Erik & Tim (8)
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Kapitel IIX: Schlörgenbörgen McDingenskirchen!
„Sind mir bald da?“, maulte das Geburtstagskind gelangweilt von der Hinterbank des VW-Kombis. Drei Stunden saß er nun schon in der glorifizierten Sardinenbüchse und wusste einfach nichts mit sich anzufangen, seine Eltern ignorierten die Frage, die er jetzt schon zum gefühlt hundertsten Mal gestellt hatte.
Es war der Samstag der ersten Herbstferienwoche, ein Tag vor Halloween – Tims Geburtstag. Eigentlich hatte er vorgehabt heute zu Erik zu gehen, na ja, zumindest nachdem die familiäre Geburtstagsparty vorbei gewesen wäre, statt dessen saß er nun da und wusste nicht wohin er gefahren wurde. Am liebsten hätte er jetzt wie ein Dreijähriger gequengelt, hätte zumindest zum Zustand seiner Windel gepasst, die zwar noch nicht durchnässt, aber schon ordentlich nass war. Bisher hatte Tim sein Wort gehalten und die ganze Woche brav gewindelt verbracht, auch wenn es am Anfang doch ziemlich schwierig für den Teenager gewesen war sein Töpfchentraining zu überwinden. Nach den ersten Tagen hatte er aber den Dreh raus, wenn er alleine war konnte er in fast jeder Position pullern, stehend, sitzend und mit viel Geduld sogar liegend, nur unter Leuten fiel ihm das Ganze noch immer ein wenig schwer. Das Ganze fand er am Anfang auch noch echt toll, es fühlte sich gut an, es fühlte sich richtig an einfach immer in die Windel zu pullern, wie ein Kleinkind, während alle anderen zum Klo rennen mussten. Nur war er noch nicht so ganz mit der Kapazitätsgrenze seiner Saugunterwäsche vertraut und so hatte er sie entweder viel zu früh, oder erst als sich ein dunkler Halbmond auf seiner Hose gebildet hatte, gewechselt. Seine Eltern hatten zum Glück bisher nichts gemerkt, wäre auch sicherlich nicht leicht zu erklären gewesen. Seinen Schnuller hatte er auch benutzt, vor allem kurz vor dem Einschlafen – war echt cool gewickelt, schnullernd und Theo kuschelnd[2] im Bett zu liegen. Er hatte sich nur immer wieder daran erinnern müssen ihn wieder in die Schublade zurück zu legen, bevor er noch wirklich mit Nuckel im Mund eingeschlafen wäre, nicht auszudenken, wenn wie seine Mama reagieren würde, sähe sie ihren Sohn schnullernd schlummern. Nun lag der Saugtrainer in einer der vielen Taschen seiner Cargohose, die sich perfekt zum Verbergen der Windel eignete, wie Tim schon am dritten Tag der Ferien bemerkt hatte. Sah zwar nicht schön aus, war aber praktisch.
„So, da wären wir,.“, erklärte Karl, nachdem er den Wagen auf dem reichlich überfüllten Parkplatz abgestellt hatte.
Erst jetzt schaute Tim interessiert aus dem Seitenfenster, konnte aber wegen des Meeres an PKWs nichts erkennen.
Erst als er ausgestiegen war, erkannte er, mit leuchtenden Augen, wo er sich befand.
Heidepark Soltau, stand in großen Lettern über dem mittelalterlich anmutendem Eingang, vor dem sich eine nicht zu verachtende Menschenschlange befand.
Tim wusste gar nicht was er sagen sollte, schon seit Jahren hatte er hier her kommen wollen, aber seine Eltern hatten immer gemeint, dass das zu teuer und der Weg einfach zu weit wäre. Er konnte seine Freude einfach nicht im Zaum halten und umarmte grinsend seine Eltern, die inzwischen auch ausgestiegen waren.
„Alles gute zum Geburtstag, mein Schatz.“, lächelte seine Mutter, während sie fast von Tim zerdrückt wurde.
„Hey Tim!“, meldete sich plötzlich eine Stimme aus der Ferne, die nur einem gehören konnte.
Nachdem er sich umgedreht hatte sah er Erik und dessen Eltern gemütlich zu ihm herüber schlendern.
Erik hatte sich die ganze Woche auf die Zunge beißen müssen, um die Überraschung nicht zu ruinieren. Er und seine Eltern hatten eingewilligt mitzukommen, so als Kombinationsgeschenk für die beiden Kinder. Eriks Geburtstag war zwar noch einen Monat hin, aber er hatte nichts dagegen sein verfrühtes Geschenk mit Tim zu teilen, in Wahrheit hätte er nichts lieber getan. Der Sechzehnjährige … halt, warte, das kann ich ja jetzt gar nicht mehr schreiben! Mist[3]. Erik freute sich darauf den Tag mit Tim zu verbringen und jedes Fahrgeschäft mindestens ein Mal auszuprobieren, besonders freute er sich auf die Holzachterbahn, so etwas hatte er noch nie gesehen, geschweige denn gefahren.
„Hey Erik!“, freute sich Tim.
„Alles gute zum Geburtstag.“, gratulierte ihm Erik.
„Dein Geschenk bekommst du später, wollte ich nicht mit hierher nehmen.“, erklärte Erik, der es eigentlich ganz witzig gefunden hätte das Paket mitzunehmen, aber er dachte, dass das vielleicht nicht die beste Idee gewesen wäre.
Nachdem alle sich begrüßt und auch Eriks Eltern Tim gratuliert hatten ging die Entourage gemächlich zum Eingangstor. Die vier Erwachsenentickets, die sie online bestellt hatten, waren gar nicht so teuer gewesen wie erwartet, Tim kam sowieso umsonst rein – hatte ja schließlich Geburtstag und Erik profitierte von der ADAC-Mitgliedschaft seines Vaters – hatte gar nicht gewusst, dass man damit in Freizeitparks kommt, man lernt halt nie aus.
Trotz der Menschenmassen kamen sie relativ schnell rein, wahrscheinlich wollten die Leute zum Ende der Saison noch einmal ihre Jahreskarten ausnutzen.
Sie wussten gar nicht wo sie zuerst hin wollten, es gab einfach zu viel zu tun. Nach einiger Diskussion entschieden sie sich dann schließlich zuerst mit dem Kraken zu fahren, einer Blitzachterbahn, die relativ nahe am Eingang des Parks lag.
Dabei kamen sie an einem dieser Wikingerschiffe vorbei, der Bounty, die relativ wenig besucht war und beschlossen kurzerhand sich zuerst damit ein wenig auf die Achterbahn vorzubereiten. Auf Anraten Tims Vaters setzten sie sich ganz an die Spitze des Schiffes, um die größt mögliche Hebelwirkung und Fliehkräfte zu spüren – hatte schon Vorteile einen Ingenieur als Vater zu haben, auch wenn Karl ja eigentlich eher Bremsmechanismen entwarf. Auch Joachim gesellte sich zu den Kindern, die anderen Erwachsen zogen es vor draußen zu warten und jede Menge Fotos zu schießen. Die Jugendlichen verstanden zwar nicht warum sie sich das entgehen ließen, aber na gut, selber schuld.
Dann ging es los und die überdimensionierte, motorisierte Schiffsschaukel setzte sich in Bewegung. Zu Beginn war alles noch ganz ruhig und ziemlich langweilig, aber nachdem die Schaukel ein paar Mal hin und her geschwungen hatte, nahm sie richtig Fahrt auf und die ersten „Woooooah“s und „Uaaaaaah“s waren zu hören. Beim sechsten Schwung gab es schließlich kein Halten mehr und überall kreischten und lachten die Leute, nicht nur die Kinder hatten Spaß, selbst die Erwachsenen ließen den ein oder anderen Angstschrei aus. Tim fand das klasse, die Schaukel schwang so schnell und so hoch, dass er, hätte ihn der Stahlbügel nicht gehalten, aus seinem Sitz katapultiert worden wäre und Erik wünschte sich er hätte weniger gefrühstückt.
Nach ein paar Minuten war das Ganze auch schon wieder vorbei und die drei Kerle stiegen grinsend und etwas schwummerig taumelnd aus und gesellten sich wieder zu den Ihren, um sich auf den Weg zum Kraken zu machen.
Dort war die Schlange etwas länger, ganze fünfzig Minuten mussten sie warten, bis sie an der Reihe waren. Erik hatte ein mulmiges Gefühl im Magen und auch Tim schwante Übles, als die Bahn hochgezogen wurde und sie in den Abgrund unter sich schauten – vielleicht hätten sich sich nicht ganz nach vorne setzen sollen. Fast neunzig Grad betrug die Steigung. Die Bahn blieb eine Zeit lang einfach so stehen und lies den Jungen das Blut in den Kopf sausen bevor sie sie mit einem Ruck in das Maul des hungrigen Kraken katapultierte. Keine zehn Sekunden dauerte die Fahrt, dafür war sie aber umso intensiver. Die beiden hätten sich am Liebsten gleich noch einmal angestellt, doch die Erwachsenen konnten sie davon überzeugen weiter zu gehen um alles einmal ausprobieren zu können. Davor jedoch beschlossen sie einen Happen in einem der Familienrestaurants zu essen, es war mittlerweile schon 12:14 Uhr und auch die Kinder bemerkten, dass sie so langsam Hunger hatten. Außerdem wusste Tim, dass er bald seine Windel wechseln sollte, also machten sie sich auf den Weg zu „Piraten Burger“, ganz in der Nähe des Krakens.
Noch bevor sie sich hinsetzen konnte verschwand Tim mit seinem Rucksack auf der Herrentoilette und auch Erik ging sich kurz frisch machen, er zog es jedoch auch diesmal vor den Wickelraum zu nutzen. Anders als im Freibad war dieser jedoch gerade besetzt. Mist.
„Äh, hallo, das ist aber nicht die Herrentoilette.“, meinte die junge Frau, die gerade dabei ihr Kind zu säubern.
„Äh, ja, ich weiß.“, meinte Erik, der nie so wirklich wusste, wie er mit einer solchen Situation umgehen sollte. Irgendwie war das immer komisch.
„Geh doch bitte raus.“[4], meinte die Frau.
„Äh, ja, ich will mich nur kurz frisch machen.“
„…“
„…“
Eine Weile musterte die Frau Erik, bevor sie die Windelbeule in seinem Schritt bemerkte, sie auf Grund der Nässe der Windel mittlerweile doch deutlich gewesen war.
„O-Ooooooooh“, ging ihr ein Licht auf.
„Entschuldige bitte, ich konnte ja nicht wissen dass ….“
„Schon in Ordnung“, lächelte Erik, dem die Situation mindestens genau so unangenehm war.
Er wartete trotzdem bis die Frau fertig war, bevor er anfing sich umzuziehen.
Als Erik wieder an den Tisch zurück kam war Tim schon fertig und damit beschäftigt an einem zu kalten Glas Cola zu nippen.
Das Essen war nichts Dolles, ganz normale Burger und Pommes, nicht schlecht, aber auch nichts worüber man reden könnte – hatte auch niemand erwartet. Joachim ärgerte sich besonders darüber, dass es kein gescheites Bier gab mit dem man hätte anstoßen können, jetzt da Tim auch trinken durfte. Die Frauen waren darüber hingegen ganz glücklich.
Nach dem Essen ging jeder, bis auf die beiden Windelträger, noch einmal aufs Klo, bevor sie sich wieder auf den Weg machten. Erik nutzte die Gelegenheit um Tim zu fragen wie er so gewickelt zurecht kam.
„Äh, ganz gut glaub ich, ist eigentlich echt cool, na ja meistens.“, gab Tim zu.
Erik wusste nicht genau was er mit dieser Antwort anfangen sollte, für ihn war es normal Windeln zu tragen, er kannte es nicht anders und er konnte sich auch nicht vorstellen wie es war statt dessen Unterhosen zu tragen und aufs Klo zu gehen, na ja, zumindest fürs große Geschäft brauchte er auch die Toilette. Nur selten war es ihm passiert, dass etwas festes in die Hose gegangen war und dann auch nur als er krank war. Tim hatte es bisher auch noch nicht gewagt groß in die Windel zu machen. Einerseits hätte er gerne gewusst wie das war, zum anderen ekelte er sich davor und wusste auch nicht wirklich wie er sich danach wieder sauber machen sollte, nein, das war ihm nichts.
Die Jungen beschlossen als nächstes mit dem Flug der Dämonen zu fahren und konnten sogar Karl dazu überreden mitzukommen. Wieder mussten sie warten, sogar noch länger als beim Kraken, umso mehr hofften sie, dass die Fahrt so war wie sie aussah.
Ganz hoch wurden sie gezogen, so dass sie fast den gesamten Park überblicken konnte, nur der Aussichtsturm und die Holzachterbahn waren noch höher. Direkt bei der ersten Abfahrt verabschiedete sich die Cola, die Tim noch gerade so genüsslich getrunken hatte, wieder in seine Hose. Er war in dem Moment echt glücklich darüber gewindelt zu sein und auch Eriks Unterwäsche war schon wieder nass, ob das der Achterbahn zu verdanken war konnte er jedoch nicht sagen, war ja auch egal.
Nachdem sie wieder auf festem Boden standen trennten sich die Familien in zwei Gruppe auf, Erik, Tim und Joachim wollten zur Holzachterbahn, während er sie anderen drei vorzogen mit der Panoramabahn zu fahren, der wohl langweiligsten und ödesten „Attraktion“ von allen. Auf dem Weg zur Achterbahn kamen die drei ‚Männers‘, wie die Frauen gescherzt hatten, an einem Stand vorbei, bei dem es riesige Kuscheltiere zu gewinnen gab. Tim brauchte nur einen einzigen Augenblick um festzustellen, dass er unbedingt den pinken Riesen-Donut haben wollte, der ganz oben lag. Er hatte nur leider blöder Weise sein Taschengeld nicht mitgenommen. Erik schon.
Also versuchte sich der fast Siebzehnjährige[5] dabei, den kleinen Basketball in den gefühlt noch kleineren Korb zu werfen. Verfehlt. Noch einmal neu ausrichten uuuuuund, wieder nichts. Okay, jetzt aber. Erik spreizte die Beine, ging in die Hocke und fixierte konzentriert den Korb, bevor er sich streckte und den Ball in hohem Bogen direkt in den Ring schleuderte. Den Donut überließ er dann allerdings doch Tim, der sich riesig darüber freute und seine Beute feierlich vor sich her trug. Nun war Joachim an der Reihe, auch er wollte ein Plüschtier gewinnen, nicht für sich selbst, sondern für seinen Sohn. Erst nach dem zwölften Versuch und vierundzwanzig Euro ärmer schaffte er es den Ball in den Korb zu manövrieren, sehr zur Belustigung Eriks, der über seinen alten, klapprigen Herren spottete, bis dieser ihm grinsend den riesigen Teddybären in den Arm drückte, der bestimmt eineinhalb Meter groß war, mindestens!
Voll bepackt mit Rucksäcken und halb verdeckt von Plüsch wanderten die Drei anschließend den Rest des Weges zum Colossos, wo die beiden Jungen zu aller erst ihr Gepäck auf Eriks Vater ab luden – war ja klar – um sich dann in die, gar nicht mal so lange, Schlange einzureihen.
„Verdammt“, flüsterte Tim in Gedanken.
„Hmm?“, fragte Erik minimalistisch verbal was das Problem sei.
„Ich muss mal“, stöhnte Tim, während er errötete.
„Dann mach doch.“, sagte Erik, der Tims Problem nicht verstand, irritiert.
„Groß!“, gab dieser nun zu verstehen.
Das war in der Tat ein Problem. Er könnte natürlich aus der Schlange raus gehen, aber dann müsste er sich erneut anstellen.
„Kannst du es noch eine Weile halten?“
„Ich versuchs!“, wimmerte der Sechzehnjährige, während er sich schamhaft den Bauch hielt und über den Boden schlurfte.
Etwas zwanzig Minuten später war es dann so weit und sie setzten sich in einen der mittleren Wagen, bevor die Bahn sich in Bewegung setzte. Man merkte, dass das Gerüst aus Holz war, denn die Bahn holperte und polterte über die Schienen, während sie hoch gezogen wurde.
Tim sah inzwischen aus wie ein Dreijähriger, kurz vor der Katastrophe, er musste sich sehr darauf konzentrieren sein Mittagessen drin zu behalten und registrierte schon gar nicht mehr, dass er sich auf einer Achterbahn befand. Umso überraschender war es für ihn, als der Wagon plötzlich nach unten krachte. Und während alle anderen kreischten und jauchzten krachte es auch in Tims Hose, dessen Gesicht erst kreidebleich wurde und dann fast instantan zur Leuchtboje digitierte[6]. Jetzt war es eh schon zu spät, also drückte Tim noch den Rest in seine Windel, der sich nun zwischen seinen Pobacken verteilte, ein echt weirdes Gefühl. Es fühlte sich nicht unbedingt schlecht an, warm, matschig, ein wenig klebrig, dazu kam noch, dass die Sauerei durch das Poltern der Achterbahn immer weiter in seiner Hose verteilt wurde. Tim ekelte sich jetzt schon vor dem Windelwechsel.
Die Fahrt dauerte etwa eineinhalb Minuten, ziemlich lang für eine Achterbahnfahrt, befand Erik, der sich freute mit der größten europäischen Holzachterbahn gefahren zu sein, er war sogar ein kleines bisschen stolz. Tim hingegen sagte nichts, sondern ging mit brennenden Wangen zu Eriks Vater zurück.
„Können wir eine Toilette suchen?“, flehte der arme Junge, der nun unbedingt und möglichst sofort eine frische Hose haben wollte. Zum Glück hatte er extra drei Windeln eingepackt, nachdem seine Eltern ihm gesagt hatten, dass die Fahrt über drei Stunden dauern würde.
„Klar.“, antwortete Joachim, bevor ihm ein unangenehmer Geruch in die Nase stieg, den er noch wage von Früher kannte.
„Riecht ihr das auch?“, fragte er die beiden Jungen.
„Also ich riech nichts.“, antwortete Erik. Tim blieb still und wollte am liebsten im Erdboden versinken und einbetoniert werden.
„Irgendwas …. irgendwas riecht hier …“, meinte er, während er gefühlt fünf Liter Luft pro Atemzug einsog.
Dann drehte er sich zu Tim, der Geruch wurde stärker und je näher er Tim kam, desto stärker wurde er. Dann, als er sah, wie der Junge, schamhaft, mit hängendem Kopf zu Boden schaute, verstand er was los war.
„Tim, hast du … du weißt schon … hast du, hast du in die Hose gemacht?“, fragte er den gerade Sechzehn Jahre alt Gewordenen.
Tim nickte, weiterhin gen Boden schauend.
Joachim blieb professionell, hatte er alles schon mit Erik durch, der war damals zwar noch ein paar Jahre jünger gewesen, aber ansonsten war es die gleiche Situation.
Ohne große Reden zu schwingen nahm er Tim instinktiv an die Hand, um eine Toilette für den Jungen zu finden, nein, keine Toilette, hier war wohl eher ein Wickelraum gefragt. Ein Blick auf die Karte verriet, dass ganz in der Nähe, bei dem großen Kettenkarussell, an dem sie vorhin vorbei gegangen waren, einer sein musste. Erik wurde kurzerhand zum Gepäckträger deklariert und mit beiden Rucksäcken und den Plüschtieren beladen, die er nun, ohne wirklich zu sehen was vor ihm passierte hinter seinem Vater und seinem Freund her trug.
Bei jedem Schritt matschte und blubberte es in Tims Hose, das, das war unangenehm. Am liebsten hätte Tim in diesem Moment angefangen zu heulen und sich in die Arme seiner Mama geflüchtet, aber seine Mutter war nicht da und er wusste, dass er schleunigst aus seiner Windel heraus musste.
„Brauchst du Hilfe?“, fragte Joachim, als sie bei der Wickelstation angekommen waren.
„I-Ich, ähm …“, Tim brachte es einfach nicht fertig darauf zu antworten, das Ganze war ihm so mega peinlich.
Ohne weitere Worte schob Eriks Vater den Jungen in den Raum, nachdem er seines Sohnes Rucksack gegriffen hatte.
Er war mehr als erstaunt die Windel zu sehen, nachdem er Tims Hose herunter gezogen hatte, aber er machte sich erst einmal keine großen Gedanken darüber, das konnte warten, jetzt gab es Wichtigeres zu tun.
Joachim zog sich schnell noch ein paar Nitrilhandschuhe an, die griffbereit auf der Ablage standen – Gott seis gedankt – bevor er tief durchatmete, die Klebestreifen löste und den nasses Sack in seine Hand fallen lies. Das war wahrlich kein schöner Anblick und auch Tim war kurz davor zu würgen, aber da mussten sie jetzt durch.
Keine Ahnung wie viele Feuchttücher Joachim gebraucht hatte, es mussten an die fünfzig gewesen sein, bis Tim wieder einiger Maßen sauber war. Anschließend nahm er den Lappen, den Erik zur Sicherheit immer dabei hatte, aus dessen Rucksack, machte ihn unter dem Wasserhahn nass und verteilte eine gute Portion der Handwaschseife auf dem Stoff, um Tims Intimbereich gründlich zu reinigen. Tim war mittlerweile wieder halbwegs aus seiner Schockstarre heraus, was die Situation allerdings nicht weniger peinlich machte.
Danach wischte Joachim nochmals mit Feuchttüchern die Seifenreste weg und verteilte eine gute Portion der antiseptischen Creme auf Tims Haut. Das war jetzt nicht nur gut für ihn, sondern sollte ihn auch beruhigen, was sogar einigermaßen funktionierte. Danach drückte er Tim eine von Eriks Windeln, die natürlich nach wie vor ein wenig zu groß waren, in die Hand.
„Schaffst du den Rest alleine?“, fragte er den jetzt weniger aufgelösten und definitiv besser riechenden Jungen.
Tim nickte. Dann verschwand Joachim aus der Tür und ging zurück zu seinem Sohn.
Während Tim sich seine neue Unterwäsche anzog unterhielt sich Erik mit seinem Vater.
„Wusstest du, dass er auch Windeln trägt?“, fragte Joachim.
„Hmm.“
„Aber das letzte Mal als ich ihn gesehen habe hat er noch die Toilette benutzt.“, stocherte er weiter nach.
„I-Hmm“, nickte Erik, dem diese Diskussion sichtlich unangenehm war, er wollte seinem Vater nicht erzählen, wieso sein Freund plötzlich Windeln trug, das musste Tim selbst tun.
Just in diesem Moment kam Tim, sichtlich erleichtert, wieder aus dem Wickelraum heraus spaziert.
„Ähm, danke für …. die … die Hilfe.“, flüsterte der Junge fast.
„Kein Problem, hab ich schon hunderte Mal gemacht!“, lächelte Joachim, der seinem Sohn einen leichten, aber doch hörbaren Klaps auf den Po gab, was Erik etwas zusammenzucken und nun auch rot werden ließ.
Auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt vor dem Panoramaturm sagte niemand etwas. Tim, weil ihm die ganze Situation unendlich peinlich war, Erik, weil er keine Ahnung hatte, was er seinem Vater sagen sollte und Joachim, weil er das Ganze nicht noch schlimmer machen wollte, als es war. Tim hatte einen Unfall, mehr nicht, dass der Unfall in eine Windel gegangen war, war vollkommen irrelevant, er konnte sich sogar glücklich schätzen, eine Unterhose zu wechseln wäre bedeutend schwieriger gewesen und im Endeffekt hätte Tim nun trotzdem in einer von Eriks Windeln gesteckt, denn natürlich hatte niemand Wechselunterhosen eingepackt, das hatte seine Mutter nicht mehr gemacht, seit Tim aus dem Kindergarten raus war.
Als sie am Aussichtsturm ankamen warteten die verbliebenen drei bereits ungeduldig auf sie.
„Wo wart ihr denn so lange?“, wunderte sich Erika.
„Die Schlange am Colossus war länger als erwartet.“, log Joachim professionell, nicht einmal Erik hätte diese Aussage als Lüge erkannt, wäre er nicht dabei gewesen.
„Okay, wir wollen noch hoch auf den Aussichtsturm, wenn ihr wollt könnt ihr schon mal in Richtung Wildwasserbahn gehen, wir kommen dann nach.“, meinte Erika zu den beiden Jungs, während sie Joachim zu sich zog, um ihm zu signalisieren, dass er dieses Mal definitiv mit den Erwachsenen mitkommen würde.
„Bist du dir sicher, dass du die beiden allein herum wandern lassen willst?“, wandte Karl ein, der sich nicht sicher war, ob man zwei Jugendlichen wirklich vertrauen konnte.
„Klar, unsere Jungs sind ja schon groß.“, schmunzelte Erika
Da war sich Joachim nicht so sicher.
„Okay“, lächelte Erik, während er die Plüschtiere auf seine Mutter ablud. Typisch.
Nachdem sich die Kinder einige Meter vom Panoramaturm entfernt hatten, begann Erik zu grinsen.
„Was ist so witzig?“, fragte Tim.
„Ach, ich dachte nur daran, dass du jetzt offiziell ein Hosenscheißer bist.“, lachte Erik.
„Nicht witzig.“
„Komm schon, ist doch alles gut gegangen.“, versuchte Erik seinen Freund aufzumuntern.
„Dein Papa ist echt nett.“, versuchte Tim das Thema zu wechseln.
„Ach, der hat mit solchen Situationen Erfahrung!“, erinnerte sich Erik.
„Als ich fünf oder sechs war, waren wir einmal im Zirkus und da gab es Zuckerwatte, jetzt rate Mal wer noch während der Vorstellung Durchfall hatte!“, lachte Erik.
„Oh Gott, dass muss ja eine Explosion in der Größenordnung wie Chernobyl gegeben haben!“, feixte Tim jetzt sichtlich besser gelaunt.
„Schlimmer! Stell dir einen Backpulvervulkan vor, nur in deiner Hose.“, witzelte Erik.
„Pafuuuuuuusch!“, rief Tim aus, während er seine Hände in die Höhe riss.
„Jetzt mal ernsthaft, mach dir keinen Kopf, was passiert ist, ist passiert, seinlieber mal froh, dass du eine Windel anhattest!“
„Okay.“, seufzte Tim, dem immer noch ein wenig unwohl war.
Erst gegen siebzehn Uhr verließen sie den Park. So viel waren alle schon lange nicht mehr gelaufen. Der Unfall war schon lange in Vergessenheit geraten und obwohl sie ziemlich erschöpft waren, hätten die Jungen noch gerne zwei Stunden im Park verbracht.
Für die Heimfahrt beschlossen sie, dass die beiden Kinder bei den Ostwalds, also Eriks Eltern, mitfahren sollten, damit die Plüschgiganten im Kombi verstaut werden konnten. Weil es schon nach zwanzig Uhr sein würde, wenn sie nach Hause gekommen wären und bestimmt niemand mehr Lust haben würde zu kochen, beschlossen sie den Abend in im Restaurant Tugra, einem örtlichen türkischen Restaurant, ausklingen zu lassen. Besonders Karl und Joachim waren schon halb am Verhungern und nahmen es deshalb auch mit der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht ganz so genau, was dazu führte, dass sie immer wieder daran erinnert werden mussten, dass Blitzer durchaus existierten, auch in Niedersachsen.
Sie waren schon auf der Autobahn, als sich Joachim an die Jugendlichen wandte, die, auch wenn sie es niemals zugegeben hätten, gerne eingeschlafen wären.
„Wollt ihr darüber reden, was heute Nachmittag passiert ist?“, fragte er eindeutig uneindeutig in die Runde.
Mit einem mal saßen beide kerzengerade in ihren Sitzen.
„Was ist denn passiert?“, fragte Erika ahnungslos.
„Ach, Tim hatte nur einen Unfall, keine große Sache, aber da war noch eine andere Sache und ich glaube, dass es Tim gut täte, wenn er mit jemandem darüber reden würde.“, meinte der Verräter, weiter auf die Straße schauend, während sich seine Frau zu den Jungen herum drehte.
Die beiden zogen es allerdings weiterhin vor zu schweigen.
Joachim seufzte, eigentlich hatte er ja gewollt, dass Tim selbst mit der Sprache raus rückte, aber nun musste er eben nachhelfen.
„Tim, wieso hattest du eine Windel an? Ich weiß, dass du nicht inkontinent bist und ich weiß auch, dass Eriks Slips Größe M sind.“, fragte der unbarmherzige Mann.
Tim schwieg.
Erik schwieg.
Erika musste das ganze erst einmal verdauen, aber entschied sich schließlich auch dafür zu schweigen.
„Ich … ich ähm …. i-“, stammelte Tim. Das konnte man sich ja nicht anhören.
„Tim mag Windeln!“ konstatierte Erik schlicht. Weswegen er von Tim direkt DEN BLICK[7] abbekam.
Stille. Keiner wusste was er sagen sollte.
„Wie meinst du das?“, fragte Erika nun so sanft wie möglich.
Nun antwortete Tim:“Ich mag sie halt, also sie sind weich und … flauschig …. und …. fühlen sich gut an ….“, versuchte er zu erklären, was nicht so wirklich gelang.
„Tim ist ein Teen Baby“, schaltete sich Erik wieder ein, wovon er direkt von seiner Mutter böse angeschaut wurde, die den Kommentar als Beleidigung deutete.
„Was denn?“
„Erik, das war nicht nett.“
„Boah, google doch einfach!“, Erik wurde jetzt auch böse, denn er hatte ja gar nichts Schlimmes gesagt! Unfair!
Und das Tat Erika. Sie wusste nicht genau, was sie da las und anschaute, aber sie versuchte keine Vorurteile zu treffen.
Etwa fünf, sehr angespannte Minuten später meldete sich wieder zu Wort.
„Wenn ich das richtig verstehe wärst du also gerne ein Kleinkind, richtig?“, fragte sie Tim direkt. Er nickte.
„Und du verbindest Windeln mit diesem Alter?“
Wieder nickte er.
„Okay, na das ist doch gar nicht so schlimm.“, konkludierte sie.
„Wissen deine Eltern davon?“.
Kopfschütteln.
„Weißt du, jeder Mensch hat irgendwo Bedürfnisse, die … besonders sind und so wie ich das sehe ist doch nichts Schlimmes dabei, ich wäre froh, wenn mein kleines Erikbärchen nicht immer versuchen würde so erwachsen zu sein.“, lächelte sie.
„Moo-ooom!“, beschwerte sich der ohne Einwilligung als Beispiel heran gezogene.
„Aber du kannst dich nicht ewig verstecken, das ist nicht gesund. Ich glaube nicht, dass deine Eltern sich wünschen, dass du dich zurück ziehst, ohne dass sie wissen warum.“
Sie hatte Recht. Es war Tim nicht so bewusst gewesen, aber jetzt da sie es erwähnte fiel ihm schon auf, dass er in der letzten Woche mehr Zeit allein in seinem Zimmer verbracht hatte als sonst. Er hatte es instinktiv vermieden raus zu gehen, wenn er nicht zu Erik gefahren war, war er im Prinzip die ganze Zeit nur drinnen gewesen.
Er nickte.
„Ich weiß.“
„Aber … ich … was ist wenn … was ist wenn meine Eltern mih dann … was ist we-“, stotterte er, während Tränchen in seine Augen stiegen.
„Deine Eltern werden dich immer lieb haben, egal ob du ein kleines wenig anders bist als andere. Du wirst immer ihr Kind bleiben.“, lächelte Erika. Sie wusste natürlich, dass es nicht ganz so einfach war und dass auch Tims Eltern sich erst daran würden gewöhnen müssen, aber sie glaubte fest daran, dass es im Endeffekt besser für Tim wäre, wenn er es nicht von seinen Eltern geheim halten würde.
Das half Tim ein wenig, auch wenn das nicht bedeutete, dass er sich keine Sorgen mehr darüber machen würde.
„Ich trage auch Windeln und meine Eltern haben kein Problem damit, richtig?“, grinste Erik, um die Stimmung aufzulockern, was auch seine Eltern zum Lächeln brachte.
„Ja, aber bei dir ist das anders, du brauchst Windeln, ich … ich will sie haben.“
„Na und? Was ist denn da der Unterschied? Ist doch egal ob du sie brauchst oder nicht, ist ja nicht so also wenn du jemandem schaden würdest, wenn du in die Hose machst.“
Tim war noch nicht so ganz überzeugt, aber Erika und Joachim wussten, dass er jetzt erst einmal Zeit brauchte um darüber nachzudenken. Eriks Eltern würden ihm auf jeden Fall helfen, wenn es das war, was er wollte. Sie wollten ihn aber auch nicht zwingen, am Ende war es seine Entscheidung, sein Leben
Autor: AllesIsi (eingesandt via E-Mail)
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Diese Serie ist echt mit abstand eine der Besten auf dieser Seite.
Außerdem kann ich mich auch super in Tim hineinversetzen weil ich auch gerneWindeln habe aber nicht den mum es meinen Eltern zu sagen (obwohl ich weiß dass sie es akzeptieren würden)
LG
Bernt
Wieso können andere Leute nicht auch so toll schreiben?
Am liebsten würde ich gleich Teil 9, 10, und keine Ahnung wieviele noch, lesen.
Apropos Teile, wie viele gibt es denn eigentlich?
Ist die Story überhaupt abgeschlossen?
Ja, die Geschichte ist abgeschlossen, wie viele Teile es gibt kann, oder besser, will ich nicht sagen. Ich finde, dass es viel spannender ist das selbst heraus zu finden . :p
Ich kann sagen diese Geschichte hebt sich von allen anderen ab.
Also die Geschichte wird von Teil zu Teil besser. Ich finde die Reaktion von Eriks Eltern toll und bin sehr gespannt wie es weitergeht. Bitte bleib aber bei deinem Schreibstil.
Wieder einmal ein super Teil! Freue mich schon riesig auf den nächsten 🙂