Jona (42)
Windelgeschichten.org präsentiert Jona (42)
Kapitel 42: Eines anderen Leid
Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass Sandra wie jeden Morgen zu uns stoßen würde, aber es war tatsächlich anders. Sie tauchte nicht zur üblichen Zeit auf und wir machten uns ohne sie auf den Weg um nicht zu spät zu kommen. Ich konnte mir vorstellen, dass sie Sarah so gut es ging meiden wollte. Im Unterricht durfte das aber eine Herausforderung werden, denn in jedem der Kurse, den die beiden zusammen hatten, saßen sie nebeneinander. Aus dem Weg gehen war da nicht drin. Wie sich zeigte bestand das Problem heute aber gar nicht, denn Sandras Platz blieb leer. Sie hatte sich bestimmt krankgemeldet oder ähnliches. Verständnis dafür hatte ich zur Genüge. Das Wochenende steckte mich auch noch in den Knochen. Wirklich erholt war ich nicht, aber wie konnte ich das auch sein, wenn ich mal eben innerhalb von zwei Tagen mein Leben komplett auf den Kopf stellte. Sandra ging es wahrscheinlich ähnlich. Jetzt dachte ich wieder an den Vortrag. Wir hatten uns für heute verabredet. Wollte sie mich überhaupt sehen? Wollte sie den Vortrag tatsächlich mit mir fertig stellen? Würde sie morgen überhaupt da sein um den Vortrag mit mir zu halten. Jetzt bekam ich ein wenig Panik. Sarah konnte ich schlecht fragen ob sie Sandra danach fragen sollte. Ich rechnete nicht damit, dass Sarah eine Antwort darauf erhalten würde. Mir blieb ja noch die Alternative Svenja zu fragen, da ich neben ihr in Mathe saß konnte ich diese Gelegenheit nutzen. Ich beeilte mich ausnahmsweise besonders um noch vor dem Unterrichtsbeginn im Klassenzimmer anzukommen. Glücklicherweise war Svenja schon an ihrem Platz.
„Oh hi Jona. Du wirkst ein wenig abgehetzt.“ begrüßte sie mich.
„Ich…“ brachte ich noch heraus und musste erst mal durchatmen und mich setzen. Ich warte ein paar Sekunden und setzte nochmals an: „Ich muss mit dir sprechen.“ vollendete ich meinen geplanten Satz.
„Wegen Sandra?“ fragte sie. Da hatte sich wohl schon einiges rum gesprochen. Ich nickte.
„Wegen dem Vortrag?“ fragte Svenja weiter.
„Ja. Woher weißt du das?“ entgegnete ich verwundert.
„Denk doch mal nach Jona. Mit Sarah möchte Sandra gerade wohl nicht reden oder? Also spricht sie mit mir. Sie hat mir grob geschildert was passiert ist.“ erklärte mir Svenja.
„Toll.“ gab ich zurück.
„Toll ist relativ. Ach wegen dem Vortrag, eure Verabredung von gestern steht natürlich noch.“ merkte Svenja an.
„Sie hat das gestern echt ernst gemeint?“ fragte ich verwundert.
„Scheint so.“ antwortete Svenja.
„Hat sie sonst noch irgendwas über mich gesagt?“ fragte ich neugierig.
„Ich glaube am Sonntag hätte sie dich am liebsten gelyncht, aber gestern war sie doch sehr versöhnlich dir gegenüber. Ich weiß nicht wie du das geschafft hast, vor allem nicht nach deiner Aktion von Sonntag.“ erklärte Svenja.
„Ich hab am Sonntag echt Mist gebaut. Du bist auch sauer auf mich nehme ich an.“ erwiderte ich.
„Es hält sich in Grenzen. Ich höre mir gerne beide Seiten an, vor allem wenn beide Seiten Freunde von mir sind.“ erklärte Svenja.
„Das ist eine interessante Einstellung. Ich kann dir das bei Gelegenheit gerne einmal erklären.“ sagte ich.
„Hoffe ich doch. Hier meld dich einfach bei mir, wenn du Zeit hast.“ sagte Svenja und schob mir einen kleinen Zettel hin. Ich nahm ihn und klappte ihn auf. „Achja Rob wollte, dass ich dir seine Nummer auch gebe. Er hat schon wieder irgendwas wegen irgendeiner Mission oder so.“ setzte Svenja nach. Ich nickte zustimmend.
————————————————————————————————————————
Der restliche Schultag verging ereignislos. Ich machte mich nach dem Unterricht auf den Weg zu Sandra. Ein Stück des Weges legte ich mit Sarah zurück. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es eine seltsame Situation war, dass ich jetzt derjenige war, der sich mit Sandra traf und nicht sie. Vor einer Woche wäre das alles ganz anderes gelaufen, aber vor einer Woche hatte ich auch noch nicht den Berserker herausgelassen und verbal um mich geschlagen. Ich konnte nur hoffen, dass mein Einsatz irgendwann belohnt werden würde, denn ich wollte nicht der Grund für die zerbrochene Freundschaft von Sarah und Sandra sein. Die beiden hatten sich zwar ausgesprochen, aber ich hatte schon während des Gesprächs gemerkt, dass die Stimmung alles andere als erfreulich für die beiden war.
Ich klingelte an der Klingel von Sandras Haustüre. Wieder einmal wurde ich erwartet, denn Sandra brauchte nicht lange bis sie an der Türe war. Gut sah sie nicht aus, definitiv nicht.
„Hi Jona, komm rein.“ begrüßte sie mich.
„Hi, wie geht es dir?“ fragte ich während ich eintrat.
„Hmmm…weiß nicht. Ich habe die letzte Nacht schlecht geschlafen.“ antwortete sie mir.
„Hey, du siehst nicht aus als ob du nur schlecht geschlafen hast.“ merkte ich an.
„Interessiert es dich wirklich wie es mir geht oder ist das dein schlechtes Gewissen?“ fragte sie mich.
„Es interessiert mich wirklich. Außerdem weiß ich nicht warum du nach gestern und deiner Nachricht gestern, heute so reagierst. Ja ich habe einen großen Fehler gemacht und ich habe versucht ihn wieder gut zu machen.“ verteidigte ich mich.
„Du hast es ja auch irgendwo wieder gerade gebogen, aber wirklich glücklich bin ich damit nicht, kannst du dir denken oder?“ entgegnete sie mir.
„Natürlich. Ein anderer Ausgang ohne mich und nur mit dir und ihr wäre dir lieber gewesen. Dir ist aber bewusst, dass du selbst ohne meine Anwesenheit nichts erzwingen könntest oder?“ fragte ich sie. Ein Seufzer war die Antwort.
„Ja weiß ich, aber selbst diese Erkenntnis macht es nicht besser. Eigentlich wenn ich ehrlich bin, ich bin irgendwo froh, dass es endlich raus ist. Es war irgendwo belastend das mit mir rum zu tragen. Ja ich hätte es mir anderes gewünscht, ja ich hätte mir einen anderen Ausgang gewünscht, aber trotzdem hat es auch seine guten Seiten.“ erklärte sie mir.
„Meine Aktion hat gute Seiten gehabt?“ fragte ich verwundert.
„Naja glaubst du, dass Sarah die einzige ist, die erst vor kurzem davon erfahren hat?“ stellte sie mir eine Gegenfrage.
„Ähm…naja Svenja wusste es ja schon.“ antwortete ich ihr.
„Mit irgendwem musste ich ja reden. Weißt du eigentlich wie schwer es war ihr davon zu erzählen? Ich wäre am liebsten in dem Moment in dem ich es gesagt hatte schreiend aus dem Zimmer gerannt und hätte am liebsten nie wieder ein Wort mit ihr geredet. Ich habe mich so falsch und schlecht gefühlt so als ob ich nicht normal bin oder so.“ erklärte mir Sandra ihr Erlebnis.
„Ok…das hätte ich jetzt weniger erwartet. Ich habe sowas eigentlich immer für ziemlich normal gehalten.“ warf ich ein.
„Grundsätzlich findet man das alles als normal, bis man selbst betroffen ist, dann fühlt man sich wie ein Aussätzige. Aber um auf den Punkt zu kommen. Nach deiner sehr charmanten Aktion bin ich am Sonntag natürlich nach Hause, mit Sarah konnte ich ja nicht mehr reden. Wie ein Häufchen Elend bin ich hier angekommen, aber das kann man sich denke ich ganz gut vorstellen. Meine Eltern haben mich natürlich ausgefragt was passiert ist, mit ausgefragt meine ich sowas wie verhören nur das wir uns richtig verstehen. Die haben echt nicht locker gegeben bis sie alles wussten, also wirklich alles.“ berichtete Sandra.
„So schlimm?“ fragte ich zu Sicherheit.
„Na gut ich übertreibe ein wenig, aber das ist jetzt meine Geschichte und die erzähle ich so wie ich mich dabei gefühlt habe und ich kam mir eben vor wie bei einem Verhör. Irgendwann kam dann auch meine Homosexualität zur Sprache. Eigentlich hätte ich irgendwie damit gerechnet, dass ich eine gescheuert bekomme oder in irgendeine Therapie muss oder sonst irgendwas.“ schilderte Sandra die Ereignisse weiter.
„Du hast aber kein gutes Bild von deinen Eltern.“ merkte ich an.
„Hmmm doch eigentlich schon. Die beiden sind super verständnisvoll und alles, aber ich glaube ich habe in dieses Sache einfach mehr rein interpretiert als notwendig war und das hat irgendwelche nicht nachvollziehbaren Ängste über irgendwelche unzutreffenden Reaktionen geschürt, ich denke du kannst das vermutlich noch am besten nachvollziehen was ich meine. Wie gesagt ich rechnete also mit dem schlimmsten und was passierte? Nichts! Also nichts von dem was ich mir ausgemalt hatte, sondern eigentlich das genaue Gegenteil. Die beiden haben mich einfach nur in den Arm genommen und getröstet.“ schloss sie ihren Bericht.
„Also haben sie keine Probleme damit, dass du lesbisch bist?“ fragte ich.
„Keineswegs. Ich glaube ohne diesen ganzen Scheiß hätte ich es den beiden nie gesagt oder zumindest nicht in nächster Zeit. Deshalb habe ich dir gestern noch die Nachricht auf Sarahs Handy geschickt. Das ist gestern alles ein bisschen untergegangen in dem Trubel.“ erklärte sie mir.
„Und die Schule heute und warum wusste Svenja schon über alles Bescheid?“ fragte ich verwundert.
„Das mein lieber Jona, erzähle ich dir während wir arbeiten, sonst gibt das mit unserem Vortrag morgen nichts.“ erwiderte sie mit einem Lächeln.
———————————————————————————————-
Es war inzwischen nach neun Uhr abends. Unser Vortrag war unserer Ansicht nach fertig. Ganz schön beschissene Arbeit, wenigstens waren wir uns da beide sofort einig. Ich hatte uns eine nette Powerpoint gebastelt mit allerhand Effekten und was dazu gehört. Sandra war mit dem Ergebnis zufrieden. Natürlich hatte ich neben dem Design auch Inhalt zum Vortrag beigetragen. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn ich nur das Design gemacht hätte. Sandra hatte für uns noch ein paar Notizen vorbereitet und mich darum gebeten sie mir heute noch durchzusehen damit morgen alles glatt gehen würde. Morgen konnte ich auch mit ihrer Anwesenheit rechnen. Es stellte sich heraus, dass sie wirklich einfach nur wenig geschlafen hatte und die ganze Sache mit ihren Altern und mit Sarah ziemlich an ihr nackte. Klar Svenja wusste Bescheid, weil Sandra sich natürlich bei irgendjemandem auskotzen musste. Svenjas Reaktion nach zu urteilen, hatte sie Svenja anscheinend zumindest die ganze Geschichte, also die Vorfälle von Sonntag und Montag geschildert, sonst hätte sie vermutlich anders reagiert.
Ich kam etwa gegen halb zehn zu Hause an. Ich kramte meinen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Türe auf. Mein Blick fiel auf die Stelle an der die Vase neben Sarah zu Bruch gegangen war. Welcher Teufel hatte mich geritten das alles zu tun? Ich löste meinen Blick von der Stelle und ging in die Küche. Die Küche war leer. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel mit meinem Namen darauf. Wenn irgendetwas passiert wäre, dann hätte mich eine der beiden angerufen, bestimmt, also musste ich mir doch keine Sorgen machen oder? Mit einem mulmigen Gefühl nahm ich den Zettel in die Hand und faltete ihn auf. Ich überflog die paar Zeilen und musste schmunzeln.
Ich öffnete leise meine Zimmertüre und schlich hinein. Meine Bettdecke machte sanfte auf und ab Bewegungen. Natürlich war mir klar, wer dort lag, spätestens der Zettel in der Küche hatte es mir verraten. Ich schlich zu meinem Bett und konnte nun meine schlafende Besucherin sehen. Ich strich ihr sanft über die Wange, das ließ sie anscheinend wach werden, denn ich meinte ein Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen. Naja es war etwas schwierig überhaupt etwas von Sarahs Lippen zu erkennen, denn sie hatte ihren Schnuller im Mund.
„Biw du auh ma wu Hauwe?“ fragte sie unverständlich.
„Ja hat alles etwas länger gedauert, aber der Vortrag ist fertig geworden.“ antwortete ich ihr.
„Unw Sanwra? Allwes gut wei ihr?“ fragte sie mich weiterhin mit ihrem Schnuller im Mund. Es war zwar süß anzusehen und auch irgendwo süß anzuhören, aber eine halbwegs vernünftige Konversation ließ sich so nicht führen, also zog ihr den Schnuller aus dem Mund.
„Hey das ist aber voll gemein!“ beschwerte sie sich.
„Ich verstehe dich sonst so schlecht.“ verteidigte ich meine Aktion.
„Trotzdem gemein von dir. So ganz ohne Vorwarnung.“ beschwerte sie sich weiter.
„Du kriegst ihn doch wieder. Zufrieden?“ fragte ich sie. Sarah nickte. „Gut wärst du jetzt so gut und würdest deine Frage noch mal wiederholen?“ setzte ich nach.
„Und Sandra? Alles gut bei ihr?“ wiederholte sie ihre Frage von vorhin.
„Schwierig zu sagen. Meine Aktion hat anscheinend zu ihrem Outing bei ihren Eltern geführt.“ erzählte ich.
„Oh Scheiße.“ kommentierte Sarah meine Aussage.
„Halb so wild. Die haben recht entspannt reagiert, hat Sandra selbst nicht mitgerechnet. Irgendwie ist sie mir sogar dankbar dafür, dass es so raus gekommen ist, wenigstens etwas gutes hat das alles dann doch noch.“ setzte ich meine Erklärung fort.
„Aber morgen ist sie mit bei dem Vortrag dabei?“ fragte Sarah.
„Ja, aber ich bin jetzt nicht mehr in der Stimmung die Notizen durchzugehen.“ erwiderte ich.
„Da schaffst du auch so, ganz bestimmt. Außerdem habe ich da noch eine kleine Überraschung für dich.“ sagte sie grinsend. Ich schaute sie verwundert an, da ich nicht wusste was sie meinen könnte. Sarah merkte, dass ich ihr anscheinend nicht folgen konnte also schlug sie einfach die Bettdecke weg unter der sie bislang bis auf ihren Kopf verdeckt geblieben war. Ich konnte mir schon denken worin die Überraschung bestehen sollte. Ich haderte, aber schlussendlich entschied ich mich dann doch dafür mich zu ihr ins Bett zu legen.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
Suche
Weitere Teile dieser Geschichte
- Jona (70)
- Jona (69)
- Jona (68)
- Jona (67)
- Jona (66)
- Jona (65)
- Jona (64)
- Jona (63)
- Jona (62)
- Jona (61)
- Jona (60)
- Jona (59)
- Jona (58)
- Jona (57)
- Jona (56)
- Jona (55)
- Jona (54)
- Jona (53)
- Jona (52)
- Jona (51)
- Jona (50)
- Jona (49)
- Jona (48)
- Jona (47)
- Jona (46)
- Jona (45)
- Jona (44)
- Jona (43)
- Jona (42)
- Jona (41)
- Jona (40)
- Jona (39)
- Jona (38)
- Jona (37)
- Jona (36)
- Jona (35)
- Jona (34)
- Jona (33)
- Jona (32)
- Jona (31)
- Jona (30)
- Jona (29)
- Jona (28)
- Jona (27)
- Jona (26)
- Jona (25)
- Jona (24)
- Jona (23)
- Jona (22)
- Jona (21)
- Jona (20)
- Jona (19)
- Jona (18)
- Jona (17)
- Jona (16)
- Jona (15)
- Jona (14)
- Jona (13)
- Jona (12)
- Jona (11)
- Jona (10)
- Jona (9)
- Jona (8)
- Jona (7)
- Jona (6)
- Jona (5)
- Jona (4)
- Jona (3)
- Jona (2)
- Jona
Archiv
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Joerg Zach bei Besuch bei der Tante
- nappybaby bei Florians Schatten (2)
- Tobi bei Florians Schatten (4)
- Michael Two bei Zwischen gestern und Morgen (21)
- Michael Two bei Florians Schatten (4)
- Joerg Zach bei Niko (4)
- Phil bei Florians Schatten (4)
- Jojo bei Florians Schatten (4)
Wirklich wieder schön geworden der Teil! Ich vermute das Svenja ähliche Ambitionen wie Sandra hat, aber ich lass mich überraschen wie es weiter geht.