Ein vergangener Sommer
Windelgeschichten.org prÀsentiert: Ein vergangener Sommer
Es war ein Tag im Juli, ja ich erinnere mich genau, sehr genau. Die Sonne brannte mit aller Kraft und demonstrierte ihre StĂ€rke, es war so heiĂ und trocken, das bereits der Staub durch die Luft wirbelte. Etwas schien mich im Glauben lassen zu wollen, das jener Sommer, sich von den bisherigen in meinem Leben nicht unterscheiden wĂŒrde.
Aber ich glaube, ich war es selbst, der sich einzureden versuchte, das Nichts anders war. Die Vergangenheit können wir nicht Àndern, aber dennoch geht es mir nicht in den Kopf, wie viel und wie schnell die Zeit seitdem vergangen ist.
Zeitsprung in die Vergangenheit. Ja, jetzt sehe mich wirklich vor den Augen…
Ich war in diesem Sommer 14 und die groĂen Ferien waren in vollem Gange, aber anstatt diese genieĂen zu können, waren wir wieder ein verdammtes weiteres Mal umgezogen. Eine neue Umgebung, ein neues Umfeld, ein neues Leben.
Es war doch jedes Mal dasselbe, nur eine andere Anschrift, ein anderes Haus und die immer wieder kehrenden AlptrÀume.
Ich höre meine Mutter bis heute: “Das war jetzt unser letzter Umzug, versprochen.“ Oder “Du wirst sicher schnell Freunde finden.“
Sicher, warum sollte dieses Mal anders sein? Integration in eine schon bestehende Gruppe und ausnahmsweise mal nicht der Neue sein, der letztendlich keinen Anschluss findet, klingt natĂŒrlich realistisch.
Das ist keine Verbitterung, ich habe mich mit der Tatsache abgefunden in gewisser Weise immer der AuĂenseiter zu sein.
“Um Himmelswillen, Hauke, was lungerst du da auf dem Rasen rum? Hilf mir mal lieber die Kartons ins Haus zu tragen.“
“Und wofĂŒr? Wir ziehen doch spĂ€testens im nĂ€chsten Sommer wieder um, da können wir die doch genauso gut geschlossen lassen.“
“Junger Mann, ich habe dir gesagt, dass es das letzte Mal ist. Jetzt hilf mir, ich sage es nicht noch einmal.“
“Ja, Mutter…“
Also zog ich schnell los und schnappte mir nur meinen Kram. Es war zwar nicht viel was ich besaĂ, aber darauf war ich stolz. Gewisse Dinge musste ich schweren Herzens zurĂŒcklassen, sogar beseitigen, bevor Mutter diese gefunden hĂ€tte.
Was ich schlieĂlich tragen konnte, schnappte ich mir, 3 Kartons, mehr war nicht möglich.
‚Wo ist eigentlich mein Zimmer?“ – die Frage schien aber untergegangen zu sein, also fragte ich lautstark erneut: “Wo ist mein Zimmer?“
“Musst du hier so lautstark herumschreien? Das ist ein altes Haus, hier ist alles hellhörig.“ Dabei schnaubte sie.
“Tut mir leid, Mutter. Aber wo ist nun mein Zimmer?“
Nach einem Augenrollen erwĂ€hnte sie: “Die Treppe rauf, erste TĂŒr rechts.“
Das Haus war wirklich nicht groĂ, einen Eingangsbereich, Bad, KĂŒche, Wohnzimmer, eine Treppe nach oben mit anscheinend ihrem Zimmer links und meinem rechts, eine weitere Treppe fĂŒhrte auf den Dachboden.
Nachdem ich noch einmal drauĂen war, hatte ich mein ganzes Zeug zusammen. Etwas Kleidung, meine geliebten BĂŒcher und Krimskrams.
Es war wie die Male davor, ein leerer Raum mit meinen ungeöffneten Kartons. Nur bei jeden Umzug wurde es weniger, immer weniger.
Ich warf Dinge weg, die mir eigentlich etwas bedeuteten. In dem Moment tat es weh, ja, aber ich wusste, wenn ich diese Sachen behalten wĂŒrde, wĂŒrde mich der Anblick mit den dazugehörigen Erinnerungen umso mehr schmerzen.
Die Kartons waren doch in Windeseile ausgepackt, da ich keine Lust auf weiteren Stress mit Mutter hatte und mein neues Zimmer ohne etwas darin fast gespenstisch wirkte. Bei den letzten Malen war das nicht so, aber vielleicht lag es daran, das dies ein altes Haus ist, wenn alte GemÀuer sprechen könnten, hÀtten sie Gewiss viel zu erzÀhlen.
Grusel â und Gespenstergeschichten mochte ich gerne, also versuchte ich mir was Positives einzureden, was blieb mir anderes ĂŒber? Vielleicht spukt hier wirklich eine Seele, die nie Frieden finden konnte? Man kann nie wissen.
Dieser Tag verging nur sehr langsam, mit Mutter hatte ich kaum geredet und setzte mich nach dem Abendessen direkt vor die Glotze. Ich brauchte etwas heitere Berieslung und dafĂŒr lief gerade die ideale Sendung: Die Qual der Wahl.
Ja, richtig, das ist die Show, die potenziell Beziehungen vernichtet mit entweder/oder Fragen. Ein Beispiel: Ein Traumurlaub mit ihrer Frau oder ne Nacht mit nem Supermodel von der ihre Frau nie erfahren wĂŒrde?
Hey, keine hochwertige Unterhaltung, aber der Kopf muss schlieĂlich auch mal Pause machen. Zwischendrin riss mich meine Mutter aus meinen Gedanken und damit weg von der Sendung, auch eine Art von Werbeunterbrechung, oder?
“Hauke, mach bitte nicht mehr zu lange, ich muss morgen ganz frĂŒh raus, ich muss doch frĂŒher als geplant arbeiten, wann ich dann zurĂŒck bin, kann ich dir allerdings auch nicht sagen.“
Ich erwiderte: “Also alles wie immer, ich verstehe.“
Sie schaute mich an, es war eine Mischung aus Verzweiflung, VerstĂ€ndnis und Wut: “Jetzt hör mal, wir wissen beide, dass es nicht anders geht, also tue bloĂ nicht so, als wĂ€re dies zum ersten Mal so.“
Nur ein Seufzen bekam ich noch raus und ich dachte, die Diskussion hÀtte ein Ende, falsch gedacht.
“Jetzt beruhig dich mal wieder, ich kenne dieses Seufzen, mir machst du nichts vor. Wenn du dich benimmst und alles klappt, wirst du sicherlich bald deinen eigenen TV bekommen. Also mach nicht mehr so lange und sei leise, gute Nacht.“ Nur wenige Sekunden spĂ€ter war sie auch schon aus dem Wohnzimmer verschwunden.
Die Sendung war irgendwann vorbei und es war schon sehr dĂŒster geworden, nur der Fernseher erhellte den Raum und ich zappte weiter durch die KanĂ€le. Nichts, aber auch nichts, ein bisschen mitternĂ€chtliches Teleshopping hier und Wiederholungen da, aber natĂŒrlich auch Werbung, diesmal Richtige.
Da lief um die Zeit tatsĂ€chlich eine Windelwerbung, anscheinend fĂŒr gröĂere Kinder, ich dachte mir in dem Moment nur: “Wie peinlich muss das denn bitte sein, tja ja.“
Unpassenderweise erinnerte mich das genau in dem Moment daran, das ich auf die Toilette musste, also ging ich und dachte nochmal an eben zurĂŒck: “Das muss ja nicht nur peinlich, sondern auch unangenehm sein, man könnte fast Mitleid haben. “
Die SpĂŒlung war betĂ€tigt und ich war am ĂŒberlegen, ob ich den TV nochmal einschalten sollte, aber die Gefahr wĂ€re zu groĂ gewesen, davor einzuschlafen und vorm laufenden GerĂ€t zu pennen, das hĂ€tte wieder eine Diskussion ins Leben gerufen.
So leise wie möglich schlich ich mich zum Bett, was gar nicht so einfach war in diesem alten Haus, ein Knarren und Knacksen ertönte bei jedem Schritt. Ein Einbrecher wĂ€re nicht zu ĂŒberhören.
Danach schlief ich relativ schnell ein, denn ich hatte fĂŒr den folgenden Tag genug auf dem Zettel…
Autor: Anonym (eingesandt via E-Mail)
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Tolle Geschichte, weiter so.
Klingt vielversprechend, bin gespannt wie es weitergeht đ
So weit ganz gut, ein schöner Schreibstil… Bin auf die Fortsetzung gespannt – aber wer nennt den seine Mama heute noch ernsthaft „Mutter“?
Jetzt warte ich nur noch darauf das er als Wickelbaby wieder Aufwacht und Mutter sich immer ein MĂ€dchen gewĂŒnschzt hat und das Baby endsprechend anzieht
nenene das passt nicht zum stil der geschichte.
Schade, dass so gute Geschichten nur Ă€uĂerst selten weitergeschrieben werden, wenn ĂŒberhaupt.
Der Anfang gefÀllt mir echt gut.
Bin gespannt, ob und wann es weitergeht.
Gut geschrieben ?!!!!