Kleine Maus mit großen Herz (22)
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Kapitel 22: Der Antrag
Der Weg war nicht so weit wie ich gedacht hatte. Wir brauchten tatsächlich nur zehn Minuten bis zu Jona nach Hause. Gesprochen hatten wir auf dem Weg nicht viel. Jona wirkte ein wenig angespannt. Wir bogen gerade in die Straße ab in der Jona wohnte. Er hielt kurz an.
„Stimmt was nicht?“ fragte ich besorgt.
„Ganz ehrlich ich bin ein bisschen nervös. Ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass Sarah vielleicht doch nein sagt. Vielleicht weiß sie auch schon was ich vor habe, dann ist die Überraschung weg.“ erklärte er mir. Ich konnte die Sorgen nachvollziehen, ich glaube in der Situation würde es mir genauso gehen.
„Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass Sarah nein sagt. Ich habe euch zwar nur ein paar Mal zusammen erlebt und davon nur zwei Mal in der Zeit in der ihr zusammen ward, also ich meine jetzt privat, gesehen habe ich euch dann doch öfter und ich finde ihr passt einfach zu gut zusammen. Sie wird einfach nicht nein sagen. Du ziehst das jetzt wie geplant durch. Du hast schlimmeres überstanden als das hier.“ entgegnete ich ihm ernst und schaute ihm direkt in die Augen.
„Schon lustig. Ihr seid euch irgendwo gar nicht so unähnlich. Ihr habt beide irgendwie so eine Art jemanden wie auf den richtigen Weg zu leiten. Jede von euch auf ihre Art, aber doch Art ähnlich. Danke für die kleine Wegweisung.“ bedankte sich Jona bei mir.
„Dann sollten wir weiter gehen.“ ermahnte ich ihn und Jona setzte sich wieder in Bewegung.
Fünf Minuten später standen wir vor der Haustüre und Jona schloss die Türe auf.
„Ich würde ja sagen nach dir, aber ich glaube das sparen wir uns dann heute.“ flüsterte er. Er ahnte definitiv, dass Sarah etwas plante. Er trat in den Flur, aber es passierte nichts. Ich folgte ihm und schloss die Türe hinter mir. Jona bewegte sich in Richtung der Küche und öffnete die Türe. Anscheinend hatten sich alle in der Küche versammelt, denn ich hatte die Türe kaum erreicht als auch schon das Überraschungsgebrüll losging. Ich betrat unauffällig die Küche und schaute wer alles hier versammelt war. Ich konnte Sarah, Sandra, Helen und sogar Rob sehen, den ich ja vorhin erst in der Mensa mehr oder weniger kennengelernt hatte. Ein weiteres Mädchen, das ich nicht kannte, war ebenfalls anwesend. Sie stützte sich mit der Hand auf einen Stuhl und hielt ein Bein etwas in die Luft. Es wirkte so als ob sie sich verletzt hatte. Das musste wohl Svenja sein, ergab zumindest Sinn aufgrund von Jonas Bericht.
„Was für eine Überraschung. Damit hab ich ja gar nicht gerechnet.“ sagte Jona, nachdem sich der Trubel gelegt hatte.
„Alles nur für dich.“ entgegnete Sarah und gab Jona einen Kuss. „Kathi du musst nicht so hinter Jona rum stehen, kommt her setz dich. Sandra kennst du ja schon. Das sind Svenja und Rob.“ stellte Sarah mir die übrigen Personen vor.
„Ähm…ja…hi ich bin Kathi.“ stellte ich mich kurz vor und ging zu den anderen. Ich weiß nicht warum aber ich stellte mich in Sandras Nähe.
„Ist dir was dazwischen gekommen oder warum tauchst du mit Jona auf?“ flüsterte sie mir zu.
„Wieder ein kleines Missverständnis. Hab Jona mit Blumen am Friedhof gesehen und bin ihm gefolgt. Ich war schon spät dran, weil ich den Termin komplett verplant habe und mich dann noch mit Meike verquatscht habe.“ erklärte ich.
„Da bin ich auch nicht ganz unschuldig dran.“ merkte Rob an.
„So?“ fragte Sandra.
„Ich bin mit ihrer Freundin in der Mensa zusammen gestoßen, war ne schöne Sauerei.“ berichtete er.
„Ach deiner Freundin hab ich meine Sachen geliehen.“ schaltete sich Svenja ein.
„Glaub mir, sie war nicht begeistert, aber ich denke sie ist dir trotzdem sehr dankbar.“ bedankte ich mich bei Svenja an Meikes Stelle.
„Sie darf sich bedanken, wenn mein werter Herr Bruder ihre Sachen wieder sauber bekommen hat. Mach das nächste Mal die Augen besser auf.“ zischte Svenja Rob an.
„Och Mann Svenja fang doch nicht schon wieder an. Ich kümmere mich schon darum.“ beschwerte sich Rob.
„SO KÖNNTE ICH ALLE ANWESENDEN DANN MAL UM IHRE UNGETEILTE AUFMERKSAMKEIT BITTEN?“ rief Jona laut in den Raum und alle verstummten. Ich wusste was jetzt kommen würde, aber tatsächlich fuhr nicht Jona fort, sondern Helen.
„Also egal was gleich passiert es ist alles in Ordnung. Sag einfach das was du wirklich sagen möchtest. Verstanden?“ fragte sie in den Raum und betrachtete dabei eindringlich Sarah. Die wusste gerade vermutlich nicht wie ihr geschah und wirkte sichtlich nervös, sagte aber nicht und nickte nur ganz langsam. „Gut Jona, bitte.“ setzte Helen nach.
„Ähm…ja danke. Also ich glaube ich hätte mich hierauf vielleicht besser vorbereiten sollen, aber ich glaube darauf kann man sich gar nicht so wirklich vorbereiten. Also ich glaube alle Anwesenden wissen, dass mein heutiger Geburtstag ein ganz besonderer Geburtstag ist, denn mein letzter Geburtstag hätte tatsächlich mein letzter werden können.“ fing Jona an und stoppte kurz. Alle warteten, dass er seinen Vortrag fortsetzte. Ich schaute kurz durch die Gesichter der Anwesenden, anscheinend wusste wirklich jeder außer Sarah was jetzt kommen würde.
„Also danke ich euch erst mal für diese wunderschöne Überraschung, die ihr mir bereitet habt, auch wenn ich schon fast damit gerechnet habe, aber ganz besonders möchte ich einer Person danken, nämlich der Person ohne die ich heute hier nicht stehen würde und mit euch feiern könnte. Ich nehme an ihr habt mir gleich noch reichlich Geschenke zu machen, aber diese Person hat mir mehr geschenkt als mir überhaupt jemand schenken könnte, eine zweite Chance wenn man so will. Ich meine natürlich dich Sarah. Kommst du mal neben mich?“ fragte er Sarah, die immer noch ein wenig unsicher ein paar Schritte von Jona entfernt stand und sich langsam in seine Richtung bewegte.
„Jona das ist gerade alles ein bisschen komisch.“ merkte Sarah an.
„Lass mich einfach fertig reden.“ entgegnete Jona und Sarah nickte zustimmend. Jona legte seine Hände auf ihre Schulter und schaute sie direkt an.
„Ich finde heute sollte nicht ich irgendein Geschenk erhalten, sondern du. Ich kann dir leider nicht mehr viel geben, denn mein Herz hast du bereits bekommen. Das ist mehr als ich bei meinem Einzug für möglich gehalten habe, aber ich habe dennoch etwas für dich vorbereitet.“ erklärte er weiter. Er nahm seine Hände von ihrer Schulter und steckte eine Hand in seine Tasche. Er atmete einmal tief durch und kniete sich vor Sarah. Mit einem flinken Griff zog der ein kleines Schächtelchen aus seiner Jacke und hielt es Sarah hin. Mit der freien Hand öffnete er es und wartete zwei Sekunden. Ich glaube das müssen für Sarah die längsten Sekunden überhaupt gewesen sein.
„Wie gesagt mein Herz hast du schon, hiermit sollst du es für immer behalten. Willst du mich heiraten?“ fragte Jona schließlich. Sarah schaute kurz verwirrt zu Jona, dann zu ihrer Mutter, die nur nickte.
„Ja, ja und nochmals ja.“ brach es plötzlich aus ihr heraus. Sie konnte nicht anders und küsste Jona, der das Gleichgewicht verlor und strauchelte. Sarah versuchte ihn zu halten, verlor aber auch das Gleichgewicht und Jona zog Sarah mit sich zu Boden. Die Schachtel mit dem Ring konnte Jona gerade noch festhalten. Einen kurzen Augenblick nach dem Sturz war von Sarah und Jona ein Lachen zu hören. Die beiden amüsierten sich anscheinend prächtig über ihre Tollpatschigkeit.
„Was machst du denn für Sachen?“ fragte Jona während er sich aufrichtete und danach Sarah aufhalf.
„Sagt der Richtige. Du kannst mir doch nicht urplötzlich einfach so einen Antrag machen.“ beschwerte sie sich eher scherzhaft.
„Ich kann den Ring auch wieder zurückbringen.“ scherzte Jona.
„Nein, nein, nicht den Ring zurückbringen. Steck ihn auf meinen Finger.“ forderte sie Jona auf. Jona wollte Sarah nicht lange warten lassen und öffnete wieder die Schachtel. Jetzt nahm er den Ring aus der Schachtel und steckte diese wieder weg. Sarah streckte ihre Hand aus. Sie zitterte, wahrscheinlich war es die Aufregung. Ich hatte das Gefühl der Ring würde in Zeitlupe auf ihren Finger wandern. Er passte perfekt. Jona hatte sich anscheinend gut vorbereitet. Sarah schaute den Ringen einen Moment an und fiel Jona um den Arm und gab ihm einen Kuss. Wir anderen fingen an zu klatschen.
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Die erste Aufregung hatte sich ein wenig gelegt. Wir hatten uns inzwischen auf den von Helen vorbereiteten Kuchen gestürzt, der verdammt lecker war.
„So und jetzt mal ehrlich wer von euch wusste das alles?“ fragte Sarah plötzlich in die Runde. Ihr Blick ging die Reihe von uns entlang und wir alle wichen ihrem Blick aus.
„Ihr seid voll gemein. Ihr könnt mir sowas doch nicht verheimlichen.“ beschwerte sie sich.
„Dann wäre es aber nicht so schön geworden.“ schaltete sich Sandra ein.
„War ganz schön viel Arbeit das geheim zu halten. Sandra und Jona haben sich um den Ring gekümmert und ich sollte für Ablenkung sorgen, damit die beiden ohne Probleme einkaufen können.“ erklärte Svenja.
„Hätte auch geklappt, aber leider ist uns die liebe Kathi in die Quere gekommen. Sie dachte Jona und ich hätten eine Affäre. Naja zum Dank wurde ich unter ihren Büchern begraben.“ erzählte Sandra weiter.
„Das hätte ich zu gerne gesehen.“ kicherte Sarah.
„Zur Strafe durfte ich dann die Ablenkung spielen. An dem Tag hast du mich zu der Überraschungsparty eingeladen. Ich habe heute einfach nur den Termin verschwitzt und dann kam noch das mit Meike dazwischen.“ erklärte Kathi.
„Unglaublich. Ihr habt euch alle gegen mich verschworen. Und was war deine Rolle bei dem Spiel Rob?“ fragte Sarah.
„Ich war nur die Ausrede für Jona um das Haus zu verlassen.“ antwortete Rob.
„Du brauchst jetzt aber nicht böse auf deine Freunde zu sein.“ schaltete sich Jona ein.
„Bin ich auch nicht, aber es hat was von einer Verschwörung. Aber die schönste Verschwörung überhaupt. Ich nehme an du wusstest auch Bescheid?“ fragte Sarah ihre Mutter.
„Klar. Jona hat mich vorher um meinen Segen gebeten, den ich ihm natürlich gegeben habe.“ erklärte Helen.
„Alles perfekt vorbereitet wie mir scheint.“ stellte Sarah fest und gab Jona noch einen Kuss. „Perfekt vorbereitet von dem besten Verlobten den man haben kann. Ich möchte am liebsten vor Freude in die Luft springen!“ setzte sie nach.
„Ich weiß ich auch, ähm eine Kleinigkeit gibt es aber noch. Deine Mutter hat eine Bedingung gestellt. Geheiratet wird frühstens wenn wir mit der Schule fertig sind, am liebsten wenn wir unsere Ausbildung oder unser Studium fertig haben.“ entgegnete Jona.
„Ich glaube damit kann ich leben. Du weißt ich will auf der Hochzeit wie eine wunderschöne Prinzessin aussehen und das muss lange vorbereitet werden.“ erklärte Sarah. Wir anderen mussten ein bisschen lachen. Irgendwo fand ich die Vorstellung mit der Prinzessin schon reizvoll, nur auf meiner Hochzeit wären es aber wahrscheinlich zwei Prinzessinnen.
„So ich will deine Freude über den Antrag nicht unterbrechen, aber ich glaube wir müssen jetzt noch ein bisschen was anderes feiern. Wenn mich nicht alles täuscht gibt es hier ein Geburtstagskind, das bislang nur Geschenke verteilt hat, aber noch keine bekommen hat. Das geht ja gar nicht.“ stellte Sandra fest. Ich war froh, dass es eine Art Gemeinschaftsgeschenk für Jona gab, denn so brauchte ich mir keine Gedanken machen.
„Rob du hilfst mir beim tragen?“ fragte Sandra weiter.
„Klar.“ entgegnete Rob und beide verließen den Raum.
„Jetzt bin ich aber gespannt.“ merkte Jona an. Es dauerte einen Moment und die beiden kamen mit einem ziemlich großen und unhandlichen Geschenk zurück in die Küche und stellten es an die Stelle, an der Sarah und Jona vorhin noch gestanden hatten.
„Also dann Jona nochmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag von allen Anwesenden. Wir haben uns eine Kleinigkeit überlegt oder besser gesagt Sarah und ich haben überlegt und die anderen haben tatkräftig mitgewirkt. Viel Spaß beim Auspacken.“ sagte Sarah und schritt zur Seite und machte Jona den Platz frei.
„Willst du mit mir auspacken?“ fragte Jona Sarah, die lächelte und eifrig mit dem Kopf nickte.
„JA!“ rief sie begeistert und drängte Jona dazu auf zu stehen. Jona schien sich besonders langsam zu bewegen um Sarah ein bisschen zu ärgern. Ich hatte bislang noch nicht erlebt, dass die beiden sich zankten, aber anscheinend war das zwischen den beiden eher ein übliches Verhalten, denn es wirkte zumindest nicht so als ob es Sarah stören würde, tatsächlich wirkte es sogar so als ob sie ihren Spaß damit hatte.
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Jona war inzwischen aufgestanden und Sarah war zu dem Geschenk geeilt. Jona ließ sich weiterhin Zeit.
„Jona, komm. Pack das Geschenk aus.“ forderte Sarah ihn ungeduldig auf. Jona machte ein paar Schritte und stand neben Sarah.
„Sei nicht so ungeduldig, du weißt doch eh schon was drin ist.“ merkte Jona an.
„Ja, aber ich wills trotzdem auspacken. Das macht Spaß.“ erklärte Sarah mit einem seltsamen Funkeln in den Augen. Es war seltsam zu betrachten, aber es wirkte auch gleichzeitig auch interessant. Irgendwie konnte ich mir vorstellen, dass ich genauso schauen würde, wenn ich jetzt ein solch großes Geschenk auspacken durfte.
„Wenn du so viel Spaß daran hast, dann darfst du gerne alleine auspacken.“ sagte Jona plötzlich.
„Wirklich?“ fragte Sarah.
„Klar. Fang an.“ forderte er Sarah auf. Sie fing unverzüglich das Geschenk auszupacken. Es dauerte nicht lange und das Geschenkpapier flog gefühlt durch die Gegend und gab schlussendlich etwas frei, das ich von meiner Position nicht ganz genau erkennen konnte. Jona kniete sich hin und schaute sich sein Geschenk an und verdeckte uns anderen die Sicht.
„Ihr musstet es aber auch wieder übertreiben oder?“ fragte Jona verwundert.
Ich selbst ging einen Schritt näher an das Geschenk heran um es einmal zu betrachten. Ich selbst hatte es bislang noch nicht gesehen. Es war anscheinend eine Sammlung von allen möglichen Bildern von allen, sogar welche von mir waren dabei, die waren von Sarahs Geburtstag. Alle waren in einem großen Bilderrahmen angeordnet. Das Gesamtwerk war ziemlich bunt. Ich nahm an, dass Sarah und die anderen für den Bilderrahmen extra ein paar Bilder gemacht um diese in den Rahmen zu packen. Es war definitiv ein schönes Geschenk.
„Naja dein Zimmer ist ein bisschen kahl und da dachten wir, wir sorgen für ein bisschen Dekoration.“ erklärte Sarah. Jona richtete sich auf und gab ihr nochmals einen Kuss.
„Habt ihr toll gemacht.“ sagte er. Danach fing er an uns nacheinander zum Dank zu umarmen. Ich blieb danach noch gut eine Stunde bevor ich mich auch auf den Weg nach Hause machte.
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Die nächsten Tage und auch Wochen waren eher ereignislos. Der Antrag war schön. Ich hatte zu Hause natürlich davon berichtet und auch mit meiner zufälligen Begegnung mit Jona. Eigentlich war ich ja schon glücklich und zufrieden, aber irgendwie fühlte ich mich trotz Meike und auch den Leuten um Sarah und Jona ein wenig einsam, gerade zu Hause. Jetzt rächte es sich irgendwie, dass ich ein Einzelkind war. Bei Jen zu Hause war gefühlt immer was los gewesen. Als Anna noch zu Hause gewohnt hatte und Marie noch klein war, gab es immer irgendwelche Action wegen Anna oder Jen und jetzt wo sie weg war, sorgten Jen und Marie eben für Action. Klar Geschwister waren bestimmt nicht immer toll. Ich hatte das bei Svenja und Rob gemerkt. Die beiden schienen doch eher Differenzen miteinander zu haben oder es wirkte zumindest so. Für einen Außenstehenden wirkte das vermutlich nur so.
Ich war gerade nach Hause gekommen, die Schule war schon wieder nervtötend gewesen. Oberstufe nervte. Lange Schultage, zu viele Hausaufgaben und das schlimmste war dann noch mein alter Freund…ähm Feind…Mathe. Ich hatte ein Waterloo nach dem anderen erlebt. In Geschichte war ich immerhin halbwegs gut und konnte etwas mit Waterloo anfangen, ich wusste also, dass Waterloo mehr als nur ein Song aus den 70ern war. Ich seufzte betrübt vor mich her. Meiner Mutter war das natürlich nicht entgangen.
„Na was bedrückt dich kleine Maus?“ fragte sie freundlich und setzte sich zu mir an den Küchentisch.
„Ach weiß nicht. Ist eigentlich total bescheuert.“ merkte ich an. Es war eigentlich wirklich bescheuert.
„Bescheuert gibt es nicht. Du weißt doch du kannst hier alles sagen, egal was es ist. Ich hoffe du hast nicht vor die Schule zu schmeißen.“ entgegnete meine Mutter besorgt.
„Ne die Schule nervt zwar, aber so schlimm ist sie nun auch wieder nicht, auch wenn Mathe echt übel ist. Ich muss mir glaube ich wen suchen, der mir da hilft. Das ist es aber nicht. Es ist total komisch…weißt du gefühlt jeder in meiner Umgebung hat Geschwister, nur ich nicht. Irgendwie finde ich das doof.“ erklärte ich meiner Mutter.
„Verstehe und jetzt sollen wir dir irgendwo ein Geschwisterkind klauen oder backen?“ fragte meine Mutter scherzhaft.
„Och Mama du bist gemein. So war das jetzt auch nicht gemeint.“ gab ich beleidigt zurück.
„Ich weiß. Wenn es so einfach wäre, dann wären wir jetzt vermutlich schon mehr als nur drei. Du warst einfach Glück und das hat sich leider nicht wiederholt und ich fürchte, das wird sich auch nicht mehr ändern.“ erklärte meine Mutter.
„Hast du mir nie gesagt.“ gab ich verwundert zurück.
„Du hast dich auch nie großartig zu Geschwistern geäußert, zumindest bis vor kurzem. Das ist mir schon ein paar Mal aufgefallen, dass du dir da anscheinend Gedanken drüber machst.“ berichtete meine Mutter.
„Dir entgeht nichts oder?“ fragte ich mit einem leicht genervten Unterton.
„Ich bin deine Mutter, Müttern entgeht nichts, also meistens zumindest. Vielleicht hast du auch noch das Glück das irgendwann feststellen zu dürfen.“ antwortete meine Mutter gelassen. Mein leicht genervten Unterton hatte sie anscheinend überhört.
„Dürfte schwierig werden. Frauen werden selten von Frauen schwanger, aber möglicherweise gibt es andere Wege, aber dafür brauche ich überhaupt erst mal jemanden.“ entgegnete ich deprimiert.
„Wird schon. Was macht eigentlich Jen?“ fragte meine Mutter.
„Keine Ahnung. Ich habe seit dem Umzug nicht wirklich mit ihr geschrieben. Ich fand den Abschied schmerzhaft, aber auch befreiend. Ich bin froh, dass das Gefühlschaos ein wenig nachgelassen hat. Ich werde ich aber bald schreiben, gerade weil ich jetzt so langsam das Gefühl habe, dass ich meine Gefühle ihr gegenüber im Griff habe.“ erklärte ich.
„Das mit dem Gefühlschaos klingt gut, aber du solltest Jen nicht so vernachlässigen.“ ermahnte mich meine Mutter.
„Hatte ich nicht vor. Es ist halt schwierig, genauso wie die Sache mit den Geschwistern. Schwierig und bescheuert.“ entgegnete ich.
„Ach kleine Maus, du machst dir viel zu viele Gedanken. Wann hast du das letzte Mal einen Ausflug in deine kleine Welt gemacht?“ fragte meine Mutter.
„Ist schon ein bisschen her ich glaube vor zwei oder drei Wochen. Denkst du es wird wieder Zeit oder warum fragst du?“ entgegnete ich. Meine Mutter grinste, stand auf und nahm meine Hand. Ich wurde mit einem sanften Ruck nach oben gezogen und von meiner Mutter in mein Zimmer geführt.
„So du legst dich jetzt aufs Bett und wartest auf mich. Ich bin in zehn Minuten wieder da.“ wies sie mich an. Ich nickte etwas unsicher. Ich wusste nicht was sie genau vor hatte, aber ich hatte so einen Gedanken. Es dauerte tatsächlich zehn Minuten und meine Mutter kam zurück und hatte eines meiner Fläschchen mit Tee dabei. Sie reichte mir den Tee.
„Du trinkst jetzt erst mal in Ruhe deinen Tee und ich zieh dir was gemütlicheres an. Guter Plan oder?“ fragte meine Mutter. Es war zwar immer noch ein wenig befremdlich, wenn meine Mutter mich wickelte, aber es fühlte sich einfach zu gut an. Ich konnte das inzwischen sogar ein wenig genießen. Ich nickte, für sie war das das Zeichen, dass sie anfangen konnte. Tatsächlich war es zwar ein wenig schwierig während des Wickelns den Tee zu trinken, aber meine Mutter schaffte es irgendwie mich aus meinen Klamotten zu bekommen während ich meinen Tee trank. Das Fläschchen reichte gerade so bis zu dem Zeitpunkt als meine Mutter gerade den letzten Knopf des Bodys zu knöpfte.
„Na gut so oder lieber noch einen deiner Strampler drüber?“ fragte meine Mutter.
„Hmmm…ich denke das reicht gerade. Hier drinne ist schön warm.“ gab ich zurück.
„Aber dicke Socken ziehen wir dir an, kalte Füße sind nicht gut.“ erklärte meine Mutter und suchte ein dickes Paar Stoppersocken. Die hatte ich mir extra gekauft, weil ich oft kalte Füße bekam, aber wenn ich klein war hatte ich irgendwie keine Lust auf meine Hausschuhe. Die Socken waren echt super und sorgten für warme Füße. Zwei geübte Handgriffe später hatte ich die Socken an meinen Füßen.
„So fertig. Willst du hier oben bleiben oder wieder mit runter?“ fragte meine Mutter.
„Ich glaube ich bleibe erst mal hier. Danke Mama. Jetzt fühle ich mich ein bisschen besser.“ antwortete ich.
„Dachte ich mir. Ich hole dich nachher zum Essen.“ verabschiedete sich meine Mutter und schloss die Türe hinter sich.
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Tatsächlich war der restliche Tag ein wenig erträglicher. Sogar meine Hausaufgaben waren ein wenig erträglicher oder zumindest glaubte ich das. Ich schaffte sogar alles in einer halbwegs passablen Zeit. Gut ich musste auch nicht wirklich zwischendurch Unterbrechungen zwischen schieben um aufs Klo zu gehen, da musste ich sagen war das Windeltragen einfach praktisch. Ich hatte nach den Hausaufgaben sogar noch ein bisschen Zeit um auf meinem Bett zu liegen und ein bisschen zu dösen. Irgendwann kam meine Mutter und holte mich zum Abendessen. Glücklicherweise wurden die Gesprächsthemen von heute Mittag nicht weiter thematisiert, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Mutter meinem Vater nichts gesagt hatte. Wahrscheinlich hielten sie es für sinnvoller das Thema zu umschiffen. Mein Vater war erstaunt mich wieder einmal als mein kleines Ich zu sehen. Ich hielt es irgendwie für sinnvoll meine kleine Seite als mein zweites Ich zu bezeichnen. Das war mir heute Nachmittag spontan in den Sinn gekommen. Ich merkte, dass mir das heute gut getan hatte. Ich hatte das zu lange vernachlässigt und das rächte sich jetzt irgendwo. Ich merkte, dass ich doch sehr müde war. Die Hausaufgaben hatten mich geschafft. Ich machte mich direkt nach dem Essen direkt auf den Weg ins Bett und schief fast schon beim Hinlegen ein. Ich kam nicht mal mehr dazu meinen Schnuller in meinen Mund zu stecken.
Der Rest der Woche war ein wenig einfacher, aber nicht weniger nervig. Ich war froh als endlich das Wochenende kam. Meine Mutter war am Wochenende noch einmal so frei und kümmerte sich ein kleines bisschen ausgiebiger um mein kleines Ich, sprich ich bekam auch wieder vorgeschnittene Brote und durfte mich ein wenig von meinen Alltagssorgen erholen oder sie zumindest für den Moment ausblenden. Alleine das half schon um einen gewissen Abstand zu erhalten und eine etwas distanzierter Sicht auf die Dinge zu entwickeln. Tatsächlich half mir das auch dabei die Probleme anders anzugehen oder sogar zu lösen. Selbst meine Geschwisterwünsche wurden tatsächlich kurzzeitig in den Hintergrund gedrängt.
Leider kam irgendwann der Sonntagabend und dann auch leider viel zu früh der Montagmorgen. Ich wäre zu gerne im Bett liegen geblieben, aber das Spiel machte meine Mutter dann nicht mit. Also hieß es erst mal Schule. Die Woche war mit Meike glücklicherweise halbwegs erträglich gewesen. Wir hatten uns sogar für Sonntagmittag kurz zum Kaffeetrinken in der Stadt verabredet, darauf freute ich mich besonders. War mal was anderes. Ich machte drei Kreuze als wieder der Freitag kam und es endlich hieß Wochenende. Es wurde wieder einmal Zeit zumindest heute Nachmittag die kleine Kathi die Führung übernehmen zu lassen, alleine schon um mich von der Woche zu erholen und genau das tat ich als ich nach Hause kam. Es war einfach die beste Möglichkeit um einfach mal abzuschalten. Auch wenn meine Eltern mich nicht bemutterten, war es trotzdem für mich einfach Entspannung pur. Ich verbrachte das Wochenende bis zum Sonntag in meiner kleinen Welt, aus der ich mich dann selbst rausholte kurz bevor Meike mich abholen wollte. Ich war gerade fertig geworden als es an der Türe klingelte. Ich rannte nach unten und öffnete die Türe.
„Hi, ich muss mir gerade noch Schuhe anziehen, dann können wir los.“ begrüßte ich Meike.
„Hi, kein Stress, wir haben Sonntag und morgen ist erst wieder Schule.“ begrüßte Meike mich und fing an zu lachen. Ich beeilte mich mit meinen Schuhen und machte mich mit Meike auf den Weg in die Stadt. Wir fanden direkt im Zentrum ein Cafe und setzten uns nach drinnen. Draußen war es einfach zu kalt. Wir bestellten uns beide einen Kaffee.
„Du wirkst echt viel entspannter als am Freitag.“ meinte Meike.
„Ja ich konnte ja auch lange schlafen.“ log ich. Ich hatte zwar auch länger geschlafen, aber das war nicht der Grund für meine Entspannung.
„Schön, dass dir das so hilft. Mir hat es schon geholfen überhaupt mal meine Ruhe haben zu können. Glaub mir ich war vor einem halben Jahr weitaus unausgeglichener.“ merkte Meike an.
„Dein Vater hat für die Unruhe gesorgt nehme ich an?“ fragte ich. Unser Kaffee wurde gebracht und wir beide tranken ein Schluck.
„Hab ich ja schon erwähnt. War echt nicht schön. Lass uns lieber über was schönes reden.“ versuchte Meike das Thema zu wechseln.
„Klar warum nicht. Was darfs denn sein?“ fragte ich.
„Hmmm weiß nicht. Erzähl doch mal was du vor deinem Umzug sonst so getrieben hast.“ meinte Meike.
„Ach die meiste Zeit hab ich eigentlich mit Jen rumgehangen. War immer lustig. Ich habe aber auch ne Zeit lang Volleyball gespielt, aber das habe ich nach meiner letzten Verletzung dran gegeben, ließ sich auch nicht mehr mit der Schule vereinbaren und wirklich gut war ich auch nicht mehr. Vermutlich hatte ich einfach keinen freien Kopf dafür. Meine Eltern waren ja auch nicht so begeistert von meinen Noten und haben natürlich Druck gemacht.“ berichtete ich.
„Ich wollte auch immer Sport im Verein machen, aber mein Vater war dagegen.“ gab Meike betrübt zurück und trank noch einen Schluck Kaffee.
„Was hättest du gerne fürn Sport gemacht?“ fragte ich.
„Also inzwischen reizt mich das zwar nicht mehr so, aber so vor acht Jahren hätte ich ganz gerne Fußball gespielt. Kannst dir vorstellen, was mein Prolet von Vater davon gehalten hat.“ antwortete Meike.
„Ich glaube ich wills gar nicht hören.“ gab ich zurück. Wir schwiegen einen Moment und wechselten dann noch ein paar Mal die Themen, auch wenn Meikes Vater irgendwo immer mit dabei war. Eigentlich wollte Meike das Thema vermeiden, aber kam trotzdem immer wieder dazu zurück. Eigentlich war das nicht wirklich zielführend, aber wenn sie das Bedürfnis hatte sich auszukotzen, dann sollte sie das tun. Ich hatte gerade meinen Kaffee leer getrunken als ich die Vibration meines Handy in der Tasche merkte.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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Danke, war wieder ein schöner Abschnitt den Du geschrieben hast. Freu mich auf den nächsten Teil.