Florians Schatten (20)
Dieser Eintrag ist Teil 20 von 20 der Serie Florians-Schatten
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Ich saß neben Florians Bett, hielt seine kleine, warme Hand in meiner und beobachtete die stetigen Bewegungen seines Brustkorbs, die von der Maschine unterstützt wurden. Das sanfte Zischen des Beatmungsgeräts hatte etwas Beunruhigendes und zugleich Beruhigendes. Es war ein mechanisches Versprechen, dass er atmete. Dass er noch da war. Ich wollte mich keinen Millimeter von seiner Seite wegbewegen.
„Frau Wagner?“ Die Stimme der Schwester holte mich aus meinen Gedanken. Es war dieselbe, die ihm vorhin mit ruhiger Routine die Infusion gewechselt hatte. Ich sah zu ihr auf, meine Augen schwer von Müdigkeit.
„Sie sollten jetzt auch etwas schlafen. Wir rufen Sie, wenn Ihr Sohn aufwacht.“
Ich zögerte, tastete in meinem Kopf nach Zeitgefühl. „Wie spät ist es?“
„Es ist 23:30 Uhr“, antwortete sie sanft.
Mein Zeitgefühl war weg. „Aber die Ärztin meinte doch vorhin, wenn er so gut mitmacht, dann kann er bald extubiert werden?“
Die Schwester lächelte verständnisvoll. „Ja, das ist richtig. Aber das ist ein langsamer Prozess. Wir reduzieren die Unterstützung Schritt für Schritt. Wenn alles weiterhin stabil bleibt, denke ich, dass wir morgen Vormittag den Tubus entfernen können.“
Ich wollte das glauben. Wollte darauf vertrauen. Und doch… der Gedanke, ihn auch nur für ein paar Stunden allein zu lassen, schnürte mir die Kehle zu.
Ich schüttelte fast automatisch den Kopf.
„Was, wenn er wach wird und nach mir sucht?“, flüsterte ich. „Er ist so sensibel… und er hat doch schon so viel durchgemacht. Ich kann ihn jetzt nicht alleine lassen.“
Die Schwester nickte langsam aber blieb ruhig stehen.
„Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“, begann sie ruhig. „Waren Sie schon einmal in Ihrem Leben in einem Flugzeug?“
Ich sah sie überrascht an. Die Frage traf mich völlig unerwartet.
„Nein…“, sagte ich zögernd. „Wie kommen Sie denn jetzt darauf?“
Sie lächelte sanft, fast entschuldigend.
„Vielleicht kennen Sie die Ansage trotzdem – aus einem Film oder von Erzählungen. Die, wo das Bordpersonal erklärt, was im Notfall zu tun ist. Dass Sauerstoffmasken aus der Decke fallen.“
Ich nickte leicht, immer noch etwas irritiert.
„Und dann sagen sie immer: Setzen Sie sich zuerst selbst die Maske auf, bevor Sie jemand anderem helfen.“
Langsam verstand ich, worauf sie hinauswollte, aber ich ließ sie ausreden.
„Wissen Sie, warum man das macht?“
Ich blickte sie an, dann senkte ich den Blick zu Florian.
„Weil man niemandem helfen kann, wenn man selbst bewusstlos wird“, flüsterte ich.
Die Schwester nickte.
„Ganz genau. Und das gilt auch hier. Ihr Sohn braucht Sie – aber er braucht Sie stark. Ausgeruht. Bei sich.“
Ich sah wieder zu Florian. Mein kleiner Junge, so verletzlich. So tapfer. Und ich… ich fühlte mich zerrissen zwischen meinem Herzen, das an seinem Bett bleiben wollte, und meinem Verstand, der verstand, was die Schwester mir gerade gesagt hatte.
„Sie können sich beruhigt auf die Eltern-Kind-Station begeben. Die Schwester dort weiß Bescheid und zeigt Ihnen Ihr Zimmer. Sobald sich bei Florian etwas ändert, rufen wir Sie, versprochen. Okay?“
Ich war erschöpft. Körperlich und seelisch. Und trotzdem… ich wollte nicht gehen. Dennoch nickte ich zögernd, innerlich zerrissen. Aber ich wusste, sie hatte recht. Ich stand langsam auf, ließ seine Hand los – viel zu schwer fiel mir dieser kleine Moment – und begleitete die Schwester zum Ausgang der Intensivstation. Auf dem Flur erklärte sie mir den Weg zur Eltern-Kind-Station, zwei Stockwerke tiefer.
Dort erwartete mich eine junge, freundlich wirkende Krankenschwester. Sie begrüßte mich leise und zeigte mir das Zimmer. Es war ein schlichtes Zweibettzimmer, aber warm und kindgerecht gestaltet. Die Wände zierten bunte Tierbilder, ein Regenbogen spannte sich über das Fenster, und ein Mobile mit kleinen Sternen hing über dem freien Bett. Ein Plüschelefant saß auf dem Nachttisch – ein kleiner, kindlicher Trostspender, den jemand dort platziert hatte. Ich war alleine im Raum. Vielleicht war das auch gut so.
Ich ließ mich auf das Bett fallen, nahm das Telefon von Markus aus der Tasche und wählte unser Festnetz- Nummer. Es klingelte ein paar Mal.
„Schatz?“ Seine Stimme klang leise und müde.
„Ja… ich bin jetzt auf der Eltern-Kind-Station Zimmer 253. Man hat mich rauskomplimentiert. Ich soll etwas schlafen.“ Ich versuchte ein kleines Lächeln in meine Stimme zu legen. „Seid ihr gut angekommen?“
„Ja, wir sitzen noch im Wohnzimmer. Sebastian ist ziemlich mitgenommen.“
„Ja… das verstehe ich. Wir schaffen das zusammen.“
„Wie geht es Florian?“
„Es gibt noch nicht viel Neues. Aber sein Zustand wird wohl immer besser. Sie wollen morgen Vormittag versuchen, ihn von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen.“
„Das klingt doch gut.“ Ich hörte Hoffnung in seiner Stimme.
„Bitte bringt mir morgen früh eine Tasche mit frischen Sachen mit. Und denk an seinen Panda… und in seinem Nachttisch müsste noch sein Nuckel liegen. Pack den bitte auch ein. Und vielleicht eines der Kinderbücher aus seinem Regal.“
„Hab ich alles schon fertig. Mach dir keine Sorgen, es kann jetzt nur noch besser werden.“
„Hoffentlich… Habt ihr schon was von der Polizei gehört? Oder hat sich Pierre doch noch gemeldet?“
„Nein. Weder von der Polizei noch von ihm…“
Ich seufzte. „Gibst du mir Sebastian nochmal?“
Ein kurzes Rascheln, dann: „Mama?“
„Ja, mein Großer. Wie geht es dir?“
„Es… es geht. Ich kann immer noch nicht glauben, wie das alles passieren konnte. Es tut mir leid!“
„Sebastian, du kannst nichts dafür. Damit konnte niemand rechnen. Und wir sind immer für dich da, mein Schatz. Ich will nicht, dass du dir irgendwelche Vorwürfe machst.“
„Ja… Mama, ich hab schon mit Papa gesprochen. Ich werde den Mietvertrag in München kündigen.“
„Sebastian! Und was ist mit deinem Studium?“
„Nein, so war das nicht gemeint. Ich such mir nur ein Zimmer in einer WG, was Kleines, das reicht. Ich bleib in München. Aber ich werde mein Studium auf jeden Fall fortsetzen. Jetzt erst recht. Ich will nie wieder so hilflos dastehen in einer Situation, in der es um Leben und Tod geht. Ich will später in die Notfallmedizin. Das ist mir heute klar geworden.“
Ich schluckte schwer. Mein Junge. So groß geworden. So entschlossen.
„Denk in Ruhe nochmal drüber nach – du hast ja noch ein paar Semester Zeit. Und vor allem: Du warst keineswegs hilflos. Du hast genau richtig reagiert und ihm das Leben gerettet. Ich hingegen stand am Anfang nur daneben und war komplett blockiert.“
„Ja, Mama. Aber an meinem Entschluss wird sich nichts ändern.“
Ich musste ein wenig lächeln. Diese Entschlossenheit – so klang Markus, wenn er sich einmal entschieden hatte. Und auch wenn mich diese plötzliche Reife erschreckte, war es doch eine gute Entscheidung.
„Okay, mein Schatz. Ich werde jetzt ein paar Stunden schlafen. Wir sehen uns morgen früh, wenn ihr die Sachen bringt. Schlaft gut und macht nicht mehr so lange.“
„Ja, Mama. Schlaf du auch gut. Bis morgen.“
Das Gespräch war beendet. Und plötzlich fühlte sich das Bett unter mir doppelt so weich und ich doppelt so schwer an. Ich zog mir die Decke über die Schultern, atmete tief durch – und spürte, wie die Erschöpfung langsam die Oberhand gewann. Mein letzter Gedanke galt Florian. Ich stellte mir vor, wie er morgen früh die Augen aufschlägt. Vielleicht nach mir ruft.
Ich musste bereit sein. Und dafür musste ich schlafen.
Ich wurde jäh aus dem Schlaf gerissen, als plötzlich das Licht im Zimmer anging. Für einen Moment war ich völlig desorientiert. Die weiße Decke über mir, das fremde Bett, die karge Umgebung – dann traf mich die Erinnerung mit voller Wucht. Florian. Krankenhaus. Ich fuhr hoch, das Herz pochte mir bis zum Hals.
„Ist etwas mit Florian?“, fragte ich erschrocken, die Stimme noch belegt vom Schlaf.
Die junge Schwester, die gerade das Tablett auf dem kleinen Tisch abstellte, schüttelte sofort den Kopf. „Nein, Frau Wagner, bei Ihrem Sohn ist alles gut, soweit ich weiß. Ich bringe Ihnen das Frühstück. Kaffee und Tee finden Sie draußen auf dem Flur.“
Ich atmete tief durch, spürte, wie sich die Anspannung nur zögerlich löste. Mein Blick fiel auf das Handy von Markus. Der Akkustand war bedenklich niedrig – und ich hatte ihm gar nicht gesagt, dass er ein Ladekabel einpacken sollte. Es war kurz nach halb sieben. Wahrscheinlich war er schon unterwegs.
Ich schleppte mich ins Badezimmer und fühlte mich unwohl in meiner Haut. Keine Zahnbürste, keine frischen Sachen. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und versuchte, mit den Fingern meine zerzausten Haare zu ordnen. Es war nicht viel, aber wenigstens etwas. Dann trat ich hinaus auf den Flur, wo es bereits nach Brötchen, Kaffee und Desinfektionsmittel roch.
Ich nahm mir einen Kaffee, ging damit zurück auf mein Zimmer und aß ein Brötchen – schnell, mechanisch, ohne wirklich Hunger zu verspüren. In Gedanken war ich längst wieder bei Florian.
Nachdem ich mein Tablett auf den dafür vorgesehenen Wagen gestellt hatte, wollte ich sofort zu ihm zurück. Auf der Station herrschte bereits geschäftiges Treiben. Türen gingen auf und zu, ich hörte Kinder weinen, andere lachen. Eine junge Frau füllte mit einem schlaftrunkenen Baby auf dem Arm eine Kanne mit Wasser. Der Alltag auf der Kinderstation war längst erwacht.
Ich sah eine Schwester mit einem Frühstückstablett aus einem Zimmer kommen und trat vorsichtig auf sie zu. Sie wirkte angespannt, gehetzt – kein Wunder um diese Uhrzeit.
„Entschuldigung“, sagte ich leise, „ich wollte nur Bescheid geben, dass ich jetzt zu meinem Sohn auf die Intensivstation zurückgehe.“
Sie sah mich kurz an, nickte dann zustimmend. „Alles klar, Frau Wagner. Die Kolleginnen dort erwarten Sie sicher schon.“
Ich bedankte mich knapp und machte mich auf den Weg. Ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder bei Florian zu sein – seinen Brustkorb sich heben und senken zu sehen, seine kleine Hand zu halten. Es war, als würde ein Teil von mir erst dort richtig atmen können.
Ich klingelte, als ich wieder vor der Intensivstation stand. Mein Herz klopfte schneller, als ich auf das vertraute Summen wartete – doch es blieb aus. Gestern Abend, nach dem Gespräch mit Hauptkommissarin Lehmann, war ich fast direkt hineingelassen worden. Jetzt passierte nichts. Ich starrte auf das kleine Fenster in der Tür, doch der Blick hinein war milchig, verzerrt. Kein Durchkommen, kein Erkennen.
Ich überlegte, ob ich noch einmal klingeln sollte, hob schon zögerlich die Hand – da eilte eine Schwester den Flur entlang. Sie wirkte konzentriert, hatte eine Mappe mit Unterlagen bei sich, sah mich aber kein bisschen an. Stattdessen hielt sie ihren Chip an den Sensor neben der Tür, das Licht sprang auf grün. Ich nutzte den Moment, wollte direkt hinter ihr in die Schleuse – doch sie blieb abrupt stehen, drehte sich um und sah mich streng an.
„Entschuldigung, aber Sie können hier nicht einfach mit rein“, sagte sie mit festem Tonfall.
Ich hob instinktiv die Hände, beinahe entschuldigend. „Es tut mir leid… Ich möchte nur zu meinem Sohn. Florian Brock.“
Sie musterte mich kurz, dann nickte sie verständnisvoll, wenn auch mit ernster Miene. „Das kann ich gut verstehen, Frau Brock. Aber Sie müssen einen Moment warten – wir haben gerade einen Notfall.“
Ein einziger Satz. Mehr sagte sie nicht. Sie wandte sich wieder der Tür zu, die sich sofort öffnete, und verschwand dahinter. Ich blieb zurück.
Notfall.
Das Wort blieb wie ein Keil in meinem Kopf stecken. Mein Magen zog sich zusammen. Ich lehnte mich an die Wand, spürte, wie mir plötzlich kalt wurde. Meine Gedanken überschlugen sich. Bitte nicht Florian. Bitte nicht mein Kind. Ich sah ihn wieder vor mir, gestern Nachmittag in der Notaufnahme – blass, nicht ansprechbar, sein kleiner Körper an Schläuche angeschlossen, sein Brustkorb bewegte sich nur dank der Maschine.
Die Schwester auf der Eltern-Kind-Station hatte vorhin gesagt, dass „soweit sie wisse“ alles in Ordnung sei. Aber wie genau konnte sie das schon wissen? Sie arbeitete nicht hier, hatte vielleicht seit Stunden keinen Bericht bekommen. Was, wenn sich über Nacht etwas verändert hatte? Was, wenn…?
Ich schloss die Augen, versuchte, meine Atmung zu beruhigen. Zählte langsam in Gedanken. Eins. Zwei. Drei. Es half kaum. Mein Herz klopfte wild, meine Knie fühlten sich weich an. Ich wollte einfach nur durch diese Tür. Wollte sehen, dass Florian noch da war, wollte seine kleine Hand halten, wollte die Gewissheit.
Aber ich musste warten. Und warten war in diesem Moment das Schlimmste, was man mir hätte zumuten können.
Nach einer gefühlten Ewigkeit – Minuten, die sich wie Stunden anfühlten – hörte ich endlich wieder Schritte vor der Tür. Eine andere Schwester kam zur Schleuse und sah sich suchend um.
„Frau Wagner?“
„Ja!“ Ich war sofort wieder auf den Beinen, stand bereits dicht an der Tür, als hätte mein Körper nur auf dieses eine Wort gewartet.
„Sie können jetzt zu Ihrem Sohn.“
Ich nickte nur, brachte kein weiteres Wort hervor, so sehr war ich darauf konzentriert, endlich zu ihm zu kommen. Als ich ihr hinterher durch die Schleuse folgte, fragte ich mit leiser, stockender Stimme: „Wie… wie geht es ihm?“
Die Schwester war freundlich, aber spürbar im Arbeitsmodus. Ihre Augen wirkten wach, aber von einer gewissen Erschöpfung gezeichnet. „Ihr Sohn macht sich gut. Die Visite müsste auch gleich kommen, es hat sich alles ein wenig verzögert – wir hatten gerade einen Notfall.“
Ich nickte. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Es war nicht Florian. Nicht mein Kind. Ich spürte, wie sich meine Schultern einen Hauch senkten, wie sich die Luft in meinen Lungen plötzlich wieder leichter anfühlte.
Doch in diesem Moment durchzuckte mich ein anderer Gedanke. Auch wenn es nicht Florian war – irgendjemand war betroffen. Ein anderer Mensch, vielleicht ein Erwachsener, vielleicht ein junger Mann oder eine Frau – und irgendwo in diesem Krankenhaus saßen gerade Angehörige, genau wie ich, voller Angst, mit zitternden Händen, wartend auf eine Nachricht. Und vielleicht würde diese Nachricht nicht gut sein. Ich schluckte schwer. Der Gedanke schnürte mir die Kehle zu, ließ mich kurz stehen bleiben, während die Schwester weiterging.
Ich hatte nur vage Erinnerungen an meine Zeit auf der Intensivstation nach Sebastians Geburt. Damals war auch nicht alles glattgelaufen. Komplikationen. Schmerzen. Ein paar verschwommene Bilder – Schläuche, Pieptöne, das Gefühl, hilflos zu sein. Ich hatte vieles erfolgreich verdrängt. Es war so lange her. So weit weg. Und doch spürte ich jetzt diesen Hauch von damals wieder in mir aufsteigen.
Als ich das Zimmer betrat, in dem Florian lag, blieb ich einen Moment in der Tür stehen. Da war er. Mein kleiner Junge. Noch immer lag er ruhig da, von der Beatmungsmaschine unterstützt, der Tubus fest fixiert. Der Monitor neben seinem Bett zeigte stetig seine Werte – Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Atmung – ein rhythmisches, beruhigendes Piepen erfüllte den Raum.
Trotz all der Geräte, der Schläuche, des fremden, technischen Umfelds… ich war so unendlich erleichtert, ihn zu sehen. Er lebte. Er war hier. Und ich war wieder bei ihm.
Ich trat langsam an sein Bett, beugte mich zu ihm hinunter und streichelte ihm ganz vorsichtig über die Stirn. Seine Haut war warm. Echt. Ich atmete tief durch. „Ich bin da, mein Schatz“, flüsterte ich. „Mama ist wieder da.“
Ich nahm seine kleine Hand in meine. Sie fühlte sich weich an, zart und lebendig. Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten, aber ich ließ sie nicht zu. Noch nicht. Jetzt zählte nur, dass ich da war. An seinem Bett. Und ich wusste – egal, wie lang der Weg noch sein würde – ich würde keinen Schritt mehr von seiner Seite weichen.
Ich setzte mich wieder an sein Bett und ließ meinen Blick über sein Gesicht gleiten. So friedlich lag er da, so klein und verletzlich, und doch wirkte er stark – stärker, als es seinem zarten Körper nach zu urteilen möglich schien. Ich nahm seine Hand in meine. Sie war warm, weich, und ich hielt sie vorsichtig, als wäre sie aus Glas. Ich spürte, wie mein Daumen sich wie von selbst zu bewegen begann, kreisend, beruhigend – wahrscheinlich mehr für mich als für ihn.
Ich kannte ihn erst seit etwas über einer Woche. Vor vierzehn Tagen hatte ich noch nicht einmal gewusst, dass es ihn überhaupt gibt. Und jetzt… Jetzt war er da. In meinem Leben, in meinem Herzen. Und ich konnte mir nicht mehr vorstellen, wie es ohne ihn sein sollte. Als wäre er schon immer Teil davon gewesen, als hätte ich nie einen Tag ohne ihn verbracht.
Es war fast beängstigend, wie sehr sich alles verändert hatte. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich ein Kind, das mir fremd war, so schnell, so tief in mein Herz schließen könnte. Aber Florian hatte diesen Platz nicht erbeten – er hatte ihn sich genommen. Auf seine stille, verletzliche Art, mit seinem Blick, seiner Geschichte, mit jedem zaghaften Schritt, den er auf uns zugegangen war. Und ich hatte keinen Moment gezögert, ihn diesen Platz einzuräumen.
Er war kein Ersatz. Kein Projekt. Kein Pflegefall. Er war… mein Kind. Nicht durch Geburt, nicht durch Blut – aber durch Gefühl. Und das wog manchmal mehr als alles andere.
Ich hätte ihm das am liebsten gesagt. Jetzt, in diesem Moment. Aber ich wusste, dass Worte dafür ohnehin nicht reichten. Also dachte ich es nur: Ich werde für dich da sein. Ich werde für dich kämpfen. Ich werde dich beschützen, an deiner Seite stehen – durch alles hindurch. Ich werde dich lieben, so sehr ich kann. So gut ich kann. So lange ich lebe.
Genauso, wie wir es mit Sebastian getan hatten. Auch bei ihm war vieles nicht einfach gewesen, aber wir hatten es geschafft – zusammen. Und genauso würden wir es auch mit Florian schaffen. Denn er war Familie. Er gehörte zu uns. Zu Markus. Zu Sebastian. Zu mir.
Ich lehnte mich ein Stück nach vorne, streichelte ihm sanft über die Stirn und fuhr mit der Hand über sein Haar. „Du bist nicht allein“, flüsterte ich. „Du wirst es nie wieder sein.“
Ein leises Piepen kam vom Monitor, gleichmäßig, beruhigend. Ich schloss kurz die Augen, atmete tief ein. Er war noch da. Und ich war hier. Und das war alles, was in diesem Moment zählte.
Ich hörte Schritte vor dem Zimmer, mehrere Stimmen, das Rascheln von Kitteln, dann traten sie ein. Ich sah auf. Drei Personen – eine junge Ärztin, die ich gestern Abend schon kurz gesehen hatte, ein älterer Herr mit ernstem Blick, vermutlich der Oberarzt, und eine Pflegekraft, die ich noch nicht kannte. Die Ärztin nickte mir freundlich zu.
„Guten Morgen, Frau Wagner“
Ich stand automatisch auf, auch wenn meine Beine noch zitterten. „Guten Morgen“, erwiderte ich leise, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Der Oberarzt trat an das Bett, prüfte Florians Monitor, die Beatmungsmaschine, die Kurven. Die Pflegekraft öffnete die digitale Akte und die junge Ärztin begann zu berichten. Die Begriffe flogen an mir vorbei – stabiler Kreislauf, gute Sauerstoffsättigung, Sedierung reduziert, beginnende Spontanatmung. Ich verstand nur die Hälfte, aber ich klammerte mich an jedes Wort, an jeden Ausdruck in ihren Gesichtern.
„Wenn das so bleibt“, sagte der Oberarzt schließlich, „werden wir heute im Laufe des Vormittags die Extubation versuchen. Alles wirkt stabil. Die Voraussetzungen sind gegeben.“ Dann sah er mich direkt an. Seine Stimme wurde sanfter. „Ihr Sohn macht sich gut. Wir sind zufrieden. Er ist stark.“
Ich nickte. Mein Blick verschwamm. „Danke“, murmelte ich, „wirklich… danke.“
Sie wandten sich ab, sprachen noch leise miteinander, dann verließen sie das Zimmer so schnell, wie sie gekommen waren. Ich setzte mich wieder, sank fast in den Stuhl zurück. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Bald. Bald würde er wieder selbst atmen. Vielleicht sogar aufwachen. Vielleicht mich ansehen.
Und doch… trotz all der Hoffnung ließ mich ein Gedanke nicht los. Die Worte des Arztes von gestern bohrten sich wieder in mein Bewusstsein, klar und unerbittlich: „Eine zu lange Unterversorgung mit Sauerstoff kann zu schweren Hirnschäden führen – Sprachverlust, motorische Einschränkungen, im schlimmsten Fall bleibende kognitive Defizite.“ Er hatte es nicht beschönigt, hatte mir nichts vorgemacht. Und ich hatte genickt, hatte verstanden – zumindest mit dem Verstand.
Aber mein Herz… mein Herz klammerte sich verzweifelt an jeden Hoffnungsschimmer.
Was, wenn Florian zwar wieder aufwachte, aber nicht mehr richtig sprechen konnte? Was, wenn er nie wieder laufen lernte? Oder mich ansah, ohne mich zu erkennen? Ohne zu wissen, wer ich war? Wer er selbst war? Ich spürte, wie sich ein kalter Schauer über meinen Rücken zog. Diese Vorstellung schnürte mir die Kehle zu.
Er lag so ruhig da, die Maschinen arbeiteten weiter, das Piepen des Monitors war gleichmäßig, beruhigend. Ich suchte nach einem Zeichen. Einer Bewegung. Einem Zucken. Und da – war da nicht gerade ein Zittern unter seinem Lid? Oder bildete ich mir das nur ein? Vielleicht war es nur Wunschdenken. Aber ich klammerte mich daran, wie an einen rettenden Zweig im Sturm.
Es war seltsam, diesen Kontrast zu spüren: Draußen auf dem Flur war der Klinikalltag wieder angelaufen. Für das Team war Florian ein Fall unter vielen – stabile Parameter, nächste Maßnahme geplant. Für mich aber war es alles. Mein ganzes Herz lag in diesem Bett.
Ich beugte mich vor, legte die Stirn kurz gegen seine Hand. Sie war warm. Das war alles, was zählte.
„Du machst das großartig“, flüsterte ich. „Ich bin so stolz auf dich. Und ich bin hier. Ich bleibe bei dir. Was auch kommt.“
„Frau Wagner? Die Kinderstation hat angerufen. Ihr Mann ist da – er bringt Ihnen Ihre Sachen.“
Ich hob den Kopf, war für einen Moment völlig aus meinen Gedanken gerissen. Da stand eine Schwester. Meine Augen fanden zurück zu Florian, und es fiel mir schwer, den Blick von ihm zu lösen. Mein kleiner Junge. Ich hatte das Gefühl, ihn nicht einmal für eine Sekunde verlassen zu wollen.
„Keine Sorge“, sagte die Schwester ruhig, als hätte sie meine Gedanken erraten. „Es wird noch mindestens eine Stunde dauern, bis wir die Beatmung vollständig herunterfahren. Solange er intubiert ist, bleibt er auch sediert – er kann nicht einfach aufwachen. Alles ist vorbereitet. Sie können ganz beruhigt gehen.“
Ich nickte langsam, zwang mich aufzustehen. Jeder Schritt von seinem Bett weg fühlte sich falsch an, aber ich wusste, dass Markus da war. Er würde mir die Tasche bringen, die ich dringend brauchte – frische Kleidung, meine Zahnbürste und vor allem: Florians Panda, sein Nuckel, das Kinderbuch aus dem Regal.
Mit einem letzten Blick auf Florian – so zart, so verletzlich, aber doch so stark – verließ ich das Zimmer. Ich ging zügig, fast wie im Automatismus, doch in Gedanken blieb ich bei ihm. Ich stellte mir vor, wie er die Augen öffnete, wie er nach mir suchte. Und ich hoffte, dass ich rechtzeitig zurück sein würde, wenn dieser Moment kam.
Ich lief zügig in Richtung Kinderstation, mein Blick starr geradeaus, die Gedanken aber noch immer bei Florian. Auf den Gängen war inzwischen reges Treiben. Pfleger schoben Wagen mit Medikamenten oder Frühstückstabletts vorbei, Ärzte sprachen leise miteinander, Türen wurden geöffnet, Kinder weinten oder lachten in den Zimmern hinter den bunten Wänden. Das Leben auf dieser Station lief weiter, während ich innerlich noch immer in der Stille von Florians Zimmer gefangen war.
Als ich um die Ecke bog, sah ich sie schon – Markus und Sebastian standen nebeneinander beim Tresen der Station. Markus hatte die Reisetasche in der Hand, Sebastian blickte aufmerksam in den Flur. Als sie mich entdeckten, hellten sich ihre Gesichter ein wenig auf.
„Hallo ihr beiden“, sagte ich, und obwohl ich lächelte, hörte ich selbst, wie müde meine Stimme klang.
„Hallo Mama“, antwortete Sebastian sofort, sein Blick suchte meinen, wach und sorgenvoll zugleich.
Markus trat einen Schritt auf mich zu, legte den Arm um meine Schultern und drückte mich kurz. „Guten Morgen“, sagte er leise. Keine großen Worte, aber sein Blick sagte mir genug. Er wusste, wie viel mich das alles kostete.
„Wie geht es Florian?“, fragte Sebastian direkt, seine Stimme fest, aber mit einem leichten Zittern.
„Er hat die Nacht gut überstanden“, antwortete ich und hielt ihren Blicken stand. „Die Visite war zufrieden, und sie wollen im Laufe des Vormittags versuchen, die Beatmung zu beenden. Schritt für Schritt. Aber… es dauert alles so lange. Ich hoffe so sehr, dass alles gut wird.“
Sebastian nickte langsam, ernst und ganz bei der Sache. „Ich habe gestern Abend noch recherchiert“, sagte er dann ruhig. „Bei Kindern ist das mit der Extubation etwas heikler als bei Erwachsenen. Ihr Atemzentrum ist empfindlicher, sie brauchen manchmal länger, bis sie selbstständig und zuverlässig atmen können. Wenn man da zu schnell vorgeht, kann es sein, dass sie zu schwach sind – und dann muss man sie wieder intubieren. Und das ist viel belastender als es gleich richtig und vorsichtig zu machen.“
Ich sah ihn überrascht an. So sachlich, so klar. Ein Teil von mir war erschrocken, wie ernst er in diesem Moment wirkte – und ein anderer Teil war einfach nur stolz.
„Du hast dich wirklich gut informiert“, sagte ich sanft.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich will einfach verstehen, was da passiert. Ich will nicht mehr nur danebenstehen und hoffen, dass alles gut wird. Ich will begreifen.“
Ich lächelte leicht, legte kurz meine Hand an seine Wange. „Du bist ein ganz besonderer junger Mann, weißt du das?“
Er senkte den Blick, leicht verlegen, aber ich sah das Leuchten in seinen Augen. Dann übernahm Markus wieder das Wort, hob die Tasche leicht an. „Hier ist alles. Frische Sachen für dich, und Florians Panda ist ganz oben. Der Nuckel ist in der Seitentasche, und das Buch mit den Tiergeschichten liegt auch dabei.“
Ich atmete tief durch. Es war gut, sie hier zu haben. Auch wenn Florian oben auf der Intensivstation lag und alles noch offen war – ich war nicht allein. Wir waren nicht allein.
„Der Akku von deinem Handy ist leer“, sagte ich und sah Markus an. Ohne ein Wort reichte er mir mein Handy. „Das Ladegerät ist ebenfalls in der Tasche“, meinte er beiläufig, während ich das Handy dankbar entgegen nahm.
Ich musste leise schmunzeln. „Was waren das noch für Zeiten, als ein Akku eine ganze Woche gehalten hat.“
Sebastian schaute uns mit hoch gezogenen Augenbrauen an. „Sowas gab’s wirklich?“
Markus lachte trocken. „Ja, Sebastian. Deine Eltern merken mal wieder, dass sie alt sind.“
„Die ersten Mobiltelefone waren zwar technisch nicht mit heutigen Smartphones zu vergleichen“, ergänzte ich grinsend, „aber der Akku… der war ein kleines Wunder.“
Sebastian grinste. „Ah, du meinst die mit Wählscheibe.“
Ich stieß ihn sanft mit dem Ellenbogen an. „Frechdachs.“
Markus hob gespielt beleidigt die Augenbrauen. „Junge, wenn du so weitermachst, hole ich das alte Festnetztelefon mit Schnur vom Speicher und stell’s dir neben dein Bett.“
Sebastian lachte, und für einen Moment war da diese wohltuende Leichtigkeit zwischen uns – ein Hauch von Alltag inmitten all dieser Klinikluft, der Sorgen, der Ungewissheit.
Gemeinsam gingen wir in das Zimmer, in dem ich vergangene Nacht geschlafen hatte. Die Tasche stellten wir neben das Bett. Auch Markus und Sebastian wirkten müde. Die Schatten unter ihren Augen verrieten, dass auch sie kaum Schlaf bekommen hatten. Wir alle waren Erschöpfung gewohnt – durch lange Arbeitstage auf dem Hof. Aber das hier war anders. Diese Art von Müdigkeit nagte tiefer, ging unter die Haut, ins Herz.
Ich öffnete die Tasche, zog Florians Panda heraus, das Buch mit den bunten Tiergeschichten, das Sebastian als Kind so mochte. Meine Finger glitten über das Stofftier. Ich wusste nicht, ob er es gleich erkennen würde, wenn er die Augen aufschlug. Aber ich hoffte, dass er es fühlte. Dass es ihm ein Stück Zuhause sein konnte.
Dann trat ich einen Schritt zurück, sah die beiden an und zog sie nacheinander in eine feste Umarmung.
„Ich gehe mich kurz frisch machen und dann gleich wieder zu Florian. Falls er doch früher aufwacht … ich will einfach bei ihm sein.“
Markus nickte.
„Natürlich. Bitte sag Bescheid, wenn es etwas Neues gibt, ja?“
„Mach ich“, versprach ich und drückte ihnen noch einmal die Hand, bevor ich mich eilig ins Badezimmer begab.
Die Dusche und die frische Kleidung taten gut – ich fühlte mich gleich wohler in meiner Haut. Danach machte ich mich mit dem Panda und dem Buch wieder auf den Weg.
Der Gang zur Intensivstation war derselbe wie vorhin, doch jeder Schritt fühlte sich leichter an, weil ich wusste, dass ich wieder an seiner Seite sein würde. Ich klingelte an der Schleuse. Es dauerte nicht lange, bis die Tür summte und ich eingelassen wurde.
Drinnen lag Florian noch genauso da wie zuvor – ruhig, beatmet, in seinem eigenen kleinen Kosmos zwischen Schlaf und Erwachen.
Ich trat leise an sein Bett, setzte mich wieder auf den Stuhl, der inzwischen mein fester Platz geworden war. Mit sanften Bewegungen legte ich ihm den Panda in den Arm, dicht an seinen Körper, so, dass er ihn vielleicht spüren konnte.
„Schau mal, mein Schatz… dein Panda ist auch da“, flüsterte ich.
Dann legte ich meine Hand wieder auf seine, und für einen Moment war alles ruhig. Alles still. Aber ich war wieder bei ihm.
Ich saß neben Florian am Bett, das Buch mit den Tiergeschichten aufgeschlagen auf meinem Schoß. Es war eines, das ich früher oft Sebastian vorgelesen hatte, wenn er krank war oder einfach nicht einschlafen konnte. Die Seiten waren vom vielen Vorlesen weich geworden, der Einband leicht ausgebleicht. Jetzt las ich es meinem kleinen Jungen vor – in der Hoffnung, dass er mich hörte, dass meine Stimme ihm irgendwie zeigte, dass er nicht allein war.
„…und der kleine Dachs tappte mit seinen Pfoten durch den frischen Schnee. ‚Wo sind denn alle hin?‘, fragte er verwundert. Doch dann entdeckte er kleine Spuren, die von seinem Bau wegführten. Er folgte ihnen neugierig – und plötzlich sah er sie alle: den Hasen, das Reh, den Igel… und sie alle riefen: ‚Überraschung! Wir haben auf dich gewartet!‘“
Ich hielt kurz inne, sah zu Florian. Sein Gesicht war entspannt, fast friedlich, auch wenn der Beatmungsschlauch noch immer fest zwischen seinen Lippen lag. Das rhythmische Zischen der Maschine war das einzige Geräusch im Raum, begleitet vom gleichmäßigen Piepen des Monitors. Ich hoffte so sehr, dass meine Stimme ihn erreichte, dass sie ein winziges Gefühl von Zuhause in ihm auslöste. Vielleicht erinnerte sich sein Körper an das Gefühl, vorgelesen zu bekommen. Vielleicht war es genau das, was er gerade brauchte.
Eine junge Ärztin trat mit einer Schwester ins Zimmer. Beide wirkten ruhig, konzentriert. Die Ärztin nickte mir freundlich zu. „Hallo, Frau Wagner.“
Ich richtete mich ein wenig auf, spürte sofort wieder, wie mein Puls schneller schlug.
„Wir haben in den letzten Stunden die Sedierung langsam ausgeschlichen“, erklärte sie sanft, während sie Florians Werte am Monitor überprüfte. „Er zeigt inzwischen eine gute Eigenatmung. Wir würden jetzt gern einen sogenannten Spontanatemtest machen. Dafür müssten Sie bitte kurz zur Seite treten, damit wir an ihn herankommen.“
Ich nickte stumm, stand auf und trat ein paar Schritte zur Seite, stellte mich ans Fußende des Betts. Mein Blick wich keinen Moment von Florian. Die Schwester überprüfte Beatmungsparameter und beobachtete aufmerksam seine Atmung. Die Ärztin sprach unterdessen ruhig weiter – fast, als wolle sie mir bewusst Sicherheit geben.
„Wir beobachten jetzt, wie Florian ohne Unterstützung atmet. Die Maschine misst nur mit, greift aber nicht ein. Wenn das stabil bleibt – und bisher sieht es sehr gut aus – können wir den Tubus entfernen.“
Ich schluckte schwer, fühlte, wie mein Herz in der Brust pochte. Für sie schien es Routine zu sein. Alles wirkte geübt, ruhig, fast alltäglich. Aber für mich war es ein Ausnahmezustand. In meinem Kopf spielten sich Szenarien ab, was wäre, wenn er nicht atmen konnte. Wenn etwas schiefging. Doch ich sagte nichts. Ich wollte ihn nicht verunsichern. Wollte mich nicht selbst schwächen.
Die Minuten vergingen quälend langsam. Doch alles blieb ruhig. Keine Alarme. Keine hektischen Bewegungen. Schließlich nickte die Ärztin.
„Er macht das wirklich gut“, sagte sie mehr zu mir als zur Schwester. „Wir werden den Tubus jetzt ziehen.“
Sie stellte sich an die Seite des Betts, erklärte mir während der Vorbereitung, was passieren würde: „Wir ziehen den Schlauch im Ausatmen. Es kann sein, dass er kurz hustet, das ist völlig normal. Wir halten Sauerstoff bereit und beobachten ihn danach sehr genau.“
Ich konnte nur nicken, stand stocksteif da, die Hände ineinander verschränkt. Ich hielt den Atem an, als sie mit ruhiger Hand den Tubus entfernte. Florian zuckte leicht, hustete, sein kleiner Brustkorb hob sich. Dann – Stille. Nur einen Moment lang. Dann hörte ich es: ein leises, raues Atemgeräusch. Er atmete. Selbstständig.
Der Monitor zeigte stabile Werte. Kein Alarm, keine Unruhe.
Die Ärztin lächelte. „Sehr schön. Er atmet ganz allein.“ Sie war ruhig, sachlich – aber in ihren Augen lag ein Hauch Wärme.
Die Schwester beugte sich zu Florian und setzte ihm vorsichtig diese kleinen Schläuche an die Nase – damit er ein bisschen zusätzlichen Sauerstoff bekommt, wie sie mir leise erklärte. Ich war dankbar, dass sie so behutsam mit ihm umgingen.
Ich musste mich am Bett festhalten. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich atmete endlich wieder durch, als hätte ich selbst die Luft angehalten, all die Zeit. Ich trat langsam wieder näher, legte meine Hand auf seine.
„Du machst das wunderbar, mein Schatz“, flüsterte ich. „Ich bin so stolz auf dich.“
Und in diesem Moment war da nichts als Erleichterung, Hoffnung – und ein unendlich großes Gefühl von Liebe.
Ich stand noch immer an Florians Bett, meine Hand ruhte auf seiner, während ich ihn einfach nur ansah. Er atmete selbstständig. Ohne Maschinen. Es war kaum zu begreifen.
Trotzdem ließ mich die Anspannung nicht los. Ich spürte, wie viele Fragen sich in mir aufstauten – wie es jetzt weiterging, worauf ich mich einstellen musste. Ich hob den Blick zur Ärztin.
„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich leise, fast zögerlich.
Die Ärztin trat einen Schritt näher an mich heran. „Wir beobachten ihn jetzt weiterhin engmaschig“, sagte sie mit ruhiger Stimme. Ich spürte, dass sie sich bemühte, mir Sicherheit zu geben. „Die nächsten Stunden sind entscheidend. Wir schauen, ob die Atmung stabil bleibt, wann er aufwacht und vor allem, wie er neurologisch reagiert.“
Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr:
„Wenn er die Augen öffnet, achten wir darauf, ob er bewusst reagiert – also ob er gezielt schaut, auf Ansprache reagiert oder vielleicht sogar schon erste Worte sagt. Diese Zeichen helfen uns einzuschätzen, ob es in der Zwischenzeit zu einer Sauerstoffunterversorgung gekommen ist und ob es möglicherweise neurologische Beeinträchtigungen gibt.“
Sie sah mir direkt in die Augen, ruhig und ehrlich:
„Wundern Sie sich bitte nicht, wenn er nach dem Aufwachen noch sehr schläfrig oder verwirrt ist – das ist völlig normal und liegt an der Sedierung. Es kann eine Weile dauern, bis er wieder ganz bei sich ist.“
Ich nickte langsam, auch wenn mir der Gedanke an mögliche Schäden wieder einen Kloß in den Hals trieb.
„Er bleibt auf jeden Fall mindestens bis morgen auf der Intensivstation“, fuhr sie fort. „Das ist bei so einem Verlauf Standard. Wir wollen sicherstellen, dass keine Komplikationen auftreten – keine Atemprobleme, kein Rückfall, keine unbemerkten neurologischen Auffälligkeiten. Wenn er sich weiterhin so gut macht wie bisher, und alles stabil bleibt, dann kann er morgen auf die Kinderstation verlegt werden.“
„Und dort?“, fragte ich vorsichtig.
„Dort bleibt er noch ein paar Tage zur Überwachung und weiteren Abklärung. Wir machen dann neurologische Untersuchungen, schauen, wie er sich motorisch und sprachlich verhält, ob er sich orientieren kann. Das ist wichtig – nicht nur medizinisch, sondern auch, um ihn gut aufzufangen und ihm die nötige Unterstützung zu geben, wenn es irgendwo hakt.“
Ich atmete langsam ein, versuchte, die vielen Informationen zu ordnen. Es war beruhigend zu wissen, dass sie so strukturiert vorgingen – mit Bedacht, mit Erfahrung. Und doch war da dieses ständige Ziehen in meinem Bauch. Diese Angst, dass noch etwas auf uns wartete, das man jetzt noch nicht sehen konnte.
„Danke, dass Sie mir das so ehrlich sagen“, murmelte ich.
Die Ärztin nickte nur. „Wir sind sehr zufrieden bis hierher, Frau Wagner. Und wir sind zuversichtlich. Aber wir bleiben wachsam.“
Ich blickte wieder auf Florian, der ruhig dalag, als würde er einfach nur tief schlafen. Ich strich ihm sanft eine Haarsträhne von der Stirn.
„Ich bei ihm“, sagte ich leise. „So lange er mich braucht.“
Die Ärztin schenkte mir ein kurzes, warmes Lächeln. „Das ist das Beste, was Sie tun können.“
Und in diesem Moment wusste ich: Das würde ich. Keine Minute, keinen Schritt, ohne dass er wusste – ich bin hier.
Mein Blick wanderte immer wieder zwischen seinem Gesicht und dem Monitor. Die Zahlen darauf hatten inzwischen fast etwas Beruhigendes – solange sie sich im grünen Bereich bewegten, war alles gut. Ich kannte inzwischen sogar einige Werte: die Herzfrequenz, die Sauerstoffsättigung, die Atemzüge pro Minute. Und ich ertappte mich dabei, wie ich sie in kurzen Abständen immer wieder prüfte, als könnte ich mit bloßem Hinsehen spüren, wie es ihm ging.
Es war ruhig auf der Station. Kein hektisches Hin und Her, keine lauten Gespräche. Von draußen war nur ein gedämpftes Stimmengewirr zu hören. Hin und wieder summte ein Monitor aus einem anderen Zimmer, doch das Pflegepersonal bewegte sich ruhig, konzentriert – fast schon wie in einem gut eingespielten Tanz.
Eine Schwester kam leise ins Zimmer, einen kleinen Wagen mit Materialien vor sich herschiebend. Ich sah auf, sie schenkte mir ein kurzes, aufrichtiges Lächeln.
„Ich schau nur kurz nach Florian“, sagte sie leise. „Ich befeuchte ihm nur kurz die Lippen – die werden nach der Beatmung schnell trocken.“
Behutsam beugte sie sich über das Bett, tauchte ein Wattestäbchen in ein kleines Gefäß mit Wasser und strich ihm vorsichtig damit über die Lippen. Fast zärtlich, mit geübten Bewegungen. Florian bewegte sich kaum, atmete ruhig weiter.
„So, das ist gleich viel angenehmer“, murmelte sie mit einem sanften Blick auf ihn, bevor sie sich wieder aufrichtete und ihre Sachen leise ordnete.
Anschließend nahm sie ein Thermometer und beugte sich über ihn. „Ich messe gleich noch Fieber im Ohr. Nur eine Sekunde.“ Auch das lief routiniert ab, ohne Eile.
„36,9 – perfekt“, murmelte sie und notierte die Werte auf einem kleinen Tablet.
Dann prüfte sie die Pupillenreaktion, hob seine Lider vorsichtig an und richtete eine kleine Lampe auf die Augen.
„Er reagiert gut auf Licht. Das zeigt uns, dass das Gehirn langsam aufwacht. Noch nicht ganz da, aber auf dem Weg.“
Ich hörte zu, sog jede Information in mich auf. Ihre Stimme war ruhig, klar, fast ein bisschen mütterlich. Und es tat gut, dass sie mir alles erklärte, statt einfach nur wortlos ihre Arbeit zu machen. Es ließ mich ein bisschen weniger hilflos fühlen.
„Wenn Sie möchten, können Sie ihn ruhig weiter berühren, mit ihm sprechen. Viele Kinder nehmen das wahr, auch wenn sie noch nicht richtig wach sind. Ihre Stimme ist das Vertrauteste, was er im Moment hat.“
Ich schluckte, lächelte schwach. „Ich lese ihm gerade aus einem alten Buch vor… das hat er von seinem Bruder bekommen.“
Die Schwester nickte. „Das ist schön. Machen Sie ruhig weiter damit. Sie tun ihm gerade sehr gut.“
Sie räumte ihre Sachen wieder zusammen, warf noch einen letzten Blick auf den Monitor, bevor sie den Wagen langsam wieder aus dem Zimmer schob.
Ich war wieder allein mit ihm. Und doch fühlte ich mich nicht mehr so allein wie vorhin. Es war gut zu wissen, dass da draußen Menschen sind, die auf ihn achten – aufmerksam, aber ohne Hektik. Die wussten, was sie taten. Und die mir das Gefühl gaben, nicht nur Zuschauerin zu sein.
Ich beugte mich wieder etwas zu Florian, strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Sein Atem war ruhig, regelmäßig. Die blasse Farbe in seinem Gesicht war einem sanften Rosa gewichen.
„Du machst das wirklich toll“, flüsterte ich. „Ich bin so stolz auf dich. Und ich bleibe hier, mein Schatz. Ich gehe nirgendwo hin.“
Wenig später kam eine andere Schwester auf leisen Sohlen ins Zimmer. Die Luft war ruhig, warm, durchzogen vom sanften Summen der Geräte und dem regelmäßigen Piepen des Monitors. Ich hob den Kopf, als sie zielstrebig zum Regal an der Wand ging und eine Windel herausholte. In ihrer Haltung lag Routine, Ruhe – und doch weckte ihre Bewegung sofort meine Aufmerksamkeit.
Sie trat zu Florian, ich stand auf, fast automatisch, spürte, wie mein Herz schneller schlug. Ich wusste nicht genau, warum – vielleicht, weil ich so gern etwas tun wollte.
„Darf ich… darf ich das machen?“, fragte ich leise. Meine Stimme war ruhig, aber meine Hände verkrampften sich ein wenig. Ich wollte ihm nah sein. Nicht nur zusehen, wie andere sich um ihn kümmerten.
Die Schwester sah überrascht auf, dann musterte sie mich kurz – nicht unfreundlich, sondern abschätzend. Vielleicht fragte sie sich, ob ich wirklich bereit dafür war.
„Eigentlich übernehmen wir das in dieser Phase“, antwortete sie ruhig. „Solange er noch nicht wach ist, sind Windelwechsel Teil der pflegerischen Überwachung.“ Sie ließ einen Moment verstreichen, dann lächelte sie leicht. „Aber wenn Sie möchten, können wir es gemeinsam machen. Ich bleibe bei Ihnen und zeige Ihnen alles.“
Ich nickte sofort, dankbar. Es war vielleicht nur ein kleiner Moment – aber für mich bedeutete es so viel.
„Wir müssen nur ein paar Dinge beachten“, sagte sie, während sie behutsam an die Arbeit ging. „Florian ist zwar extubiert, aber er ist noch nicht ganz bei Bewusstsein. Die Überwachung läuft weiter – da ist zum einen die Sättigungssonde an seinem Finger. Die misst durchgehend, wie viel Sauerstoff im Blut ist. Die bleibt dran, also bitte vorsichtig mit der Hand.“
Ich folgte ihrem Blick. Ja, ich kannte die kleine Klammer am Finger inzwischen gut – sie blinkte leise in einem warmen Rot, wie eine winzige Lampe.
„Dann haben wir noch den Zugang an der Hand – die Infusion läuft zwar gerade nicht, aber der Zugang bleibt sicherheitshalber liegen. Auch da bitte vorsichtig.“
Ich nickte, konzentriert. Ich spürte, wie meine Nervosität wich und einer ruhigen Entschlossenheit wich.
„Und er hat noch Elektroden zur Herzüberwachung am Oberkörper – die Kabel lassen wir einfach, wo sie sind.
Die Schwester legte die frische Windel auf die Ablage neben dem Bett und begann, sich ihre Handschuhe überzuziehen, als sie zu mir sah. „Möchten Sie Handschuhe, Frau Wagner? Sie können gern, aber wenn Sie sich ohne wohler fühlen, ist das in Ordnung.“
Ich zögerte nur einen Moment, dann schüttelte ich leicht den Kopf. „Nein, danke. Ich mach das lieber ohne.“
Sie nickte verständnisvoll. Kein Stirnrunzeln, keine Diskussion – nur ein ruhiges „Wie Sie möchten.“
Ich trat näher ans Bett. Das Wickeln fühlte sich merkwürdig vertraut und gleichzeitig völlig anders an – fast wie bei einem Säugling. Florian war bewusstlos, konnte sich nicht bewegen, nicht protestieren, nicht mithelfen. Und doch war es ein stiller Moment, in dem ich endlich wieder etwas für ihn tun konnte. Inmitten all der Geräte, Kabel und Unsicherheiten gab mir dieser Handgriff ein kleines Stück Vertrautheit zurück – so, wie ich es unzählige Male zu Hause gemacht hatte. Nur diesmal war alles viel zerbrechlicher, viel stiller. Und trotzdem war es tröstlich, ihm wieder ganz unmittelbar helfen zu dürfen.
Für einen Siebenjährigen war das vielleicht ungewöhnlich, für Außenstehende vielleicht sogar befremdlich. Aber für mich… war es einfach ein Ausdruck von Nähe, von Fürsorge, von Liebe.
Ich hatte vom ersten Tag an gespürt, dass Florian anders ist – besonders. Nicht im Sinne von „weniger“, sondern auf eine stille, tiefgründige Art. Ein Kind, das man nicht mit anderen vergleichen kann. Und das ich auch nie vergleichen wollte.
Für mich war er von Anfang an genau so richtig, wie er war. Und in diesem Moment, in dem ich mich um ihn kümmern durfte, so wie ich es schon unzählige Male getan hatte, fühlte ich mich ihm näher denn je.
Doch hier, in diesem Raum voller Monitore, Geräte und Kabel, war es trotzdem etwas ganz anderes. Es war nicht sein Bett im Kinderzimmer. Kein vertrautes Spielzeug, kein Kinderlachen, keine halb geöffnete Zimmertür, durch die das Leben drang. Stattdessen sterile Oberflächen, der leise Klang medizinischer Geräte, das gedämpfte Piepen des Monitors – und mein kleiner Junge, der noch immer so ruhig dalag.
Trotzdem war ich dankbar, dass ich es tun durfte. Dass ich nicht nur daneben sitzen musste, während andere sich um ihn kümmerten. Dass ich hier, inmitten all dieser Professionalität, ein Stück Alltag zurückholen durfte – so klein er auch war.
Die Schwester half mir beim Drehen, achtete darauf, dass die Sättigungssonde am Finger nicht verrutschte, dass keine Kabel unter Spannung gerieten. Ich tat, was ich kannte: sanft, behutsam, wie unzählige Male zuvor. Meine Hände arbeiteten ruhig, vertraut, fast automatisch. Und doch war mir bewusst, dass jeder Handgriff hier eine besondere Bedeutung hatte. Ich war nicht bloß Zuschauerin. Ich war wieder Mutter – nicht nur emotional, sondern auch im Tun.
Als wir ihn zurück auf den Rücken drehten und die neue Windel saß, sah die Schwester mich an. „Sehr gut gemacht“, sagte sie leise. Und ich wusste, sie meinte mehr als nur den Handgriff.
Ich ging zum Waschbecken im Zimmer, wusch mir in Ruhe die Hände und trocknete sie sorgfältig ab. Die Routine war mir vertraut – ein kurzer Moment der Ordnung inmitten all der Geräte und Kabel.
Dann setzte ich mich wieder auf den Stuhl, nahm Florians Hand in meine. Und für einen Moment fühlte sich all das hier – Krankenhaus, Monitore, fremde Welt – ein bisschen mehr nach Zuhause an.
Ich saß wieder an Florians Bett, das Buch mit den Tiergeschichten lag auf meinem Schoß. Meine Stimme war leise, ruhig, fast flüsternd – nur für ihn. Ich las langsam, Wort für Wort, wie ich es schon so oft getan hatte, und hoffte, dass meine Stimme ihm half, zurück ins Leben zu finden.
„…und als der kleine Fuchs endlich den Hügel hinaufgeklettert war, sah er, dass all seine Freunde schon auf ihn warteten. Sie hatten eine Decke ausgebreitet, Saft vorbereitet und riefen ihm zu: ‚Wir haben auf dich gewartet!‘ Der kleine Fuchs lächelte – er war nicht allein.“
Immer wieder kam jemand herein – eine Schwester, ein Pfleger, manchmal auch die Ärztin. Leise, respektvoll. Sie warfen einen Blick auf den Monitor, notierten Werte, prüften die Sättigung, den Kreislauf. Es war keine Hektik – nur ein achtsamer Rhythmus, der mich beruhigte. Jeder wusste, was zu tun war. Und doch war es für mich jedes Mal ein kurzer Stich ins Herz: ein Blick, ein Nicken, ein Piepen – würde sich etwas verändern?
Ich hatte gerade eine neue Seite aufgeschlagen, da spürte ich es. Ein feines, kaum wahrnehmbares Zucken in seiner kleinen Hand. Ich hielt den Atem an. Dann bewegte sie sich wieder – diesmal eindeutig.
Ich legte das Buch zur Seite, vorsichtig, fast wie in Zeitlupe, und beugte mich vor. Meine Hand streichelte sacht über seine Wange. „Florian?“, flüsterte ich kaum hörbar.
Und dann öffnete er die Augen. Nur einen Spalt, langsam, blinzelnd – als würde er sich orientieren müssen in einem Licht, das er nicht erwartet hatte. Er wurde unruhig, sein Kopf bewegte sich leicht. Ich hörte ein Geräusch – kein Wort, eher ein schwaches, kehliges Stöhnen, als wollte er etwas sagen, aber nicht konnte.
In mir brach etwas auf. Die Tränen, die ich so lange zurückgehalten hatte, überkamen mich mit einer Wucht, die mich fast taumeln ließ. Mein kleiner Junge. Mein Florian. Er war da. Er sah mich. Und ich… ich konnte kaum atmen vor Erleichterung.
Er schloss die Augen wieder, drehte aber den Kopf leicht zu mir. Dann sah er mich an. Direkt. Und ich spürte, wie mir die Tränen übers Gesicht liefen – nicht nur vor Freude, nicht nur vor Erleichterung. Auch vor Sorge, vor all dem, was noch kommen mochte.
Ich streichelte ihm über die Stirn, meine Stimme war kaum mehr als ein Zittern:
„Ich bin da, mein Schatz. Alles wird gut.“
Er blinzelte langsam, als würde er versuchen, sich auf meine Stimme zu konzentrieren. Ich fuhr fort, leise, ruhig, voller Liebe:
„Mama ist bei dir und passt auf dich auf.“
Seine Lippen bewegten sich wieder. „Nic… nicht…“ ganz schwach. Dann ein kratzendes Geräusch, ein Husten – kurz, rau, voller Anstrengung. Ich sah, wie er dabei vor Schmerz zusammenzuckte. Und doch versuchte er es erneut, versuchte zu sprechen, obwohl es weh tat.
Ich beugte mich weiter zu ihm hinunter, nahm seine Hand fester in meine, versuchte, ihn mit Worten zu halten.
„Es ist alles gut, Florian. Es ist alles gut.“
Meine Stimme brach, ich konnte nicht mehr dagegen ankämpfen. Er hatte Schmerzen, und dennoch kämpfte er sich zu mir zurück.
Dann hörte ich es – seine Stimme. So schwach, so kratzig, kaum mehr als ein Flüstern, aber eindeutig:
„Nn… nnich… nicht… Weggehen…“
Diese drei Worte trafen mich wie ein Stich ins Herz. Mein kleiner Junge. Er hatte Angst, und trotzdem sprach er sie aus. Für mich.
Ich schluckte gegen den Kloß in meinem Hals, beugte mich ganz zu ihm, drückte meine Stirn kurz an seine.
„Nein, mein Schatz. Mama bleibt bei dir. Ich lasse dich nicht allein.“
Er schloss langsam wieder die Augen, erschöpft. Doch sein Gesicht wirkte ruhiger, weicher.
Ich nahm seinen Panda und legte ihn ihm vorsichtig in den Arm. Ganz automatisch schlang Florian die Finger darum, zog ihn leicht zu sich. Dann rutschte sein Daumen fast wie von selbst in seinen Mund.
Er sah so verletzlich aus, so klein und friedlich – und doch hatte er mir gerade mehr Hoffnung geschenkt, als ich für möglich gehalten hätte. Mein Herz machte einen Sprung, ein warmer, heller Schlag, der all die Dunkelheit des gestrigen Tages für einen Moment verdrängte.
Ich streichelte ihm sanft über die Wange, sah, wie er an seinem Daumen nuckelte. Und ich hoffte so sehr, dass ihm genau das den Trost schenkte, den er in diesem Moment brauchte.
Ich blieb noch eine Weile an seinem Bett sitzen, streichelte ihm sacht über die Stirn, und spürte, wie sich mein Herz langsam beruhigte. Der Moment war so zart, so kostbar – ich wollte ihn festhalten, für immer einfrieren. Mein kleiner Junge war zurück. Nicht ganz, nicht vollständig wach, aber… er hatte mich gesehen. Er hatte gesprochen.
Langsam stand ich auf, streifte mir die Tränen von den Wangen und ging leise auf den Flur hinaus. Ich blickte zum Stützpunkt, wo gerade eine Schwester saß und in einen Bildschirm sah. Als sie meinen Blick bemerkte, richtete sie sich auf.
„Entschuldigung…“, sagte ich leise. „Er ist eben kurz aufgewacht. Hat die Augen geöffnet. Und… er hat versucht, etwas zu sagen.“
Die Schwester lächelte warm. „Das ist ein gutes Zeichen. Ich komme gleich.“
Ich kehrte zurück in Florians Zimmer und setzte mich wieder an seine Seite. Er lag still da, seinen Panda fest umklammert, der Daumen ruhte in seinem Mund, und seine Stirn entspannte sich wieder etwas. Ich beobachtete ihn, meinen kleinen Kämpfer. Am liebsten hätte ich ihn einfach in den Arm genommen, ihn ganz festgehalten, ihm all die Liebe und den Trost gegeben, die er gerade brauchte. Ich wünschte mir, meine Nähe könnte alles leichter machen für seine kleine Seele.
Kurz darauf trat die Schwester leise ein, blieb einen Moment an der Tür stehen und sah mit einem sanften Lächeln auf ihn hinab.
„Ein kleiner Daumenlutscher“, sagte sie mit einem freundlichen Schmunzeln, das keine Spur von Spott enthielt – eher etwas Warmes, Fürsorgliches. Ich erwiderte ihr Lächeln und wich ein wenig zur Seite, damit sie an Florian herankam.
„Ich schau jetzt einmal kurz nach ihm“, erklärte sie ruhig. „Wir kontrollieren regelmäßig Puls, Atmung, Reflexe – gerade in der ersten Zeit nach dem Aufwachen.“
Sie nahm seine Hand, prüfte die Kapillarfüllung, warf einen Blick auf den Monitor, kontrollierte die Sättigungsanzeige, die leise blinkte.
„Er ist ganz schön stabil für den ersten Tag nach der Extubation“, sagte sie. „Das spricht für eine gute Verfassung.“
Ich nickte, zögerte, dann sah ich sie an. „Er hat… er hat versucht, etwas zu sagen“, sagte ich leise. „Es klang ganz kratzig, fast nur ein Flüstern. Und dann hat er gehustet. Ich glaube, es hat ihm wehgetan…“
Die Schwester nickte verständnisvoll. „Das ist vollkommen normal“, antwortete sie ruhig. „Nach der Intubation ist der Hals gereizt – der Tubus liegt genau an den Stimmbändern, da kann es ein paar Tage lang kratzen oder auch mal schmerzen beim Sprechen oder Husten.“
Dann legte sie vorsichtig ihre Hand auf Florians Brust. „Ich schau mir kurz den Brustkorb an.“
Sie hob das kleine, weiße Krankenhaushemd an. Ich hatte es bisher nicht gewagt, darunterzuschauen – doch jetzt sah ich es.
Ein großer, dunkler Bluterguss zog sich über einen Teil seiner Brust. Ich zuckte leicht zusammen, erschrak unwillkürlich.
„Das… das hab ich noch gar nicht gesehen…“, murmelte ich, die Hand vor dem Mund.
Die Schwester nickte verständnisvoll. „Das ist von der Reanimation“, erklärte sie ruhig. „Auch das ist völlig normal. Wir drücken wir in der Mitte des Brustkorbs – und dabei kommt es zu solchen sehr großen Hämatomen.“
Ich sah sie an, meine Augen suchten in ihrem Gesicht nach irgendeinem Zeichen, dass das nichts Schlimmes war.
„Keine Sorge“, sagte sie gleich, „bei Kindern heilt das meist viel schneller als bei Erwachsenen. Ihre Knochen sind noch elastisch. Bei einem Erwachsenen kann es da schnell zu Rippenbrüchen kommen – bei Florian sieht es nicht schlimm aus.“
Ich nickte langsam, schluckte schwer. Auch wenn es mich beruhigte – der Anblick tat trotzdem weh. Aber zu wissen, dass es ein Teil seiner Rettung war… dass dieser riesige blaue Fleck Ausdruck dafür war, dass er noch hier war – das half mir.
Ich streichelte ihm sacht über die Stirn und flüsterte fast mehr zu mir selbst als zu ihr: „Mein kleiner Held…“
Die Schwester legte ihm das Hemd wieder sanft über die Brust, strich es glatt und schenkte mir ein aufrichtiges, mitfühlendes Lächeln. „Er hat viel geschafft. Und er ist auf einem guten Weg.“
Ich nickte, nahm wieder seine Hand in meine und wusste: Ich würde jeden dieser Schritte mit ihm gehen. Egal wie klein. Egal wie schwer.
Florian:
Ich spürte zuerst ein Brennen auf meiner Brust, dann einen stechenden Schmerz, der mich zusammenzucken ließ – zumindest in Gedanken, denn mein Körper fühlte sich träge und schwer an. Als würde er mir nicht ganz gehorchen. Mein Hals brannte, das Schlucken tat weh, und mein Mund war so trocken, als hätte ich tagelang nichts getrunken.
Langsam öffnete ich die Augen. Das Licht war gedämpft, aber trotzdem blendete es mich für einen Moment. Alles war verschwommen, verschwommen und fremd. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich überhaupt richtig erkennen konnte, was um mich herum war.
Zwei Frauen standen an meinem Bett. Die eine erkannte ich sofort – Annette. Meine Pflegemama. Mein Herz machte einen kleinen Sprung, auch wenn alles in mir müde war. Ihre Augen glänzten ein wenig, aber sie lächelte. Das half mir.
Die andere Frau kannte ich nicht. Sie hatte etwas Helles an – hellblaue Kleidung, die ein bisschen wie ein Schlafanzug aussah. Aber sie war erwachsen. Und sie war zu nah an meinem Bett. Ich verstand nicht, warum sie da war. Oder wo ich überhaupt war.
Ich versuchte, mich umzusehen. Alles war fremd. Das war nicht mein Zimmer. Nicht mein Bett. Es roch komisch – sauber, aber auch ein bisschen scharf. Nach irgendwas, das ich nicht kannte.
Dann kam ein Gedanke. Ich war doch mit Markus draußen gewesen. Ich sollte mit dem Traktor mitfahren… oder? Ich konnte ihn fast spüren – den großen Reifen, die kühle Metallstufe, an der ich mich festgehalten hatte. Aber… weiter kam ich nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, eingestiegen zu sein. Als würde da etwas fehlen. Einfach ausgelöscht.
„Hallo, mein Schatz. Wie geht es dir?“ Annette sprach ganz sanft. Ihre Stimme klang vertraut, aber ich konnte sie nicht ganz einordnen – als käme sie aus einem Traum.
Ich wollte etwas sagen, aber mein Mund war zu trocken. Mein Hals kratzte beim ersten Versuch zu sprechen. Doch ich brachte ein paar Worte hervor, ganz leise: „Mein Bauch… tut weh…“ Meine Stimme klang komisch. Ganz kratzig. Nicht wie meine.
Annette nickte sofort, beugte sich ein wenig zu mir. „Ja, mein Schatz. Das glaube ich dir.“
Ich spürte, dass irgendetwas an meinem Finger war. Es drückte leicht, aber nicht unangenehm. Ich wusste nicht, was es war, nur dass es da war – etwas Kaltes, Kleines. Und von meinem Körper gingen dünne Schläuche und Kabel weg, die ich nur teilweise sehen konnte.
Ich hatte ein komisches Hemd an. Es fühlte sich fremd an auf der Haut – nicht wie mein Schlafanzug, nicht wie meine Sachen. Ich konnte es nicht genau beschreiben. Ich lag einfach nur da und wusste nicht, was los war.
Ich drehte langsam den Kopf zu Annette. Ich wollte sie fragen, wo ich war. Was passiert war. Warum alles so anders war. Aber ich wusste nicht, wie. Ich hatte keine Worte. Ich wollte einfach nur, dass sie bleibt. Dass sie mich festhält. Dass sie mich beschützt.
Ich war verwirrt. Und ich hatte Angst. Ich verstand nichts – und fühlte mich so hilflos.
Die Frau in dem komischen Schlafanzug kam näher. Sie stand am Rand meines Bettes und sah mich mit ihren ruhigen Augen an. Ihre Stimme war weich, fast wie ein Flüstern.
„Hallo Florian“, sagte sie freundlich. „Ich bin Schwester Sabine. Du musst mir nicht antworten. Im Moment ist es nur wichtig, dass es dir besser geht. Deine Mama bleibt die ganze Zeit bei dir.“
Ihre Worte beruhten mich ein bisschen, auch wenn ich noch immer nicht ganz verstand, was gerade passierte. Warum ich hier war, warum alles so seltsam und fremd war. Aber Annette war bei mir. Das beruhigte mich ein wenig. Ich wollte, dass sie bleibt. Ich wollte, dass alles einfach wieder normal wird. Aber trotzdem – ich konnte mich nicht ganz entspannen. Ein kleiner Rest Angst blieb. Was, wenn sie wieder weg musste? Was, wenn sie mich hier ließ, alleine in diesem seltsamen Raum, mit den komischen Geräuschen und Gerüchen?
„Ich möchte dir jetzt eine Infusion anschließen“, sagte Schwester Sabine, als ob sie meine Gedanken lesen konnte. „Das ist ein bisschen komisch, weil es vielleicht ein wenig kalt wird am Arm.“
Ich hatte keine Lust, dass sie mir noch etwas ansteckte. Es fühlte sich komisch an, wie der Schlauch da war, als ob er etwas mit mir machte, was ich nicht wollte. Und dann spürte ich, wie sie mein Arm anfasste. Ich zuckte leicht zusammen. Ich wollte sie nicht wegstoßen, aber alles an mir fühlte sich fremd an.
Dann griff Annette hinter meinen Kopf, und was sie dann vorholte, ließ meine Gedanken für einen Moment ein kleines Stück aufhellen. Es war Pandi. Mein Pandi.
Annette drückte ihn sanft an mich. Ihr Lächeln war so vertraut, als wollte sie mir sagen: „Alles wird gut. Du bist nicht allein.“ Ich drückte meinen Kopf an ihn, schloss die Augen und atmete tief ein.
Pandi roch nach meinem Zimmer, nach Annette. Er roch nach Zuhause. Das war das erste Mal seit… ich wusste nicht, wie lange, dass ich mich nicht ganz verloren fühlte.
Ich wollte etwas sagen. Etwas, das ich nicht konnte. Stattdessen fühlte ich einfach nur das Gewicht von Pandi an meinem Gesicht und den beruhigenden Klang von Annettes Stimme. Und obwohl alles um mich herum so verwirrend war, war dieses Gefühl des Bekannten, des Vertrauten, das einzige, das ich im Moment wirklich brauchte.
Schwester Sabine beugte sich ein wenig vor und lächelte, als sie sah, wie fest ich Pandi an mich drückte. Ihre Stimme war warm und freundlich.
„Du hast aber einen richtig tollen Pandabären, Florian“, sagte sie. „Der sieht schön weich aus – fast wie neu. Ist das dein Lieblingskuscheltier?“
Ich antwortete nicht, aber ich hielt Pandi noch ein kleines Stück fester.
„Meine Tochter hat auch ein Kuscheltier“, erzählte sie weiter. „Einen Hasen. Der ist schon ganz abgegriffen, weil sie ihn überall mit hinnimmt. Und ich habe ihn schon ganz oft waschen müssen, deshalb ist er ein bisschen dünn geworden. Aber sie liebt ihn trotzdem über alles – so wie du bestimmt deinen Panda.“
Ich hörte ihr zu, sagte noch immer nichts, aber in meinem Kopf wurden Bilder wach. Ich erinnerte mich ganz genau, wie ich Pandi zum ersten Mal gesehen hatte.
Annette hatte ihn mir mitgebracht, als sie das zweite Mal da war. Ich hatte mich erst nicht getraut, ihn anzunehmen. Ich wusste nicht, ob ich durfte – ob er wirklich für mich war. Ich hatte ihn einfach nur angeschaut.
Aber Annette hatte ihn ganz vorsichtig vor mich auf die Bettdecke gestellt. aber als ich ihn dann in den Armen hielt, fühlte er sich so gut an. So warm.
Es war mein erstes Geschenk. Mein erstes eigenes Kuscheltier. Mein einziges. Aber ich brauchte auch kein anderes. Pandi war weich, er war warm, und er gehörte nur mir.
Mehr wollte ich gar nicht.
Pandi war das tollste Kuscheltier der Welt.
Schwester Sabine lächelte noch einmal sanft, bevor sie sich von meinem Bett abwandte. „Ich lasse euch einen Moment allein. Die Ärztin kommt auch bald vorbei und schaut nach dir, Florian.“ Dann war sie leise aus dem Zimmer gegangen.
Es wurde still. Nur das leise Piepen der Geräte blieb, irgendwo im Hintergrund. Annette setzte sich wieder näher zu mir und streichelte mir sanft über die Wange. Ihre Hand war warm und vertraut. Ich sah sie an. Ihre Augen waren rot und glänzten ein bisschen.
„Weißt du, was passiert ist?“, fragte sie leise.
Ich sah sie an und schüttelte ganz leicht den Kopf. Nicht viel, nur ein kleines bisschen – aber sie bemerkte es trotzdem.
Annette holte tief Luft. Dann fing sie an zu erzählen. Ihre Stimme zitterte.
„Du bist seit gestern Mittag im Krankenhaus. In Hof. Sebastian hat dich draußen gefunden…“
Sie stockte, ihre Stimme brach ab. Tränen liefen ihr über die Wangen. Ich spürte, wie mir selbst auch wieder ganz komisch wurde. Nicht, weil ich etwas verstanden hätte – ich wusste ja nicht mal, was los war – sondern weil es weh tat, sie so zu sehen. Ich wollte nicht, dass Annette weinte. Ich wollte, dass sie lachte. Oder wenigstens nicht so traurig war.
„…du warst draußen im Schnee. Nicht bei Bewusstsein. Er hat dich ins Haus getragen und…“
Sie schluchzte jetzt leise. Ich konnte nichts sagen. Ich konnte nur schauen. Und es tat weh. Alles. Innen.
„Wir haben sofort den Notruf gerufen… aber während der Krankenwagen unterwegs war… hast du aufgehört zu atmen.“
Sie streichelte mir wieder über die Wange. Ihre Hand zitterte leicht.
„Weißt du, Florian … dein Herz hat für einen Moment aufgehört zu schlagen. Das war ganz plötzlich. Zum Glück war Sebastian bei dir.
Er hat dann etwas ganz Wichtiges gemacht: Er hat dir ganz fest auf die Brust gedrückt – immer wieder, so wie man es lernt, wenn man jemandem helfen will. Damit hat er deinem Herz geholfen, wieder Blut durch deinen Körper zu schicken, bis die Ärzte da waren.
So konnte dein Herz wieder anfangen zu schlagen. Die Ärzte sagen, dass Sebastian dir damit das Leben gerettet hat. Und ich bin unendlich froh, dass er bei dir war.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mein Kopf war leer, aber mein Herz ganz schwer. Ich spürte, dass etwas ganz Schlimmes passiert war – aber ich konnte mich nicht erinnern. Es war, als wäre da eine Tür, aber sie war zu. Ganz fest.
„„Im Krankenhaus haben die Ärzte gesagt, dass dir jemand etwas gegeben hat, das deinem Körper geschadet hat“, sagte Annette sanft. „So etwas nennt man Drogen – das sind Dinge, die Erwachsene manchmal nehmen, obwohl sie sehr gefährlich sind. Für Kinder sind sie ganz besonders schlimm.
Weißt du noch irgendwas davon?“
Ich wollte nein sagen. Aber als ich es versuchte, kam nur ein Husten. Es tat weh – so weh. Ich verzog das Gesicht, versuchte, ruhig zu bleiben. Dann schaffte ich es im zweiten Anlauf. Ein ganz leises, kratziges „Nein“.
Annette nickte. „Das ist okay“, sagte sie sanft. „Wichtig ist jetzt, dass es dir besser geht.“
Sie beugte sich nach vorn, ganz nah an mein Gesicht, und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ich… wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Ich hatte solche Angst um dich, mein Schatz.“
Ich wusste nicht, warum, aber ihre Worte machten alles noch enger in meiner Brust. Ich hatte das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen. Für alles. Auch wenn ich nicht wusste, wofür.
„Es… tut mir leid…“, flüsterte ich kaum hörbar. Es war schwer, überhaupt etwas zu sagen.
Aber Annette schüttelte sofort den Kopf, ganz entschieden.
„Nein, Florian. Du kannst nichts dafür. Dafür musst du dich nicht entschuldigen.“
Dann sah sie mich an – mit einem Blick, den ich nicht vergessen werde.
„Wenn jemand eine Schuld trägt, dann ich. Weil ich nicht gut genug aufgepasst habe. Aber das passiert mir nie wieder. Nie. Ich pass auf dich auf. Versprochen.“
Ihre Stimme war jetzt ganz fest. Nicht hart, aber stark.
Ich konnte nichts mehr sagen. Ich wollte einfach nur, dass sie bleibt. Dass sie mich nicht allein lässt. Dass sie aufhört, traurig zu sein. Dass alles wieder gut wird.
Ich drückte Pandi fester an mich. Und schloss für einen Moment die Augen.
Ich spürte plötzlich dieses Gefühl – ganz kurz, fast wie ein kleiner Druck. Und dann… lief es einfach. Wie so oft. Ich konnte nichts machen. Es hörte nicht auf. Ich spürte, wie es warm wurde, hinten, unter mir. Um meinen Po herum.
Ich wusste sofort, was passiert war. Es war mir so vertraut, auch wenn ich es immer versuchte zu ignorieren. Ich hatte es nicht geschafft, aufzuhalten. Wieder nicht. Die Windel wurde dicker, schwerer, und ich spürte jedes bisschen davon. Dabei hatte ich doch gar nichts getrunken. Mein Mund war so trocken, als hätte ich Sand darin. Und trotzdem…
Ich war so müde. Müde, obwohl ich gerade erst wach war. Alles war anstrengend. Mein Kopf, mein Körper, die Stimmen, das Licht.
Ich wollte die Augen zumachen. Nur kurz. Aber ich hatte Angst – wenn ich sie wieder schloss, würde Annette vielleicht weg sein. Ich durfte sie nicht verlieren. Also zwang ich mich, die Augen offen zu halten.
Und da war sie. Sie saß immer noch neben mir, ihre Augen gerötet, aber sie lächelte, als sie sah, dass ich sie ansah. Ihre Hand legte sich auf meine – die, die auf Pandi lag. Ich drückte ihn ein kleines Stück fester.
Dann hörte ich Schritte. Zwei Frauen kamen ins Zimmer. Eine war Schwester Sabine. Die andere trug einen weißen Kittel und hatte ein freundliches Gesicht. Annette stand auf, aber sie ließ meine Hand nicht los. Ich hielt sie fest – ganz fest.
Die Frau im weißen Kittel trat näher ans Bett. Sie beugte sich leicht zu mir runter, sprach mit einer ruhigen, freundlichen Stimme:
„Hallo Florian. Ich bin die Lisa, ich bin Kinderärztin hier im Krankenhaus. Ich möchte jetzt mal nach dir schauen, okay? Du bist auf der Intensivstation im Krankenhaus in Hof, aber deine Mama bleibt die ganze Zeit bei dir.“
Ich sagte nichts. Ich fühlte mich ganz klein. Ich wollte nicht, dass sie mich anschaut. Ich wollte, dass sie einfach wieder geht. Aber sie blieb.
„Ich erkläre dir alles, was ich mache, ja? Und wenn dir etwas unangenehm ist, sagst du mir einfach Bescheid. Ich beeile mich auch.“
Ihre Stimme war freundlich. Wirklich. Sie wirkte nicht streng oder böse. Aber trotzdem… ich wollte das alles nicht. Ich mochte keine Fremden, die mich anfassten. Und ich wollte erst recht nicht, dass sie sahen, was passiert war.
Sie nahm eine kleine Lampe und leuchtete mir in die Augen. „Ich schaue mal, wie deine Pupillen reagieren, bleib einfach ganz ruhig.“ Das Licht blendete, aber ich versuchte still zu bleiben.
Dann fasste sie ganz sanft meinen Arm und fühlte an meinem Handgelenk. „Ich zähle deinen Puls, das dauert nur einen Moment.“
Sie beugte sich nochmal über mich. „Jetzt drück mal ganz fest meine Finger, so fest wie du kannst.“ Ich versuchte es. Es war schwer. Meine Hand fühlte sich schwach an.
„Sehr gut“, sagte sie leise. „Und jetzt streck mir bitte deine Zunge raus.“
Ich tat es, weil ich dachte, das ist leichter als reden. Sie nickte zufrieden. Dann wandte sie sich an Schwester Sabine. Ich verstand nicht alles, was sie sagten. Nur einzelne Wörter wie „reflexe gut“ oder „noch schläfrig“.
Und dann sagte Lisa: „Ich möchte kurz deinen Bauch abtasten, ja?“
Ich erstarrte. Ich wusste, was das bedeutete. Mein Herz klopfte schneller.
Annette streichelte mir sacht über den Kopf. „Ich bin hier, mein Schatz.“
Lisa hob langsam das Hemd an – dieses komische, viel zu große Hemd, das ich trug. Ich konnte es nicht aufhalten. Ich schämte mich. Ich spürte, wie die Windel warm und schwer unter mir lag. Ich wusste nicht, ob sie es bemerkte, ob sie es roch, ob sie es sah – aber ich hatte das Gefühl, dass alle es wussten.
Ich schaute weg, presste meine Lippen aufeinander und versuchte, ganz still zu bleiben. Ich wollte am liebsten verschwinden. Einfach weg sein.
Lisa tastete vorsichtig meinen Bauch ab, sprach dabei leise mit Annette, nicht mit mir. Ich hörte ihre Stimme, aber ich hörte nicht mehr zu. Ich wollte nur, dass es vorbei ist.
Als sie fertig war, zog sie das Hemd wieder glatt. Ihre Augen waren freundlich, ihre Stimme leise. „Das hast du ganz toll gemacht, Florian. Ich bin gleich wieder weg, du darfst dich weiter ausruhen.“
Ich nickte nicht. Ich sagte nichts. Ich drückte nur Pandi fest an mich. So fest ich konnte. Und hoffte, dass sie jetzt einfach wieder gehen.
Schwester Sabine war noch einen Moment geblieben, nachdem die Ärztin gegangen war. Ich lag ganz still, den Blick auf Pandi gerichtet, als hätte ich mich in ihn verkrochen. Ich hörte nicht genau hin, was die Erwachsenen sagten, aber als ich den Namen Florian hörte, spitzte ich automatisch die Ohren.
„Florian braucht eine frische Windel“, sagte Schwester Sabine mit ruhiger Stimme zu Annette. „Wollen wir das wieder zusammen machen?“
Ich wagte es nicht, aufzusehen. Ich wusste ja, dass sie es bemerkt hatten. Wie auch nicht. Es war warm und schwer und ich hatte es gespürt – und jetzt wussten es alle. Ich schämte mich. Am liebsten hätte ich mich unter der Decke versteckt.
Annette antwortete leise: „Ja, auf jeden Fall. Ich kann das auch alleine machen.“
Ich spürte, wie sehr ich das wollte. Dass nur sie es machte. Nicht noch jemand Fremdes. Nicht vor anderen.
Aber Schwester Sabine blieb ganz ruhig. „Das glaube ich Ihnen“, sagte sie freundlich. „Aber ich muss in jedem Fall dabei sein. Ich muss auch seine Ausscheidungen kontrollieren und schauen, wie seine Haut im Windelbereich aussieht – das gehört hier auf der Intensivstation einfach dazu. Und beim Wickeln können auch schnell mal Sensoren oder Kabel verrutschen.“
Ich verstand nicht jedes Wort, aber genug, um zu wissen, dass ich mich nicht wehren konnte. Dass ich es einfach über mich ergehen lassen musste. Wieder etwas, das ich nicht beeinflussen konnte. Ich klammerte mich noch fester an Pandi und wünschte mir, dass es schnell vorbei ging. Ich wusste, dass Annette vorsichtig war, dass sie alles tat, damit es mir gut ging. Aber die Vorstellung, dass jemand zusah… war schlimm. Einfach nur schlimm.
Annette und Schwester Sabine redeten noch kurz miteinander, leise, aber ich wusste trotzdem, worum es ging. Um mich. Um die Windel. Ich drückte Pandi ganz fest an mich und hoffte, dass es irgendwie schnell vorbei ging. Mein Gesicht war heiß, obwohl mir gar nicht warm war. Ich wollte einfach nur verschwinden.
„So, Florian“, sagte Schwester Sabine ganz ruhig, als sie sich neben das Bett stellte. „Wir machen jetzt die Windel frisch, ja? Deine Mama ist ja bei dir, und ich helfe nur ein bisschen mit, damit alles gut geht.“
Ich nickte nicht. Ich sagte nichts. Ich lag einfach nur da, still, mit pochendem Herz. Meine Augen waren auf Pandis Ohr gerichtet. Ich wollte nicht hinsehen. Nicht hören. Nur dass es endlich vorbei ist.
Annette sprach auch mit mir, ganz leise. „Ich bin da, mein Schatz. Es ist alles gut.“
Ich hörte, wie die Handschuhe knisterten, wie etwas aus einer Verpackung geholt wurde. Ich hätte mich am liebsten unter der Decke versteckt. Ich wusste, dass sie es gleich sehen würden. Wie nass es war. Dass ich nichts sagen konnte. Nichts tun konnte. Ich fühlte mich so klein. Noch kleiner als sonst.
„Weißt du, Florian“, sagte Schwester Sabine plötzlich, als sie vorsichtig das Hemd anhob – nicht ruckartig, sondern langsam, behutsam, als wollte sie mir zeigen, dass nichts Schlimmes passiert. „Hier auf der Station tragen ganz viele Kinder Windeln. Auch große Kinder. Das ist hier überhaupt nichts Ungewöhnliches.“
Ich glaubte ihr nicht. Nicht wirklich. Sie sagte das bestimmt nur, damit ich mich nicht so schlecht fühlte. Aber große Kinder in Windeln? Das klang falsch. Peinlich. Ich biss mir auf die Lippe.
„Und weißt du was?“, fuhr sie fort, während sie vorsichtig die Seiten der Windel löste. „Manche Erwachsenen hier tragen auch Windeln. Wenn sie ganz krank sind oder sich nicht bewegen können. Das ist hier völlig normal.“
Ich spürte, wie mein Gesicht noch heißer wurde. Erwachsene in Windeln… das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich war mir sicher, dass sie das nur sagte, um mich zu beruhigen. So wie Erwachsene das eben tun. Aber ich sagte nichts. Ich wollte nicht widersprechen. Ich wollte gar nichts sagen.
„Du bekommst im Moment ganz viel Flüssigkeit über die Infusion, Florian“, erklärte sie weiter. „Und deshalb musst du auch ganz oft pullern. Da kann dein Körper gar nichts dafür. Das ist einfach so.“
Ich spürte, wie die nasse Windel weggenommen wurde. Die Luft auf meiner Haut war plötzlich kühl, was mich noch kleiner fühlen ließ. Ich hielt Pandi so fest ich konnte. Ich wollte, dass es vorbei ist. Dass niemand mehr über Windeln redet.
„Deine Haut sieht gut aus“, sagte Schwester Sabine. „Keine Rötungen. Das ist prima.“
Annette strich mir währenddessen sanft über den Kopf. Ich spürte, wie vorsichtig sie dabei war, wie sehr sie versuchte, mir Halt zu geben.
Als die neue Windel zugemacht wurde, war ich erleichtert. Ich fühlte mich immer noch komisch – aber nicht mehr ganz so ausgeliefert.
„Fertig“, sagte Schwester Sabine schließlich, zog mir das Hemd wieder über den Bauch und lächelte. „Du hast das richtig gut gemacht, Florian. Danke, dass du so tapfer warst.“
Ich antwortete nicht. Aber ich war froh, dass es vorbei war. Ich zog Pandi ganz dicht an mich und schloss die Augen – nicht zum Schlafen, sondern weil ich die Welt einfach einen Moment lang nicht mehr sehen wollte.
Annette:
Nachdem Schwester Sabine und ich ihn gemeinsam frisch gemacht hatten, deckte ich ihn wieder vorsichtig zu. Sie lächelte mir zu, leise und warm, dann sagte sie: „Ich lass euch jetzt wieder alleine.“
Ich nickte dankbar. Florian hatte währenddessen die Augen geschlossen gehalten. Ob aus Müdigkeit oder Scham, ich wusste es nicht genau. Vielleicht beides.
Als die Schwester gegangen war, blieb ich noch einen Moment stehen und sah auf ihn hinab. Sein kleiner Körper, eingebettet in all die Schläuche, Monitore und die weiße Krankenhausbettwäsche – und doch wirkte er endlich wieder ein Stück lebendig. Ich konnte kaum beschreiben, wie erleichtert ich war, ihn so zu sehen. Atmend. Lebendig. Da.
Es ging ihm den Umständen entsprechend gut – zumindest körperlich. Aber innerlich?
Ich setzte mich wieder auf den Stuhl neben seinem Bett und fuhr ihm ganz sacht mit den Fingern über die Stirn. Mein Herz war noch immer schwer. So viel war passiert. Zu viel für ein einziges Kind.
Er hatte schon so viel tragen müssen: die Vernachlässigung durch seine leiblichen Eltern, das unsichere Leben bei Diana, und dann plötzlich zu uns – in eine neue Familie, ein neues Zuhause, mit all der Hoffnung, dass jetzt endlich alles besser werden würde.
Und gerade, als er angefangen hatte, ein kleines bisschen aufzutauen, Vertrauen zu fassen, kam das hier.
Ich dachte an die Worte der Ärzte, an die bittere Wahrheit, dass er vermutlich nie volle Kontrolle über seine Blase haben wird. Und wie tapfer er das alles erträgt. Wie oft er einfach still bleibt, weil er niemanden belasten will. Und jetzt dieser furchtbare Vorfall… als ob all die Last, die er schon trug, noch nicht schwer genug wäre.
Dabei sollte es ihm doch besser gehen. Bei uns. Ich hatte mir so gewünscht, ihm ein Zuhause zu geben. Liebe. Geborgenheit. Etwas, worauf er bauen kann.
Und jetzt das.
Ich wusste nicht, wie ich das je wieder gutmachen könnte. Ob man so etwas überhaupt wiedergutmachen kann.
Aber ich wusste eines: Ich werde es versuchen. Jeden Tag. Mit allem, was ich habe.
Er war mein Kind. Auch wenn kein Blut uns verbindet. Er war mein Junge.
Als ich mich wieder auf meinem Stuhl niederließ, öffnete er die Augen. Ganz langsam.
Die dunklen Ringe unter seinen Augen verrieten, wie erschöpft er war. Und doch war da dieser Blick – wach, vorsichtig, ein wenig scheu, aber klar.
Und mein Herz wurde leicht in diesem Moment. Einfach nur, weil er mich ansah. Weil er da war.
Ich strich Florian sanft über die Stirn und lächelte ihn an. „Jetzt hast du es erstmal geschafft, mein Schatz.“ Meine Stimme war leise, fast ein Flüstern. Ich griff nach dem kleinen Buch mit den Tiergeschichten, das ich von zu Hause mitgebracht hatte – das gleiche, aus dem ich früher auch Sebastian vorgelesen hatte.
„Soll ich dir ein bisschen daraus vorlesen?“
Sein Blick war müde, aber klar. Ein ganz leichtes Nicken gab mir die Antwort. Ich klappte das Buch auf und begann von vorne.
> „Im tiefen Wald lebte ein kleiner Dachs, der sehr gerne sammelte. Jeden Tag durchstreifte er den Wald und suchte nach besonderen Dingen – glitzernde Steine, bunte Federn und kleine, runde Zapfen. Eines Tages fand er etwas, das er noch nie zuvor gesehen hatte: eine kleine, goldene Glocke. Sie lag ganz allein unter einem Farn. ‚Wer die wohl verloren hat?‘, murmelte der Dachs und hob sie vorsichtig auf.“
Ich las ruhig weiter, ließ meine Stimme ein wenig absinken bei den spannenden Stellen, hob sie bei den lustigen, so wie ich es immer gemacht hatte. Florian hatte sich nicht bewegt, aber nach der ersten Seite sah ich, wie er seinen Daumen in den Mund nahm und die Augen schloss.
Ich las weiter. Nicht für ihn allein, sondern auch ein bisschen für mich. Es tat gut, wieder in etwas Vertrautes zu schlüpfen – für einen Moment Normalität in all dem Chaos.
Als ich das erste Kapitel beendet hatte, schloss ich das Buch leise und beugte mich vor, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben.
Er schlief so friedlich. Sein Gesicht war ganz entspannt, der Atem ruhig. Ich hätte am liebsten einfach dort sitzen bleiben wollen, ihn weiter ansehen, seine Hand halten, wie ein stiller Wächter. Aber ich musste etwas essen. Und ich musste mit Markus und Sebastian sprechen. Sie verdienten es zu wissen, wie es Florian ging.
Ich stand leise auf, warf noch einen letzten Blick auf ihn, als ich durch den offenen Durchgang ging. Er lag ganz ruhig, hatte sich kaum bewegt. Ich ging auf Zehenspitzen weiter, um ihn nicht zu stören.
An der Überwachungsstation stand wieder Schwester Sabine. Sie sah mich sofort. Ihr Blick war wachsam, aber freundlich.
„Braucht Ihr Sohn etwas?“, fragte sie aufmerksam.
Ich schüttelte leicht den Kopf. „Nein, er ist eingeschlafen. Ich möchte schnell etwas essen und kurz telefonieren, dann bin ich wieder da. Sollte etwas sein – meine Nummer haben Sie ja im System.“
„Ja, klar“, antwortete sie und nickte. „Wenn etwas ist, melden wir uns sofort.“
Ich bedankte mich leise und machte mich auf den Weg nach unten. In der Cafeteria herrschte das übliche Krankenhausgewusel. Menschen mit Tabletts, die in Eile waren, kurze Gespräche am Rande, das Summen der Kaffeemaschine. Ich holte mir eine Kleinigkeit – etwas Warmes, nichts Schweres – und aß hastig, ohne wirklich zu schmecken. Mein Kopf war noch immer bei Florian.
Dann ging ich zurück auf die Kinderstation, in das kleine Zimmer, das mir dort zugewiesen worden war. Es war ruhig, fast unheimlich still nach dem Trubel unten. Ich setzte mich aufs Bett und wählte Markus’ Nummer.
Es dauerte nur zwei Töne. „Hallo, mein Schatz. Wie geht es Florian?“ Seine Stimme war angespannt. Ich konnte seine Sorge durch das Telefon fast greifen.
„Es geht ihm besser. Er war bis eben wach. Er ist erschöpft, aber ansprechbar gewesen. Die Ärztin hat gesagt, dass er sehr gut reagiert. Den Rest sehen wir in den nächsten Stunden… aber im Moment schläft er wieder.“
Am anderen Ende atmete Markus hörbar durch.
„Konnte er sich an etwas erinnern? Hat er was von Pierre erzählt?“
Ich schüttelte den Kopf, obwohl er es nicht sehen konnte. „Nein… aber er konnte kaum sprechen. Es ist alles noch sehr anstrengend für ihn.“
„Sebastian hat inzwischen mit Pierres Mutter telefoniert“, erzählte Markus. „Sie behauptet, sie weiß nicht, wo er ist… aber sie will auch nicht glauben, dass er etwas damit zu tun hat.“
Ich sagte nichts.
„Sebastian glaubt ihr nicht“, fügte er leiser hinzu. „Sie hat die ganze Zeit nicht ein einziges Mal ihre Sorge um Pierre erwähnt. Er ist sich sicher, dass sie weiß, wo er ist… und ihn nur schützt.“
„Ich weiß nicht …“, sage ich leise, fast mehr zu mir selbst als zu Markus. „Ich weiß nicht, ob ich anders reagieren würde, wenn ich Pierrs Mutter wäre.“
Ich lasse den Satz kurz im Raum stehen, blicke zur Tür, als könnte sie mir eine Antwort geben.
„Als Mutter versucht man, sein Kind zu schützen. Das ist doch … instinktiv, oder?“ Ich schlucke schwer. „Aber ist das auch noch so, wenn der eigene Sohn etwas so Schlimmes getan hat? Wenn er einem anderen Kind so etwas angetan hat?“
Meine Stimme zittert leicht. Ich ziehe die Beine an mich heran, stütze das Kinn auf die Knie und starre auf die blasse Bettdecke.
„Wie muss es für sie sein?“, murmele ich. „Zu wissen, dass das eigene Kind Leid gebracht hat. Dass sein Name auf einmal in einem Atemzug mit Schmerz genannt wird.“
Ich spüre einen Stich in der Brust. Vielleicht, weil ich weiß, dass ich nicht urteilen darf. Oder weil ich es trotzdem tue. Weil ich als Mutter sofort bei Florian war, ohne zu zögern. Weil ich mit aller Kraft versuche, ihn zu halten, während ihr Sohn ihm die Welt unter den Füßen weggezogen hat.
Aber was ist, wenn sie genau das jetzt auch tut – kämpfen, festhalten, verstehen wollen, was nicht zu verstehen ist?
Ich presste die Lippen zusammen. Ich wusste nicht, ob ich wütend oder einfach nur müde war. Vielleicht beides. Aber was auch immer noch auf uns zukam – gerade jetzt zählte nur Florian. Und dass er wieder bei uns war.
„Wie geht es Sebastian?“, fragte ich, während ich mich auf dem Bett im Eltern-Kind-Zimmer zurücklehnte.
Markus seufzte leise. „Er ist auf dem Weg zur Polizei. Er hat gemeint, dass er so einen… Ahr-Teck oder so am Schlüsselbund von seinem Auto hat und ganz vergessen hat, dass er damit sein Autoschlüssel orten kann.“
Ich runzelte die Stirn, musste aber kurz schmunzeln. „Du meinst einen AirTag, Schatz.“
„Ja, genau“, antwortete Markus. „Irgendwas mit Technik halt. Er klang jedenfalls entschlossen – ich glaube, er hat wirklich Hoffnung, dass sie dadurch vielleicht rausfinden, wo Pierre ist.“
Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte. „Ich bin echt gespannt. Hoffentlich geht alles gut … und hoffentlich bleibt das, was er getan hat, nicht einfach folgenlos. Es gibt noch so viele offene Fragen.“
„Ja.“ Markus’ Stimme klang angespannt. „Ich hab ihm gesagt, er soll sich melden, wenn er wieder auf dem Weg nach Hause ist. Und, dass er auf sich aufpassen soll.“
„Gut“, sagte ich leise. „Das ist wichtig. Wir müssen jetzt echt vorsichtig sein… mit allem.“ Ich hielt kurz inne, dann fügte ich hinzu: „Ich will jetzt noch schnell mit Elke telefonieren, sie auf den aktuellen Stand bringen.“
„Mach das“, antwortete Markus. „Ruf mich später nochmal an, ja? Und grüß Florian, wenn er wach wird.“
„Mach ich. Ich liebe dich.“
„Ich dich auch.“
Ich legte auf, ließ das Handy einen Moment in der Hand ruhen, dann atmete ich tief durch. Die Gedanken an Sebastian, die Polizei, Pierre – sie lagen schwer auf mir. Aber jetzt musste ich zuerst mit Elke sprechen. Sie machte sich bestimmt auch große Sorgen.
Ich öffnete das Telefonbuch in meinem Handy und wählte ihre Nummer. Ein kurzes Freizeichen, dann nahm sie schon ab.
„Annette, hallo.“ Ihre Stimme klang ruhig, aber ich hörte das Mitgefühl darin.
„Hallo Elke“, sagte ich leise. „Ich wollte dich kurz auf den aktuellen Stand bringen.“
„Ja, sehr gerne. Wie geht es Florian?“
Ich atmete einmal tief durch. „Er hat die Nacht gut überstanden. Heute Vormittag war er kurz wach – richtig wach, nicht nur für ein paar Sekunden. Er war sehr erschöpft, aber ansprechbar. Die Ärztin meinte, er reagiert gut, und wenn sich alles weiter stabil entwickelt, kann er vielleicht morgen auf die normale Kinderstation verlegt werden.“
„Das ist wirklich eine Erleichterung zu hören“, sagte Elke. Ihre Stimme blieb professionell, aber ich hörte das ehrliche Mitfühlen. „Ich hatte mir wirklich große Sorgen gemacht.“
„Wir auch“, sagte ich leise. Ich presste die Lippen aufeinander. „Es war knapp, Elke. Sehr knapp. Und er hat noch einige Untersuchungen vor sich, das ist mir klar. Aber er lebt. Und er ist nicht allein.“
„Das ist das Wichtigste“, antwortete sie ruhig.
Einen Moment war es still, dann fragte ich vorsichtig: „Elke … was heißt das jetzt eigentlich für uns? Für unsere Elternschaft mit Florian?“
Meine Stimme klang fremd in meinen Ohren. Als hätte ich Angst, die Frage zu laut zu stellen – aus Furcht, dass dann eine Wahrheit zu hören wäre, die ich nicht ertragen konnte.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie antwortete. Ruhig, wie sie immer war.
„Annette … ich wünschte, ich könnte dir einfach sagen: nichts ändert sich. Aber das wäre gelogen.“
Ich spürte, wie mein Magen sich zusammenzog.
„Was heißt das?“
„Dass das Jugendamt sich das Ganze anschauen wird. Dass man Fragen stellen wird. Und das ist nicht persönlich gemeint, wirklich nicht. Aber bei so etwas Schlimmem – und das war es, was passiert ist – geht man immer sicher. Man prüft, ob alle Schutzmaßnahmen gegriffen haben. Ob alles getan wurde. Auch, wenn ihr alles richtig gemacht habt.“
Ich atmete flach. Es fühlte sich an, als würde der Boden unter meinen Füßen bröckeln. „Heißt das, dass sie ihn uns wegnehmen könnten?“
Sie schwieg kurz. „Ich halte das nicht für wahrscheinlich“, sagte sie dann. „Aber ja – es kann sein, dass ihr Gespräche führen müsst. Dass jemand genauer hinschaut. Das ist Teil des Systems. Florian ist ein Pflegekind – da gelten andere Maßstäbe. Und ich weiß, wie unfair das ist.“
Ich sah auf meine Hände hinunter. Die Finger zitterten leicht.
„Wir … wir haben doch alles getan, was wir konnten“, flüsterte ich.
„Das habt ihr. Und das wird auch gesehen. Aber es ist trotzdem schwer, ich weiß.“
Ihre Stimme war nun noch leiser. „Du liebst ihn. Das merkt jeder. Und das ist euer größter Schutz in all dem. Glaub mir.“
Ich konnte nicht sprechen. Der Kloß in meinem Hals war zu groß. Aber sie ließ mir den Raum.
„Wenn du willst, begleite ich euch durch das Ganze. Ich lasse dich da nicht allein drin stehen.“
Ich schloss die Augen und nickte. „Danke“, flüsterte ich nur.
„Ich hab morgen früh ein Gespräch mit meinen Vorgesetzten“, sagte sie schließlich. Ihre Stimme war ruhig, aber ich hörte den Nachdruck darin. „In eurer angelegenheit. Wir müssen das alles nochmal durchgehen – was bekannt war, ob was übersehen wurde, wie so etwas passieren konnte.“
Ich schwieg. Nicht, weil ich nichts zu sagen hatte – sondern weil ich nicht wusste, ob ich es überhaupt hören wollte. Ich wusste, dass sie nichts dafür konnte. Und trotzdem fühlte es sich an, als hätte uns das System im Stich gelassen. Florian. Uns alle.
Elke fuhr fort, ganz ruhig: „Ich werde sagen, was gesagt werden muss. Dass ihr gehandelt habt. Dass ihr Verantwortung übernommen habt. Dass das hier keine Frage von Schuld ist, sondern von Fürsorge.“
Ich atmete zittrig ein. „Und … was bedeutet das für uns? Also für uns als Pflegeeltern? Kommt da was auf uns zu?“
„Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht“, antwortete sie offen. „Deshalb ist das Gespräch morgen so wichtig. Ich will versuchen, gleich von Anfang an Klarheit reinzubringen – damit ihr nicht noch tagelang in der Luft hängt.“
Ihre Worte taten gut. Nicht, weil sie alles besser machten, sondern weil sie ehrlich waren. Ohne Umwege.
„Ich melde mich gleich danach bei dir“, fügte sie hinzu. „Versprochen. Ich will nicht, dass du noch länger im Dunkeln sitzt, Annette.“
Ich nickte wieder stumm. „Danke … dass du da bist“, murmelte ich.
„Immer“, sagte sie. Und es klang nicht wie ein Versprechen – sondern wie etwas, das längst selbstverständlich war.
„Du wirst das schaffen“, sagte Elke plötzlich. Sanft, fast flüsternd. „Weil du nicht nur mit dem Herzen bei ihm bist – sondern auch mit klarem Blick. Und das ist selten. Glaub mir.“
Ich hielt das Handy noch eine Weile ans Ohr, auch als sie schon aufgelegt hatte. Einfach, um nicht gleich wieder allein mit meinen Gedanken zu sein.
Sebastian:
Ich saß hinter dem Steuer vom Wagen meiner Eltern, den Blick auf die Straße gerichtet, während mein Herz irgendwo zwischen Wut, Enttäuschung und einem verdammten Rest von… ich weiß nicht… Hoffnung schlug. Hoffnung, die da eigentlich keinen Platz mehr haben durfte.
Auf dem Beifahrersitz lag mein Handy, das Display hell – die Ortung war aktiv. Der AirTag, den ich vor Monaten an meinem Autoschlüssel befestigt hatte, blinkte auf der Karte. Ein kleiner grauer Punkt – und daneben der Straßenname: Röntgenstraße 87, Industriegebiet Neu-Hagenfeld.
Ich kannte die Gegend nicht. Irgendein Industrieviertel am Rand von München. Ich war dort noch nie gewesen. Aber genau dort, genau dort, schien sich mein Autoschlüssel – und damit vermutlich Pierre – gerade zu befinden.
Meine Finger umklammerten das Lenkrad fester. Ich hatte der Polizei schon Bescheid gesagt, war auf dem Weg zur Wache, wie vereinbart. Aber in mir tobte etwas.
Pierre hatte meine Nummer blockiert. Einfach so. Kein Gespräch. Keine Entschuldigung. Kein Versuch, irgendwas zu erklären. Ich dachte, ich hätte ihn gekannt. Ich dachte, wir hätten…
Ich schüttelte den Kopf. Nein. Ich durfte jetzt nicht in diese Gedanken abrutschen.
Florian.
Ich sah ihn vor mir – klein, zart, viel zu still, wie er da im Schnee lag. Was hätte alles passieren können, wenn ich ihn nicht gefunden hätte? Wenn wir nicht rechtzeitig den Notarzt gerufen hätten?
Wie konnte Pierre ihm das antun? Wie konnte er mir das antun?
Ich wollte ihn finden. Nicht nur, weil ich ihn sehen wollte – sondern weil ich Antworten wollte. Ich wollte ihm ins Gesicht schreien, was ich von ihm und seiner verdammten Aktion hielt. Ich wollte wissen, ob er auch nur ansatzweise begriffen hatte, was er da getan hatte. Ob ihm klar war, wie leicht Florian hätte sterben können.
Und trotzdem… trotz all der Wut, trotz des Ekels vor dem, was er getan hatte…
War da noch etwas. Ein Schatten in mir, der sich nicht einfach abstellen ließ. Ich hasste das. Ich hasste mich dafür. Für dieses Flackern von Gefühl, das sich nicht einfach ausknipsen ließ.
Aber ich wusste, dass es nichts mehr zu retten gab. Keine Entschuldigung, kein Gespräch würde das je wieder gutmachen.
Trotzdem… ich musste ihn sehen. Ich musste ihm in die Augen sehen. Und ich musste wissen, ob er noch der Mensch war, in den ich mich einmal verliebt hatte – oder ob das alles nur eine Lüge gewesen war.
Ich fuhr weiter, durch den dichten Verkehr Hofs, dem Polizeirevier entgegen.
Die Tür der Polizeiwache glitt mit einem kaum hörbaren Surren auf, und ich trat ein, sofort erfasst von dieser eigentümlichen Mischung aus kühler Sachlichkeit und trister Routine. Der Flur war still, nur das Klicken einer Tastatur hinter der Glasscheibe am Empfang durchbrach die Stille.
Ich ging zügig auf den Tresen zu, mein Handy noch immer in der Jackentasche, der graue Punkt auf der Karte war inzwischen fast eingebrannt in mein Gedächtnis. Ich wusste, was ich sagen wollte, aber mein Hals fühlte sich trocken an.
Hinter dem Tresen saß ein Polizist, etwa Ende fünfzig, graues, kurz geschnittenes Haar, ein Gesicht, das bestimmt schon hunderte solcher Gespräche geführt hatte. Ruhe lag über ihm wie eine zweite Haut – so eine stoische Gelassenheit, die wahrscheinlich mit der Dienstzeit wächst. Er hob den Kopf, als ich vor ihm stehen blieb, legte aber nicht sofort das, was er gerade tippte, beiseite.
„Hallo, ich möchte zu Hauptkommissarin Lehmann. Ich habe vorhin mit ihr telefoniert.“
Sein Blick war kurz, aber nicht unfreundlich. Er nickte, griff zum Telefonhörer und wählte mit einer Ruhe, die in völligem Kontrast zu meinem inneren Zustand stand. Ich wollte, dass es endlich losging. Dass jemand reagierte. Dass wir endlich etwas tun.
„Frau Lehmann?“, sagte er nach ein paar Sekunden ins Telefon. Dann sah er mich an.
„Hier ist ein junger Mann… Herr…“
„Wagner“, sagte ich schnell.
„…Herr Wagner. Er sagt, Sie haben mit ihm telefoniert.“
Ein kurzes, zustimmendes Brummen von ihm, er nickte. „Bis dann.“ Dann legte er den Hörer auf, langsam, als hätte er alle Zeit der Welt.
Er sah mich ruhig an. „Herr Wagner, nehmen Sie bitte Platz. Man wird Sie gleich abholen.“
Er zeigte mit ausgestrecktem Finger auf eine kleine Sitzgruppe in der Ecke des Raums – vier graue Kunststoffstühle um einen niedrigen Tisch, auf dem ein paar zerlesene Broschüren lagen. Die Stühle sahen aus, als würden sie nie benutzt und dabei doch schon seit Jahrzehnten dort stehen.
Ich nickte wortlos und ging hinüber. Setzte mich. Der Stuhl war genauso unbequem, wie er aussah. Hart. Kühl.
Ich verschränkte die Hände ineinander und versuchte, mein Bein stillzuhalten. Es wippte trotzdem. Ich fühlte das Adrenalin in meinen Adern – diese Mischung aus Wut, Nervosität und einer rastlosen Ungeduld, die mich fast zerriss.
Mein Blick blieb an der Glastür zum Flur hängen. Ich starrte sie an, als könnte ich sie mit Willenskraft dazu bringen, sich zu öffnen.
Pierre war da draußen. Irgendwo in diesem Industriegebiet, irgendwo in dieser verdammten Stadt. Und ich war hier. Wartend. Mit allem, was ich ihm zu sagen hatte, direkt unter der Oberfläche. Bereit, hochzubrechen.
Es vergingen bestimmt fünfzehn Minuten, in denen ich nervös auf diesem viel zu harten Plastikstuhl saß, bevor sich endlich etwas rührte. Die Tür öffnete sich leise, und ein junger Polizist trat ein. Vielleicht Mitte zwanzig, schmal, mit einer Brille und kurzen, ordentlichen Haaren. Er sah freundlich, aber konzentriert aus.
„Herr Wagner?“
Ich stand sofort auf. „Ja.“
„Ich bin Herr Schröder, Polizeikommissar. Kommen Sie bitte mit.“
Sein Ton war höflich, aber zügig – und das passte mir ganz gut. Ich wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Er führte mich durch einen langen Flur, vorbei an geschlossenen Türen, aus denen vereinzelt Stimmen drangen. Wir bogen ab, dann noch einmal, bis wir vor einer grauen Tür mit einem kleinen Namensschild standen. Besprechungsraum 2.
Herr Schröder öffnete die Tür und ließ mir den Vortritt.
Der Raum war schlicht, aber nicht leer. Ein langer Tisch mit sechs Stühlen, an der Wand eine große Karte von Hof – markiert mit Nadeln und Klebezetteln. Daneben ein Whiteboard, das mit verschiedenfarbigen Markern beschriftet war. An der gegenüberliegenden Wand waren dutzende A4-Blätter befestigt – Fotos von Gesichtern, Namen, Daten. Ich trat etwas näher, musterte sie im Vorbeigehen. Es waren Fahndungsfotos. Menschen, die vermutlich gesucht wurden – aber Pierre war nicht dabei.
Der Raum roch nach abgestandenem Kaffee und irgendwie nach Papier. Es war kühl, die Heizung schien nicht zu laufen.
Ich setzte mich an den Tisch, als Herr Schröder mir mit einem Nicken bedeutete, Platz zu nehmen. Ich ließ den Blick noch einmal über die Bilder an der Wand wandern, als sich erneut die Tür öffnete.
Hauptkommissarin Lehmann betrat den Raum, begleitet von einem älteren Kollegen mit ruhiger Miene, breitem Kreuz und einem Laptop unter dem Arm.
„Herr Wagner“, begrüßte sie mich, reichte mir die Hand. „Schön, dass Sie so schnell gekommen sind.“
Ich nickte. „Ich danke Ihnen, dass Sie mich empfangen.“
Sie setzte sich direkt gegenüber von mir, ihr Kollege stellte den Laptop auf und klappte ihn auf. „Das ist Kollege Huber, IT-Spezialist unserer Einheit.“
Ich nickte ihm kurz zu. Er nickte zurück, sagte aber nichts.
„Sie sagten am Telefon, Sie hätten einen AirTag an Ihrem Autoschlüssel befestigt?“, fragte Kommissarin Lehmann.
„Ja.“ Ich zog mein Handy aus der Jackentasche, entsperrte es mit einem Daumenwisch und öffnete die Wo ist?-App. Ich drehte das Display zu ihr. „Hier… das ist die aktuelle Position. Der Tag bewegt sich nicht. Seit fast zwei Stunden ist er an derselben Stelle – Röntgenstraße 87, Industriegebiet Neu-Hagenfeld in München.“
Lehmann beugte sich etwas vor, betrachtete das Display einen Moment. Dann sah sie zu Herrn Huber.
„Können wir das übernehmen?“
Der nickte knapp. „Ich kann die Koordinaten sichern und einen Einsatz weiterleiten.“
„Das Auto gehört Ihnen?“, fragte sie weiter.
„Ja. Also… offiziell meinem Vater, aber ich bin der Hauptnutzer. Pierre hatte es einfach, nachdem wir…“ Ich stockte. „Er hat es einfach genommen. Ich habe ihn seit dem so oft versucht zu erreichen.“
Sie sah mich ernst an. „Wir können davon ausgehen, dass sich Pierre derzeit an diesem Ort oder in der Nähe aufhält. Wir werden umgehend eine Streife in das Gebiet schicken und, wenn möglich, ihn zum Gespräch bringen – oder in Gewahrsam nehmen, wenn sich der Verdacht erhärtet.“
Ich schluckte. Mein Herz schlug schneller. Es fühlte sich an, als würde jetzt wirklich etwas passieren. Endlich.
„Gibt es für mich irgendetwas, das ich tun kann?“
„Im Moment nicht“, sagte sie ruhig. „Aber wir halten Sie auf dem Laufenden. Sie haben etwas sehr Wichtiges beigetragen, Herr Wagner.“
Ich war schon fast an der Tür, als ich stehen blieb. Irgendetwas ließ mich nicht gehen. Ich drehte mich langsam um, mein Blick suchte den von Hauptkommissarin Lehmann.
„Darf ich… darf ich noch etwas fragen?“, hörte ich meine eigene Stimme, leiser, als ich es beabsichtigt hatte.
Sie sah mich ruhig an, legte den Kugelschreiber zur Seite. „Natürlich, Herr Wagner.“
Ich holte tief Luft. Das, was ich fragen wollte, war mir eigentlich klar, seit ich das erste Mal das AirTag-Signal gesehen hatte. Und doch fühlte es sich jetzt plötzlich so seltsam an, es laut auszusprechen.
„Falls Sie Pierre finden… und ihn mitnehmen… gäbe es irgendeine Möglichkeit, dass ich mit ihm sprechen kann? Ich meine, nicht allein, sondern… irgendwie. Ich… ich würde ihm gern ins Gesicht sagen, was er da eigentlich getan hat.“
Lehmann sah mich einen Moment lang sehr aufmerksam an. Nicht kalt, eher mit einem Ausdruck, den ich nicht ganz deuten konnte – vielleicht Bedauern. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.
„Ich verstehe, dass Sie das Bedürfnis haben, Herr Wagner“, sagte sie ruhig. „Aber in so einem Fall ist das leider nicht möglich. Sobald er in Gewahrsam ist, steht ihm ein Anwalt zu, und er hat das Recht, nichts zu sagen – auch nicht zu Ihnen. Ein persönliches Gespräch wäre rechtlich sehr schwierig und für die Ermittlungen nicht förderlich.“
Ich senkte den Blick. Irgendwie hatte ich es gewusst. Trotzdem tat es weh, das so klar zu hören. Ich nickte. „Okay. Ich… danke.“
Ich wollte schon gehen, als mir noch etwas einfiel. Ich sah wieder zu ihr.
„Und… mein Auto? Ich meine, falls Pierre wirklich dort ist – was passiert dann mit dem Wagen?“
Diesmal antwortete sie fast sofort. „Wenn das Fahrzeug als möglicher Tatort oder Transportmittel in Betracht kommt – also zum Beispiel, wenn dort Spuren gefunden werden, die für die Ermittlungen relevant sind – dann wird es zunächst sichergestellt.“
Ich nickte langsam, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es gerade viel zu viel war, was ich aufnehmen musste.
„Das heißt… ich bekomme es erstmal nicht zurück?“
„Nicht sofort“, sagte sie ehrlich. „Aber Sie bleiben Eigentümer, und wenn sich der Verdacht nicht erhärtet oder nach Abschluss der Spurensicherung keine Beweise darin gefunden werden, wird es Ihnen selbstverständlich zurückgegeben. Sie erhalten dann eine formelle Mitteilung.“
Ich atmete leise durch. Klar, war zu erwarten. Und trotzdem… irgendwie hatte ich gehofft, wenigstens etwas würde einfach sein an dieser Geschichte.
„Verstanden“, sagte ich leise. „Danke. Für alles.“
Frau Lehmann nickte. „Wir halten Sie auf dem Laufenden, Herr Wagner.“
Ich drehte mich wieder zur Tür und ging diesmal wirklich hinaus. Mit schwerem Kopf, aber auch mit dem Gefühl, endlich etwas ins Rollen gebracht zu haben.
Florian:
Ich hatte einen kleinen Eimer in der Hand, gefüllt mit Kartoffelschalen – so wie damals, als ich das mit Sebastian zusammen gemacht hatte. Das war schön gewesen. Er hatte mir gezeigt, wie man den Kühen die Schalen hinhält, und ich hatte gelacht, als eine von ihnen mir fast die Finger abgeschleckt hatte.
Aber jetzt war ich allein. Ich stand wieder im Stall, der Eimer in meiner Hand, und alles fühlte sich komisch an. Irgendetwas stimmte nicht. Als ich mich umsah, war das Licht fast weg. Die Halle lag im Dämmerlicht, als hätte jemand langsam das Licht runtergedreht.
Ich war allein. Sebastian war nicht da. Niemand war da.
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich wollte nicht allein sein. Nicht hier. Nicht im Dunkeln.
Ich drehte mich um, wollte zurück zur Tür – schnell. Meine Schritte klangen laut auf dem Boden, viel zu laut. Ich erreichte die Tür, legte meine Hand auf den Griff – aber sie ließ sich nicht öffnen. Ich zog, drückte, rüttelte – nichts.
Und dann hörte ich sie. Schritte. Ganz leise hinter mir. Und plötzlich spürte ich, wie jemand nach meiner Hand griff.
Ich zuckte zusammen.
Und in dem Moment… wachte ich auf.
Ich lag wieder im Bett. Alles war still, nur das leise Piepen vom Monitor. Mein Herz pochte noch schnell, aber ich war wach.
Annette saß neben meinem Bett. Ihre Hand hielt meine. Ihre Augen waren geschlossen – ich glaube, sie schlief.
Ich drückte ihre Hand ganz leicht. Viel Kraft hatte ich nicht, aber es reichte. Ihre Finger bewegten sich, dann öffnete sie langsam die Augen.
Als sie mich ansah, begann sie zu lächeln.
„Hallo, mein kleiner Schatz. Wie geht es dir?“
Ich nickte. Es ging mir besser. Der Traum war noch in meinem Kopf, aber hier war es hell, ruhig… sicher. Und sie war da.
Mein Mund war immer noch trocken, aber mein Hals tat nicht mehr so weh wie heute Morgen. Und zum ersten Mal fühlte ich mich ein kleines bisschen mehr wie ich selbst.
Ich flüsterte ganz leise: „Können wir… nach Hause?“
Annette sah mich an, und ihr Lächeln wurde ein kleines bisschen trauriger.
„Das würde ich wirklich sehr gerne, mein Schatz“, sagte sie sanft. „Aber die Ärzte sagen, dass du noch hierbleiben musst. Sie wollen sicher sein, dass es dir wirklich besser geht.“
Ich nickte langsam. Ich verstand das irgendwie. Aber trotzdem wollte ich weg von hier. Nach Hause. In mein Zimmer.
Dann fügte sie hinzu: „Und Frau Peters vom Jugendamt will sich morgen nochmal mit uns in verbindung setzen. Sie möchte hören, wie es dir geht – und schauen, wie wir dich am besten unterstützen können.“
Ich runzelte die Stirn. Meine Gedanken wirbelten. Warum sie? Warum nicht einfach Annette und Markus?
„Aber… muss ich dann wieder zu meinen Eltern?“, fragte ich leise. Ich spürte, wie mein Bauch sich verkrampfte.
Annette schüttelte sofort den Kopf und nahm meine Hand fester in ihre.
„Nein, Florian. Das musst du nicht. Ganz bestimmt nicht.“
Ich verstand es nicht richtig. Warum musste dann diese Frau entscheiden, was mit mir passiert?
„Aber… warum darf sie das sagen? Warum nicht du?“
Annette schluckte kurz, dann streichelte sie mir über die Hand.
„Weil es wichtig ist, dass jemand von außen schaut, ob es dir wirklich gut geht. Sie will nur helfen. Und ich werde da sein – bei jedem Schritt. Ich habe vielleicht nicht gut genug aufgepasst… und es tut mir so leid, mein Schatz.“
Ich sah sie an. Ihre Stimme klang traurig, aber nicht so, als würde sie mich weggeben. Ganz im Gegenteil.
„Ich pass auf dich auf. Und ich bleib bei dir. Versprochen.“
Und in diesem Moment glaubte ich ihr. Nicht ganz, weil ich alles verstand – aber weil sie es so sagte, dass es sich sicher anfühlte. Und das war für mich gerade alles, was zählte.
Ich sah Annette an, mein Herz klopfte ganz fest in meiner Brust. Die Angst, dass sie doch irgendwann einfach gehen würde, war wieder da. Ich wollte das nicht. Ich konnte das nicht. Und auch wenn meine Stimme kaum zu hören war, flüsterte ich:
„Ich will immer bei dir bleiben… ich will, dass du meine Mama bist. Ich will nicht von dir weg.“
Eigentlich wollte ich es schreien. Ganz laut. Damit es jeder hörte. Damit es nie wieder jemand vergaß. Aber ich hatte keine Kraft dazu.
Annette streichelte mir ganz sanft über den Kopf, ihre Hand so warm und beruhigend, dass ich fast hätte weinen können.
„Ich will auch, dass du bei mir bleibst“, sagte sie leise, mit dieser Wärme in der Stimme, die ich so liebte. „Du gehörst zu unserer Familie, Florian.“
Ich sah sie an. Ihre Augen glänzten. Aber nicht vor Traurigkeit. Vor… Liebe?
„Und ich bin deine Pflegemama“, sagte sie leise, während ihre Hand sanft auf meinem Kopf ruhte. „Du hast jetzt zwei Mamas. Deine Bauch-Mama – die dich geboren hat und dir das Leben geschenkt hat. Und mich – ich bin jetzt deine Herz-Mama.“
Sie machte eine kleine Pause, als wolle sie die richtigen Worte finden.
„Warum deine Bauch-Mama nicht so gut für dich da sein konnte… das weiß ich nicht genau. Vielleicht war sie selbst zu traurig oder durcheinander. Manchmal schaffen Erwachsene es einfach nicht, so für ein Kind da zu sein, wie es das braucht.“
Sie lächelte mich an, warm und ruhig.
„Aber ich will genau das. Ich möchte jeden Tag besser darin werden, für dich da zu sein. Damit du weißt, dass du nie wieder allein bist.“
Ich schluckte schwer. Die Worte waren irgendwie groß und weich zugleich.
„Ich möchte immer für dich da sein“, flüsterte sie. „Und du sollst immer wissen, dass wir – Markus, Sebastian und ich – deine Familie sind. Wir lassen dich nicht allein.“
Ich konnte nichts sagen. Ich hielt einfach nur Pandi ganz fest an mich gedrückt und spürte, wie mein Herz ein kleines bisschen ruhiger wurde.
Ich schwieg einen Moment, obwohl in meinem Kopf ganz viele Gedanken gleichzeitig waren. Ihre Worte hatten warm geklungen. Sicher. Und trotzdem fühlte es sich komisch an.
Zwei Mamas. Eine Bauch-Mama, die mich geboren hatte. Und Annette, meine Herz-Mama. Ich wollte nicht zwei. Ich wollte nur eine. Nur sie.
Ich drehte leicht den Kopf zu ihr, mein Daumen wollte in meinem Mund, aber ich unterdrückte den drang. Meine Stimme war leise und kratzte ein bisschen im Hals.
„Kannst du nicht einfach… meine richtige Mama sein?“
Sie sah mich an. Ganz ruhig. Und ihr Blick war so weich, dass ich sofort wusste, dass sie verstanden hatte, was ich meinte.
Sie beugte sich ein kleines Stück zu mir runter, ihre Hand strich mir eine Haarsträhne von der Stirn.
„Weißt du, mein Schatz“, sagte sie leise, „Mama sein… das ist nicht nur, wer dich geboren hat. Mama sein heißt, da sein. Trösten. Zuhören. Dich in den Arm nehmen, wenn du Angst hast oder dich freust.“
Ich blinzelte. In meinen Augen stieg etwas auf, aber ich wusste nicht genau, ob es Tränen waren oder einfach das Gefühl, dass mein Herz zu groß wurde.
„Und genau das will ich für dich sein. Jeden Tag. So lange, wie du mich brauchst.“
Ich sah sie an. Ganz fest.
„Für immer?“ flüsterte ich.
Sie schluckte. Dann nickte sie.
„So lange, wie du mich in deinem Leben haben willst, bin ich da. Immer.“
Ich legte meine Hand auf ihre.
„Dann bist du meine Mama. Meine richtige.“
Sie lächelte – und in ihren Augen glänzte etwas.
„Das bin ich gern, mein Schatz.“
Ich lag ganz still. Alles fühlte sich irgendwie komisch an – nicht unbequem, aber auch nicht richtig gemütlich. Die Decke war leicht und roch ein bisschen nach Krankenhaus, nicht wie zu Hause. Meine Arme lagen neben mir, und da waren noch immer diese Schläuche und Kabel, die an mir hingen. Ich mochte sie nicht, aber ich wusste, dass sie wichtig waren. Sie machten leise Pieptöne, und manchmal kam so ein Rauschen, das mich erschreckte, wenn es plötzlich lauter wurde.
Aber Annette war da. Ich konnte ihren Duft riechen – ein bisschen nach Tee und nach ihr. Sie saß ganz nah an meinem Bett, und ich wusste, dass sie nicht gehen würde. Nicht ohne mich.
Der Druck in mir war schon den ganzen Tag da gewesen. So ein Ziehen, wie ein Seil im Bauch, das immer fester wurde. Ich hatte es versucht zu ignorieren, versucht stark zu sein. Aber jetzt war ich müde. Zu müde, um dagegen anzukämpfen.
Langsam, fast wie in Zeitlupe, hob ich meine Hand und schob mir den Daumen in den Mund. Ich wusste nicht, warum es sich so gut anfühlte – nur dass es plötzlich leichter wurde im Kopf. Als würde alles, was vorher zu viel war, ein Stück kleiner werden. Wie wenn man ganz tief unter Wasser ist und es dort unten still ist und weich.
Annette sagte nichts. Kein Kopfschütteln, kein komischer Blick. Stattdessen beugte sie sich leicht vor, sah mich an – liebevoll, so, wie sie mich fast immer ansieht.
Dann spürte ich ihre Hand auf meinem Kopf. Ganz sanft fuhr sie mir durchs Haar, mit diesen Bewegungen, die mich jedes Mal fast zum Atmen bringen, wenn mir vorher die Luft gefehlt hat.
Ich sog ganz sacht an meinem Daumen und hörte nur noch die sanften Geräusche der Geräte um mich herum. Meine Gedanken wurden langsam… wie Federn, die auf Wasser treiben. Ich wollte die Augen nur kurz zumachen. Nur für einen Moment. Aber sie wieder zu öffnen war mir nicht mehr möglich.
Da war plötzlich dieses Gefühl… Ich wusste nicht, wie es heißt. Aber es war wie… als würde eine warme Hand in meiner Brust liegen. Nicht außen, sondern innen drin. Ganz weich. Als wäre ich irgendwo, wo mir nichts passieren kann. Wo ich nicht denken muss, ob ich alles richtig mache. Wo ich einfach… sein darf.
Ein Wort dafür kannte ich nicht. Aber das Gefühl… das mochte ich. So sehr.
Fortsetzung folgt….
Autor: michaneo | Eingesandt via Mail
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Ich Freue mich das es so gut weitergeht das es eine Spur zu diesem Typen gibt der Florian Vergiftet Haft ich hoffe der kriegt 3 mal lebenslänglich für seine Tat und auch das Florian wieder wach ist und es ihm besser geht ist eine Erleichterung das mit dem Jugendamt macht dafür neue sorgen was ein auf und ab der Gefühle
Auch dieses Kapitel ist überragend, einfach nur gut! 👏👏
Ein richtig guter Teil,bin gespannt ob Florian sich dazu durchdringt ,Pierre zu beschuldigen den Trank nehmen zu müssen,und das er gedroht hat,daß Florian wieder zu seinen leiblichen Eltern muss.
Wahnsinn Unglaublich Intensiver Teil . Bin so Froh das es Florian besser geht Annette ist so eine Tolle Herz-Mama freue mich auf den nächsten Teil Danke