Jona (43)
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Kapitel 43: Rache wird am besten kalt serviert
Ein sanftes Pochen weckte mich. Ich lag auf etwas weichem und bewegte meinen Kopf ein wenig, was ein sanftes Stöhnen und eine Zunahme des Pochens zur Folge hatte. Ich machte die Augen auf und merkte schnell, dass ich sowohl das Stöhnen wie auch das Pochen verursacht hatte. Ich hob meinen Kopf und setzte mich aufs Bett. Sarah rekelte sich langsam neben mir.
„Guten Mooorgen.“ gähnte sie mir entgegen. Ich antwortete zunächst nicht sondern schaute auf mein Handy. Wir hatten nicht verschlafen, sondern waren sogar noch vor meinem Wecker wach. Erleichtert atmete ich auf.
„Na gut geschlafen?“ fragte ich Sarah.
„Neben dir immer.“ antwortete sie mit einem Grinsen. Ich gab ihr einen Kuss und stand auf und streckte mich.
„Ähm Jona?“ fragte sie verwundert.
„Ja. Stimmt was nicht?“ entgegnete ich verwirrt.
„Ist dein Bett trocken geblieben?“ fragte sie ein wenig verlegen. Warum sollte es nicht trocken geblieben sein? Ich hatte doch vorgesorgt wie jeden Abend. Ich schaute an mir hinunter und merkte schnell warum sie mir die Frage stellte. Zur Vorsorge war ich gestern wohl nicht mehr gekommen. Panisch schlug ich meine Bettdecke beiseite und untersuchte mein Bett auf irgendwelche Spuren von Nässe.
„Hey ganz ruhig Jona.“ versuchte Sarah mich zu beruhigen und rückte ein Stück an mich heran. Ich untersuchte das Bett weiter und fand nichts. Ich atmete erleichtert auf.
„Glück gehabt.“ sagte ich erleichtert.
„Glückwunsch. Ich finde das ist ein gutes Zeichen.“ merkte Sarah an. War es das? Oder war das nur Zufall? Möglicherweise war ich morgen schlauer.
„Möglich.“ entgegnete ich ihr. Ich traute dem Braten noch nicht.
„Jetzt sei nicht so skeptisch. Freu dich doch einfach. Ob das jetzt ein Zufall ist oder nicht ist doch egal oder?“ fragte sie mich.
„Irgendwo schon.“ antwortete ich nachdenklich.
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Ich war platt. Ich meine richtig platt. Mich hatte ein Schultag selten so geschafft. Das lag vermutlich auch an unserem wunderbaren Vortrag, der tatsächlich eine ganze Doppelstunde gefüllt hatte. Neunzig Minuten nahezu non stop reden schlauchte extrem. Ich kannte das schon von meinen Terminen mit Dr. Berger, wobei die noch eine andere Wirkung hatten als so ein Vortrag. Ich wartete mit Sarah am Rand des Schulgeländes auf Sandra. Ich hatte ein paar kurze Worte mit ihr nach dem Vortrag gewechselt, aber dann hatten wir uns doch auf später vertagt. Sandra ließ sich Zeit. Ich hatte schon Angst, dass sie einen Rückzieher machen würde und nicht auftauchen würde, schließlich tauchte sie aber auf.
„Du hast dir aber Zeit gelassen.“ begrüßte ich sie.
„Ich wurde aufgehalten. Aber ich bringe gute Nachrichten mit.“ entgegnete sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Gute Nachrichten?“ fragte Sarah verwundert bevor ich es tun konnte.
„Ja ich bin gerade noch unserem werten Herrn Geschichtslehrer begegnet. Jona der Vortrag ist ne glatte eins.“ freute sie sich.
„Nicht dein Ernst?“ fragte ich verwundert.
„Wow ich bin beeindruckt. Von euch beiden.“ freute sich Sarah und gab mir einen Kuss, den ich aufgrund meiner Verwunderung nicht wirklich erwiderte und fiel Sandra vor Freude um die Arme. Sie merkte wohl, dass ihre nett gemeinte Geste wohl falsch verstanden werden könnte und löste ruckartig ihre Umarmung. „Ähm…tschuldigung, hab mich wohl ein bisschen zu sehr gefreut.“ entschuldigte sie sich bei Sandra.
„Alles gut.“ erwiderte Sandra.
„Ich will jetzt nicht die gute Stimmung kaputt machen, aber so langsam sollten wir los. Ich habe gleich noch einen Termin.“ merkte ich an.
„Anscheinend einen wichtigen.“ warf Sandra ein.
„Naja eigentlich einen auf den ich mich gar nicht freue. Termin beim Seelenklempner. Nach dem Wochenende stelle ich mir echt schöneres vor.“ erklärte ich.
„Hmmm…kann doch eigentlich nicht so wild sein oder? Du bist noch hier und eigentlich scheint doch alles halbwegs zu laufen oder? Also was willst du mehr.“ konterte Sandra. Irgendwo hatte sie recht, genauso wie Sarah recht damit hatte, dass ich mir nicht so viele Gedanken machen sollte. Dennoch hatte ich irgendwie das Gefühl, dass mich noch irgendetwas störte, aber ich wusste schlichtweg nicht was.
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„Wirklich ich bin wirklich der Überzeugung, dass ich mich nochmals bei ihnen entschuldigen muss.“ sagte ich zu Dr. Berger.
„Jona. Das haben wir doch schon vorgestern durchgekaut. Es ist alles gesagt.“ entgegnete Dr. Berger in seiner gewohnt ruhigen Art.
„Ich fühle mich trotzdem noch mies.“ setzte ich nach.
„Das ist vollkommen normal. Du hast eine sehr wertvolle Lektion gelernt. Du hast deine Fehler eingesehen und bist dafür eingestanden. Es wird nicht alles von heute auf morgen wieder gut. Es fühlt sich eine Weile wie ein Schauspiel an in dem man die falsche Rolle spielt. Also eine Art unnormale Normalität. Das gehört dazu, aber mit der Zeit nimmt das ab, glaub mir.“ versuchte er mir die aktuelle Situation zu erläutern. „Egal wie oft du dich bei denen, die du verletzt hast, entschuldigst, es macht es für dich nicht besser, auch wenn du das glauben möchtest.“ setzte er nach.
„Gut, darf ich ihnen dann wenigstens danken?“ fragte ich unsicher.
„Wenn du mir sagst für was gerne.“ antwortete er mir.
„Naja bei ihrem Besuch am Sonntag. Sie haben mich trotz allem nicht aufgegeben, dafür wollte ich ihnen danken.“ erklärte ich ihm.
„Jemand ist erst dann verloren, wenn er sich selbst aufgegeben hat. Wenn ich dir gerade eben richtig zugehört habe, warst du tatsächlich kurz davor, dich selbst aufzugeben. Darf ich fragen was dich bewogen hat umzukehren?“ fragte er mich. Ah ich merkte schon, dass er wieder voll im Therapiemodus war. Ich hatte eigentlich Panik gehabt, dass ich mir nach meinem unrühmlichen Auftritt einen neuen Therapeuten suchen durfte, aber auch Dr. Berger schien mir meinen Ausraster, sofern man diesen denn noch als solchen bezeichnen konnte, nicht allzu übel zu nehmen. Naja allzu war vielleicht übertrieben, zumindest hatte er sich bereit erklärt ie Behandlung fortzusetzen. Mein Ausraster wirkte rückwirkend betrachtet eher wie eine Kombination aus Tschernobyl, Fukushima, Hiroshima und Nagasaki in einem. Was auch immer mich geritten hatte, ich wollte, dass es nie wieder passierte. Gut jetzt konnte mich vermutlich auch nichts mehr derart schockieren.
„Jona?“ sprach Dr. Berger mich nochmals an.
„Ähm…ja…sorry, wieder zu viel nachgedacht. Ähm…eine Begegnung mit meinem Unterbewusstsein würde ich sagen, in Form von Chris und Natalie.“ antwortete ich Dr. Berger auf die Frage.
„Wieder so eine Art Alptraum?“ bohrte Dr. Berger nach.
„Ich dachte erst ja, aber es war kein Alptraum. Es war eher eine Art Wachrütteln, schwierig zu beschreiben.“ antwortete ich.
„Interessant. Manchmal macht unser Unterbewusstsein sehr seltsame Dinge mit uns. Das ist bis heute noch nicht ganz klar wie so etwas zu Stande kommt, aber ich würde sagen, wenn dein Bruder darin vorgekommen, ist das meiner Meinung nach ein Zeichen, dass du dich durch eine Darstellung von ihm in die richtige Richtung führen wolltest, die du nicht sehen wolltest.“ erklärte mir Dr. Berger.
„Scheint so. Hat ja auch irgendwie gut geklappt.“ merkte ich an.
„In der Tat. Du wirkst so als ob du noch irgendetwas auf dem Herzen hast. Kann das sein?“ fragte er mich. Das waren diese Momente in denen ich froh war, dass er die Therapie fortsetzte. Ich hasste es eigentlich, wenn mich Menschen wie ein Buch lesen konnten, aber bei ihm hatte ich mich inzwischen daran gewöhnt. Es war zwar immer noch unangenehm, aber weniger unangenehm als es am Anfang der Therapie gewesen war. Wenn ich daran zurück dachte wie er Natalies Namen aus mir herausgekitzelt hatte. Irgendwie beeindruckte mich das heute schon ein wenig, während ich damals eher abwertend über ihn dachte.
„Ja es gibt da noch etwas. Erinnern sie sich noch an die Sache mit dem Bild von Natalie, also diesen finalen Schlussstrich, den ich für mich damit gezogen habe?“ entgegnete ich ihm.
„Natürlich. Eine ziemlich gute Idee, wie schon anmerkte.“ erwiderte er.
„Gut ich habe irgendwie das Gefühl, dass unter dieser Sache noch kein Schlussstrich gezogen ist. Wissen Sie ich habe das Gefühl, dass alles gut werden könnte, aber irgendetwas in mir drin sagt mir es ist noch nicht vorbei, noch nicht abgeschlossen, könnte immer noch kippen. Ich möchte einen weiteren Schlussstrich ziehen und will demjenigen gegenüber treten, der für all das hier verantwortlich ist. Ich will mit ihm abrechnen und ihm und der Welt zeigen was er angerichtet hat.“ erklärte ich mein Vorhaben.
„Wie stellst du dir das vor?“ fragte mich Dr. Berger.
„Keine Ahnung. Ich wollte ihn jetzt nicht abfackeln oder sowas, falls sie die Befürchtung hatten. Ich bin kein Freund davon Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Aber irgendwas muss oder möchte ich tun. Ich kann nicht untätig rum sitzen und nichts tun.“ beschwerte ich mich.
„Ich glaube das brauchst du auch nicht. Mir ist da gerade eine Idee gekommen. Tust du mir bitte einen Gefallen und rufst Helen an, dass sie vorbei kommen soll, ich koche gerade mal eine Kanne Kaffee, denn das wird ein etwas längeres Gespräch werden.“ sagte er und verließ den Raum.
Ich war ein wenig verwirrt was Helen jetzt hier sollte, aber Dr. Berger würde seine Gründe haben warum ich sie anrufen sollte.
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Helen war schnell in der Praxis, vermutlich rechnete sie damit, dass wieder irgendetwas passiert war. Zwar hatte sie am Telefon gefragt was passiert wäre, aber da ich nur die Anweisung hatte sie anzurufen, konnte ich ihr keinerlei brauchbare Informationen geben. Wir saßen inzwischen zu zweit im Behandlungszimmer und warteten auf Dr. Berger, der anscheinend immer noch mit dem Kaffee beschäftigt war.
„Du bist sicher, dass du nichts angestellt hast?“ fragte Helen mich leise.
„Nicht seit dem Wochenende.“ antwortete ich.
„Hast du irgendetwas falsches gesagt?“ fragte sie weiter.
„Nein ich habe nur von einem Schlussstrich gesprochen.“ entgegnete ich kurz.
„Schlussstrich?“ bohrte Helen nach.
„Ja sowas in die Richtung demjenigen, der für alles verantwortlich ist gegenüber treten und zeigen was er getan hat.“ konkretisierte ich das Gespräch.
„Ah, dann ist mir alles klar.“ hörte ich von Helen.
„Lass mich nicht dumm sterben. Warum ist dir klar was hier läuft?“ fragte ich verwundert.
„Das liegt an ihrem Beruf Jona.“ merkte Dr. Berger an, der gerade zur Türe herein kam. Er stellte ein Tablett mit Kaffee auf den Tisch und setzte sich. „Helen ist wie du weißt Anwältin. In Rechtsfragen kennt sie sich demnach gut aus.“ erklärte er weiter.
„Ja schon klar, aber was hat das mit meinem Schlussstrich zu tun?“ fragte ich nochmals.
„Jona sagt dir der Begriff Nebenklage etwas?“ fragte mich Helen.
„Ne nie gehört. Verklage ich da jemanden oder wie?“ entgegnete ich.
„Naja fast. Der Nebenkläger, also der der die Nebenklage einreichen kann, schließt sich mit seiner Nebenklage einer Anklage der Staatsanwaltschaft an. Der Nebenkläger hat entsprechende Rechte. Er darf während der Verhandlung im Saal sein, auch wenn er als zeuge vernommen wird oder er darf Fragen an Zeugen stellen.“ erklärte mir Helen den Begriff.
„Und das hilft mir jetzt wie weiter?“ fragte ich immer noch verwundert.
„Du hast die Möglichkeit eine Nebenklage im Verfahren wegen deinen Eltern einzureichen. Der Prozess wäre dann dein Schlussstrich.“ warf Dr. Berger ein.
„Ok verstehe und das geht so einfach?“ fragte ich unsicher.
„Sollte möglich sein. Ich gehe sowieso davon aus, dass dich das Gericht als Zeugen laden wird wenn es zu einer Verhandlung kommt. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das nach der Sache mit dem Brief nicht weiter verfolgt habe. Unter den jetzigen Umständen sieht das natürlich ganz anders aus.“ erklärte Helen.
„Und du unterstützt mich dabei obwohl…“ ich stockte.
„Obwohl wir von Sarahs Vater und meinem Ex reden? Warum sollte ich das nicht tun. Er ist für mich schon vor Jahren gestorben. Ich weiß von Sarah, dass sie dir die Hintergründe bereits erzählt hat. Mach dir keine Sorgen, dass ich da in irgendeiner Weise einknicke nur weil ich denjenigen kenne um den es geht.“ ergänzte Helen meinen Satz.
„Sag mal ist das nicht ein Problem mit der Nebenklage? Jona kann sich ja schlecht selbst als Nebenkläger vertreten. Das müsste ja jemand für ihn übernehmen und ich kann mir vorstellen, dass es Probleme geben könnte, wenn du das machst oder?“ wollte Dr. Berger wissen.
„Ich denke nicht, aber ich prüfe das gerne und bereite auch gerne alles notwendige vor, sofern Jona das so möchte.“ antwortete Helen.
Ich überlegte kurz und nickte dann langsam um meine Zustimmung zu signalisieren.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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Schön das nun immer mehr Licht in dieses verwirrte Konstrukt kommt. Es bleibt auf jeden Fall spannend und ich bin auf den nächsten Teil gespannt! Ich hoffe Jona kann geholfen werden, das Er seinen Frieden in der Seele findet!