Jona (60)
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Kapitel 60: Die Abrechnung
Ein lautes Zusammentreffen von zwei Holzteilen ließ mich urplötzlich hochschrecken.
„Ah wie ich sehe ist unser Angeklagter endlich wach.“ vernahm in der Dunkelheit diese Stimme, von der ich gedacht hatte, dass sie ein für alle Mal los geworden wäre. Meine schlechte Hälfte wollte wohl wieder einmal meine Träume heimsuchen. Ich wollte aufspringen, wurde aber von etwas schwerem zurück gehalten. Ich höre ein Schnipsen und es wurde urplötzlich taghell. Ich befand mich in einem Gerichtssaal, nur dieses Mal saß ich auf dem Platz, auf dem den ganzen Tag über Sarahs Vater gesessen hatte. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass mein anderes Ich anscheinend auf der Richterbank und der Anklagebank zu gleich saß.
„Hallo Jona. Ich dachte wir machen so eine Art Schlussstrich. Weißt du ich finde die Idee ja richtig super, also so ganz fachmännisch im Gericht. Na was hältst du davon?“ fragte mich mein schwarzäugiges Ebenbild, das seine Füße auf das Richterpult gelegt hatte und sich in seinem Stuhl zurück gelehnt hatte. Jetzt war mir auch klar, warum ich nicht aufspringen konnte. Der Dreckkerl hatte mich wieder mal an einen Stuhl gekettet.
„Ich dachte das hätten wir schon geklärt. Du hast verloren!“ schrie ich ihm entgegen.
„Aber aber wir wollen hier doch nicht ausfallend werden oder? Das ist immerhin ein Gerichtssaal und ich werde dir ganz sicher den fairsten Prozess gewähren, den jemals jemand bekommen hat. Oh, ja, warte ja ich habe eine wunderbare Idee wie alles noch fairer wird. Ich gewähre dir einen Verteidiger deiner Wahl. Du hast die uneingeschränkte und absolut freie Wahl.“ sagte mein Ebenbild mit wahnsinniger Stimme. Ich wusste, dass ich hier nur rauskam, wenn ich es irgendwie schaffen würde mein Ebenbild oder meine Ebenbilder keine Ahnung wie viele es überhaupt gab zu schlagen. Ein fairer Prozess würde das bestimmt nicht werden so viel war klar, aber ich würde definitiv nicht kampflos aufgeben.
„Also wer soll dich verteidigen. Komm schon ich kann es vor Spannung kaum erwarten. Sag schon, sag schon!“ forderte die wahnsinnige Stimme vom Richterpult aus.
„Sarah!“ sagte ich entschlossen und ohne darüber nachzudenken. Nachdem ich das gesagt hatte sah ich etwas in Richtung meines Ebenbilds auf der Anklagebank fliegen was von diesem gefangen wurde.
„Tja da hab ich die Wette gegen mich selbst wohl verloren. Ich hätte ja zu gerne Natalie als deine Verteidigerin gesehen, aber wir sehen sie bestimmt heute nochmal oder nicht Herr Staatsanwalts-Jona?“ fragte mein Ebenbild von Richterpult aus.
„Ist als Zeugin geladen Herr Vorsitzender.“ bestätigte der Jona auf der Anklägerseite.
„Gut, gut, dann fangen wir jetzt wohl an. Achja die Verteidigung fehlt ja noch.“ merkte der Richter an und schnippte wieder mit den Finger. Neben mir tauchte urplötzlich Sarah auf mit dem Unterschied, dass sie in eine Anwaltsrobe wie die von Helen gekleidet war.
„Also wie war das noch gleich. Achja. Personalien. Jona, dem Gericht persönlich bekannt…blablabla…ich glaub der Staatsanwalt übernimmt jetzt einfach mal das mit der Anklage.“ eröffnete mein anderes Ich die Verhandlung.
„Dem Angeklagten wir vorgeworfen einfach schuld an allem zu sein, strafbar gemäß allem was uns einfällt!“ verlas der schwarzäugige Staatsanwalt eine sehr kurze Anklageschrift.
„Wird sich der Angeklagte hierzu äußern Frau Verteidigerin? Ich möchte übrigens angemerkt haben ein sehr schöne Robe, die sie da tragen. Wenn das hier zum meinem Gunsten ausgegangen ist, könnte ich mir vorstellen, dass wir zusammen etwas essen gehen oder so. Du hast damit doch kein Problem Jona oder? Eigentlich ist sie ja auch meine Freundin oder nicht?“ fragte der andere Jona vom Richterpult. Irgendwie wirkte das alles noch verrückter als sonst. Wenn ich an meine ersten Träume mit der schwarzäugigen Natalie zurückdachte, dann hatten diese Träume trotz des Wahnsinns immer noch eine Art roten Faden, aber das hier wirkte vollkommen chaotisch und planlos. Ich schaute kurz zu Sarah die mich kurz anlächelte und sich von meinem anderen Ich sehr unbeeindruckt zeigte.
„Der Angeklagte befindet sich für nicht schuldig und wird keine weiteren Äußerungen tätigen.“ antwortete sie dem Jona auf dem Richterpult.
„Schade, na gut. Dann hören wir halt die Zeugen. Oh ja Zeugen, so viele mit so tollen Geschichten und wir fangen an mit dieser hier.“ erwiderte der wahnsinnige Richter und schnippte wieder mit dem Finger. Zu meinem Entsetzen erschien an dem Tisch vor mir plötzlich Sandra. Ich hatte mit Natalie gerechnet, Sandras Anwesenheit überraschte mich. Ich merkte, dass mir Sarah unauffällig einen Zettel zuschob. Ich hatte ein wenig Mühe ihn zu entziffern, da er sehr hastig geschrieben wurden war, aber wenn mich nicht alles täuschte, dann wollte sie mir mitteilen, dass ich mir keine Sorgen machen muss, weil die Zeugen genau das aussagen würden was ich von ihnen hören wollte und zwar das was ich wirklich hören wollte. Ich konnte mir keinen Reim daraus machen.
„Ahja Sandra Schneider richtig? Hmmm sechzehn, schönes Alter, ach verdammt ich bin ja schon vergeben und verdammt ich bin ein Kerl sowas aber auch, da kann ich bei ihr ja gar nicht landen.“ kommentierte der Jona vom Richterpult Sandras Erscheinen. „Sie wissen um was es heute geht, also was können sie mir zum Anklagepunkt sagen?“ fragte er Sandra. Mir schossen in dem Moment tausende Gedanken in den Kopf, was sie jetzt sagen könnte. Würde sie mir die Sarah mit Sarah vorhalten oder nicht? Bestimmt oder? Nein das würde sie nicht tun.
„Der Angeklagte hat mich unfreiwillig geoutet und mir meine große Liebe genommen.“ sagte Sandra.
„Schlimm nicht. Das hast du getan Jona? Du schlimmer schlimmer Finger. Ich würde sagen es sieht schlecht für dich aus. Ich glaube wir brauchen nicht mehr zu hören oder? Anklage? Verteidigung? Irgendwer? Keiner, gut. Dann geht’s jetzt weiter mit der hier.“ sprudelte es aus dem Jona in Richterrobe heraus und mit einem weiteren Schnippen wurde Sandra durch Helen getauscht. Das machte die Sache nicht besser. Außerdem wunderte es mich, dass Sarah als meine Verteidigerin nicht wirklich reagierte. Fairer Prozess war klar, dass das nichts wird. Irgendwie musste das hier doch zu gewinnen sein. Verdammt nochmal ich konnte mich doch nicht diesem degenerierten Wahnsinnigen kampflos geschlagen geben.
„Hmmm unsere Zeugin scheint ein wenig schweigsam oder Jona?“ fragte mich der Richter. Tatsächlich Helen sagte nichts. Warum sagte sie nichts. Ich überlegte was bei Sandra anders gewesen war. Es dauerte einen Moment, dann leuchtete es mir ein. Jetzt ergab dieser Wahnsinn einen Sinn, sogar die Anklageschrift ergab jetzt Sinn. Schuld. Es ging einzig und alleine um Schuld. Der schwarzäugige Teufel, der mich mehr als einmal in meinen Träumen verfolgt hatte war mein unterbewusstes Schuldgefühl. Es ergab alles auf einmal einen Sinn. Die Qualen mit Natalie, der innere Konflikt wegen Sarah und dann natürlich auch der Sturz in den Abgrund. Ich kämpfte die ganze Zeit mit nichts anderem als meinen Schuldgefühlen. Tief in mir drin fühlte ich mich schuldig, weil ich Natalies Leid nicht gesehen hatte, weil ich nicht zu Hause gewesen war und meine Eltern nicht retten konnte.
„Och komm schon Jona du willst doch bestimmt irgendetwas sagen oder?“ fragte mein Ebenbild.
Natürlich sollte ich etwas sagen oder denken, am besten etwas, dass mich belastete und ihm dann weitere Munition lieferte. Ich hatte das Spiel durchschaut. Ich glaubte auch zu wissen wie ich das Spiel zu meinem Gunsten entscheiden konnte.
„Ich fordere eine kurze Unterbrechung um mich mit meiner Anwältin zu beraten.“ forderte ich.
„Ich fordere…tztztz…Freundchen fordere nicht zu viel. Ah Moment ich vergaß fairer Prozess und so, also NATÜRLICH gewähre ich diese Unterbrechung. Ihr habt zwei Minuten.“ erhielt ich zähneknirschend als Antwort.
„Ok pass auf ich habs verstanden.“ flüsterte ich Sarah aufgeregt zu.
„Sicher?“ fragte sie.
„Ja vertrau mir. Ich möchte eine Zeugin laden, die das alles hier regeln wird.“ erzählte ich weiter.
„Ok wen?“ fragte Sarah aufgregt.
„Dein kleines Ich.“ antwortete ich kurz.
„Clever, Jona, sehr clever.“ antwortete Sarah und wendete sich nun an den anderen Jona: „Die Verteidigung beantragt als nächste Zeugin Sarah Kraus zu vernehmen.“
„Frau Verteidigerin, sie im Zeugenstand oh ich dachte mir schon das wir spannend, aber so spannend. Nur zu immer rauf auf den Zeugenstuhl.“ forderte der Richter.
„Aber natürlich liebend gerne.“ entgegnete Sarah mit einem hinterhältigen Lächeln und bewegte sich auf den Zeugenstand zu.
„Achja Moment, da ist ja gar kein Platz. 3…2…1…schnipp und frei. Ich hätte jetzt so gerne etwas Popcorn. Bitte ich würde zu gerne die Verteidigung im Zeugenstand sehen.“ laberte der Wahnsinnige mehr zu sich als zu uns.
Ich hoffte das mein Plan aufgehen würde. Ich beobachtete wie Sarah sich setzte, einmal kurz die Augen schloss und einmal tief durchatmete. Sie schaute einmal kurz zu mir und ich wusste, dass sie bereit war.
„So also wenn die Verteidigung schon einen Zeugen lädt, dann sollte sie diesen wohl auch befragen oder? Achja die Verteidigung ist ja die Zeugin. Ähm…also Jona dann befrag du mal deine Zeugenfreundin.“ schlug mein Ebenbild vor.
„Mit dem größten Vergnügen. Sarah würdest du dem Jona da mal bitte erklären wie lieb ich bin.“ sagte ich zu Sarah und deutete auf den Jona in Richterrobe.
„Du bist super lieb und ganz toll.“ antwortete Sarah in der Stimmlage ihres kleinen Ich.
„Achja ganz toll und was war als Jona betrunken nach Hause gekommen ist?“ entgegnete der andere.
„Mir hat er nichts getan zu mir war er immer ganz dolle lieb und hat mit mir gespielt und sich um mich gekümmert.“ antwortete Sarah und sagte zu mir: „Jona, der andere Jona is voll doof, der versteht das nicht was ich sage.“
„Macht nichts, manchmal ist man halt ein bisschen doof.“ entgegnete ich ihr.
„Na gut, aber du bist gar nicht doof, nur der da.“ warf sie ein und zeigte auf mein anderes Ich.
„Was wird hier bitte gespielt. Ich will jetzt etwas dazu hören, dass der Angeklagte schuld an allem ist!“ forderte mein Ebenbild.
„Vergiss es. Das funktioniert bei ihr nicht. Du kämpfst gerade gegen kindliche Unschuld. Sie wird dir keine Angriffspunkte gegen mich liefern.“ erklärte ich und lehnte mich entspannt zurück.
„Na gut dann hören wir eben den nächsten Zeugen, ganz einfach. Wir werden definitiv nachweisen, dass du an allem schuld bist und wenn wir hier noch hundert Leute hören müssen.“ konterte mein Gegenspieler siegessicher.
„Gerne ich habe Zeit, aber ich glaube deine Anklage ist vom Tisch.“ merkte ich ruhig an.
„Ist sie das?“ fragte der andere Jona.
„Hey schweigsamer Staatsanwalts-Jona darf ich nochmal hören was mir vorgeworfen wird?“ fragte ich zur anderen Seite des Raums.
Der bisher schweigsam Staatsanwalt nahm seine Akte und verlas nochmals die Anklage.
„Vielen Dank dafür. So ich fasse einmal zusammen. Mir wird vorgeworfen schuld an allem zu sein richtig? So dann müssten doch auch alle Leute, die hier aussagen etwas gegen mich vorbringen können oder?“ fragte ich in den Raum.
„Irgendwie mag ich die Schlussfolgerung des Angeklagten. Er versteht die Anklage.“ meldete sich der Richter zu Wort.
„Dann danke ich auch hierfür, denn damit ist die Anklage absolut wertlos. Denn Sarah kann und wird nichts vorbringen was mir die Schuld an irgendetwas gibt und damit kann ich auch nicht schuld an allem sein. Ganz einfach.“ beendete ich meine Schlussfolgerung.
„Clever. Sehr clever.“ beglückwünschte mich mein anderes Ich. „Ich hätte dich ja zu gerne von innen heraus aufgefressen, aber leider hast du mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mein letzter Rat an dich. Pass auf, dass du mich nicht irgendwann wieder an der Backe hast.“ ergänzte mein anderes Ich und schnippte nochmals mit dem Finger.
———————————————————————————————
Ich schreckte hoch. Durch das kleine Fenster fiel Sonnenlicht in den Kellerraum und erhellte diesen. Ich war wieder einmal klatschnass geschwitzt, aber etwas anderes erwartete ich nach einem solchen Traum auch nicht mehr. Sarah schlief noch seelenruhig neben mir. Dieses Mal lag in an der in den Raum liegenden Seite des Gitterbetts und nutzte diese Position aus um die Türe des Gitterbetts zu öffnen und hinaus zu schlüpfen. Ich trenne mein Handy vom Ladegerät und schaute auf die Uhr. 9:00 morgens wurde mir angezeigt. Die Verhandlung würde erst um 14:00 weiter gehen beziehungsweise in die entscheidende Runde gehen. Gestern hatte mich echt geschafft. Die Versuche des Verteidigers mich in die Scheiße zu reiten, setzten mir immer noch ein wenig zu. Wie konnte man sich so etwas nur ausdenken oder gar vorstellen? Das konnte und wollte ich nicht verstehen. Ich suchte mit meine Hose, zog sie an und machte mich auf den Weg in die Küche. Mir war jetzt definitiv nach einem Kaffee und danach musste ich dringend unter die Dusche.
Nach ein paar Schritten hielt ich kurz inne. Etwas war anders. Anders als sonst, aber nicht schlechter. Es war nichts also nichts, das mich nach unten zog, es fühlte sich ein wenig so an als ob ich leicht wie eine Feder wäre. Ziemlich seltsames Gefühl, wenn ich so darüber nachdachte, aber gleichzeitig auch sehr angenehm. Ich konnte das nicht wirklich zuordnen, aber das erste was mir in den Sinn kam, war das Erwachen aus einem langen und vor allem dunkeln Traum. Mit diesem Gedanken machte ich mich auf den weiteren Weg in die Küche.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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Jona hatte ja schon länger keinen so eigenwilligen Traum. Aber schön das Er den Konflikt mit sich gut bewältigt hat. Ich hoffe das es bei dem zweiten Teil der Verhandlung auch so gut ausgeht!