Kleine Maus mit großen Herz (4)
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Kapitel 4: Geständnisse
„Also ich glaube da muss ich weiter ausholen.“ sagte ich zuerst. Meine Mutter musste ja auch gleich mit der Frage schlechthin kommen, also musste sie jetzt auch mit einer langen oder zumindest längeren Erklärung leben.
„Lass dir Zeit. Aber gesundheitlich fehlt dir wirklich nichts?“ fragte sie Mutter nochmals. Anscheinend glaubte sie immer noch nicht, dass ich nicht ins Bett mache. Gut ich war bei der Frage rot geworden, aber das war auch eine ziemlich gemeine Frage, bei der wäre bestimmt jeder rot geworden, nicht nur ich.
„Außer der Beule, den blauen Flecken und Schrammen? Naja immer noch ein gewisses Gefühl von Erschöpfung, aber mehr nicht und das mit der Erschöpfung gibt sich langsam. Versprochen, wenn mir etwas anderes Fehlen würde, dann hätte ich es spätestens jetzt erwähnt.“ antwortete ich. Meine Mutter wollte mich anscheinend nicht unterbrechen und nickte nur. Das hieß wohl sie hatte meine Aussage zur Kenntnis genommen und ließ es darauf beruhen. „Ähm…ja wo fang ich am besten an. Achja. Wie du ja weißt war ich die letzten Monate ein wenig anstrengend. Das mit der Schule hat mich wirklich sehr belastet und dann hab ich euch auch noch unnötigerweise angepflaumt, wenn es nicht so gelaufen ist wie ich wollte.“ erklärte ich, was meine Mutter eigentlich schon wusste.
„Das haben wir durchaus mitbekommen. Das war teilweise sehr anstrengend mit dir.“ bestätigte meine Mutter wie zu erwarten war die Aussage.
„Ich glaube ich kann es mir ganz am Rande vorstellen. Wenn ich überlege wie viel Energie ich sinnloserweise in Streit investiert habe, dann wundert mich die Erschöpfung rückblickend auch nicht wirklich. Ich hab mich mit allem einfach übernommen und hab es nicht gemerkt. Inzwischen weiß ich, dass ich mich übernommen habe und ich habe meinen Frust an euch raus gelassen. Ich hätte einfach mehr mit euch reden müssen und mir Unterstützung holen sollen, anstatt dieses dämliche Spiel mit dem Zeugnis und meinen Noten zu spielen.“ ergänzte ich. Inzwischen war mir tatsächlich bewusst geworden, dass ich mich übernommen hatte, auch wenn ich ein paar Tage Abstand gebraucht hatte um das wirklich zu erkennen. Ich glaube am Anfang dieser Woche war mir diese Erkenntnis gekommen, aber wirklich darüber gesprochen hatte ich noch nicht. Wieder nickte meine Mutter. „Naja, dieser Stress und der Druck, den ich mir selbst gemacht habe…ich hab einfach einen Ausgleich gesucht. Irgendwie kam mir der Gedanke wie es wäre, wenn ich wieder klein wäre und mich einfach alle lieb haben und ich mir keine Sorgen über alles machen muss.“ fasste ich grob meine Gedanken zusammen.
„Du weißt aber schon, dass wir dich auch so lieb haben oder?“ fragte meine Mutter.
„Ja schon, aber irgendwie bin ich darauf gekommen wie es früher war, also vor der Schule und alledem. Es war alles einfach so…so…einfach und ich musste mir keinen Kopf um alles machen.“ versuchte ich meiner Mutter irgendwie begreiflich zu machen was ich meinte. Ich wusste nicht ob sie es überhaupt nur ansatzweise verstehen würde, aber es brachte nichts, nicht darüber zu sprechen. Mein Versteck war aufgeflogen und wenn ich vor meinem Auszug überhaupt mal wieder in die Nähe einer Windel kommen wollte, war eine entsprechende Erklärung vermutlich das einzige Mittel um mir das zu ermöglichen. Der worst case wäre wohl ein Besuch beim Seelenklempner, aber wie schlimm konnte das eigentlich sein? Jona hatte das doch auch durch und es schien zu helfen, also konnte ich ja eigentlich nur gewinnen oder?
„Ok ich glaube ich kann dir folgen.“ entgegnete meine Mutter nachdenklich.
„Sicher?“ fragte ich unsicher. Irgendwie konnte ich es kaum glauben, denn ich hatte teilweise selbst immer noch Probleme damit, dass ich diese Art des Ausgleichs für mich gefunden hatte und es tatsächlich auch noch half.
„Du wolltest wieder klein sein, also richtig klein mit Windeln und Schnuller richtig?“ fragte meine Mutter. Ich nickte langsam.
„Hat es dir geholfen, also als Ausgleich meine ich?“ fragte meine Mutter weiter.
„Ja hat es, gerade dann wenn wir uns mal wieder in der Wolle gehabt haben und ich meinen Frust bei Jen raus gelassen hab und es immer noch nicht gut war. Dann hab ich mir eine von den Windeln genommen und mich hier eingeschlossen. In dem Augenblick konnte ich einfach alles ausblenden, so als ob es nicht da wäre oder nie da gewesen wäre. Das hat mich am Anfang sogar selbst gewundert. Irgendwie kam ich mir anfangs ziemlich dämlich vor wenn ich ehrlich bin, aber der Effekt hat einfach für sich gesprochen. Vermutlich hat mir das auch ein bisschen die Kraft gegeben um den ständigen Streit irgendwie weiter mitzumachen. Ich war mehr als einmal kurz davor einfach heulend zu euch zu kommen und alles hinzuwerfen, aber die Blöße wollte ich mir dann auch nicht geben.“ erklärte ich.
„Ich hoffe du weißt, dass du jederzeit zu uns hättest kommen können?“ entgegnete meine Mutter.
„Ja ich weiß. Ich wollte mir halt selbst was beweisen, nein eigentlich wollte ich euch was beweisen.“ seufzte ich.
„Du hättest uns nicht beweisen müssen. Es wäre auch alles in Ordnung gekommen, wenn du das Schuljahr wiederholt hättest, auch wenn uns das Ergebnis, das du nach Hause gebracht hast, wirklich beachtlich ist, wenn man das letzte Zeugnis im Vergleich sieht. Du kannst wirklich stolz auf deine Leistung sein. Das mit der Umsetzung machst du beim nächsten Mal, aber ein bisschen nervenschonender für uns alle.“ bat meine Mutter mich. Ich nickte zustimmend.
„Diese Sache mit dem Kleinsein. Das ist schon ein wenig seltsam als Ausgleich findest du nicht?“ merkte meine Mutter vorsichtig an. Ich merkte, dass meine Mutter wirklich sehr behutsam agierte als sie das Thema wieder in diese Richtung lenkte. Anscheinend wollte sie mich nicht verunsichern. Möglicherweise ein gutes Zeichen.
„Hmmm ja irgendwo schon. Ich musste mich am Anfang auch erst mal dazu durchringen mich überhaupt darauf einzulassen. Es ist das eine sich an eine unbeschwerte Zeit zu erinnern oder sie gedanklich nachzuspielen. Das mit den Windeln fand ich am Anfang schon sehr seltsam, aber nach eine Weile konnte ich dann doch nicht wirklich widerstehen und habe mir welche gekauft. Vielleicht hatte ich die Hoffnung, dass ich mir dann denke das ist too much und ich lasse es dann doch bleiben, aber dem war nicht so. Es hat tatsächlich dafür gesorgt, dass ich eine Art innere Blase hatte in die ich mich zurückziehen konnte. Nach gestern hätte ich das jetzt wirklich gebraucht.“ antwortete ich niedergeschlagen.
„Wir haben dich gestern auch ein bisschen überrumpelt mit dem Umzug, entschuldige. Es sollte eine Überraschung werden. Wir hätten da wirklich behutsamer ran gehen müssen.“ entgegnete meine Mutter.
„Ich glaube nach den Monaten im Krawallmodus hätte das auch wenig gebracht. Das Ergebnis wäre vermutlich das gleiche gewesen. Ich hätte mich zu Jen verzogen und danach wäre ich irgendwann zurück gekommen. Das mit gestern…das waren einfach ein paar unglückliche Zufälle.“ warf ich ein.
„Möglich, aber wir müssen da nicht drüber philosophieren. Ich bin kein Freund von diesen was wäre wenn Geschichten. Können wir zu dieser Sache mit dem Kleinsein und den Windeln zurückkommen?“ fragte meine Mutter.
„Hab ich eine andere Wahl?“ entgegnete ich.
„Ich hatte nicht vor dich zu irgendwelchen Antworten zu zwingen. Ich möchte das nur möglichst gut verstehen. Sag mal eine ganz ähm doofe Frage, die mir gerade einfällt. Ähm…die Windeln…ich nehme an du trägst die nicht nur oder?“ fragte meine Mutter.
Ich merkte, dass meine Wangen richtig heiß wurden, nein sie glühten förmlich. Ich fühlte mich ertappt wie ein kleines Kind. Ich schüttelte den Kopf.
„Das muss dir nicht peinlich sein, ich habe mir das schon fast gedacht und wollte das nur bestätigt haben. Mir fällt da gerade noch etwas zum Umzug ein. Entschuldige, dass wir hier hin und her springen. Ich hoffe das ist in Ordnung?“ lenkte meine Mutter das Thema nochmals zum Umzug, was mir gerade tatsächlich lieber war als über meine Windeln zu sprechen, da ich sonst vermutlich noch dauerhaft wie eine Tomate ausgesehen hätte.
„Wenn ich heute drüber nachdenke, ist der Umzug eigentlich das kleinste Problem.“ merkte ich etwas entspannter an.
„Das wirkte gestern ganz anders. Ich hatte irgendwie das Gefühl für dich bricht eine Welt zusammen, wenn ich mir überlege wie du ausgeflippt bis als wir dir das gesagt haben. Ich bin froh, dass du nichts zerbrechliches durch die Küche geworfen hast.“ warf meine Mutter ein.
„Naja in den Monaten voller Krawall hat sich eine Sache definitiv bewährt und zwar die Flucht zu Jen.“ gab ich traurig zurück.
„Uns wäre es zwar lieber gewesen, wenn du gestern nicht so fluchtartig das Haus verlassen hättest und wir mit dir normal darüber gesprochen hätten. Das funktioniert jetzt gerade ja auch sehr gut.“ erwiderte meine Mutter.
„Ich glaube jetzt gerade kann ich ziemlich schlecht zu Jen flüchten. Außerdem ist mir da gerade nicht wirklich nach.“ merkte ich an.
„Wie kommt dieser Sinneswandel? Du bist doch sonst beim kleinsten Stress zu Jen geflüchtet.“ bohrte meine Mutter nach.
„Ich weiß…gestern…gestern dachte ich auch noch…ach ist auch egal.“ stammelte ich. Wenn ich das andere Problem jetzt auch noch zur Sprache bringen würde, dann würden meine Eltern mich bestimmt einweisen oder ähnliches. Es war eigentlich irgendwo ein Wunder, dass meine Mutter bislang so eine Engelsgeduld mit meinem Verhör gehabt hatte und bislang in gewisser Weise Verständnis gezeigt hatte. Ich rechnete immer noch mit der großen Keule, die am Ende warten würde.
„Es scheint dich zu bedrücken also ist es nicht egal. Du kannst mir wirklich alles erzählen. Was ist passiert?“ bohrte meine Mutter erneut nach. Ich seufzte. Eigentlich war es jetzt auch egal oder? Eigentlich konnte ich auch alles auf den Tisch legen und dann wäre hiernach alles durch.
„Ich habe gestern gesehen wie sich Jen und Justus geküsst haben, hat sich echt scheiße angefühlt.“ gab ich traurig zu. Es tat auch jetzt noch weh, wenn ich mir das Bild wieder in Erinnerung rief. Es schmerzte wirklich sehr, sogar noch mehr als die Beule, nein eigentlich nicht, aber es schmerzte anders und vor allem weitaus unangenehmer.
„Oh das klingt nach Liebeskummer. Das hatte ich in deinem Alter auch mal, war echt nicht schön, aber das geht auch wieder weg. Ganz sicher. Jetzt verstehe ich zumindest warum du ständig Justus erwähnt hast.“ entgegnete meine Mutter mit einem freundlichen Lächeln.
„Justus ist nicht der Grund für meinen Liebeskummer.“ sagte ich leise während ich wieder den Hasen vors Gesicht hielt.
„Oh du meinst wegen…Jen.“ kam kurz von meiner Mutter. Sie wirkte ein wenig überrascht, aber nicht schockiert oder ähnliches. Gut sie musste jetzt nicht lange überlegen wegen wem ich wohl Liebeskummer hatte. Klar war das eine Überraschung, ganz ehrlich ich war nicht weniger überrascht, als ich das festgestellt hatte.
„Und bist du jetzt böse?“ fragte ich, während ich mich immer noch hinter dem Hasen versteckte.
„Warum sollte ich böse sein? Weil du gerne ein Kind bist? Auch wenn es eine etwas seltsame Art ist wie du das machst, bin ich deswegen nicht böse. Oder weil du dich in ein Mädchen verliebt hast? Das ist überraschend ja, aber vollkommen in Ordnung. Wenn es dich glücklich macht ist alles in Ordnung.“ antwortete meine Mutter gelassen. Tatsächlich war das eine ziemlich beruhigende Antwort.
„Danke.“ gab ich unsicher zurück. Auch wenn meine Mutter ziemlich freundlich und gelassen wirkte, wusste ich nicht was noch kommen würde.
„Ganz ehrlich irgendwo kann ich jetzt sogar verstehen warum du gestern die Flucht ergriffen hast. Ich glaube ich wäre auch getürmt, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre. Eine Verkettung von ziemlich blöden Zufällen, die da gestern passiert ist und wir sind daran wie gesagt nicht unschuldig. Magst du mal deinen Hasen weglegen und her kommen?“ entgegnete meine Mutter verständnisvoll.
Ich zögerte, legte den Hasen dann aber tatsächlich beiseite. Er hatte ziemlich viele Tränen abbekommen. Es war mir gar nicht aufgefallen, dass ich so viel geweint hatte. Ich musste furchtbar aussehen, selbst ohne die Beule und die Schrammen sah ich vermutlich furchtbar aus. Ich rutschte langsam in die Richtung meiner Mutter. Natürlich ein wenig zögerlich, da ich immer noch nicht ganz einschätzen konnte wie sie reagieren würde. Zwischen ihr und mir lagen jetzt nur noch die Windeln und mein Schnuller auf dem Bett. Ich schaute kurz auf die Dinge, sah dann die Hände meiner Mutter, die sich um beides schlossen und die Sachen hochhoben.
„Leg die mal beiseite.“ sagte sie und reichte mir die Sachen.
„Darf ich sie behalten?“ fragte ich unsicher, eigentlich rechnete ich nicht mit einer Zustimmung, aber ich wollte das zumindest für mich selbst geklärt haben. Meine Mutter nickte. War das gerade wirklich passiert? Ich wäre am liebsten vor Freude aufgesprungen, aber wirklich in der Stimmung dafür war ich nicht. Immerhin das Problem hatte sich irgendwie erledigt. Ich legte meine Windeln und den Schnuller beiseite und rutschte noch ein Stück näher an meine Mutter heran. Es dauerte keine zwei Sekunden und schon hatte sie ihre Arme um mich gelegt und drückte mich an sich.
„Alles wird gut kleine Maus. Ich hab dich ganz doll lieb.“ sagte sie leise.
„Danke, Mama.“ hauchte ich leise zurück und genoss die Umarmung.
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Langsam löste meine Mutter die Umarmung wieder.
„Gehts dir besser?“ fragte sie vorsichtig. Sie merkte wahrscheinlich, dass mir das alles ziemlich nah gegangen war. Irgendwie war ich froh, dass das jetzt ausgesprochen war. Es war ein wenig so als ob man sich leichter fühlt, weil man Ballast losgeworden ist.
„Naja ja und nein. Also wegen der Sache mit Jen definitiv nein, aber der Rest…ja doch schon irgendwie. Es nimmt ein wenig die Sorgen, die man sich so macht. Ähm wegen der Sache mit den Windeln…ähm…darf ich da noch was fragen?“ entgegnete ich unsicher.
„Was möchtest du denn fragen?“ wollte meine Mutter wissen.
„Ähm…ich darf die ja behalten, heißt das ich kann immer klein sein, wenn ich das möchte?“ fragte ich unsicher.
„Du meinst mit immer aber nicht pausenlos oder?“ entgegnete meine Mutter.
„Ne, ich meine ob ich halt klein sein kann, wenn ich Lust dazu habe.“ erklärte ich.
„Du kannst hier so lange und so oft klein sein wie du möchtest, wenn du dich damit besser fühlst. Also zumindest wenn wir unter uns sind, ich glaube das meintest du oder?“ fragte meine Mutter.
„Ja genau.“ bestätigte ich die Vermutung.
„Überhaupt kein Problem. Möglicherweise reagieren wir gerade am Anfang noch etwas…sagen wir mal skeptisch. Lass dich davon einfach nicht verunsichern.“ antwortete meine Mutter.
„Was ist eigentlich mit dem Urlaub? Kann ich da auch welche tragen?“ fragte ich weiter. Ich merkte, dass sich die Rollen von mir und meiner Mutter gerade ein wenig vertauscht hatten. Gerade war ich es die mit Fragen zu löchern begann, während sie sich irgendwelche Antworten überlegen musste.
„Die ganze Zeit oder wie?“ entgegnete sie nachdenklich.
„Hmmm…weiß nicht. Vielleicht.“ gab ich unsicher zu Verstehen. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass ich mein Glück damit überstrapazieren würde.
„Das würde ich, glaube ich, ganz gerne mit deinem Vater besprechen bevor ich dir das erlaube.“ wandte meine Mutter ein.
„Ok.“ sagte ich wieder mit einem nervösen Unterton in meiner Stimme. Mein Vater wusste ja noch gar nichts von den ganzen Sachen, die ich gerade erzählt hatte. Von den Windeln hatte meine Mutter ihm bestimmt erzählt. So gut konnte ich meine Eltern einschätzen. Die beiden hatten vor einander keine Geheimnisse und waren wohl das was man ein Bilderbuchehepaar nennt. Gut wenn man ehrlich war, waren die beiden irgendwo sogar Bilderbucheltern, auch wenn ich das manchmal nicht so offenkundig zugab. Alleine schon die Tatsache, dass meine Mutter sich alleine mit mir hingesetzt hatte und alles in Ruhe durchgekaut hatte, war eigentlich eine Bestätigung dafür. Andere Eltern hätten wochenlang Hausarrest verteilt, aber hätten nicht versucht herauszufinden was die Beweggründe für das Handeln waren. Ja auch meine Eltern hatten mit Sanktionen um sich geschmissen als ich meine Krawallphase hatte, aber das war wohl eher ein Akt der Verzweiflung, weil sie noch nicht mit der Situation umgehen konnten. Ich fragte mich ob ich jetzt alles nochmal erzählen musste.
„Hey, dein Vater wird da ähnlich reagieren wie ich, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich erkläre ihm das ganz ausführlich. Möglicherweise musst du dir noch die ein oder andere Frage von ihm oder mir gefallen lassen, aber ich glaube das große Ausfragen hast du hinter dir.“ meinte meine Mutter.
„Also ganz ehrlich, irgendwie dachte ich vorhin als du reingekommen bist noch, dass mein persönlicher Henker zu meiner Hinrichtung erscheint.“ gestand ich mit einem leichten Lächeln im Gesicht.
„Soll dir dir was sagen? Ich war mir auch ziemlich unsicher wie ich das Gespräch überhaupt anfangen sollte. Ich habe die Windeln nicht erst gestern gefunden. Eigentlich wollte ich das schon längst ansprechen, aber wegen der Schule habe ich das immer vor mir her geschoben, weil ich dir wenigstens ein bisschen Erholung gönnen wollte. Deine Flucht gestern hat sich dafür angeboten alles auf einmal zu klären.“ erklärte meine Mutter.
„Davon habe ich nicht wirklich was gemerkt.“ entgegnete ich.
„Tja kleiner Elterntrick, einfach immer so wirken als ob man einen Pan hat, funktioniert meistens. Wir haben übrigens ein schönes Frühstück vorbereitet auch wenn wir nicht wussten wie das Gespräch verläuft, also wenn du Hunger hast, dann solltest du dich zu uns gesellen.“ ermutigte meine Mutter.
„Hmmm…na gut.“ merkte ich an. Verständlicherweise war mir das Gespräch auf den Magen geschlagen.
„Ich geh schon mal vor und rede mit deinem Vater. Komm ein bisschen runter nach dem Gespräch und komm einfach rüber, wenn dir danach ist, aber lass dir nicht zu viel Zeit.“ erklärte meine Mutter und stand auf.
„Ähm…Mama?“ fragte ich bevor meine Mutter die Türe öffnete.
„Ja?“ gab sie zurück.
„Wenn ich klein bin…ähm…kannst du mich dann immer kleine Maus nennen? Hast du früher doch auch gemacht.“ bat ich sie. Meine Mutter lächelte.
„Wenn du das möchtest, gerne.“ verabschiedete sich meine Mutter und verließ mein Zimmer.
Ich atmete erleichtert auf als meine Mutter mein Zimmer verlassen hatte. Das Gespräch war mir zwar stellenweise wirklich unangenehm gewesen, aber irgendwo war es auch befreiend, dass ich jetzt alles einmal los geworden war. Ich ließ mich aufs Bett zurückfallen und schloss die Augen. Die letzten Tage, sie waren nicht einfach gewesen. Ich hätte liebend gerne andere Dinge erlebt und mich gerne in meine kleine Welt zurückgezogen, aber es hatte sich keine Situation ergeben in der ich wirklich alleine gewesen war. Im Nachhinein betrachtet hätte es auch nicht funktioniert, denn sowohl mein Schnuller und meine Windeln waren bis gerade eben gar nicht an dem gewohnten Platz gewesen. Jetzt brauchte ich mir zumindest drüber keine Sorgen mehr machen, dass ich irgendetwas verstecken musste. Gut mein Vater wusste noch nichts von dem Gespräch, aber irgendwie war ich doch gerade ziemlich zuversichtlich, dass meine Mutter das irgendwie regeln würde und das vermutlich auch noch zu meinen Gunsten. Mit einem leichten Glücksgefühl, das leider immer noch von den anderen Bildern in mir unterdrückt wurde, schnappte ich mir den Hasen und drückte ihn einmal fest an mich.
Eigentlich hatte ich gefühlt schon Ewigkeiten mit dem Gedanken gespielt meinen Eltern etwas darüber zu erzählen, dass ich gerne Windeln trug, hatte den Gedanken aber immer wieder verworfen, gerade wegen den ständigen Reibereien in den letzten Monaten. Mit jedem Tag, den ich Abstand von der Schule gewann, wurde mir klarer wie dämlich ich eigentlich gewesen war und wie kindisch ich mich eigentlich verhalten hatte. Eigentlich irgendwo auch wieder passend, wie ich feststellen musste. Mein Blick konzentrierte sich auf den kleinen Stapel, den meine Mutter zurückgelassen hatte. Ziemlich magere Ausbeute wie ich feststellen musste. Ein Schnuller und drei Drynites waren das was von meinem Einkauf noch übrig waren. Einen der Schnuller hatte ich in einem unachtsamen Moment entsorgen müssen und dann nicht wieder gefunden, ziemlich ärgerlich. Mit den drei verbleibenden Drynites würde ich definitiv nicht lange auskommen. Ich brauchte Nachschub, aber dieses Mal wollte ich endlich richtige Windeln vor allem da sich jetzt auch endlich die Gelegenheit dazu ergeben hatte oder besser gesagt mit ziemlicher Sicherheit ergeben würde. Ich hatte im Internet schon oft richtig schöne bunte Windeln gesehen, aber bislang waren die ein schöner Traum gewesen, der wohl nie in Erfüllung gehen würde, aber genau das hatte sich gerade schlagartig geändert. Dann konnte ich doch eigentlich auch jetzt während dem Gespräch mit ihren Eltern eine von den Drynites tragen. Ich hatte ja sozusagen Narrenfreiheit, zumindest soweit ich das von meiner Mutter sagen konnte. Ich schnappte mir eine von meinen Drynites und zog sie anstelle meiner Unterhose an. Ich hatte gleich das Gefühl alles wäre leichter und erträglicher als vorher. Ich verstand selbst nicht warum das so war. Ich hatte versucht irgendeinen Grund dafür zu finden was daran so faszinierend war. Im Internet hatte ich einige Lebensgeschichten gelesen, aber keine von denen glich im Ansatz meiner Lebensgeschichte. Teilweise waren die Leute jahrelang Bettnässer oder hatten eine schlechte Kindheit. Weder das eine noch das andere traf auf mich zu, zumindest soweit ich mich daran erinnern konnte. Ich ging zu meinem Schrank. Mit jedem Schritt hörte ich das verräterische Rascheln der Drynites. Sonst hatte dieses Rascheln immer für Panik gesorgt. Heute zauberte es mir ein Lächeln aufs Gesicht. Ich öffnete meinen Schrank und suchte eine gemütliche Hose. Meine Wahl fiel auf eine meiner Jogginghosen. Vermutlich würde ich heute eh nicht mehr nach draußen gehen, also brauchte ich auch nicht besonders gut aussehen. Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl wenn ich daran dachte, dass ich gleich möglicherweise nochmal alles erklären musste, auch wenn meine Mutter bestimmt schon den Löwenanteil übernommen hatte.
Es war schon eine Weile her, dass meine Mutter den Raum verlassen hatte, jetzt merkte ich sogar langsam, dass ich Hunger bekam.
————————————————————————————————————
Ich öffnete die Küchentüre. Die Stimmen meiner Eltern hatte ich durch die Türe noch hören können, als ich eintrat verstummten beide urplötzlich. Das sorgte nicht gerade dafür, dass ich mich besser fühlte.
„Das ging ja schneller als gedacht.“ wurde ich von meiner Mutter begrüßt, nachdem sie meine Unsicherheit wahrscheinlich in der Luft spüren konnte. Ich nickte unsicher. Ich konnte natürlich nicht wissen was meine Mutter schon alles berichtet hatte, diese Ungewissheit, war nicht das tollste Gefühl. Ich wusste vor allem nicht wie die Reaktion meines Vaters ausgefallen war. In seinem Gesicht konnte ich auch keine wirkliche Antwort darauf finden.
„Keine falsche Scheu. Keiner frisst dich kleine Maus, setz dich ruhig zu uns.“ merkte mein Vater an. Wenn mein Vater mich jetzt schon kleine Maus nannte, dann hatte meine Mutter wohl schon das kritischste erzählt und er hatte sich anscheinend damit arrangiert.
Ich machte einen Schritt nach vorne, hörte wieder das Rascheln und hielt inne. Urplötzlich war es mir doch wieder unangenehm, auch wenn ich mir eigentlich keine Sorgen deswegen machen brauchte. Ich hatte das Gefühl, dass man es meterweit hören konnte.
„Stimmt was nicht?“ fragte meine Mutter verwundert.
„N…e…i…n. Alles in Ordnung.“ antwortete ich, bewegte mich vorsichtig zu meinemm Stuhl und setzte mich langsam darauf. Beim Hinsetzen erklang wieder das verräterische Rascheln, dieses Mal gefühlt noch lauter und dieses Mal hatten meine Eltern es bestimmt gehört.
„Bist du sicher das alles in Ordnung ist?“ fragte mein Vater nochmals. Ich nickte langsam. Anscheinend hatten die beiden das Rascheln gekonnt ignoriert oder tatsächlich nicht bemerkt.
„Ich glaube Kathi ist etwas unsicher wie du auf die Neuigkeiten reagierst.“ merkte meine Mutter an. Natürlich war ich unsicher. Keine Frage.
„Oh natürlich. Also deine Mutter hat mir zumindest die Kurzfassung erzählt. Es ist zwar alles ein wenig seltsam, aber ich glaube das ist mir lieber als andere Dinge.“ erklärte mein Vater kurz. Naja eine längere Fassung als das wäre bestimmt toll gewesen, aber fürs erste klang das schon mal gut.
„Danke.“ brachte ich leise heraus. „Ist es in Ordnung, wenn ich vor dem Frühstück noch schnell mein Handy suche?“ fragte ich, direkt darauf.
„Lauf schnell. Der Autoschlüssel hängt am Schlüsselbrett im Flur.“ entgegnete mein Vater mit einem Lächeln.
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Das Auto stand in der Tiefgarage, die zu dem Komplex gehörte in dem sich die Eigentumswohnung von meinen Eltern befand. Ich zuckte bei jedem Schritt durch das Treppenhaus gefühlt zusammen, weil das Rascheln meiner Windel mir so laut vorkam, dass jedem der mir entgegen kommen würde augenblicklich klar sein musste was ich unter meiner normalen Kleidung trug. Der Gang zum Auto wurde so zu einem Spießrutenlauf, den ich möglichst schnell hinter mich bringen wollte. Die Geschwindigkeit, die ich an den Tag legte, machte das Geräusch nicht geringer, sondern nur noch schlimmer. Ich atmete erleichtert auf als ich endlich das Auto erreichte. Ich drückte auf den Knopf für das Öffnen der Türen und begann im Fußraum des Beifahrersitzes nach meinem Handy zu suchen. Im Fußraum war es nicht zu finden. Ich lehnte mich in den Fußraum und schaute unter den Beifahrersitz. Dort fand ich es tatsächlich. Ich streckte mich um nach dem Handy zu fischen, es gelang mir jedoch nicht auf Anhieb es zu erreichen. Ich erreichte es mit zwar mit meinen Fingern, schaffte es jedoch nicht es an mich heranzuziehen. Ich streckte mich noch ein wenig und schaffte es schlussendlich mein Handy zu erreichen.
„Mama schau mal. Das Mädchen trägt auch noch Windeln und das auch noch tagsüber und ist viel älter als ich.“ hörte ich eine unbekannte Stimme eines Mädchens hinter mir rufen. Ich wäre in dem Moment am liebsten im Erdboden versunken. Mein Herz schlug schnell und das Blut schoss wieder in meinen Schädel. Ich hoffte die unbekannten Besucher würden sich schnell wieder aus dem Staub machen und hoffentlich nichts ausplaudern. Gut eigentlich konnte es mir egal sein, denn bald würde ich nicht mehr hier wohnen, aber irgendwelches Getratsche der Nachbarn musste ich in den letzten Wochen tatsächlich nicht haben.
„Mia, sowas schreit man nicht durch die Gegend! Ich rufe ja auch nicht durch die Gegend, dass du ins Bett machst oder?“ ermahnte eine erwachsene Stimme hinter mir das Mädchen zwar leiser, aber immer noch gut verständlich. Ich hatte mich bewusst noch nicht umgedreht um mir die Besucher anzusehen.
„Nein, stimmt.“ hörte ich die jüngere Stimme kleinlaut sagen. Dann hörte ich nur noch Schritte und die Türe zur Tiefgarage, die sich öffnete und dann direkt wieder schloss. Ich richtete mich wieder auf und richtete meine Kleidung. Nochmal musste ich heute nicht auffallen. Ich wartete ein paar Minuten bis ich mich auf den Weg zurück zu meinen Eltern machte. Ich wollte nicht schon wieder unangenehme Begegnungen mit anderen Leuten haben. Ich war mir sicher, dass die Luft rein sein musste und stahl mich nahezu heimlich zur Türe ins Treppenhaus fast so als ob ich gerade etwas Verbotenes getan hatte. Ich erreichte die Türe und öffnete diese so schnell und leise wie es mir möglich war und huschte hindurch. Auf der anderen Seite der Türe angekommen, ließ ich die Türe leise ins Schloss fallen und atmete erleichtert auf. Vor lauter Panik hatte ich gar nicht darauf geachtet ob jemand auf der anderen Seite der Türe stand. Erst jetzt realisierte ich, dass ich nicht alleine im Treppenhaus war.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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wieder sehr sehr toll diese Fortsetzung
Freue mich schon riesig auf die Fortsetzung wie ein kleines Kind ,
das gleich von MAMI eine große Kugel Eis bekommt.
Das sind dann Begebenheiten an die sich Kathi wol gewöhnen muss, wenn Sie Windeln trägt. Ist aber wieder ein sehr schöner Abschnitt der Geschichte! Bingespannt auf den nächsten Teil. Aber auf der anderen Seite ist es eh nur Einbildung des Windelträgers selber, das man was hört. Das lernt Kathi bestimmt noch!