Kleine Maus mit großen Herz (25)
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Kapitel 25: Bleibender Eindruck
Meine Mutter war aufgestanden und nahm unseren Gast in Empfang. Ich hatte das Gefühl, die Zeit würde noch langsamer vergehen. Waren es Stunden, die sie mit der Dame vom Jugendamt an der Türe verbrachte oder gar Tage? Mir war klar, dass es nur ein paar Minuten gewesen sein mussten, aber es kam mir weitaus länger vor. Es war schon gerade eine Erlösung als sich endlich die Türe öffnete und meine Mutter mit unserem Besuch in die Küche kam. Sonderlich sympathisch wirkte die Dame nicht. Sie erinnerte mich eher an eine meiner alten Deutschlehrerinnen, die immer ziemlich gemein gewesen war. Die Frau hatte definitiv den falschen Job gewählt.
„So Frau Meier. Das sind mein Mann und unsere Tochter Kathi.“ stellte meine Mutter uns Frau Meier vor.
„Angenehm.“ sagte sie freundlicher als ich es erwartet hätte. Sie war wohl anscheinend netter als es den Anschein machte. Meine Mutter deutete auf einen Stuhl am Tisch und Frau Meier setzte sich. Bei sich trug sie irgendeine alte abgegriffene lederne Aktentasche, die gar nicht zu ihrem modernen Outfit passte. Aus ihrer Tasche zog sie einen ziemlich dicken Packen an Papieren und legte ihn auf den Tisch.
„Hätten sie gerne einen Kaffee?“ fragte mein Vater, nachdem Frau Meier mit ihren Papieren fertig war.
„Gerne.“ entgegnete sie knapp und meine Mutter reichte ihr eine Tasse.
„Brauchen sie Milch?“ fragte meine Mutter etwas unsicher.
„Nein passt schon. Sollen wir anfangen?“ fragte sie ziemlich motiviert. Wir nickten alle und warteten auf eine Reaktion von Frau Meier.
„Also Herr Jansen. Sie haben mir ja am Telefon schon ziemlich viel erklärt. Wir freuen uns natürlich immer, wenn sich Familien bei uns melden und bereit sind jemanden bei sich aufzunehmen.“ fing Frau Meier an. Hörte sich schon nach einem großen aber an was gleich folgen würde.
„Natürlich müssen wir uns vorher vergewissern, dass die Kinder, die so etwas schreckliches erlebt haben an einem entsprechenden Ort unterkommen. Meike ist schwer traumatisiert, sind sie sich wirklich sicher, dass sie dem gewachsen sind? Das wird sich nicht von heute auf morgen wieder geben sondern ein ziemlich langer Prozess sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Meike ein längere Zeit eine Therapie benötigen wird.“ erklärte Frau Meier. Wow das klang alles andere als gut.
„Das ist uns bewusst Frau Meier. Ich hätte das nicht angeboten, wenn wir uns nicht sicher wären, dass es funktionieren würde.“ erklärte mein Vater.
„Schon gut. Am Telefon sagen die Leute immer viel, aber wenn man sie dann besucht, merkt man, dass sie plötzlich unsicher sind und dann einen Rückzieher machen. Sie scheinen sich da wirklich sicher zu sein.“ entgegnete Frau Meier und machte sich ein paar Notizen.
„Darf ich etwas sagen?“ fragte ich unsicher. Eigentlich sollte ich mich zurückhalten, aber ich hatte das Bedürfnis irgendetwas sinnvolles beizutragen.
„Bitte.“ forderte mich Frau Meier auf.
„Ähm…also…ich…“ stammelte ich während mich Frau Meier aufmerksam beobachtet.
„Bleib ganz ruhig. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich irgendetwas falsch verstehe. Ich kann verstehen, dass du nervös bist.“ wandte Frau Meier sofort ein als sie meine Nervosität bemerkte.
„Ja ein wenig.“ gestand ich und wurde schlagartig rot. Verdammt auch das noch.
„Dafür gibt es keinen Grund, wirklich nicht. Meike ist deine Freundin richtig?“ fragte mich Frau Meier. Ich nickte. Sie machte sich wieder Notizen.
„Ihr kennt euch aber noch nicht sehr lange oder?“ fragte sie weiter.
„Nein wir haben uns am ersten Schultag nach den Ferien kennengelernt. Wir saßen sozusagen im gleichen Boot, wir waren beide neu an der Schule und irgendwie haben wir uns auf Anhieb verstanden.“ erklärte ich.
„Und du findest es gut, wenn deine Eltern Meike hier wohnen lassen?“ bohrte sie nach.
„Ähm…also…eigentlich war das meine Idee.“ gab ich unsicher zu. Frau Meier hob eine Augenbraue. Anscheinend hatte mein Vater das nicht erwähnt.
„Stimmt das?“ fragte sie verwundert in die Runde.
„Ja wir haben uns an dem Tag über eine mögliche Adoption von einem weiteren Kind unterhalten. Kathi hat in letzter Zeit immer wieder einmal von Geschwistern gesprochen. Das war für uns so ein wenig der Wink mit dem Zaunpfahl, dass sie nicht wirklich glücklich als Einzelkind ist. Eine Schwangerschaft ist leider nicht mehr möglich, deshalb kamen wir auf die Idee mit der Adoption. Meike ist während des Gesprächs hier aufgetaucht. An dem Abend hat Kathi mir vorgeschlagen, dass wir doch Meike adoptieren können.“ berichtete meine Mutter.
„Interessant, dass die Idee von ihrer Tochter kam. Normalerweise sind Kinder immer etwas skeptisch wenn es darum geht noch jemanden aufzunehmen.“ merkte Frau Meier an.
„Ich war auch erstaunt, aber Kathi hat sich das gut überlegt glaube ich.“ warf mein Vater ein. Frau Meier machte sich wieder Notizen. Ich meinte ein kurzes Lächeln in ihrem Gesicht zu sehen.
„Hast du mal mit Meike darüber gesprochen Kathi?“ fragte Frau Meier erneut mich.
„Habe ich, ich hoffe das war nicht falsch?“ fragte ich nervös.
„Nein keine Sorge. Ich werde mich darüber auch noch mit ihr unterhalten. Ich nehme an du hast sie gefragt ob sie sich das überhaupt vorstellen kann nehme ich an.“ antwortete Frau Meier. Bislang war ich sehr zufrieden mit dem Gespräch, es schien wirklich gut zu laufen.
„Ja wir haben erst angefangen alles in die Wege zu leiten als Meike sich zu der Sache geäußert hat.“ warf meine Mutter ein.
„Das ist eine gute Entscheidung gewesen. Jetzt irgendetwas über ihren Kopf zu entscheiden, ist vermutlich nicht das beste. Man könnte natürlich auch so argumentieren, dass wir das ja auch so machen, aber das ist dann noch ein wenig was anderes.“ entgegnete Frau Meier und trank einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Wir haben einfach das erstbeste getan was uns einfiel.“ gab mein Vater zu verstehen.
„In dem Fall war das erstbeste wohl das richtige. Wenn Meike hier unterkommen würde, wo würde sie ihr Zimmer haben?“ fragte Frau Meier.
„Ich würde mein Arbeitszimmer räumen, da ist genug Platz. Ich richte mir entweder eine kleine Arbeitsecke im Wohnzimmer ein oder fahre wieder täglich ins Büro.“ erklärte mein Vater.
„Ich würde das Zimmer ganz gerne sehen und am liebsten auch den Rest des Hauses, wenn es keine Umstände bereitet.“ bat Frau Meier freundlich.
„Natürlich. Folgen sie mir einfach.“ sagte mein Vater und begann die Hausführung mit Frau Meier. Ich wartete so lange mit meiner Mutter in der Küche. Ihre Notizen hatte Frau Meier leider mitgenommen, ich hätte zu gerne einen Blick darauf geworfen.
„Und glaubst du es sieht gut aus?“ fragte ich meine Mutter leise.
„Ich denke schon. Ich glaube deine Entscheidung mit Meike hat Frau Meier ein bisschen beeindruckt.“ antwortete meine Mutter.
„Glaubst du wirklich?“ fragte ich unsicher.
„Bestimmt. Uns hast du damit beeindruckt.“ erklärte meine Mutter.
Die Führung durch das Haus ging tatsächlich schneller als ich gedacht hatte, denn kurze Zeit später kam mein Vater mit Frau Meier im Schlepptau zurück, die sich wieder auf den vorherigen Platz setzte.
„Ein schönes Haus. Muss ich wirklich sagen.“ merkte Frau Meier an und schrieb wieder ihre Notizen. Irgendwie ließ sie sich nicht wirklich in die Karten schauen ob das jetzt alles gut oder nicht gut war.
„Also ich glaube ich habe das wichtigste geklärt. Ich glaube über das finanzielle muss ich mir hier keine großartigen Gedanken machen, ich glaube sie haben ja schon einige Unterlagen eingereicht. Ich meine zumindest ich hätte da auch irgendwelche Verdienstbescheinigungen gesehen.“ setzte Frau Meier wieder an.
„Und was bedeutet das jetzt?“ fragte ich.
„Ich glaube wir können das mit der Unterbringung von Meike hier bei euch versuchen, erst mal nur vorübergehend versteht sich. Wir müssen erst mal prüfen ob es wirklich keine Verwandten mehr gibt und wenn das wirklich funktioniert, dann sollte das mit der Adoption das kleinste Problem darstellen, aber selbst wenn es nicht dazu kommt, kann Meike hier trotzdem weiter bleiben, dann ist das halt eben ihre Pflegefamilie. Dein Vater hat schon erzählt, dass ihr versucht Meikes Sachen hier her zu bekommen, das wird wahrscheinlich noch ein wenig dauern bis das möglich ist. Ich würde mir ganz gerne das künftige Zimmer von Meike nochmal ansehen, wenn es fertig ist, aber das ist rein proforma. Den Papierkram regeln wir wenn Meike aus dem Krankenhaus entlassen wird. Laut meinen Informationen dauert das noch zwei Tage. Funktioniert das mit dem Zimmer bis dahin? Ich würde Meike tatsächlich ungern irgendwo anders zwischen parken.“ entgegnete Frau Meier.
„Ich würde sagen das Zimmer ist morgen fertig. Sie kommen morgen nochmal vorbei und bringen den Papierkram gleich mit.“ schlug meine Mutter vor.
„Auch gut. Dann würde ich mich auf den Weg machen und alles in die Wege leiten. Meike werde ich natürlich auch darüber informieren, aber ich kann mir gut vorstellen, dass Kathi ihr die Information vorher mitteilen wird.“ entgegnete Frau Meier lächelnd. Ich wurde wieder rot.
„Ich glaube es freut sie, wenn sie es von dir erfährt.“ erklärte Frau Meier und verabschiedete sich.
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Es gibt Neuigkeiten! Verdammt gute Neuigkeiten! Das Jugendamt hat zugesagt. Wir müssen nur noch dein Zimmer herrichten, also zumindest vorläufig. Deine Sachen werden wir noch nicht her bekommen.
Kein Scherz?
Kein Scherz. Gut die werden sich nochmal das Zimmer ansehen bevor es das wirklich finale OK gibt, aber das ist reine Formsache.
Sicher?
Ganz sicher, aber die Dame vom Jugendamt wird dich auch nochmal fragen ob du das wirklich willst. Keine Sorge die ist verdammt nett, auch wenn sie nicht so aussieht.
Ein bisschen Panik hab ich schon noch, dass irgendwas noch schief geht. Glaubst du die kommt heute noch bei mir vorbei?
Ich glaube nicht, dass da irgendwas schief läuft. Ich weiß nicht ob sie heute noch bei dir vorbei kommt, ich gehe eher davon aus, dass sie morgen bei dir aufschlagen wird, entweder vor oder nach dem Besuch bei uns. Soweit ich weiß bist du in zwei Tagen aus dem Krankenhaus raus, hab ich zumindest so verstanden.
Dann weißt du mehr als ich, aber klingt gut, ich kann das Zimmer hier nicht mehr lange ertragen.
So schlimm?
Ziemlich eintönig. Ich kann nicht viel machen außer Nachdenken und ständig die Frage beantworten wie es mir geht. Ein Wunder, dass ich nicht jedes Mal in Tränen ausbreche, wenn man mich das fragt. Ich habe immer wieder dieses Bild vor Augen verstehst du, es will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Nicht mal vernünftig schlafen kann ich.
Scheiße.
Kannst du laut sagen. Ich bin froh, dass ich wieder halbwegs geradeaus denken kann und vor allem, dass man mir mein Handy gegeben hat ist ein Segen. Ganz ehrlich ich nehme gerade liebend gerne jede Ablenkung, die ich kriegen kann, einfach nur um nicht ständig alles nochmal durchleben zu müssen.
Meike…es tut mir so unglaublich leid, also alles…kann ich irgendwas für dich tun?
Ach Kathi, du tust glaube ich schon genug. Ich weiß gar nicht wie und ob ich dir das überhaupt jemals danken kann, wenn das gut geht.
Du brauchst mir nicht danken, wirklich nicht. Wenn du was brauchst meldest du dich und wenn es dir schlecht geht, knuddel den Hasen ein bisschen. Ich muss jetzt los ein paar Möbel einkaufen.
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Tatsächlich waren wir schon auf dem Weg ins Möbelhaus gewesen als ich mit Meike geschrieben hatte. Ich wollte nicht zu viel Zeit verlieren oder besser gesagt es sollte schlussendlich nicht doch noch daran scheitern, dass das Zimmer morgen nicht fertig war. Ohne Meikes Sachen auszukommen würde in der ersten Zeit keine Schwierigkeit darstellen. Ich hatte genug Sachen in meinem Schrank, ich konnte ohne Probleme ein bisschen was abgeben und Meike hatte praktischerweise meine Kleidungsgröße. Ich wusste zwar nicht wie begeistert sie darüber sein würde, aber etwas von mir war definitiv besser als nichts. Eigentlich brauchten wir für das Zimmer nicht so viele Sachen. Einen Schreibtisch, ein Bett, einen Schrank. Eine sehr karge Einrichtung, aber das war eine vorübergehe Lösung. Auch wenn das Jugendamt gerade nur eine vorübergehende Lösung bei uns sah, war es doch mein eigentliches Ziel irgendwann Meikes Sachen zu ihrem alten Zimmer in ihr neues Zimmer zu verfrachten. Gut dafür musste erst mal aus der vorübergehenden Lösung eine langfristige Lösung werden, aber für mich war das eigentlich nur eine Frage der Zeit. Ich nahm an, dass sich das Jugendamt innerhalb der nächsten Wochen wahrscheinlich nochmal melden würde und dann würde Meike bei uns bleiben können. Zumindest stellte ich es mir so vor, ob es wirklich eintreten würde, konnte ich natürlich nicht vorhersehen. Ich hoffte einfach, dass es eben genau so kommen würde.
Der Besuch im Möbelhaus war tatsächlich schnell abgehandelt. Wir nahmen tatsächlich schön, aber zugleich schlichte einfache Möbel mit, die glücklicherweise auf Lager waren und eilten mit diesen nach Hause. Außerdem holten wir noch neues Bettzeug für Meike sowie eine Matratze, die leider nicht beim Bett dabei war. Nach einem sehr schnellen Mittagessen, das meine Mutter gekocht hatte während mein Vater und ich auf der Einkaufstour ins Möbelhaus waren, fing mein Vater mit der Räumung seines Arbeitszimmers an. Gegen vier war er nach mehreren Stunden Wartens meinerseits endlich fertig und wir konnten anfangen mit dem Aufbau der Möbel. Es dauerte tatsächlich eine Weile bis alles stand, aber wir waren mit dem Ergebnis zufrieden.
„Und was sagst du?“ fragte mein Vater.
„Ziemlich karg und unfreundlich, wenn du mich fragst.“ merkte ich an.
„Das ist das Problem bei den Notlösungen. Sie sind nie besonders toll. Denkst du das ist trotzdem in Ordnung?“ bohrte mein Vater nach.
„Hmmm keine Ahnung, warte mal.“ gab ich zurück und zückte mein Handy. Ich machte von dem Raum ein paar Fotos und schickte sie an Meike.
Hoffe es gefällt dir?
Hmmm…weiß nicht, ist in Ordnung denke ich.
Klingst nicht begeistert.
Die Polizei war vorhin da, nachdem wir geschrieben haben. Ziemlich übler Tag.
Scheiße.
Jo…hab gerade wieder was zur Beruhigung bekommen. Mir fallen gleich wahrscheinlich die Augen zu.
Dann schlaf am besten ein bisschen.
Kommt gleich von alleine, morgen noch Termin mitm Seelenklempner un
Danach brach Meikes Nachricht ab. Wahrscheinlich war sie so fertig gewesen, dass sie beim Schreiben eingeschlafen war und mir eine unvollständige Nachricht geschickt hatte.
„Und was schreibt Meike?“ fragte mein Vater.
„Ist für sie in Ordnung. Sie war nicht gut drauf. Die Polizei war bei ihr. Ich glaube das war ziemlich hart und sie ist gerade beim Schreiben eingeschlafen.“ erklärte ich.
„Das klingt nach einem wirklich harten Tag. Dann hoffen wir mal, dass der morgige Tag ein bisschen besser wird. Na was hältst du von einer Pizza als Belohnung für unser Arbeit?“ entgegnete mein Vater.
„Da sag ich nicht nein.“ gab ich mit einem Grinsen zurück.
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Am nächsten Morgen wachte ich tatsächlich wieder recht früh auf. Irgendwie hatten die letzten Tage meinem Schlafrhythmus nicht gut getan. Abends hatten wir uns noch Pizza bestellt und ich war tatsächlich kurz danach ins Bett verschwunden. Ein letztes Mal vor Meikes Ankunft mit Body und Windel. Ich würde auf beides eine Weile verzichten müssen. Auch wenn es mir fehlen würde, war ich trotzdem bereit für Meike dieses Opfer zu bringen, auch wenn es anfangs sehr schwer werden würde. Vermutlich würde ich früher oder später trotz Meikes Anwesenheit die Gelegenheit finden mich trotzdem irgendwie in meine kleine Welt zurückzuziehen. Nach einem doch eher kurzen Frühstück machte ich mich auf den Weg in die Schule. An diesem Tag wollten die Schulstunden einfach nicht vergehen. Mit jeder Stunde wurde ich nervöser und wollte einfach nur nach Hause um endlich zu wissen, was der Termin mit dem Jugendamt ergeben hatte. Gerade die letzte Stunde, die ich eigentlich zusammen mit Meike gehabt hätte, machte das Warten nicht besser, sondern eher schlimmer. Es war eine reinste Erlösung als ich endlich den Gong der Schule in meinen Ohren vernahm. Ich packte meine Sachen so schnell ich konnte und machte mich auf den Heimweg. Ich hatte gerade das Schulgelände verlassen als hinter mir jemand meinen Namen rief. Eigentlich wollte ich mich gar nicht umdrehen, tat es aber trotzdem. In einiger Entfernung konnte ich Sandra sehen, die schnell auf mich zu geeilt kam.
„Hey warte mal kurz.“ begrüßte sie mich etwas außer Atem.
„Hi, was gibt’s?“ fragte ich schnell.
„Was war denn vor drei Tagen bei euch los? Ich hab Blaulicht gesehen. Ist bei euch was passiert?“ fragte Sandra neugierig.
„Neuigkeiten sprechen sich hier wohl schnell rum.“ merkte ich an.
„Ähm…ich wohne ein paar Häuser entfernt. Da kriegt man sowas doch mit.“ rechtfertigte sie sich und verschränkte sie Arme vor der Brust.
„Stimmt ist mir jetzt fast wieder entfallen. Ich hatte schon den Verdacht, dass du mich ausspionierst oder so, aber ich stehe wahrscheinlich einfach gerade neben mir. Ich bin ein bisschen in Eile. Ich muss schnell nach Hause.“ entschuldigte ich mich.
„Du stehst eindeutig neben dir. Warum sollte ich dich ausspionieren?“ entgegnete Sandra lachend.
„Wüsste ich auch nicht.“ gab ich zurück.
„Wenn du nichts dagegen hast begleite ich dich nach Hause. Jona und Sarah haben mich heute versetzt. Kannst mir ja unterwegs erzählen was da bei euch los war. Ich kenne da ne kleine Abkürzung, da musste dich nicht so abhetzen.“ schlug Sandra vor. Eine Abkürzung klang ziemlich verlockend, auch wenn ich eigentlich befürchtete, dass ich mich mit Sandra fest quatschen würde.
„Na gut, wie gesagt ich habs ein wenig eilig.“ sagte ich.
„Hab ich verstanden. Komm einfach mit und du bist schneller zu Hause als du denkst.“ meinte Sandra und ging los. Ich folgte ihr möglichst schnell.
„So, also was war jetzt vor drei Tagen los?“ fragte Sandra nochmal, nachdem wir ein Stück hinter uns gebracht hatten.
„Du kennst du Meike oder?“ entgegnete ich und versuchte zeitgleich die Orientierung zu behalten.
„Meike? Ist das die Rothaarige, die morgens bei dir vorbei kommt?“ antwortete Sandra unsicher.
„Genau die. Wir beide haben uns am ersten Schultag angefreundet.“ erklärte ich. Sandra musste anscheinend zu dem Zeitpunkt aus dem Haus gehen, wenn Meike bei mir vor der Türe stand.
„Ja ok was hat das mit dem Blaulicht zu tun?“ fragte Sandra nochmals.
„Vor drei Tagen stand Meike blutüberströmt bei mir vor der Haustüre.“ antwortete ich.
„Ach du scheiße. Was ist denn passiert?“ fragte Sandra fassungslos.
„Ihr Vater ist durchgedreht.“ gab ich ernst zurück. Ich musste Sandra nicht unnötig schockieren.
„Hat er sie verprügelt oder was? Hat sie ihn angezeigt?“ fragte Sandra wütend.
„Ähm…naja…es war ein wenig krasser.“ erwiderte ich unsicher.
„Jetzt sag mir nicht, dass das irgendwas mit diesem Typen zu tun hat, der in dem Haus ein paar Straßen von uns entfernt um sich geschossen hat.“ bemerkte Sandra immer noch fassungslos.
„Doch das war Meikes Vater.“ bestätigte ich ihre Vermutung.
„Moment mal meine Mutter hat mir gesagt, dass da drei Menschen erschossen wurden. Du willst mir doch jetzt nicht sagen, dass Meikes Vater…“ Sandra konnte es nicht aussprechen.
„Doch leider. Ihre Mutter, ihren Bruder und sich selbst.“ bestätigte ich erneut ihre Vermutung.
„Scheiße. Der muss es doch grauenhaft gehen. Was passiert jetzt mit ihr?“ fragte Sandra mitfühlend.
„Das ist der Grund warum ich schnell nach Hause muss.Wir, also meine Eltern und ich, sind gerade dabei Meike irgendwie bei uns aufzunehmen.“ erklärte ich.
„Ziemlich nett von euch. Kommt mir irgendwie bekannt vor.“ murmelte Sandra.
„Sarah und Jona?“ fragte ich. Sie hatte die ganze Sache vermutlich von Anfang an mitbekommen, zumindest konnte ich mir das nicht anders vorstellen.
„Ja genau.“ gab sie nachdenklich zurück. Irgendwie meinte ich ein wenig Unsicherheit in ihrer Stimme zu hören.
„Ja so ähnlich kann man sich das denke ich vorstellen.“ erwiderte ich.
„Hast du dich etwa in Meike verguckt wie Sarah in Jona oder wie?“ fragte sie mehr scherzhaft als ernst. Ich hatte nicht vor ihr in dem Moment zu sagen, dass ich auf Mädchen stand, aber da es bei Sarah und Jona nun mal auch irgendwo eine Liebesbeziehung im Raum gestanden hatte, fand ich die Frage nicht mal unpassend.
„Ne Schwachsinn. Meine Mutter kam wegen Sarah und Jona auch schon auf den Gedanken. Ich mag Meike einfach und will ihr irgendwie helfen, außerdem kamen meine Eltern sowieso auf die Idee noch ein Kind zu adoptieren. Meike ist für mich schon sowas wie eine Schwester, vielleicht haben wir ja Glück und sie kann dauerhaft bleiben. Aktuell steht erst mal eine provisorische Lösung im Raum.“ stellte ich meinen Standpunkt klar.
„Ah verstehe. Sorry ich wollte dir mit der Frage nicht zu nahe treten.“ entschuldigte sich Sandra.
„Schon gut. Ist nicht das erste Mal, dass ich diese Theorie höre. Ich glaube wärst du die erste gewesen, dann hätte ich anders reagiert.“ versuchte ich die Situation ein wenig zu beruhigen während wir bereits in die Straße abbogen, in der wir wohnten.
„Da bin ich jetzt irgendwie ein wenig froh. Ich hab schon wieder einen Berg Bücher über meinem Kopf gesehen.“ lachte Sandra.
„Das darf ich mir von dir bestimmt noch ne Weile anhören oder?“ fragte ich grinsend zurück.
„Klar. Sicher doch. Hab ich doch schon an dem Tag gesagt, dass ich das bestimmt nochmal erwähnen werde.“ antwortete sie mir.
„Weißt du was? Als Ausgleich spendiere ich dir irgendwann mal einen Kaffee oder so, wenn du Lust hast, aber nur wenn das mit den Büchern dann ein Ende hat.“ schlug ich ihr vor. Wir waren inzwischen bei mir vor der Haustüre stehen geblieben. Sandra überlegte eine Weile, meiner Meinung nach ein wenig zu lange.
„Das überlege ich mir nochmal, aber ich komme bei Gelegenheit darauf zurück.“ sagte sie breit grinsend, drehte sich um und stiefelte weiter nach Hause. Ich schaute ihr noch einen Moment nach und schüttelte unbewusst langsam mit dem Kopf.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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Ich hoffe das Maike nicht nochmal in ein anderes Zuhause umziehen muss, als in das bei Kathi. Das war wieder eine Freude diesen Teil lesen zu dürfen. Freu mich auf den nächsten.
Keine Sorge. Ich würde doch niemals in einen solchen Plottwist nochmal einen Plottwist einbauen…ok gut das würde man mir zutrauen, aber nein ausnahmsweise wirklich nicht. Das wird alles reibungslos laufen. Das ist aber ja eigentlich auch schon so kommuniziert wurden. Es geht ja eigentlich nur noch darum alles nochmal in fertigem Zustand zu sehen und Meikes offizielles Go zu kriegen. Was sollte da jetzt noch schief gehen…ja irgendein entfernter Verwandter könnte auftauchen, aber das wäre ja auch wieder langweilig. Dann hätte ich mir Meike ja gar nicht großartig ausdenken brauchen und hätte sie gleich weglassen können, wenn Kathis Einsatz am Ende dann doch „unbelohnt“ bleibt.
Hallo Timo,
Ich hab mir jetzt gerade alles bisherige in ca 36 Stunden rein gezogen und ganz ernst gemeinte Frage: schreibst du beruflich auch etwas? Ich bin überzeugt mit den meisten Autoren von denen ich bisher gelesen habe kannst du locker mithalten. Und da sind auch einige große Namen dabei mit denen ich dich gerade vergleiche.
Sonst einfach super, und weiter so!