Eine Mama für zwei Wochen (3)
Dieser Eintrag ist Teil 3 von 3 der Serie Eine Mama für zwei Wochen
Windelgeschichten.org präsentiert:Eine Mama für zwei Wochen (3)
Als Louis am nächsten Morgen aufwachte, blinzelte er ein wenig verschlafen. Die
Morgensonne schien leicht durch sein Fenster, reichte jedoch nicht bis zu seinem Bett. Er
fühlte sich erstaunlich ruhig. Es war einer dieser Momente, in denen er vollkommen
entspannt war. Leicht drehte er den Kopf zur Seite. Es war gerade mal 7 Uhr. Wen
wunderte es, wenn man so früh ins Bett musste? Manche würden behaupten, das wäre zu
früh zum Aufstehen. Sein großer Bruder zum Beispiel. Der ging meistens spät ins Bett und
schlief dann ewig, wenn er frei hatte. Dabei war es doch viel besser früh aufzustehen,
wenn man Ferien hatte! Dann konnte man den ganzen Vormittag spielen. Und der
Neunjährige konnte sich auch nicht wirklich vorstellen, dass sich das jemals ändern würde.
Langsam fuhr Louis mit seiner Hand über die Windel in seinem Schritt. Es fühlte sich
immer noch ungewohnt, aber auf eine seltsame Weise gut an. In dem Moment bemerkte
er, dass auch seine Blase langsam wach wurde und er pullern musste.
Er war letzte Nacht tatsächlich, kurz nachdem er eingeschlafen war, noch einmal wach
geworden. Lange konnte es zumindest nicht her gewesen sein, da das Licht im Gang noch
leuchtete. Kurz hatte er überlegt, ob er auf die Toilette gehen sollte, hatte es dann aber
einfach laufen lassen und war schnell wieder eingeschlafen. Eigentlich hatte er schon
während dem Film gestern gemusst, aber er wollte sich nicht in die Windel pullern,
während Lena anwesend war. Das war ihm irgendwie unangenehm.
Der Junge richtete sich auf und ließ seine Beine von der Bettkante hängen. Lena meinte,
er könne da ruhig mehrmals reinmachen. Er hatte keine Ahnung, wie oft genau, aber
mehrmals bedeutete mindestens zweimal. Also schloss Louis die Augen und entspannte
sich. Kurz darauf spürte er, wie sich die Wärme in seinem Schritt ausbreitete. Es dauerte
einen Moment, bis alles aufgesaugt war und er die Augen wieder öffnete.
Eigentlich wollte er ja jetzt duschen, aber irgendwie fühlte sich die Windel gerade so warm
und weich an. Er konnte sie ja noch bis nach dem Frühstück anbehalten und danach
duschen gehen. Vielleicht war das der Punkt, an dem er sich eingestehen musste, dass es
ihm tatsächlich irgendwie gefiel. Offenbar kannte Lena ihn doch besser, als er dachte. Er
hatte heute Nacht nicht einmal aufstehen müssen. Er hatte gestern Abend soviel trinken
können, wie er wollte, ohne Angst zu haben, nachts durch das dunkle Haus auf die Toilette
zu müssen. Das war ein echtes Geschenk. Und hätte er sie vor ein paar Jahren gehabt,
hätte er früher auch nicht so oft geweint, wenn sein Bett morgens mal wieder nass
gewesen war. Das hätte alles so viel einfacher gemacht.
Vorsichtig schlich Louis die Treppe hinunter, in die Küche. Eigentlich war es toll, wenn es
morgens noch ganz ruhig war und die anderen beiden noch schliefen. Dann hatte er das
ganze Haus für sich und konnte machen, was er wollte. Er würde sich gleich einfach im
Schlafanzug vor den Fernseher setzen und entspannt seine Cornflakes löffeln.
Als er den Geschirrschrank öffnete, glitt sein Blick nach oben. Wer hatte denn die
Schüsseln so weit oben eingeräumt? Kurz überlegte der Neunjährige sich einen Stuhl zu
holen, aber vielleicht kam er auf Zehenspitzen auch gerade so ran. Vorsichtig griff er mit
seinen Fingerspitzen an den Rand des Porzellans.
Jack war gerade aufgestanden und auf dem Weg ins Bad, als er ein lautes Klirren aus der
Küche vernahm. Innerlich fluchend kehrte er um, um nachzusehen. Dafür war er definitiv
noch zu müde! Er konnte sich schon denken, was er vorfinden würde. Sein kleiner Bruder
stand im Schlafanzug erstarrt inmitten eines Scherbenhaufens. Es gab nur einen
Unterschied zwischen seiner Vorstellung und der Realität. Unter seinem Schlafanzug
zeichnete sich deutlich die Windel ab, die er immer noch trug, was Jacks Stimmung nicht
gerade verbesserte.
„Kannst du nicht aufpassen!?“, gab er laut und spürbar gereizt von sich.
Louis stiegen sofort Tränen in die Augen und er begann leise zu schluchzen.
„Es tut mir leid…“, wimmerte er kleinlaut, immer noch unfähig sich zu rühren. Dabei hatte
sein Tag doch so gut angefangen… Sein großer Bruder verdrehte die Augen, während er
mit dem Aufräumen des Missgeschicks begann.
„Reiß dich zusammen und hilf mir lieber, die Scherben aufzusammeln…“
Zögerlich begab sich Louis auf den Boden und hob behutsam die Bruchstücke der
Schüssel auf, die ihm zwischen den Fingern hindurch geglitten ist. Seine Sicht war von
seinen Tränen verschwommen, weshalb er umso mehr aufpasste, sich nicht zu schneiden.
Jack sah auf, hielt einen Moment inne und seufzte. Vielleicht war er gerade zu hart
gewesen. Er vergaß immer wieder, wie sensibel und verletzlich sein kleiner Bruder doch
war. Abgesehen davon war es vermutlich keine gute Idee, ihn barfuß die Scherben
aufsammeln zu lassen. Klar, Louis war verdammt vorsichtig. Aber riskieren, dass er sich
verletzt, wollte er definitiv nicht. Außerdem musste er bald zur Arbeit und einen
aufgeschnittenen Fuß konnte er nun wirklich nicht gebrauchen.
„Warte, du hast keine Schuhe an. Gib mir deine Hand…“, meinte er schließlich deutlich
ruhiger. Louis stand auf. Schluchzend ergriff er die Hand seines großen Bruders und
sprang über die Scherben. Jack griff ihm dabei unter den Arm und hob ihn sicher aus der
Gefahrenzone. Anschließend legte er ihm eine Hand auf die Schulter und begab sich zu
ihm auf Augenhöhe.
„Hey, ich hab’s nicht so gemeint… Ich hab überreagiert“, versuchte er ihn zu beruhigen und
bekam ein leichtes Nicken als Reaktion. Louis wollte gerade den Staubsauger holen, als
er Lena hinter sich bemerkte.
„Was ist denn passiert?“, erkundigte sie sich verschlafen, während sie ihn in den Arm
nahm. Der Junge vergrub immer noch weinend sein Gesicht in ihrem Oberteil. Jack war
bereits wieder mit dem Aufsammeln der Scherben beschäftigt und antwortete ihr beiläufig.
„Nichts schlimmes. Ihm ist nur ’ne Schüssel runtergefallen.“
Lena setzte sich auf einen Stuhl am Küchentisch und nahm Louis auf dem Schoß.
„Das kann doch mal passieren. War kann ja keine Absicht…“, flüsterte sie ihm zu.
Langsam beruhigte er sich wieder, als er sich plötzlich an die Windel zwischen seinen
Beinen erinnerte. Ob sie bemerken würde, dass er sie benutzt hatte? Aber eigentlich war
ihm das gerade vollkommen egal. Lena gab ihm das Gefühl, dass alles in Ordnung war.
Und so böse schien sein Bruder auch nicht auf ihn zu sein. Dennoch tat es ihm unfassbar
leid und er konnte seinen Blick nicht von den verbleibenden Splittern am Boden
abwenden.
Seine Ferienmutter wandte sich ihrem Freund zu: „Lass, ich mach das schon. Mach dich
fertig für die Arbeit.“ Der junge Mann willigte einsilbig ein und verschwand wieder die
Treppe nach oben. Nun waren die beiden allein und es herrschte wieder Stille im Haus.
„Geht’s wieder?“, fragte Lena den Jungen nach einem Moment leise, während sie ihm
sanft über den Rücken strich. Louis schniefte, nickte aber. Natürlich bemerkte sie, dass er
die Windel noch trug und auch definitiv mehr als einmal benutzt haben musste, aber das
war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Mit routinierten und gekonnten Handbewegungen richtete Jack unterdessen sein Haare
zurecht. Erst zerstrubbelte er sie ein wenig, dann strich er sie aus dem Gesicht. Ein letzter
prüfender Blick in den Spiegel, dann hielt er inne. Sein Bruder heulte, weil ihm eine
Schüssel heruntergefallen war. Als er in dem Alter war, wäre ihm das niemals in den Sinn
gekommen. Aber er hatte da auch echt andere Probleme. Er hätte sich so etwas nicht mal
erlauben können. Immerhin war seine Mutter damals gerade von ihnen gegangen und er
musste seinem Vater allerhand im Haushalt helfen. Vor allem mit dem Baby. Louis war in
der Hinsicht quasi das Gegenteil von ihm. Und jetzt hatte er sogar beschlossen freiwillig
Windeln zu tragen… Aber war das so schlimm? Eigentlich war es doch schön, dass sein
kleiner Bruder länger Kind sein durfte. Und er wollte ja auch, dass er glücklich ist. Himmel,
er selbst war gerade mal 18 und sollte ein Kind großziehen und sich um Steuern und
Versicherungen und den ganzen Kram kümmern! Eigentlich konnte er echt dankbar sein,
dass Louis so einfach war. Ja, er weinte viel und hatte vor allem Angst, aber er baute
zumindest keine Scheiße. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass der Junge später
als Jugendlicher mal Ärger machen würde. Aber dafür würde er sicher mal der ultimative
Außenseiter sein. War auch nicht unbedingt besser…
Als Jack wieder die Treppe runterkam, war Lena gerade dabei mit dem Staubsauger auch
die letzten kleinsten Splitter am Boden zu beseitigen. Louis saß unterdessen immer noch
auf dem Küchenstuhl und sah schweigsam zu. Seine Augen waren noch immer ein wenig
gerötet, aber sonst schien er sich wieder beruhigt zu haben. Der junge Mann stellte sich
neben seinen kleinen Bruder und strich ihm einmal über den Kopf.
„Sorry, dass ich dich angeschnauzt hab. Ich weiß, es war keine Absicht“, meinte er mit
einer möglichst neutralen Stimme. Er war kein Freund davon, über Gefühle zu sprechen
und so wirklich ein schlechtes Gewissen hatte er auch nicht. Aber er wusste, dass Louis
das gerade brauchte. Der Junge nickte eine weiteres mal. Der Staubsauger verstummte.
„Gut, das sollte soweit alles gewesen sein“, stellte Lena fest. Im nächsten Handgriff hatte
sie auch schon eine weitere Schüssel in der Hand und reichte sie dem Neunjährigen.
Anschließend suchte sie routiniert alles weitere für sein Frühstück zusammen. Jack
begann währenddessen sogleich sich ein Sandwich für die Arbeit zu machen.
„Danke, du bist super“, sagte er in demselben ruhigen, neutralen Tonfall. Aber er meinte es
so. Ohne Lena wäre er manchmal echt aufgeschmissen.
„Ich weiß“, entgegnete seine Freundin und zwinkerte ihm zu, ehe sie sich wieder Louis
zuwandte. „Willst du lieber Kakao oder Tee zum Frühstück?“
Der Angesprochene sah ein wenig überrascht auf. Normalerweise trank er morgens gar
nichts zu seinen Cornflakes. Aber Lena war auch selten anwesend, wenn er frühstückte.
Wie nett von ihr, ihm extra noch was zu machen. Kurzerhand entschied er sich für Kakao.
Tee zu etwas mit Milch klang irgendwie komisch. Außerdem war Kakao ohnehin besser.
Kurze Zeit später schlürfte Louis die restliche Milch aus seiner Schüssel. Jack
verabschiedete sich währenddessen mit einem Abschiedskuss von seiner Freundin und
verließ das Haus. Jetzt war er wieder allein mit Lena. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf
seinen Lippen bei dem Gedanken.
„Sollen wir nach dem Essen gleich mal nach deiner Windel schauen?“, hörte er sie nun
fragen. Der Neunjährige stockte.
„Äh… Eigentlich wollte ich gleich duschen gehen“, gestand er ein wenig schüchtern, aber
ehrlich. Einen Augenblick war die junge Frau irritiert. Er wollte sonst schließlich nie
freiwillig duschen, soweit sie wusste. Eigentlich duschte er generell nie. Aber gut, vielleicht
war ihm das nach einer Nacht in einer nassen Windel lieber. Er mochte es ja sonst auch
nicht, dreckig zu sein und er würde so sicher sauberer werden, als mit den Feuchttüchern.
„Klar, wie du willst. Du kannst die benutzte Windel dann einfach zusammenrollen und in
den Restmüll werfen.“
Erleichtert brachte Louis sein Geschirr in die Küche und flitzte nach oben ins Badezimmer.
Als er am Spiegel vorbeikam, betrachtete er sich kurz. Die Windel war doch deutlich unter
seiner Schlafanzughose zu erkennen. Ein wenig peinlich war es ihm nun doch, dass sein
Bruder ihn so gesehen hatte. Kurzerhand entledigte er sich seines Schlafanzugs und
öffnete die Klebestreifen der Windel. Ein unangenehm kühler Luftzug erfasste seinen
Intimbereich. Schnell rollte er das Ding so gut es ging zusammen und stopfte es in den
Mülleimer im Badezimmer. Dann stieg er unter die warme Dusche.
Als er einige Minuten später wiederkam, saß Lena immer noch mit einer Tasse Tee am
Tisch und wartete auf ihn.
„Sag mal, Schätzchen…“, begann sie und legte ihr Handy aus der Hand. „Wie gefällt es dir
jetzt eigentlich Windeln zu tragen?“ Überrumpelt blieb Louis stehen. Was sollte er denn
jetzt sagen? Dass er es toll fand? Das konnte er doch nicht einfach so sagen. So ganz
sicher war er sich ja selbst noch nicht mal. Nachts würde er sie zumindest auf jeden Fall
gerne weiter tragen. Aber dann müsste er jeden Morgen duschen… Überfordert zuckte er
mit den Schultern und murmelte: „Weiß nicht…“ Sie kannte ihn ohnehin gut genug, um zu
wissen, dass er dem ganzen zumindest nicht abgeneigt war. Lena trank noch einen
Schluck von ihrem Tee und schlug dann mit der flachen Hand leicht auf die Tischplatte.
„Gut, dann sollten wir beide einkaufen gehen“, beschloss sie und stand auf. „Was ich
nämlich gestern vorerst nicht besorgt habe, ist eine Creme. Ich vermute, die ist zwar für
die kurze Zeit nicht unbedingt notwendig, aber es wäre sicher besser für deine Haut, wenn
wir eine hätten.“
Was? Jetzt? Louis stand immer noch überrumpelt im Zimmer, aber Lena holte bereits ihre
Schlüssel. Eigentlich wollte er doch erstmal etwas mit ihr spielen. Und was meinte sie, mit
Creme? Es war im Sommer sonst schon immer nervig genug, wenn er sich eincremen
sollte. Oder würde sie ihn jetzt regelmäßig eincremen? Wollte er das?
„Na, komm schon“, forderte sie ihn mit einem freundlichen Lächeln auf und riss ihn aus
seinen Gedanken. Tja, da musste er jetzt wohl durch, wenn er heute Abend wieder eine
Windel anziehen wollte. Aber so schlimm war einkaufen mit Lena sicher nicht. Er hätte
jetzt nur eben lieber mit ihr gespielt. Zügig schnappte er sich seine schwarzen
Turnschuhe, zog sie an und machte die Klettverschlüsse zu. Jack versuchte nach wie vor
vergeblich ihn von Schnürsenkeln zu überzeugen. Klar, er konnte die Dinger binden, aber
das dauerte so viel länger und war einfach nur nervig. Und dann gingen sie auch noch
regelmäßig auf… Wieso trugen Erwachsene nicht einfach auch Klettverschlüsse? Das war
doch viel einfacher!
Als der Junge fertig war, machten sich die beiden auf den Weg zu Lenas Wagen und
fuhren zu einem Drogeriemarkt. Ganz unbewusst hatte er nach dem Aussteigen nach ihrer
Hand gegriffen. Bereits vom Parkplatz aus erkannte man das DM Logo. Eigentlich ein
Geschäft, in dem der Neunjährige sonst nur selten war. Und offenbar ging es anderen
Leuten genauso, denn das Geschäft war ziemlich menschenleer. So wirklich eine Ahnung,
was dort alles verkauft wurde, hatte er tatsächlich auch nicht. Irgendwie hatte er da nie so
recht drauf geachtet. Er erinnerte sich lediglich daran, wie sie ihm damals hier seine
elektrische Zahnbürste gekauft hatten.
Die beiden bogen in die entsprechende Babyabteilung ein, als Louis plötzlich vor einem
weiteren Produkt stehen blieb, dass er gar nicht auf dem Schirm gehabt hatte. Vor ihm war
eine Wand mit einer großen Auswahl an Schnullern. Vor allem ein dunkelblauer fiel ihm
dabei ins Auge. Wie es sich wohl anfühlte? Er wusste nicht genau, was es war, aber
irgendwas daran zog ihn an. Vielleicht eine unbewusste Erinnerung aus längst
vergessenen Tagen. Irgendwie wollte er sie zu gern ausprobieren.
Lena ließ sich davon nicht beirren und lief zielstrebig zu ihrem eigentlichen Ziel. Erst als
sie die Creme in der Hand hielt, drehte sie sich zu ihm um und bemerkte seinen
gebannten Blick. Seine Augen hatten etwas fast schon sehnsüchtiges an sich. Daran hatte
sie eigentlich nicht gedacht. Die Teile hatten schließlich auch weniger mit dem zu tun, was
Mütter so für ihre Kinder machten. Sie waren mehr ein Mittel zum Zweck, um Babys zu
beruhigen. Ob er so einen wollte?
„Alles gut?“, fragte sie vorsichtig und legte ihm dabei eine Hand auf die Schulter, was den
Neunjährigen zusammenzucken ließ. Hastig nickte er und versuchte sich nichts anmerken
zu lassen. „Würdest du so einen gern ausprobieren?“
Louis‘ Herz schlug höher. Hatte sie das gerade wirklich gefragt? Aber das konnte er ihr
doch nicht so einfach sagen! Dabei hatte sie ihm die Frage mit ihrer sanften, fürsorglichen
Stimme gestellt, als wäre das tatsächlich ein Angebot. Sie meinte das ernst! Auf einmal
wurde ihm warm. Könnte er wirklich rot werden, wäre er es jetzt vermutlich. Er wusste
nicht, was er sagen sollte. Also, doch, wusste er schon. Natürlich wollte er das. Aber er
konnte es nicht sagen! Er war doch schon viel zu alt dafür! Er war drauf und dran den Kopf
zu schütteln, als Lena ihn mit den Worten: „Wenn du gerne einen hättest, darfst du es gern
sagen“, bestärkte. Das hatte sie zwar nicht kommen sehen, aber wieso eigentlich nicht?
Darauf kam es nun wirklich nicht an, wenn ihn das glücklich machte. Und für die zwei
Wochen war das auch sicher kein Problem. Louis warf noch einen nachdenklichen Blick
auf die Beruhigungssauger an der Wand, als er sich schließlich dazu durchrang ihr zu
antworten.
„Darf ich wirklich…?“, fragte er nach wie vor ein wenig unsicher. Er wollte nicht, dass Lena
oder Jack dann enttäuscht von ihm waren, weil er das wollte. Vor allem sein großer Bruder
wäre sicher nicht begeistert, wenn er so etwas babymäßiges wollte. Doch Lena lächelte
nur liebevoll. Eigentlich musste sie sich eingestehen, dass sie das sogar ganz rührend
fand und sie sich den Jungen mit Schnulli im Mund echt süß vorstellte.
„Klar, such dir einfach einen aus, der dir gefällt“, bestärkte sie ihn noch einmal. Aber da
musste er nicht lang überlegen. Aufgeregt wandte sich der Neunjährige wieder der Wand
vor sich zu und griff direkt nach dem dunkelblauen, der ihm ins Auge gesprungen war.
Dann realisierte er etwas anderes. Die mussten das Zeug ja an der Kasse bezahlen.
Hoffentlich merkte keiner, dass das für ihn war. Das wäre echt peinlich!
„Du, Lena…?“, begann er zögerlich. „Denkst du, die wissen, dass die Sachen für mich
sind?“
„Nein, das glaub ich nicht. Die werden mich wahrscheinlich einfach für eine junge Mutter
halten“, antwortete sie beschwichtigend. „Und wenn jemand fragt, lügen wir einfach, ok?
Das geht nämlich eigentlich niemanden was an.“
Lügen? Das war eigentlich nicht ok, aber gleichzeitig war ihm das deutlich lieber. Also
nickte Louis. Die junge Mutter würde man ihr eh definitiv abnehmen. Sie hatte in der
Öffentlichkeit ohnehin ein sehr erwachsenes, verantwortungsbewusstes Auftreten.
Nichtsdestotrotz hatte er ein mulmiges Gefühl an der Kasse, griff erneut nach Lenas Hand
und versteckte ein wenig hinter ihr. Die Kassiererin mittleren Alters lächelte ihn zwar
freundlich an, aber das machte es auch nicht angenehmer. Der Junge war heilfroh, als sie
wieder aus dem Laden draußen waren.
„So, dann sollten wir noch etwas fürs Mittagessen kaufen“, meinte Lena und realisierte
sogleich, wie oft sie in den letzten Tagen Lebensmittel gekauft hatte. Das war sie als
Alleinlebende so gar nicht gewohnt. Das war also dieses Familienleben, von dem sie so
viel gehört hatte… Am besten würden sie gleich für die ganze restliche Woche einkaufen.
„Willst du mir später beim kochen helfen?“
Louis überlegte einen Moment. Kochen mit Lena würde sicher Spaß machen.
Vorausgesetzt er ging ihr nicht im Weg um oder ruinierte versehentlich das Essen. Er hatte
immerhin keine Ahnung vom Kochen. Aber so lange er ihren Anweisungen folgte, konnte
doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?
„Ok“, entgegnete er schließlich knapp.
Am Ende hatte er sich das ganze sowieso komplizierter vorgestellt, als es schlussendlich
war. Er durfte einfach nur Reis zum Abmessen in eine Tasse füllen und Karotten schälen
und schneiden. Lena kümmerte sich währenddessen um das Hühnchen. Die Erbsen
konnte er ihr leider nicht ausreden, aber wenigstens konnte er sie davon abhalten, den
Reis mit dem Gemüse zu mischen. Eigentlich hätte sie das ganze am Ende gerne noch
zusammen angebraten. Jetzt war es eben einfach nur Reis… Glücklicherweise hatte sie
noch ein letztes Ass im Ärmel, um das ganze etwas attraktiver zu gestalten. Sie hatte von
zuhause für die Tage ein Reisförmchen mitgebracht. Da hatte sie sich mal von ihren
Mangas inspirieren lassen, wo das Essen auch immer so liebevoll zubereitet war. Nun
zierte ein weißes Reishäschen den Teller der beiden, was dem lächelnden Jungen, der ihr
gegenüber saß, offenbar sehr gefiel. Wenigstens einer, der das genauso toll fand, wie sie.
Jack hatte für solche „kitschigen“ Dinge, wie er es nannte, leider nicht viel übrig.
In einer Hinsicht unterschieden sich die Teller der beiden jedoch deutlich. Während Lena
nun den Reis mit dem Gemüse aß, kam die Farbe auf dem Teller von Louis hauptsächlich
durch den Ketchup, in dem er seinen Reis und das Hühnchen halb ertränkt hatte.
Währenddessen baumelten seine Beine gemütlich vom Stuhl herab.
„Ich hatte mir überlegt, ob wir vielleicht heute mal raus zu einem Spielplatz gehen
wollen?“, schlug die junge Frau schließlich vor. „Immerhin ist das Wetter so schön und du
verbringst die meiste Zeit deiner Sommerferien drinnen.“
Louis war tatsächlich fast den ganzen Sommer zuhause gewesen. Klar, was blieb ihm
groß anderes übrig? Sonst waren sie zumindest immer mal ein paar Tage verreist, aber
Urlaub fiel ja erst einmal flach mit ihren neuen Lebensumständen seit diesem Jahr. Und
Freunde hatte er ja keine, mit denen er sich treffen und draußen spielen konnte.
Manchmal schickte Jack ihn trotzdem raus zu irgendeinem Spielplatz in der Nähe. Er
sagte dann immer, dass er drinnen sicher keine neuen Freunde finden würde. Aber selbst
wenn da mal andere Kinder waren, war Louis meistens entweder zu schüchtern, um sie
anzusprechen, oder ganz selten ärgerten sie ihn auch. Zumindest die älteren. Schon im
Kindergarten hatte er selten mit den anderen Kindern gespielt. Stattdessen hatte er lieber
alleine irgendwas im Sandkasten gespielt oder sich leise ein Buch in der Leseecke
angesehen.
Aber heute war das etwas anderes. Lena würde mitkommen und mit ihm spielen. Das war
bisher nur ein paar mal beim Babysitten vorgekommen. Hätte er den Mund nicht voll mit in
Ketchup ertränktem Hühnchen gehabt, hätte er sofort „Ja!“ gerufen. So blieb ihm nichts
anderes übrig, als eifrig zu nicken.
Knapp eine Stunde später erreichten die beiden ihr Ziel für den heutigen Tag. Sie hatten
sich erneut Lenas kleines Auto geschnappt und waren damit ein wenig weiter, zu einem
größeren Abenteuerspielplatz gefahren. Trotz der Sommerferien war es nicht so voll, wie
erwartet. Klar, da waren noch einige andere Kinder, teilweise auch mit ihren Eltern, aber
viele Familien waren wohl noch verreist. Ein wenig ratlos sah Louis sich um. Ein großes
Klettergerüst mit Rutsche auf einer Wiese, ein weiteres Klettergerüst auf ein Sandkasten,
besetzte Schaukeln, ein Drehkarussel, eine kleine Holzhütte… Ein Stück weiter hinten gab
es auch noch ein Tor, Tischtennisplatten und einen Basketballkorb. Hier gab es praktisch
alles! Eigentlich schade, dass er so selten hier war. Der gewohnte Spielplatz in seiner
Nähe war da deutlich kleiner.
Lena ging zu einem der aufgestellten Picknicktische aus dunklem Holz und er folgte ihr,
während er darüber nachdachte, was sie nun als erstes machen sollten. Sie legte den
kleinen Rucksack, den sie mitgebracht hatte, auf die Bank und wühlte einen Moment
darin. Selbstverständlich hatte sie ihnen etwas zu trinken eingepackt bei den heißen
Temperaturen. Doch jetzt zog sie erst einmal, sehr zu seinem Bedauern, die Sonnencreme
hervor.
„Moaah… Muss das sein?“, stöhnte er ungeduldig. Wüsste er, wie sich ein richtiger
Sonnenbrand anfühlte, wäre er ihr sicher dankbarer.
„Ja, das muss sein. Wir wollen ja nicht, dass du so rot wirst, wie dein Häschen heute
Mittag, oder?“, erwiderte Lena freundlich, aber konsequent. Und es brachte ihn auch ganz
leicht zum Kichern. „Na komm, gib mir deinen Arm. Geht doch ganz schnell.“
Der Neunjährige streckte seinen Arm aus. Wenigstens machte sie das. Das war zumindest
besser, als sich selbst einzucremen. Danach klebten die Hände immer so…
Er ließ seinen Blick noch einmal über den belebten Spielplatz schweifen, als er bei einem
Jungen stehen blieb, der ungefähr in seinem Alter sein musste und alleine im Sandkasten
spielte. Louis beobachtete ihn einen Moment. Dann fielen seine Augen auf den alten
Fußball von seinem Bruder am Boden, den Lena einfach mal mitgenommen hatte. Jack
hatte früher mal eine Weile aktiv gespielt. Auf so eine Idee käme er selbst nie. Eigentlich
hatte er sogar Angst vor Bällen. Also, selbstverständlich nicht direkt vor dem Ball selbst,
sondern davor, von einem getroffen zu werden. Gedankenverloren spielte sein Fuß ein
wenig damit rum. Es dauerte nicht lange, da sorgten seine unkoordinierten Bewegungen
dafür, dass der Ball wegrollte… Im nächsten Moment spürte er, wie Lena ihn zu sich drehte
und ihm sanft mit der Sonnencreme auf die Nase stupste.
„So, schon fertig“, meinte sie und verteilte dabei den Rest ein wenig in seinem Gesicht.
Louis kniff einen Moment die Augen zusammen, dann sah er nach dem Ball. Er war direkt
zu dem großen Sandkasten gerollt. Während Lena die Sonnencreme wieder einpackte,
ging er rüber, um ihn zu holen. Kaum hatte er ihn aufgehoben, bemerkte er wieder den
fremden Jungen wenige Meter vor sich. Er hatte etwas längere braune Haare und trug
eine hellblaue Stoffjacke mit Kapuze, die er zur Hälfte über einem roten T-Shirt zugezogen
hatte. War der wahnsinnig? Es war doch viel zu heiß dafür! Unbewusst blieb er vielleicht
einen Moment zu lange stehen. Der Junge sah auf und ihre Blicke trafen sich…
Autor: Lucas2242 | Eingesandt via Mail
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Ich bin mal gespannt ob sich die 2 Jungs irgendwie annähern und miteinander sprechen. Bitte weiterschreiben.
Süß weiter so
Wann bekommt er windeln am Tag mit schnulli?
Danke
Es geht dem Protagonisten nicht nur um Windeln und Schnuller sondern daraum, zu erleben, wie es sich mit einer Mutter angefühlt hätte, um Zuneigung und gemeinsame Unternehmungen, die er sich allein nicht traut,
Hallo, sehr schöne Geschichte, kann mich gut in sie hineindenken. Hoffe, du schreibst weiter,. LG Petra
Sehr gut geschrieben. DANKE! Bin gespannt auf den nächsten Teil mit dem zu warm angezogenen Jungen!!
Mir gefällt die Geschichte. Ich fand es allerdings etwas komisch, dass sie beim Einkaufen die Creme weg gelassen hatte und extra deswegen nochmal hin musste. Ich hätte es realistischer gefunden, wenn sie die Creme am Vortag vergessen hätte. Außerdem hätte ich ihm dür tagsüber auch Windeln angeboten. Sie hätte auch anbieten könnten, Hochziehwindeln zum ausprobieren anbieten können, wenn sie sowieso einkaufen gehen.
Freut mich, dass es dir gefällt.
Lena wollte eben erstmal schaun, ob er die Windeln überhaupt will, bevor sie alles kauft. Aber ja, es wäre auch ein guter Grund gewesen, einfach mal was zu vergessen. Immerhin hat sie ja sonst nicht so viel Erfahrung damit.
Tagsüber sind Windeln für Louis ja im Moment noch ein wenig kritisch und für unterwegs hätte er das niemals eingewilligt. Und da es den beiden mehr ums Wickeln geht und Louis sonst noch nicht viel dazu kommuniziert hat, sind Hochziehwindeln wohl erstmal keine Option. 🙃
Bitte unbedingt weiterschreiben!!!!