Eine Mama für zwei Wochen (2)
Dieser Eintrag ist Teil 1 von 2 der Serie Eine Mama für zwei Wochen
Windelgeschichten.org präsentiert: Eine Mama für zwei Wochen (2)
„Ist nicht dein Ernst…?“, war die erste trockene und ungläubige Antwort, die Lena am
nächsten Morgen von ihrem Freund zu hören bekam, nachdem sie ihm ausführlich erzählt
hatte, was sie vorhatte. Mit ziemlich genau dieser Reaktion hatte sie schon gerechnet.
Schließlich wollte sie seinen kleinen Bruder wie ein Kleinkind behandeln, obwohl dieser
längst in die Schule ging. Jack streifte sich ein graues T-Shirt für den Tag über und griff
anschließend nach einer schwarzen Kapuzenjacke, die er darüber zog und den
Reißverschluss schloss, ehe er fortfuhr.
„Was willst du machen? Ihm beim Anziehen helfen, sein Essen klein schneiden und ihm
jeden Abend vorlesen? Als wäre er nicht alt genug, das selbst zu tun…“ Die Verachtung in
seiner Stimme für ihre Idee war deutlich herauszuhören. „Weißt du, wie hart ich daran
arbeite, ihn erwachsen und selbstständig zu bekommen? Das wäre echt ein neuer
Tiefpunkt für ihn. Er ist bereits eine Lachnummer für alle in der Schule und hat keine
Freunde. Denkst du, ihn wie ein Kleinkind zu bevormunden, würde das besser machen?“
Lena saß derzeit aufrecht in dem Doppelbett des Schlafzimmers und hörte aufmerksam
zu. Sie hatten es vor einigen Monaten gekauft, da sie doch recht häufig hier übernachtete.
Die beiden hatten auch fest geplant demnächst zusammenzuziehen, doch zu diesem
Umzug war Lena noch nicht gekommen. Irgendwie fiel es ihr auch ein wenig schwer, die
kleine Wohnung, in der sie lebte, zu verlassen.
„Es ist ja nur für zwei Wochen. Niemand wird es je erfahren“, versuchte sie ruhig ihn zu
überzeugen. Inzwischen vollendete eine graue Jeans das Outfit des jungen Mannes. Jack
schob seine Hände in die Taschen seiner Jacke und lehnte sich mit dem Rücken an die
hellgelb gestrichene Wand hinter sich. Überzeugt war er definitiv nicht.
„Das ändert nichts an der Tatsache, dass er sich teilweise wie ein Sechsjähriger verhält.
Und damit treibst du seine Entwicklung bestimmt nicht voran.“
„Jack, er hat geweint. Ihm fehlt etwas. Etwas wirklich wichtiges“, versuchte Lena weiterhin
ruhig zu argumentieren. Jack verdrehte die Augen.
„Er weint andauernd wegen irgendwas. Zieh ihm doch gleich ’ne Windel an, dann muss er
nicht mal mehr allein aufs Klo gehen“, erwiderte er unbeteiligt. Seine Freundin zuckte nur
mit den Schultern.
„Wenn er das möchte. Ich werd ihn fragen“, antwortete sie unbeirrt und lächelte ein wenig.
Ungläubig sah der junge Mann sie einen Moment an, bis er realisierte, dass sie das ernst
meinte.
„Du weißt schon, dass es gerade mal zwei Jahre her ist, dass er nicht mehr alle paar
Wochen ins Bett macht, oder?“
Lena entschied sich an dieser Stelle nun doch aufzustehen. Sie näherte sich ihrem Freund
und ließ ihn direkt in ihre wundervollen dunkelbraunen Augen blicken.
„Ich weiß, du machst dir Sorgen um deinen kleinen Bruder. Aber ich bin mir sicher, es wird
ihm gut tun. Und vielleicht will er das ja auch gar nicht. Aber wenn er hier bei uns nicht
seine Bedürfnisse ausleben darf, wo dann?“, fragte sie mit beruhigender und sanfter
Stimme. Jack seufzte.
„Tu, was du nicht lassen kannst…“, entgegnete er schließlich nachgiebig. Das war seine
Art zu sagen, dass sie möglicherweise doch recht hatte. Lena wusste, wie wichtig sein
kleiner Bruder für ihn war und dass er nur das beste für ihn wollte. Auch wenn er deshalb
manchmal etwas hart zu ihm war. Also besiegelte sie das Gespräch dankbar mit einem
Kuss. Jetzt brauchte sie aber erstmal einen Kaffee, ehe sie anschließend ins Atelier fuhr.
Es gab schließlich noch einiges zu tun, wenn sie nun spontan zwei Wochen weg sein
würde.
Es war Sonntagabend, als Lena frische, selbstgemachte Ramen servierte. Sie schenkte
für sich und Jack noch ein Glas Rotwein dazu ein, während sie Louis die Treppe
hinunterrief. Relativ erfolglos hatte sie versucht noch das Licht zu dimmen. Draußen war
es einfach noch zu hell dafür, aber das würde später schon noch werden. Ja, sie hatte sich
wirklich alle Mühe gegeben ein schönes Abendessen zu zaubern, wenn sie nun schonmal
die Zeit dazu hatte. Sie hatte sich für ihren Freund später sogar schick angezogen mit
weißem Blazer über einem violetten Shirt und einer silbernen Halskette in Form eines
Schmetterlings. Und Jacks Blick nach zu urteilen, funktionierte es hervorragend, als er den
Raum betrat.
„Wow… Wenn du etwas gesagt hättest, hätte ich mir auch was schickeres angezogen“,
meinte er. Lena konnte nicht mehr als einfach nur stolz, aber auch verführerisch zu
lächeln. Zügig kam auch der Neunjährige angerannt und setzte sich hungrig auf seinen
Platz. Auf ihn würde heute Abend auch noch eine Überraschung warten.
Louis verschlang die japanischen Nudeln überraschend zügig. Entweder hatte er wirklich
Hunger oder er hatte es eilig. Vielleicht auch beides. Normalerweise aß er zumindest
deutlich ruhiger. Möglicherweise wollte er noch etwas spielen, bevor er ins Bett geschickt
wurde. Das meiste Gemüse in der Suppe schob er dabei gezielt beiseite oder arbeitete
sich mühselig drum herum.
Gesättigt lehnte sich der Junge zurück und stellte sein Glas ab, welches er, nachdem er
fertig war, in einem Zug ausgetrunken hatte.
„Louis, ich würde gern noch mit dir über etwas sprechen“, wandte sich Lena ihm zu. Ein
wenig verunsichert sah er sie an, aber ihm fiel eigentlich nicht wirklich etwas ein, das er
angestellt haben könnte. Sein Blick glitt zurück zu der Schüssel vor sich. War es wegen
dem Gemüse? Sollte er es vielleicht doch essen, obwohl er es nicht mochte? Immerhin
hatte sie sich die Arbeit gemacht und jetzt würde sie es sicher wegwerfen. Aber
normalerweise war das doch auch kein Problem.
„Es geht um das, was du am Freitag zu mir gesagt hast“, begann sie sich näher
auszuführen. Die Augen des Neunjährigen weiteten sich und sprangen einen Moment
sichtlich beunruhigt zwischen ihr und Jack hin und her.
„Du hast ihm doch nichts erzählt, oder?“, fragte er beinahe panisch. Lena lächelte.
„Ich hab ihm nur gesagt, dass dir deine Mama fehlt. Das ist doch ok, oder?“
Zögerlich nickte der Junge, auch wenn ihm das trotzdem nicht so ganz gefiel. Sie beugte
sich ein Stück nach vorne zu ihm. Behutsam griff sie nach seinen Händen und sah ihm in
die Augen.
„Hör mal, ich hab mir etwas überlegt, wie ich dir vielleicht ein wenig das Gefühl geben
kann, wie es ist, eine Mama zu haben“, erklärte sie. „Das wäre so ein bisschen wie ein
Rollenspiel. Ich würde mir dafür die nächsten zwei Wochen, solange du noch Ferien hast,
ganz viel Zeit für dich nehmen und mich um dich kümmern. Wie klingt das?“
Louis wusste nicht, was er antworten sollte. Das kam definitiv unerwartet und er war
merklich überfordert damit. Zwei Wochen mit Lena, die sich wie eine Mutter um ihn
kümmerte? Er spürte, wie sein Herz vor Aufregung ein wenig schneller schlug. Eigentlich
klang das unglaublich schön. Aber gleichzeitig wusste er nicht, wie es sich anfühlen
würde. Was, wenn es ihm am Ende doch nicht gefiel? Was, wenn er sie enttäuschte?
Aber es war Lena. Er vertraute ihr und ihre Augen sowie ihre Hände, die seine gerade
hielten, beruhigten ihn. Und wenn er so an den letzten Freitag dachte, dann konnte er sich
eigentlich nichts schöneres vorstellen.
„Liest du mir dann auch vor?“, fragte er schließlich zögerlich. Sie tat es ohnehin manchmal
zum Einschlafen, wenn sie auf ihn aufpasste. Er mochte das sehr. Es war so beruhigend
einzuschlafen, während man einer schönen Geschichte zuhörte. Zu wissen, dass man
nicht allein in einem stillen dunklen Raum ist.
Louis mochte die Dunkelheit nicht besonders. Manchmal trauerte er immer noch seinem
Nachtlicht nach, das sein Vater ihm vor ein paar Jahren dann doch weggenommen hatte,
damit er lernte, auch im Dunkeln zu schlafen. Interessanterweise hatte sich Jack damals
für ihn eingesetzt, als er vor Angst weinend in seinem Bett lag. Er hatte das Nachtlicht
zwar trotzdem nicht wiederbekommen, aber dafür war sein Bruder regelmäßig die ganze
Nacht bei ihm gewesen, bis er sich daran gewöhnt hatte. Heute wollte sein Bruder ihm
jedoch nicht mal mehr vorlesen. Wann immer Louis ihn gefragt hatte, meinte Jack nur, er
wäre alt genug, um selbst zu lesen. Aber Lena lächelte auf seine Frage hin nur liebevoll.
„Natürlich les ich dir vor“, antwortete sie sanft und die Augen des Jungen begannen
glücklich zu funkeln, ehe er ein klares Nicken von sich gab.
„Dann ja. Das wäre toll“, sagte er ruhig, aber überzeugt und ein zufriedenes Lächeln
bildete sich in seinem Gesicht.
Jack, der das Gespräch schweigend verfolgte, seufzte ein wenig, aber hielt sich raus.
„In Ordnung. Dann sollten wir noch über deine Rolle dabei sprechen“, fuhr Lena fort. „Ich
weiß, du bist jetzt schon groß. Aber damit das funktioniert, würde ich gerne das ein oder
andere ausprobieren. Also wie würde es dir gefallen, wenn du die nächsten zwei Wochen
einfach mein kleiner Junge sein darfst?“ Sie beugte sich ein wenig weiter vor und flüsterte
ihm ins Ohr, sodass Jack es nicht hören konnte. „Ein bisschen so wie Freitag.“
Wieder beschleunigte sich Louis‘ Herzschlag ein wenig bei diesen Worten und er spürte,
wie ihm leicht das Blut in den Kopf schoss. Glücklicherweise sah man ihm das von außen
nicht so wirklich an. Nur Lena spürte eine leichte Nervosität in seinen Händen.
Freitag. Ja, es war ihm peinlich gewesen. Aber eigentlich war es nun eine echt schöne
Erinnerung und es hatte ihm sehr gefallen, wie Lena sich um ihn gekümmert hatte. Und
wenn Louis ganz ehrlich war, dann vermisste er es manchmal klein zu sein. Die Zeit, wo er
noch nicht dafür kritisiert wurde, wie er war. Wo er nicht alles selber machen und möglichst
erwachsen sein sollte. Lena war letztens so geduldig und verständnisvoll gewesen. Es war
immer noch ein merkwürdiges Gefühl in ihm, das er nicht ganz erklären konnte. Aber er
wollte das. Ein wenig senkte er seinen Blick, beinahe beschämt.
„Ja, das wäre schön…“, flüsterte er schließlich schüchtern. Er wusste nicht, was sein
Bruder davon hielt. Aber da er nichts sagte, würde das wohl schon in Ordnung sein.
„Gut, dann werde ich morgen noch ein paar Sachen besorgen. Aber bevor wir das
machen, möchte ich noch eine wichtige Regel klarstellen.“ Louis sah wieder auf und
suchte nach wie vor ein wenig verunsichert ihren Blick. Ihre Stimme war immer noch sanft
und behutsam, aber auch ernst. „Du sollst wissen, dass du nichts tun musst, das du nicht
möchtest. Und ich erwarte, dass du mir sagst, wenn dir etwas unangenehm ist. Kann ich
mich auf dich verlassen?“
Zögerlich nickte der Neunjährige erneut und Lena wuschelte ihm liebevoll lächelnd durch
seine Haare, was auch ihn wieder zum Lächeln brachte.
„Gut. Dann wird es jetzt für dich aber allmählich Zeit fürs Bett.“ Sofort wich das Lächeln
einem leichten Schmollmund, während der Junge aufstand.
„Kann ich nicht noch ein bisschen spielen…?“, fragte er traurig, obwohl er innerlich gerade
eigentlich ziemlich aufgeregt und glücklich war. Jack wollte gerade sagen, dass er keine
Widerrede geben sollte, aber Lena war da mal wieder deutlich freundlicher.
„Wenn du dich beeilst und dich bettfertig machst, kannst du von mir aus noch ein paar
Minuten spielen. Ich schau dann gleich nochmal nach dir, ok?“ Als Antwort bekam sie ein
weiteres zufriedenes Nicken. „Gut, dann ab nach oben mit dir“, forderte sie ihn erneut
freundlich auf und schob ihn dabei mit einem leichten Klopfen auf den Rücken in Richtung
Treppe. Gut gelaunt und aufgeregt lief Louis nach oben. So wichtig war ihm das Spielen in
diesem Moment eigentlich gar nicht. Ein Teil von ihm freute sich einfach nur auf die
nächsten zwei Wochen. Er durfte klein sein. Vielleicht bedeutete das, dass er die nächsten
Tage einfach er selbst sein durfte und sich ausnahmsweise keine Gedanken darüber
machen musste, was sein Bruder davon hielt.
Lena besorgte am nächsten Morgen, wie angekündigt, einige Sachen. Hauptsächlich eine
große Packung Windeln füllte neben den Einkäufen fürs Mittagessen den kleinen
Kofferraum ihres weißen Mini Coopers, die Louis hoffentlich passten.
Was machte sie eigentlich damit, wenn er das nicht wollte? Möglicherweise hätte sie ihn
das doch vorher fragen sollen… Aber dafür war es nun zu spät. Sie legte noch zwei neue
Bücher zum Vorlesen hinzu, ehe sie wieder zu Jack fuhr.
Schließlich kam sie mit zwei großen gefüllten Taschen zurück. Jack hatte ihr für die
kommenden Tage einen Schlüssel gegeben. Eigentlich konnte sie den ruhig langfristig
behalten. Als der junge Mann mitbekam, dass seine Freundin zurück war, warf er sofort
einen Blick auf die Einkäufe. Man konnte ihm ansehen, dass er alles andere als begeistert
war. Aber in so kurzer Zeit würde sie schon nicht viel kaputt machen können, oder?
Vielleicht tat es Louis ja tatsächlich ganz gut, einfach mal abschalten zu können. Trotzdem
hoffte er innerlich darauf, dass er das meiste davon ablehnen würde. Vor allem die
Windeln. Er war schließlich kein Baby mehr…
„Was ist das…?“, murmelte er und griff weiter unten in die Tasche hinein. Kurz darauf zog
er ein mit kleinen blauen Elefanten verziertes Fläschchen hervor, welches er sich einen
Moment ansah. „Findest du nicht, du übertreibst es etwas? Ich weiß ja, du willst gerne
Mutter spielen, aber der Junge ist fast zehn.“ Lena räumte nebenbei die restlichen Sachen
in den Kühlschrank, ehe sie sich ihm näherte und reagierte.
„Vertrau mir einfach, ja?“, sagte sie ruhig und versuchte ihn ein weiteres Mal mit einem
Kuss zu besänftigen. Dann wandte sie sich der Treppe ins Obergeschoss zu und rief nach
oben.
„Louis, kommst du bitte mal?“ Jack legte das Fläschchen zurück in die Tasche. Kurz
darauf kam sein jüngerer Bruder auch schon angerannt.
Der Blick des Jungen fiel sofort auf die Einkaufstasche, aus der eine große
Plastikverpackung hervorstand. Schnell erkannte er das Pamperslogo und seine
unschuldigen blauen Augen weiteten sich. Sollte er die etwa anziehen?
„Sind das… Windeln? Sind die nicht für Babys…?“, fragte er ungläubig.
„Nicht unbedingt. Die sind in deiner Größe. Ich dachte, wir könnten das mal ausprobieren“,
antwortete Lena ruhig und ehrlich. Louis kniff ein wenig die Augen zusammen.
„Aber… Ich brauch die doch gar nicht“, entgegnete er sichtlich wenig begeistert von der
Idee. Er starrte immer noch unsicher auf die Packung. Ja, er durfte klein sein. Aber so
klein? Er war doch kein Baby mehr und das war irgendwie super erniedrigend.
Lena beugte sich zu ihm hinunter und legte ihre Hände auf seine Schultern.
„Hey, entspann dich. Erinnerst du dich, was ich dir gestern Abend sagte? Du musst nichts
tun, das du nicht möchtest“, redete sie beruhigend auf ihn ein. „Ich dachte mir nur,
vielleicht könnte dir das gefallen. Das meiste tun Mütter eben für ihre Kinder, wenn sie
noch ganz klein sind. Du kannst es dir ja einfach mal überlegen und wenn du das nicht
willst, dann ist das auch vollkommen okay.“
Unschlüssig wechselte der Blick von Louis zwischen Lenas Augen und den Windeln hin
und her. Wieso dachte sie, das könnte ihm gefallen? Er war doch schon viel zu alt dafür!
Aber… ein bisschen neugierig war er ja schon. Er konnte sich nicht erinnern, wie es sich
überhaupt anfühlte, Windeln zu tragen. Sein Vater hatte damals richtig Stress gemacht,
damit er möglichst schnell trocken wurde. Er hatte einfach nicht wirklich die Zeit gehabt,
sich darum zu kümmern. Louis war gerade mal zwei Jahre alt gewesen oder so, seit er
tagsüber keine Windeln mehr brauchte. Nur ein einziges Mal war ihm im Kindergarten
noch ein Unfall passiert, weil er beim Spielen zu lang gewartet hatte. Seitdem rannte er
eigentlich immer sofort auf die Toilette, wenn er musste. Naja, außer in der Schule. Da
trank er immer extra wenig, damit er nicht während dem Unterricht musste. Einfach weil er
sich nicht traute, zu fragen. Nachts hatte er die Windeln vermutlich noch ein wenig länger
gehabt. Trotzdem konnte er sich nicht daran erinnern, wie es war. Und Lena hatte sie
schließlich extra für ihn gekauft. Er wollte sie eigentlich nicht enttäuschen.
Schließlich sagte er leise und sehr nervös: „Ok, ich möchte es ausprobieren.“
Das war der Moment, in dem Jacks Hoffnungen endgültig zerschlagen wurden und er
seinen Kopf am liebsten gegen die nächste Wand geschlagen hätte. Sein fast zehnjähriger
Bruder wollte tatsächlich Windeln tragen. Freiwillig. Wenn das jemals irgendwer in seiner
Klasse erfahren würde, war Louis geliefert. Aber sollte seine Freundin mit ihm doch
machen, was sie wollte. Wenn das in irgendeiner Hinsicht zu Problemen führte, dann
konnte sie sich ja damit rumschlagen. Er würde jetzt einfach gehen und das alles
ausblenden. Er musste ohnehin bald zur Arbeit. Er hatte ja schließlich nicht frei. Während
sie also Ersatzmutter und Kleinkind spielten, würde er einfach Bloodborne zocken.
Jack war nicht sauer oder so. Er vertraute Lena. Sie würde schon alles richtig machen.
Aber das war einfach zu schräg für ihn!
Nachdem er weg war, griff Lena nach Louis‘ Hand und mit der anderen die
Windelpackung. Langsam führte sie ihn zu dem weichen Teppich im Wohnzimmer, auf den
er sich setzte. Der Junge bemühte sich, sich zu beruhigen, während sie die Packung
öffnete, eine der Windeln herauszog und sie auseinanderfaltete. Dann sah sie mit einem
fürsorglichen Lächeln zu ihm.
„Musst du nochmal auf die Toilette, bevor wir sie anlegen?“, fragte sie freundlich.
Angespannt schüttelte Louis den Kopf. Er war gerade viel zu aufgeregt, um an sowas zu
denken. Dabei wusste er gar nicht so wirklich, warum. Nackig gesehen hatte sie ihn vor
ein paar Tagen sowieso schon. Und sie würde schon nicht komisch von ihm denken, wenn
er auf einmal eine Windel anhatte. Schließlich war es ja ihre Idee gewesen. Nein, es war
einfach ein seltsames Gefühl, das er nicht zuordnen konnte. Vielleicht ging ihm das alles
jetzt doch etwas zu nah.
Lena bemerkte natürlich, wie nervös er war und legte ihm erneut eine Hand auf die
Schulter.
„Es ist alles gut. Versuch einfach dich zu entspannen“, flüsterte sie ihm beruhigend zu.
Das half ihm tatsächlich ein wenig. Sie senkte ihre Hand ein wenig zu seiner Brust. Mit
sanftem Druck legte sie seinen Oberkörper behutsam auf den Teppichboden. Sie spürte,
wie sein Herz begann wieder schneller zu schlagen. Und da lag er nun. Mit seinen neun
Jahren. Kurz davor eine Windel anzuhaben.
Lena ließ ihre Hand noch einen Moment auf seiner Brust ruhen und ließ den Jungen
durchatmen.
„Bereit?“, fragte sie immer noch ruhig mit ihrer sanften Stimme. Louis blickte sie direkt an.
Seine Augen spiegelten seine Unsicherheit wieder, doch er nickte zögerlich.
„In Ordnung, dann werde ich jetzt langsam anfangen. Wenn es dir zuviel wird und du
abbrechen willst, darfst du es einfach sagen, ok?“
Ein weiteres unsicheres Nicken. Lena hatte wirklich die Geduld eines Engels. Louis konnte
sich nicht daran erinnern, dass jemals jemand so verständnisvoll und fürsorglich zu ihm
war. War das der Grund, wieso sie dachte, dass ihm das gefallen würde? Auch wenn es
ein wenig beängstigend war, fühlte es sich doch auf eine seltsame Weise sehr gut an. Es
war ähnlich wie Freitagabend.
Schließlich schloss er die Augen, atmete noch einmal tief durch und schaffte es schließlich
sich ein wenig zu entspannen. Lena war da. Alles war gut. Nichts konnte ihm passieren.
Er spürte, wie Lena vorsichtig nach seiner Jeans griff und sie ihm ein Stück herunterzog.
Anschließend tat sie das gleiche mit seiner dunkelblauen Boxershorts. Die würde sie ihm
danach einfach wieder drüberziehen, fällt ja nicht weiter auf.
„Kannst du ein wenig dein Becken anheben?“, hörte er ihre ruhige Stimme nun fragen.
Kein Wort mit dem er wirklich viel anzufangen wusste, doch instinktiv wusste er, was sie
meinte. Kurz darauf spürte er die weiche Windel unter sich. Sofort war die Aufregung
wieder da, aber diesmal fühlte sie sich nicht so schlimm an, fast schon neugierig.
Lena verschloss sorgfältig die Klebestreifen an den Seiten und beendete ihre Arbeit. Dafür,
dass sie darin eigentlich keine Übung hatte, hatte das doch eigentlich ganz gut geklappt.
Sie griff nach den Händen des Jungen und zog ihn sanft wieder nach oben.
Louis richtete seinen Oberkörper mit Lenas Hilfe auf und blickte auf die Windel in seinem
Schritt. Sie knisterte ein wenig bei der Bewegung und war weich wie Watte.
Möglicherweise war es auch einfach nur Watte. Er konnte sich zumindest nicht vorstellen,
woraus die Dinger sonst bestanden. Er stand auf und versuchte seine Hose wieder
hochzuziehen. Die Jeans war nun doch ein wenig zu eng.
„Lass mich mal sehen“, meinte Lena, nachdem sie das einen Moment beobachtet hatte.
Kurzerhand stellte sie die Hose am Bund ein wenig weiter. Zukünftig sollten sie ihm dafür
wohl besser geeignete Hosen anziehen. „Wie fühlt es sich an?“, erkundigte sie sich nun
aber erstmal.
Louis analysierte noch ein wenig die Lage und betrachtete sich von allen Seiten. Ein wenig
konnte man die Windel durch seine Hose erkennen, aber sonst fühlte es sich eigentlich
nicht schlecht an.
„Eigentlich ganz gut…“, antwortete er schließlich ein wenig unsicher. Sollte es sich gut
anfühlen? Er dachte immer noch daran, dass er ja eigentlich schon zu alt dafür war. Aber
genau genommen war das doch egal, oder? Es würde sowieso niemand mitbekommen.
Lena lächelte zufrieden.
„Gut. Dann darfst du jetzt spielen gehen, während ich mich mal ums Mittagessen
kümmere.“ Doch Louis zögerte und blieb nachdenklich stehen.
„Äh, Lena…?“, begann er leise zu sprechen. „Was ist, wenn ich aufs Klo muss? Muss ich
die benutzen?“
„Also, es wäre natürlich besser, wenn du sie benutzt, damit wir sie nicht verschwenden.
Aber du darfst mir auch gerne einfach sagen, wenn du auf die Toilette musst und dann
nehm ich sie dir ab. Wenn du magst, darfst du sie auch jederzeit selbst abmachen. Ganz
wie du möchtest“, erklärte sie.
„Ok“, entgegnete Louis zufrieden. Anschließend wanderte er langsam die Treppe nach
oben, seine Aufmerksamkeit interessiert auf das weiche Knisterpolster zwischen seinen
Beinen gerichtet.
In seinem Zimmer setzte er sich wieder auf seinen dunkelblauen Teppichboden. Die
Windel schmiegte sich sanft an seinen Hintern und drückte seine Beine ganz leicht
auseinander. Irgendwie gefiel es ihm. Sie war so unglaublich weich und Louis erfüllte ein
unscheinbares Gefühl von Geborgenheit, als er sich wieder den Legosteinen vor sich
zuwandte. Ein halbfertiges blaues Rennauto von Lego Technic lag vor ihm. Jack hatte es
ihm vor kurzem gekauft, weil sein Zeugnis so gut war. Gut, manchmal fiel ihm Schule nicht
so leicht, aber er gab sein bestes und bisher hatte er nie etwas schlechteres als eine Zwei
bekommen. Nur einmal im Sachunterricht hatte er nicht gelernt und eine Drei bekommen.
Zumindest hatte er davor im Unterricht gut aufgepasst und wusste noch einiges. Schuldig
hatte er sich trotzdem gefühlt.
Sorgfältig setzte Louis die Steine wie in der Anleitung vorgegeben zusammen. Der Wagen
sah jetzt schon so cool aus! Der Neunjährige war schon im Laden sofort begeistert
gewesen, als er ihn im Regal hatte stehen sehen. Eigentlich hatte er nicht damit
gerechnet, dass Jack ihm den einfach so kauft. Bei dem Preis hätte er sein Taschengeld
immerhin ein halbes Jahr sparen müssen, um ihn sich leisten zu können. Und er hätte ihn
sich schließlich auch einfach zum Geburtstag wünschen können.
Manchmal war sein großer Bruder eben doch einfach super. Auch wenn er manchmal
ziemlich streng war, wusste Louis, dass Jack ihn wirklich lieb hatte. Daher hatte er
beschlossen richtig gut auf das Rennauto aufzupassen, wenn er es fertig hatte. Es
bedeutete ihm eine Menge.
Eigentlich wollte Jack ja auch immer nur das beste für ihn. Dass er möglichst groß und
selbstständig war und so. Nur fühlte er sich irgendwie überhaupt nicht so. Er erwartete ja
nicht, dass ihn alle bedienten, aber er sehnte sich manchmal eben einfach sehr nach
Zuneigung und Geborgenheit. Vielleicht gerade weil er nie eine Mama hatte… Aber dafür
hatte er Lena. Es war echt toll, wieviel Zeit sie für ihn hatte und wie sie sich um ihn
kümmerte. Und jetzt saß er auf einmal hier in einer Windel.
Apropos Windel… Louis spürte, wie er langsam mal pullern musste. Ein wenig baute er
noch an seinem Rennauto weiter, bis es schließlich doch zu unangenehm wurde und
seine Konzentration nachließ. Seine Gedanken begannen zu rasen. Was jetzt? Sollte er
jetzt wirklich einfach so in die Hose machen? So wirklich wollte er das nicht. Lena meinte
ja, er könnte sie einfach abnehmen. Oder sollte er es ihr doch lieber sagen? Das wäre
zwar ein wenig peinlich, aber vermutlich besser, oder?
Langsam stand er auf, nur um schließlich im Türrahmen stehen zu bleiben. Die Neugier
hielt ihn auf. Wie würde es sich anfühlen? Ausprobieren konnte er es ja eigentlich mal.
Dafür waren Windeln ja schließlich da, oder nicht?
Er setzte sich also kurzerhand wieder auf den Boden vor sein Auto. Er merkte, wie sein
Herz erneut begann schneller zu schlagen, als er versuchte, es einfach laufen zu lassen.
Doch ganz so einfach war das nicht bei der Aufregung. Er schloss die Augen, atmete tief
durch und entspannte sich. Dann wurde es warm in seinem Schritt. Er pullerte sich
tatsächlich in die Windel und es fühlte sich eigentlich gar nicht mal so schlimm an.
Eigentlich fühlte es sich sogar irgendwie gut an. Die Windel saugte alles auf und wurde ein
wenig dicker. Dann war alles wieder trocken, wenn auch nicht mehr ganz so weich wie
vorher.
Vorsichtig öffnete der Neunjährige die Augen und sah auf seine blaue Jeans. Alles war
trocken geblieben. Nur die Windel war nun noch ein bisschen deutlicher durch seine Hose
zu erkennen. Und was jetzt? Eigentlich müsste er es nun Lena sagen, damit sie ihm eine
neue anzieht, oder? Ein mulmiges Gefühl machte sich bei dem Gedanken in ihm breit.
Klar, er hatte nichts falsch gemacht. Trotzdem war es ein wenig peinlich. Das hatte sicher
Zeit bis nach dem Mittagessen. Also widmete er sich wieder seinen Legosteinen.
Sein blaues Rennauto zauberte ihm sofort wieder ein Lächeln ins Gesicht und hatte seine
volle Aufmerksamkeit zurück. Eigentlich hatte er keine Ahnung von Autos. Er würde nicht
mal eine einzige Automarke erkennen. Aber sie sahen eben einfach cool aus.
„Louis, Essen ist fertig!“, wurde er schließlich aus seinen Bauarbeiten gerissen. Er sprang
auf und lief aus dem Zimmer, da fiel ihm die Windel zwischen seinen Beinen wieder ein.
Sie war schwerer geworden und hing spürbar ein wenig mehr herab. Zaghaft ging er nun
die Treppe hinunter. Unten stellte Lena gerade einen zweiten Topf mit
Schmetterlingsnudeln auf den Tisch. In dem anderen konnte er Tomatensoße erspähen.
Außerdem standen nur zwei Teller am Tisch. Sein Bruder war also offenbar schon weg. Als
Lena ihn bemerkte, lächelte sie ihn freundlich an. Irgendwie konnte er dieses Lächeln
gerade jedoch nicht erwidern. Schüchtern ging er zu ihr und gestand leise, fast flüsternd:
„Ich hab in die Windel gepullert…“
Lena strich ihm liebevoll über den Kopf.
„In Ordnung. Wir können sie nach dem Essen wechseln, ok?“, sagte sie mit ihrer warmen
und sanften Stimme, wie er es gewohnt war. Es war also alles gut und sie machte auch
kein großes Ding daraus. Es musste ihm nicht unangenehm sein. Nun konnte der Junge
das Lächeln erwidern und nickte zufrieden. Dann setzte er sich an den Tisch. Nudeln mit
Tomatensoße war so ziemlich das gewöhnlichste Standardgericht, das es gab. Trotzdem
war es eigentlich sein Lieblingsessen. Dazu stellte Lena noch eine Schüssel mit
Gurkensalat hin. Der einzige Salat, den Louis aß. Naja, außer Obstsalat natürlich, aber der
zählte für ihn nicht als Salat.
„Möchtest du lieber Apfelsaft oder Multivitaminsaft dazu?“, hörte er sie fragen. Nach kurzer
Überlegung entschied sich Louis ausnahmsweise für Apfelsaft. Den hatte er vor allem als
er klein war immer getrunken. Irgendwie fand er das gerade einfach passender.
Heute aß er wieder deutlich langsamer und bewusster, so wie Lena es von ihm gewohnt
war. Unter anderem darauf bedacht, sich nicht vollzukleckern. Er hatte es schon immer
gehasst, wenn er sich irgendwie dreckig gemacht hatte. Auch schon als er noch ganz klein
war, hatte Jack ihr erzählt.
„Und, was machst du grad schönes?“, begann sie schließlich ein Gespräch.
„Ich bau an dem Rennauto, das Jack mir gekauft hat. Ich bin schon ganz weit“, erklärte
Louis ein wenig stolz.
„Und brauchst du da noch eine zusätzliche Mechanikerin, oder würdest du gern nach dem
Essen deine Autoherstellung eine Weile pausieren und was anderes machen?“
Der Neunjährige dachte nach. Es wäre bestimmt schön mit Lena gemeinsam an dem Auto
zu bauen, aber irgendwie wollte er es selbst schaffen. Eigentlich wollte er auch lieber
etwas machen, das er nicht so gut allein spielen konnte.
„Können wir Mario Kart spielen?“, fragte er schließlich.
Immerhin hatte sie ja nun Zeit ein wenig zu üben und besser zu werden. Sie durfte nur
nicht zu gut werden, sodass er keine Chance mehr hatte. Lena war dummerweise in den
meisten Dingen, die sie tat, relativ schnell sehr gut, sobald sie sich mal richtig damit
auseinandersetzte. Das kannte er schon von anderen Spielen.
„Klar. Darin muss ich eh noch ein bisschen besser werden, oder?“, entgegnete sie.
Oh, Mist… Sie hatte vor, gut in dem Spiel zu werden. Dann musste er sich nun wohl umso
mehr anstrengen, damit sie ihn nicht plötzlich fertig machte. Aber er würde es auch gar
nicht anders wollen. Das war besser als einfach zu gewinnen.
Nach dem Essen begann Lena den Tisch abzuräumen. Louis nahm seinen leeren Teller
und sein Glas und brachte sie ebenfalls in die Küche, um ihr zu helfen. Dankbar nahm die
junge Frau die Sachen entgegen und räumte sie in den Geschirrspüler. Kaum hatte sie
diesen eingeschaltet, nahm sie den Jungen an der Hand.
„Na dann komm mal mit, Schätzchen“, sagte sie, während sie ihn wieder ins Wohnzimmer
führte. Erneut ergriff ihn ein wenig die Nervosität, wenn er daran dachte, was nun
bevorstand. Aber zu seiner eigenen Überraschung wollte er das offenbar. Er könnte ja
schließlich auch einfach etwas dagegen sagen.
„Du kannst ja schon mal deine Hose ausziehen. Vielleicht magst du deine Unterhose
diesmal gleich ganz weglassen“, wies Lena ihn an, während sie eine Packung
Feuchttücher holen ging.
Louis tat, was sie sagte, schlüpfte aus seiner Jeans und wartete schließlich nur mit T-Shirt
und Windel bekleidet auf Lena. Prüfend sah er an sich herunter. Sein blaues Oberteil
zierten heute die Figuren aus Ninjago. Die Windel zwischen seinen Beinen wirkte einfach
nur ein wenig aufgequollener als vorher. Eigentlich wäre es ihm unfassbar peinlich, so
gesehen zu werden. Selbst vor Jack. Aber bei Lena war es irgendwie okay.
Inzwischen war diese mit den Feuchttüchern zurückgekehrt und blickte ihn einen Moment
nachdenklich an. Der Teppich war vermutlich nicht am besten für sowas geeignet.
Schließlich griff sie nach der Decke auf dem Sofa und legte sie auf den Boden. Die konnte
man im Notfall einfach waschen.
„Leg dich mal auf die Decke. Es wäre vielleicht sinnvoller, wenn wir das zukünftig auf
deinem Bett machen, oder so“, überlegte sie laut. Der Neunjährige legte sich, wie
angeordnet, auf die Sofadecke und blickte erwartungsvoll zu Lena, dann zu den
Feuchttüchern. Daran hatte er gar nicht gedacht. Er hatte sich vorhin immerhin komplett
vollgepullert. Eigentlich war das schon ein bisschen eklig… Vorsichtig griff Lena nach
seiner Windel und öffnete sie.
„Theoretisch kannst du da ruhig mehrmals reinmachen. Die hält das aus. Aber ich kann sie
dir auch immer sofort wechseln, wenn dir das lieber ist“, erklärte sie.
Dann griff sie zu den Feuchttüchern. Louis schloss die Augen. Das war ihm jetzt doch ein
bisschen unangenehm. Er zuckte ein wenig zusammen, als das kühle Tuch ihn berührte.
Daraufhin hörte er ein leises Kichern von Lena. Irgendwie konnte er nicht anders, als
selbst zu kichern. Ihr freundliches Lachen war seltsam beruhigend und seine Anspannung
wich. Er öffnete die Augen wieder und beobachtete sie still. Es war schön, wie sie sich so
liebevoll um ihn kümmerte. Aber war das nicht echt Arbeit für sie? Warum machte sie das
für ihn? Was hatte sie davon? Plötzlich, aus dem Nichts, überkam Louis ein schlechtes
Gewissen. Er bemerkte, dass seine Augen leicht feucht wurden und blinzelte unauffällig,
damit sie es nicht mitbekam.
„So, Hase. Jetzt bist du wieder sauber“, meinte Lena und griff nach einer frischen Windel.
Aber wollte er das gerade überhaupt? Irgendwie hatte er auf einmal so gar keine Lust
mehr darauf und seine Blase machte sich auch schon wieder bemerkbar. Leise begann
der Neunjährige zu sprechen: „Kann ich bitte auf die Toilette?“
Ein wenig überrascht hielt die junge Frau inne, lächelte aber direkt wieder.
„Klar, geh schnell. Ich warte solange.“
Zügig zog er sich seine Unterhose wieder an und schnappte sich seine Jeans, ehe er in
das kleine Gästebad im Erdgeschoss lief. Lena blickte ihm nach. Sie hatte den leicht
traurigen Unterton gerade durchaus bemerkt.
Louis betätigte die Spülung und zog seine Hose wieder an. Anschließend wischte er sich
eine einzelne Träne aus dem Gesicht. Was war denn auf einmal los? Es war doch alles
gut gewesen? Er griff nach der Seife und begann seine Hände zu waschen. Vorsichtig
warf er einen Blick in den Spiegel. Man sah zum Glück nicht, dass er gerade kurz geweint
hatte. Zögerlich verließ er das Badezimmer. Lena saß immer noch auf dem
Wohnzimmerteppich und wartete, wie versprochen, auf ihn. Inzwischen war er sich sicher.
„Ich möchte bitte keine Windel mehr anziehen“, gestand er schüchtern, in der Hoffnung,
sie wäre jetzt nicht enttäuscht. Lena legte den Kopf leicht schief. Ihr Lächeln verschwand
und ihr Gesichtsausdruck wechselte zu besorgt.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie behutsam. Louis nickte und sie beschloss nicht weiter
nachzufragen. Was auch immer ihn gerade beschäftigte, es war vermutlich besser, wenn
sie ihn nicht zu etwas drängte.
„Na gut, wie du willst. Wenn du es dir anders überlegst, sag einfach Bescheid.“ Mit diesen
Worten lächelte sie ihm wieder liebevoll zu und legte die Decke am Boden wieder
zusammen. Anschließend griff sie nach der alten Windel, um sie zu entsorgen. „Du kannst
ja schon mal das Spiel starten“, schlug sie vor. Wieder nickte der Junge und schnappte
sich einen der Controller. Erleichtert stellte er fest, dass sie nicht enttäuscht war. Sie hatte
einfach keine große Sache draus gemacht und dafür war er ihr wirklich dankbar.
Mario Kart brachte Louis schnell wieder auf andere Gedanken und es machte den beiden
eine Menge Spaß. Lena fuhr diesmal bereits deutlich besser, als das letzte mal. Nach
knapp einer Stunde, wurde sie allmählich sogar gefährlich gut und der Neunjährige musste
sich anstrengen, um noch zu gewinnen.
Später spielten die beiden noch einige Brettspiele. Louis hatte sich heute sogar an Schach
herangetraut. So wirklich gut war er darin aber nicht. Zumindest hatte er nicht den Hauch
einer Chance gegen sie. Aber das war ihm egal. Es war ein unheimlich schöner
Nachmittag, den Lena vollkommen mit ihm verbrachte.
„Mach dich doch schonmal bettfertig, dann können wir noch was anschauen. Ich glaube,
wir haben noch ’nen Film nachzuholen“, meinte Lena zwinkernd nach dem Abendessen.
Louis erinnerte sich. Er war Freitag ja sofort eingeschlafen. Sie musste ihn irgendwann ins
Bett gebracht haben. Schade, dass er das nicht mehr mitbekommen hatte… Er mochte
das eigentlich immer. Selbst, wenn sie, wie gestern, mal keine Zeit zum Vorlesen hatte.
Sie hatte seine Tür einen kleinen Spalt offen gelassen, sodass das Licht vom Gang leicht
hineindrang und er die beiden unten noch leise hatte reden hören können. Das war
beruhigend. Lena verstand ihn einfach und dafür hatte er sie unheimlich gern.
„Möchtest du heute Nacht lieber normal schlafen oder eine Windel anziehen?“, hörte er sie
plötzlich fragen, ehe er die Treppe hinauflief. Er stoppte. Überlegte tatsächlich. Sie waren
trocken immerhin so weich und kuschelig. Und falls er in der Nacht aufs Klo musste,
würde er nicht extra durch das stille, dunkle Haus laufen müssen. Also vielleicht wollte er
das ausnahmsweise. Er konnte morgen früh ja einfach kurz duschen oder so, dann
müsste sie ihn nicht sauber machen.
„Windel“, antwortete er schließlich knapp, ein wenig schüchtern, obwohl es vollkommen in
Ordnung war. Lena lächelte liebevoll und kam mit ihm nach oben in sein Zimmer. Das
Rennauto, das immer noch auf seinem Boden lag, hatte der Junge über den Tag
vollkommen vergessen.
Louis schlug seine Bettdecke mit dem „Cars“-Motiv darauf zur Seite und legte sich auf das
Bettlaken. Sein Blick fiel auf die aufgeklebten Sterne an seiner Wand, die ebenfalls in
einem sanften blau gestrichen war. Eigentlich sollten die ja im Dunkeln leuchten. Vielleicht
taten sie das sogar mal, als er ganz klein war. Jetzt leuchteten sie auf jeden Fall nicht
mehr. Aber er mochte sie trotzdem.
Lena bemerkte, dass er diesmal gar nicht mehr so nervös war und es freute sie. Vorsichtig
griff sie nach dem Bund seiner Jeans und hatte seine volle Aufmerksamkeit wieder. Sanft
zog sie ihm seine Hose und Unterhose aus und Louis schloss wieder die Augen, nachdem
er sie noch einen Moment beobachtet hatte. Er genoss einfach nur das Gefühl, wie sie
sich um ihn kümmerte. Kurz darauf spürte er auch schon die weiche Windel unter sich.
Behutsam verschloss Lena die Klebestreifen und prüfte noch einmal, ob sie auch wirklich
fest sitzte für die Nacht. Anschließend half sie ihm in den Schlafanzug.
Ohne die enge Jeans fühlte sich die Windel sogar fast noch ein wenig weicher an und
Louis verspürte erneut dieses unscheinbare Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Er
war sich nicht sicher, ob es nun tatsächlich an der Windel oder an Lenas liebevoller Art
lag. Er hob die Arme und die junge Frau streifte ihm das Oberteil über. Dann griff sie nach
seiner Hand, doch diesmal ließ er sich nicht so einfach durchs Haus führen. Ein wenig
verwundert blickte sie ihn an, da umarmte er sie auf einmal.
„Danke…“, murmelte er. Er musste ihr das nun einfach sagen. Sie gab sich solche Mühe
und nahm sich so viel Zeit, nur für ihn. Sicher, es war nicht so, als hätte das noch nie
jemand getan. Er hatte ja nun wirklich keinen schlechten Vater gehabt und auch sein
Bruder war früher, als er noch klein war, eigentlich immer lieb zu ihm gewesen. Aber so
gut, wie in diesem Moment, hatte es sich schon lange nicht mehr angefühlt. Es war ein
Gefühl von tiefem Vertrauen, das er so tatsächlich noch nie gehabt hatte. Er fühlte sich
sicher, als könnte er all seine Sorgen einfach vergessen. Sanft strich Lena ihm über den
Kopf und erwiderte die Umarmung.
„Kein Problem. Mach ich doch gern“, flüsterte sie ihm zu. Dieser Moment zeigte ihr, dass
sie ihm tatsächlich half und das Richtige tat.
Die beiden gingen zurück ins Wohnzimmer und Louis kuschelte sich auf dem Sofa wieder
an sie. Davor hatte er sich noch seinen Plüschhund geschnappt und ihn mit nach unten
genommen. Diesmal würde er den ganzen Film durchhalten.
Aufmerksam verfolgten die beiden das Geschehen auf dem Bildschirm. Zwischendurch
streichelte Lena dem Jungen immer mal wieder leicht über den Kopf. Er wirkte so ruhig
und zufrieden. Sorglos, vollkommen entspannt lag er in ihrem Arm, sein Kuscheltier fest an
sich gedrückt. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt schon einmal so erlebt hatte.
Es war bereits nach 20Uhr, als er schließlich in sein Bett kroch.
„Kannst du mir noch vorlesen…?“, fragte er leise, fast flehend, nachdem er einen Blick auf
die Uhrzeit auf seinem Digitalwecker geworfen hatte.
„Ja, ich denke, für eine kurze Geschichte ist noch Zeit“, willigte Lena ein. Die Augen des
Neunjährigen begannen zu funkeln. Mit seinem Plüschhund fest im Arm kuschelte er sich
unter die Decke. Dabei präsentierte sie ihm die beiden Bücher, die sie gekauft hatte. Eines
davon enthielt mehrere verschiedene Kurzgeschichten für kleine Kinder. Louis wusste
nicht, ob er dafür nicht doch schon zu alt war. Aber für heute waren sie vermutlich besser
geeignet. Die andere Geschichte konnten sie sich ja für die nächsten Tage aufheben.
Außerdem war er sowieso dankbar und freute sich über beide Bücher, die sie für ihn
gekauft hatte.
Er schloss die Augen und Lena begann mit ihrer sanften und ruhigen Stimme vorzulesen.
Da sie sehr kurz waren, schaffte er es sogar noch einer Geschichte komplett zu lauschen.
Bei der zweiten glitten seine Gedanken dann aber doch allmählich ins Reich der Träume
ab, bis er schließlich ruhig und gleichmäßig atmend einschlief.
„Schlaf gut“, flüsterte Lena, streichelte ihm noch einmal sanft über den Kopf und entschied
sich dazu, ihm noch einen Kuss auf die Stirn zu geben. Anschließend schaltete sie das
Licht aus, aber ließ es im Gang brennen und die Tür einen Spalt geöffnet.
Autor: Lucas2242 | Eingesandt via Mail
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Schön das Sie Louis eine Unterstützung geben kann und Er sich wohl fühlt. Bin gespannt worauf Er sich noch einlässt und was Er noch erleben wird.
Weiterschreiben, ist wunderbar, bitte keine Gewalt einbauen!