, stotterte ich plötzlich so klar, wie es meine innere Unruhe zuließ.
Aber sie streichelte mir nur beschützend über meinen Kopf, um mir meine Angst und Unsicherheit zu nehmen. “Wenn es dir mal passiert, bin ich dir nicht böse. Bei meiner Hanni ist das halt manchmal noch so und das ist in Ordnung. Aber ich glaube, dass es dir hilft, wenn du beim Lesen üben nicht, an etwas anderes denken musst.”
Ich kuschelte mich nun wieder an sie und lauschte ihrer Stimme. Und als ich wieder an der Reihe war, war ich ganz ruhig und las die Seite in einem durch ohne in Schwierigkeiten zu kommen.
Hin und Her ging das Vorlesen zwischen uns beiden und auch wenn ich gegen Ende des Kapitels, weil ich müde wurde wieder etwas Hilfe von ihr und ihren Finger bei den Wörtern brauchte, waren ich und Mama richtig Stolz auf mich.
“Super mein Kind”, lobte sie mich als ich die letzte Zeile richtig schön betont gelesen hatte.
Sie legte das Buch auf ihr Nachtkästchen und gab mir noch einen Kuss.
“Muss ich dich noch mal wickeln, mein Muffelchen?”
“Ich muffle doch gar nicht, ich habe doch gar nicht groß in die Windel gemacht. Nur ein paar mal ein paar Tropfen Pipi”, gestand ich im Flüsterton.
“Darf ich mal schauen, ob wir vorm Schlafen noch mal deine Windel wechseln müssen?” wollte sie vorsichtig wissen.
Ich sah sie einfach dankbar an und ohne ein weiteres Wort zog sie meine Decke zur Seite und betastete meine allzu kindliche Unterwäsche. “Du musst auf jeden Fall noch mal raus, außerdem möchte ich meine Maus noch eincremen, damit deine Haut gut geschützt ist, wenn du doch mal muffelst.”
“Mama!”, empörte ich mich grinsend, und fand den Gedanken zugleich nicht mehr so schlimm. So wie Yala einfach mal in der Nacht alles in die Windel zu machen.
Nein, rief meine jugendliche Stimme, das kannst du doch nicht ernst meinen. Auf keinen Fall. Mit voller Absicht, du bist DREIZEHN, kein Baby!
“Was ist plötzlich mit dir, Kindchen?”, holte sie mich aus den Gedanken.
Sie hatte schon eine frische Windel für mich in der Hand und die Feuchttücher geholt.
Mama streichelte liebevoll über meinen Kopf als sie sich neben mich aufs Bett setzte und mir vorsichtig den Pyjama bis zum Knie herunterzog. Ich zog Mina meinen Stofftiger ganz eng an mich und ließ sie einfach machen. Kurz darauf hatte sie meinen Popo sanft eingecremt und mir eine frische Windel angezogen.
“Träume was Schönes, meine Maus.”, flüsterte sie, als sie meine müden Augen sah und mich liebevoll wieder zudeckte.
“Schlaf gut, Mama”, antwortete ich, ehe ich die Augen zumachte.
Autor: Annie (eingesandt via E-Mail)
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Deine Geschichte zu lesen ist ein absoluter Traum, ein richtiger Genuss!
Du vermittelst eine Unbeschertheit, eine Atmosphäre, die ich noch nie irgendwo gespürt habe.
Der Zwiespalt, in dem Hanna sich gerade befindet, der ist dir so wirklich gut gelungen, also meine absolute Hochachtung!
Im Vergleich zu dem vorherigen Kapitel ist das hier eine Steigerung, die echt beachtlich ist.
Hut ab!
Schade nur, dass es so lange dauert, bis ich wieder was von dir lesen kann.
Gute Fortsetzung ich freue mich auf den nächsten Teil.
Na deine Geschichten sind echt toll .freue mich schon wie zu ihrer Freundin
Ich bin kein Freund von richtigen Kinder Geschichte, das hab ich des öffteren schon gesagt. Bei dieser Storry jedoch könnte ich stundenlang weiterlese! Einfach traumhaft mit wieviel Liebe und Verständnis die Mutter hier agiert. Bin schon auf den nächsten Teil gespannt!
Das bislang beste Kapitel. Die vorigen fand ich noch teilweise etwas holzschnittartig, aber hier sind die beiden Charaktere glaubhaft und richtig gut gelungen. Dazu tolle, unverbrauchte Ideen wie das Einrichten der App, detailliert und liebevoll beschrieben – genauso soll’s sein!
Ich freue mich aufs Weiterlesen.
Hallo Annie,
Ich finde die Geschichte ist dir sehr gut gelungen.
Von mir gibt es 5 Sterne. 🙂
Danke für diese Tolle Geschichte. Ich finde es so schön wie alle sich um Hanna sorgen und ihr helfen mit allem fertig zu werden einfach Toll