Erik & Tim (10)
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Kapitel X: Stille Nacht, heilige EXPLOSION!
Der Schnee fiel an diesem Morgen leise auf die Erde, es war noch dunkel, aber dennoch konnte man deutlich die weißen Flöckchen erkennen. Tim saß auf seinem Bett und betrachtete das Schauspiel des ersten Schnees des Winters, während er genüsslich schnullerte. Es war der vierte Advent, nicht mehr lange hin bis Weihnachten. Tims Windel war schon ganz schön nass, aber er wollte gerade nicht aufstehen, denn dann hätte er aus seiner kuscheligen Decke heraus gemusst, in die er sich gewickelt hatte, natürlich nicht ohne, dass Theo mit ihm im Stoffkokon steckte. Der Riesendonut hatte sich als erstaunlich gutes Sitzkissen herausgestellt und als solches verwendete Tim ihn nun auch.
Er musste an den Abend im Restaurant denken, es war erst ein paar Monate her, seit er seinen Eltern seine kleinen Bedürfnisse offenbart hatte, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. An dem Tag nach der Offenbarung[1] wurde Tim ganz normal von seiner Mama geweckt, zuerst, bis sie ihn daran erinnerte sein Höschen zu wechseln, bevor er zum Frühstück herunter kommen sollte. Natürlich war Tims Fantasie mit ihm durchgegangen und an seinem Geburtstagsabend hatte er gehofft seine Eltern würden ihm ein richtiges Kinderzimmer einrichten, aber nichts da. Nein, sie hatten sich mit ihrem Sohn hingesetzt und über die Sache gesprochen. Tims Eltern hatten gemeint, dass sie nichts dagegen hätten, wenn Tim Windeln trug, oder einen Schnuller benutzte, aber sie wollten und mussten einige Regeln aufstellen. Sie beschlossen, dass Tim zuhause jede Unterwäsche tragen konnte, die er wollte und dass er sogar gewindelt draußen spielen konnte. Aber, sie beschlossen auch, dass es besser wäre, wenn Tim in der Schule und bei Besuch ein großer Junge wäre und normale Unterhosen anzog. Tim schmollte zwar ein wenig ob dieser Regel, aber er verstand, dass es wohl schwierig wäre das Ganze zu erklären und dass es Leute gab, die nicht so verständnisvoll auf seine spezielle Unterwäsche reagieren würden. Am selben Tag hatte Erik Tim noch ein paar unangenehme Windelerlebnisse erzählt, auf Geheiß der Liebigs. Er fand es zwar auch nicht so toll, dass Tim sich weiterhin öffentlich verstecken sollte, aber er verstand, besser als jeder andere, dass Windeln durchaus auch Nachteile haben konnten.
Außerdem erklärten sie Tim, dass sie ihm keine Windeln von ihrem Geld kaufen würden, aber dass er, wenn er spezielle Produkte im Internet bestellen wollte, sein Taschengeld verwenden konnte. Sie würden ihm die Slips dann bestellen, aber Tim würde sie bezahlen. Zum einen hatten sie sich diese Regel überlegt, nachdem sie im Internet die Erwachsenenwindelpreise verglichen hatten, zum anderen wollten sie Tim die Verantwortung für seine Bedürfnisse geben. Sie würden ihn gerne unterstützen und wenn er irgendetwas besprechen wollte konnte er auf sie zählen, aber was seine kleine Seite anging, wussten sie, dass er am besten wusste, was er wollte.
„Ach, du bist ja schon wach.“, wunderte sich Birgit, als sie ihren Sohn auf seinem Bett sitzen sah.
Tim lächelte unter seinem Schnulli hervor, er hatte seine Mama gar nicht herein kommen hören.
„Mach dich mal frisch, hier riecht es wie in einem Windeleimer.“, lächelte sie. In Wahrheit fand sie diese Seite ihres Sohnes sogar ganz niedlich, sie musste sich manchmal wirklich zurückhalten und sich anstrengen den Jugendlichen zu sehen, der ihr Sohn war und nicht das Kleinkind, als das er sich fühlte. Was nicht hieß, dass sie es nicht zuließ, wenn er sich am Abend an sie kuschelte, oder sie nicht hin und wieder seinen Windelpopo tätschelte.
Tim hatte schnell gelernt, dass es als Windelträger notwendig war am Morgen zu duschen, Feuchttücher reichten einfach nicht aus um das klebrige Pipi von seiner Haut zu entfernen und auch seine Eltern fanden es angenehmer, wenn ihr Sohn nicht nach altem Urin roch. Mittlerweile zog Tim an Wochenenden immer Jogginghosen an, das hatte er schon früher gerne gemacht, aber dadurch, dass die Hosen so dehnbar waren passte jede Windel lässig hinein, während die Jogginghosen wenig taten um die Unterwäsche zu kaschieren, so dass sein Windelpopo gut erkennbar heraus schaute. Das gefiel dem Jungen, fühlte sich so an, als wäre er ein kleines Kind, bei dem es eben normal war, dass man die Windel unter der Hose erkennen konnte. Gerade die Crinklz, die ihm Erik zum Geburtstag geschenkt hatte, wollte Tim gerne zeigen. Er fühlte sich die ein Model, das die neueste Mode trug, er war sogar richtig stolz darauf mit einer so bunten Windel, die keine Zweifel über die Unterwäsche des Trägers zuließ, herum zu laufen. Ihm gefiel es, dass er durch den breiten Schritt selbst im trockenen Zustand ein wenig watschelte, wenn sie nass wurde verwandelte sich Tim dann endgültig in ein kleines Entchen – das war so cool!
Gleichzeitig war sein Vorrat an diesen bunten Höschen begrenzt, weswegen er weiterhin eher die medizinischen Seni-Slips trug, die sich mittlerweile echt dünn anfühlten, halt irgendwie normal, wie ganz gewöhnliche Unterhosen.
Tim trug außerdem nicht mehr die ganze Zeit Windeln. Meistens zog er sich eine zum Einschlafen nach dem Abendessen, oder eben am Wochenende an, aber ansonsten lies er es bleiben, zumal er ja gewindelt auch, in der Regel, nicht zu Erik, oder in die Innenstadt fahren durfte und definitiv keine seiner kostbaren Saughosen verschwenden wollte.
Seinen Schnuller hingegen benutzte er immer häufiger, vor allem zum Einschlafen, aber auch einfach so beim Fernsehen, oder beim Hausaufgaben machen. Es tat gut zu nuckeln und gerade beim Arbeiten war es eine gute Entspannungsmöglichkeit. Karl hatte gescherzt, dass das definitiv besser war, als wenn er anfangen würde zu rauchen, das wusste er aus eigener Erfahrung.
Die einzige andere Sache, die sich Tim noch gekauft hatte, war ein Babyfläschchen. Er hatte eines Tages einfach nicht widerstehen können, als er die kleine, bunte Glasflasche in der Kinderabteilung des Supermarktes gesehen hatte und sie kurzerhand gekauft.
Nun stand das Fläschchen an seinem Platz auf dem Tisch, gefüllt mit Orangensaft, darauf wartend leer genuckelt zu werden. Seine Eltern hatten lediglich mit den Augen gerollt, als sie ihren Sohn auf der Couch gesehen hatten, während er versuchte am Fläschchen vorbei auf den Fernseher zu schauen.
„Wir wollen nachher in die Stadt fahren, um uns das Krippenspiel anzuschauen, zieh dich davor bitte noch um.“, sagte Birgit, während Tim sich sein Nutellabrötchen in den Mund stopfte.
„I-Hmm!“, antwortete der Junge kauend. Er war zwar nicht begeistert davon sich ein Krippenspiel anzuschauen, aber er wusste, dass seine Eltern ihn nicht alleine zuhause lassen würden, nicht weil sie ihm nicht vertrauten, sondern weil er bisher jedes Jahr, seit er denken konnte, am vierten Advent zu einem Krippenspiel geschleppt wurde – war wohl so eine Art Tradition. Er freute sich sogar ein wenig darauf seine neuen Handschuhe anziehen zu können. Seine Mutter hatte natürlich erwartet, dass er sich ordentliche Handschuhe aussuchen würde, als sie mit ihm im örtlichen C&A Winterklamotten kaufen war, Tim hatte es sich allerdings in den Kopf gesetzt Fäustlinge zu kaufen, weil die, wie er fand, richtig schön kindisch aussahen und außerdem waren die viel wärmer, legitimierte er seine Auswahl vor seiner Mutter, die sich schon glücklich schätzen konnte, dass ihr Sohn sich wenigstens eine, zwar hell blaue, aber normale Mütze ausgesucht hatte, was vermutlich aber auch nur daran lag, dass die Zipfelmützen alle zu klein[2] für ihn gewesen waren.
Nachdem Tim sein Brötchen gegessen, sein Fläschchen ausgetrunken und beim Abräumen geholfen hatte, zog er sich an, um raus in den Schnee zu gehen. Mittlerweile lag eine dicke weiße Decke über allem und Tim fand, dass es sich gehörte mit dem ersten Schnee einen Schneemann zu bauen. Er zog sich also seine dunkel blaue Schneehose, die ihm glücklicherweise immer noch passte – lang lebe der Gummizug – seine beigen, mit Kunstfellrand besetzten Winterstiefelchen und seinen ebenfalls blauen Anorak an, bevor er seine Mütze aufsetzte und sich die Handschuhe anzog. So dick eingemummelt fühlte er sich erst recht richtig kindisch, besonders weil seine Schneehose die schon wieder etwas feuchte Windel gegen seinen Schritt presste. Tim hatte mittlerweile bemerkt, dass sich seine Unterwäsche am besten anfühlte, wenn sie nicht mehr ganz trocken, aber auch noch nicht richtig nass war, so dass sie zwar schön warm und aufgequollen, aber trotzdem noch flauschig weich war, weshalb er immer versuchte, seine Windel so schnell wie möglich nass zu machen.
Tim war mittlerweile ein echter Experte im Einpullern, nicht nur war die Position egal, in der er sich befand, er ließ sein Pipi sogar mitten im Gespräch einfach laufen. Das einzige Indiz dafür, dass er gerade piselte war das schelmische Grinsen, das sich unweigerlich auf seinem Gesicht abzeichnete. Nach den Herbstferien hatte er sich sogar erst wieder daran gewöhnen müssen keine Windeln zu tragen, fast hätte es in der Schule einen Unfall gegeben, als er seinen Urin einfach in die Hose laufen lassen wollte, anstatt auf die Toilette zu gehen. Hätte Erik, der mittlerweile das Töpfchengesicht seines Freundes kannte, nicht gemerkt, dass sein Freund in Begriff war in die Hose zu machen, hätte Tim sich vermutlich noch mehr blamiert als im Freizeitpark an seinem Geburtstag.
Der Schneemann den Tim baute war größer als er selbst, die mittlere Schneekugel[3] war so schwer gewesen, dass er sie fast nicht hochgehoben bekommen hatte.
Nachdem der Schneemann aufgebaut war und Tim eine Möhre in sein Gesicht gesetzt hatte, war der Baumeister ganz schön außer Puste. Und so dick angezogen wie er war, war ihm sogar richtig heiß.
„Hey Tim, cooler Schneemann.“, begrüßte ihn Erik, als er an dem gelben Haus vorbei schlenderte. Normalerweise wäre er ja mit dem Fahrrad gefahren, aber dafür war es einfach zu glatt.
„Danke!“, strahlte Tim.
„Hast du Lust zu mir zum Zocken zu kommen?“, fragte Erik Tim. Er hatte schon mehrfach versucht ihn anzurufen, aber Tim hatte sein Handy anscheinend im Haus gelassen, denn auf Eriks Anrufe hatte er nicht reagiert.
„Klar! Ich sag nur kurz meinen Eltern Bescheid.“, meinte der Junge, während er zurück ins Haus wackelte. Er sah nicht ein sich jetzt umzuziehen, nur um zu Erik zu gehen und behielt seine Schneesachen einfach an. Eigentlich mochte es seine Mutter nicht, dass ihr Sohn gewindelt durch die Straßen wanderte, aber solange er nur zu Erik ging war das in Ordnung, schließlich kannte der ja sein Geheimnis.
„Okay, ich muss nur um dreizehn Uhr wieder da sein.“, erklärte Tim, nachdem er wieder raus gegangen war.
Tim verhielt sich viel kindischer, seit seine Eltern wussten, dass er Windeln trug – hatte auch Erik bemerkt. Aber gleichzeitig wirkte er auch viel glücklicher und ausgelassener, irgendwie ausgeglichener.
Erik hatte, rein aus pragmatischem Interesse, auch einmal eine der Crinklz ausprobiert, die er Tim geschenkt hatte, als der ihm eine angeboten hatte. Tim hatte so von ihnen geschwärmt, dass er selbst sehen wollte wie die waren, aber im Endeffekt waren sie ihm dann doch einfach zu dick. Klar, man musste sie noch seltener wechseln als die Molicare Maxi, aber dafür konnte Erik kaum noch laufen, als die Windel richtig nass war, was Tim natürlich außerordentlich amüsant fand.
Erik selbst hatte auch wieder ein paar kindliche Verhaltensweisen adaptiert, also jetzt nicht so Sachen, wie am Daumen zu lutschen, aber mit Lego zu bauen war zum Beispiel wesentlich cooler, als er gedacht hätte und da es auch Modelle für Sechzehnjährige und älter gab, war es auch legitim, dass er damit baute. Außerdem saß der Riesenteddy prominent auf seinem Bett, zwar kuschelte er nicht wirklich mit ihm, nicht so wie Tim mit Theo knuddelte, aber es war ganz cool sich an ihn anzulehnen, beim Videoschauen oder so.
Allerdings hatte Erik jetzt nicht vor mit Tims Lego zu spielen, oder überhaupt zu spielen, statt dessen wollte er Tim etwas viel cooleres zeigen.
Als sie bei Erik angekommen waren gingen sie direkt in sein Zimmer. Eriks Eltern waren nicht da, sie waren bei Freunden, Erik hatte nicht mitkommen wollen, also durfte er zuhause bleiben, na ja, ist ja auch nicht gerade unnormal für einen Siebzehnjährigen alleine zuhause zu sein. Nachdem sich Erik zweimal versichert hatte, dass auch wirklich niemand zuhause war, kramte er die beiden Plastikschachteln aus der hintersten Ecke seines Kleiderschranks hervor. In diesen befanden sich getrennt von einander Aluminiumspäne in Parafinöl und abgeschabter Rost – sah jetzt nicht sonderlich spannend aus, fand Tim.
„Aha und …. was … hä?“, wunderte sich Tim, der keine Ahnung hatte, was Erik mit dem Zeug wollte.
Erik grinste.
„Komm mit!“, befahl er, während er die beiden Schachteln nach draußen trug. Zusätzlich nahm er noch etwas Brennspiritus und eine Schachtel Streichhölzer aus der Garage mit. Dann schüttete der ein paar der Aluminiumspäne auf den Schnee, streute etwas Rost über diese und übergoss das Ganze mit einem kleinen Schluck Brennspiritus.
„Geh ein Stück zurück.“, meinte der kleine Pyromane, während er ein Streichholz anzündete. Tim verstand immer noch nicht was Erik da gerade versuchte. Dann schnipste Erik das Streichholz auf die Mischung. Der Alkohol fing sofort an zu brennen, bevor ein heller weißer Blitz aufflammte und das Ganze laut knallte.
„Woah!“, rief Tim überrascht.
„Das nennt sich Termitreaktion! Hab ich auf Youtube gesehen.“, erklärte Erik, nicht ohne einen gewissen Stolz.
Das war natürlich noch nicht das Ende, in den nächsten Stunden spielten die beiden Feuerteufel mit allen möglichen Dingen, schauten weitere Videos von coolen Reaktionen von Techtastisch, NileRed und weiteren Youtubern. Kurz nach elf Uhr wollten sie dann sehen, was passieren würde, wenn man die gesamten restlichen Aluminiumspäne und den Rest des Rostes reagieren ließ. Kurz nachdem Erik die Mischung zum Brennen gebracht hatte, flammte das Ganze so hell auf, dass die beiden Jungen sich die Augen mit ihren Händen verdecken mussten, bevor es in einem extremen Knall explodierte und brennendes Material überall hin spritzte. Die beiden Jungen hatten Glück, dass nichts in ihre Augen gespritzt war, allerdings war Tims Anorak nun ein wenig angesengt und Teile von Eriks Jacke etwas angeschmolzen . Sie waren schockiert darüber, was gerade passiert war und spätestens als sie Eriks Eltern sahen, die gerade in die Einfahrt einfuhren, wussten sie, dass sie richtig Scheiße gebaut hatten.
„Was war das?!“, fragte Erika, während sie auf die Jungen zulief, um sich zu versichern, dass auch niemand verletzt war.
„Äh, das war … öhm…“, fing Erik an, wusste aber nicht, was er weiter sagen sollte. Nachdem sich Eriks Mama versichert hatte, dass keiner der beiden irgendwelche Schäden davon getragen hatte, wich ihre besorgte Seite ihrer wütend enttäuschten Seite.
Die Jugendlichen wurden kurzerhand ins Wohnzimmer geschickt, während sich die Erwachsenen unterhielten.
Erik und Tim saßen ganz still auf dem Sofa und sagten gar nichts. Sie wussten, dass sie gleich großen Ärger bekommen würden.
Etwa zehn Minuten später kamen nicht nur Eriks, sondern auch Tims Eltern ins Wohnzimmer. Die Täter schauten zu Boden, sie schämten sich wie kleine Kinder, sie wussten, dass sie nicht mit Feuer hätten spielen sollen.
„So, jetzt erklärt ihr uns erst einmal was ihr da gerade getan habt.“, forderte Joachim erschreckend ruhig, was noch gruseliger war, als wenn er sie einfach angeschrien hätte.
Erik war der erste, der mit der Sprache heraus rückte.
„Das war die Termitreaktion[4].“, meinte er, jetzt definitiv nicht mehr euphorisch.
Eriks Eltern hatten keine Ahnung, was das bedeutete, Karl jedoch schon, hatte er selbst während seines Studiums kennen gelernt, allerdings nur deshalb, weil sein Professor in Metall- und Werkstoffchemie einmal erzählt hatte, dass man deswegen niemals Aluminium und Eisen zusammen nutzen sollte. Er freute sich sogar ein wenig darüber, dass sein Sohn ein reges Interesse an naturwissenschaftlichen Vorgängen zeigte, allerdings wusste er auch, dass das was die beiden, noch Kinder da getan hatten verdammt gefährlich gewesen war, was der kleine, schwarze Krater im Rasen bezeugen konnte.
Am Freitag der nächsten Woche schien der Vorfall schon wieder halb vergessen. Erik hatte zwar zwei Wochen Computerverbot und einen Vortrag über Arbeitssicherheit von seinem Vater bekommen, was echt doof war, aber ansonsten war sein Leben ganz normal weiter gegangen. Tim hatte es härter getroffen, denn seine neue Wahlunterwäsche bot seinen Eltern auch eine neue Waffe im Kampf mit ihrem Sohn. Tim hatte „Babyverbot“, eine ganze Woche! Noch bis Sonntag durfte er weder eine Windel anziehen, noch am Schnuller nuckeln oder aus seinem Fläschchen trinken – das war echt gemein! Aber da musste er durch. Normalerweise hätte sich der Sechzehnjährige auf Weihnachten gefreut, doch nun konzentrierte sich seine gesamte Vorfreude auf den zweiten Weihnachtsfeiertag, an dem er endlich wieder gewindelt ins Bett gehen und durchs Haus wandern durfte. Er hätte nicht gedacht, dass er sein Babyzeug so sehr vermissen würde, aber nun da er sich daran gewöhnt hatte, quasi wann immer er wollte, ein Kleinkind sein zu können, nagte der Verlust dieses Privilegs an ihm. Seine Eltern fanden es insgeheim echt witzig, dass ihr Sohn so sehr versuchte brav zu sein, nur um wieder Windeln tragen zu dürfen. Hätten sie dieses Druckmittel früher gehabt, wäre ihnen viel Geschrei und Trotz erspart geblieben.
Bei beiden Familien verlief der Tag, weihnachtstypisch sehr stressig. Eriks Familie war schon früh aufgestanden, um mit Erikas Mutter Mittagessen zu können, nur um dann direkt weiter zu fahren, um pünktlich zu Joachims Eltern zum Kaffeetrinken zu fahren. Wenn die wenigstens alle nahe zusammen gewohnt hätten, aber nein, das wäre ja viel zu einfach gewesen. Danach wurde dann noch der Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt, was bedeutete, dass danach im ganzen Hause überall Nadeln verstreut waren, was für Erik bedeutete, dass er sie alle wegsaugen durfte, während sein Vater die ganzen halb leeren Lichterketten- und Christbaumkugelkartons wieder auf den Dachboden trug. Erika war nicht weniger beschäftigt, denn auch sie hatte bis zum letzten Moment gewartet die obligatorischen Weihnachtskarten zu schreiben und abzuschicken, die letzten Geschenke einzupacken und den Esstisch weihnachtlich zu dekorieren. Noch Tage zuvor hatten sie gehofft, dass es dieses Jahr anders werden würde, dass dieses Weihnachten ruhig und gediegen werden würde, aber nichts da. Dennoch freuten sie sich auf den Abend, zusammen.
Bei Tim verlief das Ganze ein bisschen anders. Seine Familie telefonierte ausgiebig mit seinen Großeltern und Bekannten, aber um sie zu besuchen wohnten sie nun einfach zu weit weg. Wäre Karl nicht die Stellung als Leiter der Flugzeugwerkstatt in der Nähe Berlins angeboten worden wären sie wahrscheinlich auch nie hier her gezogen, aber diese Chance war einfach zu gut, als dass er sie hätte verpassen können und außerdem hätte Tim dann nie Erik kennen gelernt. Statt dessen wurden sie besucht von Tims Schwester, Marie, die über die Semesterferien ihre Familie besuchen wollte. Ihre Eltern und ihr Bruder hatten ihr natürlich schon von der Windelgeschichte erzählt. Sie fand das zwar erst wirklich komisch und dachte ihre Familie wolle sie veräppeln, aber sie fand es auch irgendwie interessant, schließlich studierte sie Psychologie, genauer Sexualpsychologie und kannte die merkwürdigsten Dinge, aber von Autonepiophilie hatte sie noch nie etwas gehört.
Die beiden Familien hatten beschlossen Weihnachten zusammen im Hause der Ostwalds zu feiern, zum einen weil es größer war als das Haus der Liebigs und zum anderen, weil sie darauf bestanden hatten und so eine Einladung schlägt man natürlich nicht aus, zumal Eriks Technik konfisziert war und die beiden Kinder sich so nicht in ihren Zimmern, zum Zocken[5], verkrümeln würden.
Erst am Abend kamen die Familien zusammen, um ohne weitere Verpflichtungen zu feiern. Die Forellen, hatten den ganzen Tag im sous vide Wasserbad verbracht und mussten nun nur noch angebraten werden, was Marie übernahm, nachdem Erik und Tim Kartoffeln und Möhren geschält hatten, wobei einige ganz schön verstümmelt wurden. Eriks Eltern hingegen kümmerten sich um die Getränkeversorgung, die aus Bier, Weißwein und Cola bestand. Wasser trank an diesem Abend niemand.
Erst gegen 20 Uhr, als alle fertig mit Essen und die Erwachsenen schon ganz schön angeheitert waren, entschlossen sie sich mit der Bescherung zu beginnen. Tim hatte es sich nicht anmerken lassen wollen, aber er hatte schon sehnsüchtig darauf gewartet, endlich seine Geschenke zu bekommen. Er hatte sich zwar nichts explizit gewünscht, aber gerade diese Ungewissheit machte das Ganze ja so spannend. Am liebsten hätte er sich wie ein Raubtier auf seine Beute gestürzt, aber die Eltern hatten natürlich, wie sollte es auch anders sein, andere Pläne. Jeder durfte sich der Reihe nach ein Geschenk nehmen und auspacken, dann war der nächste dran und man musste wieder warten, fand Tim jetzt nicht so toll, aber er wartete brav, bis er dran war.
Dann war es endlich so weit und er bekam sein erstes Geschenk, von Erik, schätzte er, dem Zerstörungsgrad und dem Packbandeinsatz nach zu urteilen. Er versuchte gar nicht erst das Geschenk ordentlich auszupacken, sondern riss das Papier einfach auf. Darunter kam ein Lego-Technik-Hubschrauber zum Vorschein, der darauf wartete zusammen gebaut zu werden.
„Danke Erik!“, bedankte sich Tim, während er seinen Freund umarmte.
„Kein Problem, war runtergesetzt.“, witzelte Erik. Er hatte lange über dieses Geschenk nachgedacht. Er hätte ihm auch einfach wieder Windeln oder so was schenken können, das fand Erik aber selbst etwas einfallslos und außerdem wusste er, dass Tim gerne mit Lego spielte.
Als Tim Erik sein Geschenk überreichte, hatte der Sechzehnjährige ein schelmisches Grinsen im Gericht. Er hatte sich etwas ganz besonderes überlegt und wartete nun sehnlichst darauf, dass Erik sein Geschenk auspackte.
Nachdem die Schleife gelöst war, entfernte Erik ordentlich die Klebestreifen, die das bunte Papier zusammen hielten. Zum Vorschein kam eine Packung Windeln, aber keine gewöhnlichen. Die Unterwäsche sah aus wie Jeanshosen, hätte er nicht gewusst, was sie in Wirklichkeit waren, hätte er gedacht es wären Hotpants, das einzige Manko war, dass sie nicht blau, sondern strahlend pink waren, so als kämen sie aus dem Kleiderschrank einer Sechsjährigen.
„Dein ducking Ernst?“, lachte Erik, der nicht fassen konnte was er da in den Händen hielt.
„I-Hmm, ich dachte die passen zu dir.“, grinste Tim.
„Du bist ein Doofkopf!“
„Ich weiß, aber ich bin dein Doofkopf.“, antwortete Tim in einer verbalen Kamikazeaktion.
Auch die anderen fanden das Geschenk ziemlich witzig, vor allem Marie musste es sich verkneifen laut los zu lachen, ob dieser ziemlich ulkigen Unterwäsche, wenn gleich sie die Vorstellung, dass Tim die Windeln auch wirklich anziehen würde irgendwie niedlich und ironischer Weise cool fand. Natürlich hatte Tim aber noch ein richtiges Geschenk für Erik, nämlich ein neues Videospiel, Super Smash Bros Ultimate. Du fragst dich nun sicher woher er das Geld für all das hatte, aber die Wahrheit ist – hatte er gar nicht. Statt dessen hatte Tim sich sozusagen einen Kredit von seinen Eltern geben lassen. Karl freute sich jetzt schon darauf seinen Sohn den Rasen mähen zu sehen.
Neben den ganzen anderen Geschenken stach aber noch eines heraus, das Birgit ihrem Sohne machte. Tim konnte seinen Augen nicht trauen, als er den flauschig weichen Strampelanzug auspackte – sogar mit Füßen! Er freute sich wie ein Schneekönig. Hatte er sich selbst auch schon kaufen wollen, aber er hatte sich halt nichts im Internet bestellen können und wo sollte man sonst einen Strampelanzug herbekommen, der einem Jugendlichen passte? Tim konnte es gar nicht erwarten den neuen Schlafanzug anzuziehen, aber das musste er auch nicht, denn das Geschenk kam noch mit einem weiteren Bonus. Tims Eltern hatten entschieden ihm für den Rest des Abends das Babyverbot zu erlassen. Prompt wurde Tim von Erik eine der rosa Windeln angeboten, die er ihm eben noch geschenkte hatte. Tim nahm das Angebot natürlich gerne an und verschwand ins Bad, nachdem er seinen Nuckel und Theo von seiner Mama bekommen, die beide Sachen in weiser Vorahnung mitgenommen, hatte, um sich umzuziehen. Marie hatte ihren kleinen Bruder noch nie so glücklich erlebt und fragte sich, was für eine Last all die Jahre auf ihm gelastet hatte und wie sie es nicht bemerken konnte, dass ihm etwas gefehlt hatte. Sie fühlte sich ein wenig schuldig, obwohl sie dafür eigentlich gar keinen Grund hatte. Sie war der Meinung, dass ihr das früher hätte auffallen können. Wie oft hatte sie mit ihrem Bruder und Freundinnen Vater Mutter Kind gespielt? Wie oft hatte Tim sich geweigert ohne Theo nicht aus dem Haus zu gehen, nachdem er aus dem Kindergarten raus war und wie oft hatte sie ihn gebabysittet, ohne zu registrieren, dass ihr Bruder sich nicht nur einfach kindlich, sondern kindisch verhalten hatte.
Als Tim wieder nach unten ins Wohnzimmer gelaufen kam konnte sich niemand ein „Awwww“ verkneifen. Tim lächelte hinter seinem Schnulli hervor und Theo baumelte in seiner Hand, während die pinke Windel unter dem weißen Strampelanzug hervor leuchtete, genau auf so eine Reaktion hatte Tim gehofft. Er fühlte sich wie ein Model, dass die neuste Mode vorführt und konnte es sich nicht verkneifen eine elegante Drehung einzubauen. Selbst Erik musste anerkennen, dass sein Freund ganz schön niedlich aussah und überhaupt nicht wie ein Sechzehnjähriger. Hätte Erik Tim nicht gekannt, hätte er ihn höchstens auf dreizehn Jahre geschätzt, eher zwölf.
Nachdem sich Tim wieder zu den anderen, zwischen seine Schwester und seine Mama, gekuschelt hatte schauten sie noch gemeinsam bei dem Rest des Weines und einer Tüte Chips das Weihnachtsspecial – Rudolph, der Animationsfilm, den hatte Erik früher sogar auf Videokassette gehabt.
Tim bekam das Ende des Filmes gar nicht mehr mit, denn noch bevor die Uhr zweiundzwanzig schlug schlummerte er schnullernd mit dem Kopf auf seiner Mutters Schoß und Theo im Arm ein.
[1] Das Lamm bekommt vom Gott ein mit sieben Siegeln versiegeltes Windelpaket.
[2]Armer Tim ・゚・(。>ω<。)・゚・
[3]Ich hoffe wir sind uns einig, dass Zweikugelschneemänner eine entartete Laune der Natur sind und nicht mit der Ästhetik eines Dreikugelschneemannes mithalten können, falls du anders denkst: Schließe dieses Buch, gehe nicht über Los und ziehe keine 200€ ein!
[4]Liebe Kinder, macht das nicht nach, das kann echt ins Auge gehen. Lasst das lieber euren Nachbarn machen, der kann ein paar Finger entbehren.
[5]Hab das nur ich gemacht? Bin ich komisch? Sag mir, dass du das auch getan hast!
Autor: AllesIsi (eingesandt via E-Mail)
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Teil 11 wird voller Ungeduld erwartet
Ich habe mich auch oft zum zocken weg geschlichen auch wenn es manchmal bemerkt wurde?
Ich bin wenn es sich mal wieder in die Länge zog weg geschlichen und dem getratschte zu entfliehen ?
Sehr schöne geschichte die einzelnen Anmerkungen sind sehr amüsant 10/10 ?