Kleine Maus mit großen Herz (54)
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Kapitel 54: Familienfest
Ich wartete nicht auf Meike und meine Mutter, sondern ging wieder in mein Zimmer. Ein wenig Malen nach Zahlen würde mir die Zeit vertreiben. Ein Blick auf mein Bett verriet mir, dass Meike ihren Hasen nicht mitgenommen hatte. Ich hatte gar nicht mehr darauf geachtet als meine Mutter vorhin reingekommen war. Ich würde ihn ihr später geben. Ich nahm den Hasen und setzte ihn auf meinen Schreibtisch. Ich schaute ihn eine Weile an. Es war seltsam. Ich hatte meinen Hasen gefühlt vor einer Ewigkeit an Meike gegeben und bislang hatte es mir eigentlich nicht so viel ausgemacht, jetzt wo ich eigentlich meinen Hasen wieder haben sollte, machte mich der Anblick von Meikes Hase irgendwie traurig. Es würde nicht mehr lange dauern, sagte ich zu mir selbst und löste meinen Blick von dem Hasen. Ich schnappte mir mein Tablet und legte mich aufs Bett. Ich war schon eine ganze Weile mit Malen beschäftigt als ich merkte, dass mein Kaffee wieder raus wollte. Ich schloss die Augen, entspannte mich und merkte wie es plötzlich warm unter mir wurde. Es war mit der Zeit wirklich einfach geworden es einfach laufen zu lassen.
„Erwischt!“ hörte ich Meike rufen und schreckte hoch. Sie stand in der Nähe meiner Zimmertüre und grinste mich an.
„Boah Meike. Musste das sein. Du hast mich total erschreckt.“ beschwerte ich mich.
„Sorry, ich konnte nicht anders. Außerdem wirst du dir deswegen ja wohl kaum in die Hose gemacht haben. So wie du ausgesehen hast, ist das schon vorher passiert.“ merkte sie an.
„Jetzt sag mir nicht, dass man das an meinem Gesicht sehen konnte.“ erwiderte ich erstaunt. Meike kam näher zu meinem Bett und setzte sich neben mich.
„Eigentlich nicht, aber warum solltest du sonst die Augen geschlossen haben. Das war einfach nur geschlussfolgert. Mach dir keine Sorgen, dass man irgendwas erkennen kann. Glaub mir man erkennt nicht mal eine Windel unter normaler Kleidung, vielleicht dann wenn man einen Blick dafür hat, aber ansonsten keine Chance.“ erklärte Meike.
„Ich dachte schon, dass man das wirklich erkennen würde. Soll mir das mit dem Erkennen irgendwas sagen? Hast du irgendwas vor oder wie?“ fragte ich neugierig.
„Ne…das war nur so ne Info, die ich dir geben wollte. Keine Ahnung warum. Einfach so halt.“ wich Meike der Frage gefühlt aus.
„Einfach so…na gut.“ entgegnete ich und setzte mich neben Meike. Ich schaute sie nochmals von unten bis unten an. Sie war immer noch in ihren Body gekleidet und eine frische Windel hatte sie definitiv auch an. „Du scheinst es gerade zu genießen, dass du klein bist oder meine ich das nur?“ fragte ich sie nach meiner Begutachtung.
„Hmmm…weiß nicht…ein bisschen vielleicht. Lass uns besser nicht drüber reden…ich denke sonst wieder zu sehr darüber nach und dann…naja kommen wieder diese negativen Gedanken. Ich versuche gerade einfach nicht daran zu denken, sondern es einfach so hinzunehmen…irgendwie zu genießen.“ erklärte Meike unsicher. Ich sah das irgendwie als Fortschritt an, zumindest im Hinblick auf die positive Wirkung des klein seins, die es bei Meike definitiv gab.
„Gut, keine Fragen zum klein sein. Verstanden. Wobei…eine Frage hätte ich dann doch noch…wenn ich darf?“ fing ich an. Meikes Gesicht zeigte ein Lächeln.
„Ich kann mir die Frage denken. Das vorhin beim Frühstück?“ entgegnete sie.
„Genau…mein V…ähm Papa meinte, dass es da irgendein Angebot gegeben hätte. Mehr wollte er nicht verraten.“ erwiderte ich.
„Naja…ähm…das Angebot…weißt du…ich habe ja irgendwann schon mal erwähnt, dass ich das mal probieren wollte…aber irgendwie…ich habe das irgendwie nicht hinbekommen…naja…wir haben ein wenig nachgeholfen.“ stammelte Meike und wurde dabei rot.
„Nachgeholfen?“ fragte ich ein wenig ratlos.
„Abführmittel…nicht so ein krasses. Mama hat extra geschaut, dass es was harmloses ist, irgendwas das nur Druck aufbaut mehr nicht. Trotzdem hat sie darauf bestanden, dass es eine einmalige Sache ist. Medikamente sind kein Spielzeug.“ erklärte Meike nervös.
„Das erklärt natürlich warum das so plötzlich kam. Hat es sich wenigstens…ähm…gelohnt…ich weiß nicht ob das die richtige Formulierung ist?“ fragte ich.
„Naja es war eine…interessante Erfahrung…ich brauche die nicht jeden Tag…fühlt sich schon komisch an, aber es ging ja nicht darum in meine Windel zu machen, sondern ich wollte eher das Wickeln danach einmal miterleben. Eben weil es länger dauert und vielleicht anders ist als das normale Wickeln…schwierig zu erklären was ich mir dabei gedacht habe…naja das Wickeln war schön, also dahingehend hat es sich gelohnt.“ antwortete Meike.
„Das freut mich. Sag mal fühlt es sich eigentlich irgendwie anders an?“ fragte ich.
„Das Wickeln? Nicht wirklich anders als sonst. Warum sollte es sich anders anfühlen?“ entgegnete Meike verwundert. Ich fing an zu Lachen.
„Das meinte ich gar nicht. Ich meinte eigentlich das alles hier. Du bist ja jetzt ein richtiger Teil der Familie.“ ergänzte ich meine Frage um Meike auf den eigentlichen Sinn der Frage zu lenken.
„Das meinst du…schwierig zu sagen…also eigentlich ist es nur ein Stück Papier. Ich bin zwar noch nicht so lange hier, aber…puh…das ist halt ein richtiges zu Hause geworden. Ich musste mich zwar erst mit dem Gedanken anfreunden, ich hatte sogar ein wirklich schlechtes Gewissen…wegen meiner Mutter und auch wegen Flo…Dr. Berger hat da glaube ich einiges an Druck raus genommen, den ich mir selbst gemacht habe. Wirklich anders anfühlen als vorher tut es sich nicht. Ich hab mich schon vorher hier sehr willkommen gefühlt. Naja…es wird noch ein wenig dauern bis ich das mit Mama und Papa wirklich drauf habe…wirklich viel Zeit zum Üben gabs nicht und so toll ich beide finde…bei Mama ist es irgendwie leichter das Wort überhaupt über die Lippen zu bringen. Wahrscheinlich liegt das auch an dem Knacks, den ich noch aufarbeite.“ erklärte Meike.
„Das du meine Mutter als Mama bezeichnet hast ist mir tatsächlich schon mal aufgefallen.“ merkte ich an. Meike wurde rot.
„Echt? Wann das denn?“ fragte sie erstaunt. Wahrscheinlich hatte sie es selbst verdrängt.
„Als ich das mit Sandra gemerkt habe und zu dir bin. Wie hast du es noch gleich formuliert? So kann ich dich ja schlecht zu Mama schicken oder so ähnlich. Fand ich da schon irgendwie komisch, dass du da so einen schnellen Cut zu deinen Eltern gemacht hast.“ antwortete ich.
„Das ist mir damals tatsächlich so raus gerutscht…das war sozusagen in der Phase wo ich das für mich versucht habe zu verinnerlichen. Dr. Berger hat mir eine Art Gedankenspiel als Aufgabe für zu Hause mit auf den Weg gegeben. Das hatte ich da gerade beendet. Vermutlich war das deswegen irgendwie noch drin und ich habe das gesagt. Aber ich habe tatsächlich auch ein wenig mit Mama geübt, dieser Deal mit der Schule…der hat in gewisser Weise für eine recht…sagen wir mal innige Beziehung zwischen uns gesorgt.“ erklärte Meike.
„Ah ok…wusste gar nicht, dass es da spezielle Übungen gibt. Ich dachte eigentlich, dass du mir sowas erzählst.“ merkte ich ein wenig geknickt an.
„Hab ich doch jetzt. Außerdem muss ich manche dieser Therapieschritte auch alleine machen. Du würdest mir dann nur helfen wollen und das bringt mich nicht weiter.“ entgegnete Meike sofort.
„Ergibt irgendwo Sinn…ach ist auch nicht so schlimm es erst jetzt zu erfahren.“ meinte ich nachdenklich. Ich stand auf und ging zu meinem Schreibtisch. „Sag mal was hältst du eigentlich davon den hier in dein Zimmer zu bringen und mir meinen zurückzubringen?“ fragte ich und hielt Meike den Stoffhasen hin.
„Oh…ja…stimmt. Den habe ich ja ganz vergessen.“ antwortete Meike, sprang auf, schnappte sich den Hasen und eilte aus dem Zimmer. Ein wenig verwundert schaute ich ihr nach.
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Da wir erst spät gefrühstückt hatten, sparten wir uns das Mittagessen. Heute wurde sowieso schon ab Nachmittag gegessen. Das Essen kam sogar schneller als Meike und ich gedacht hatten. Sie kam noch dazu mir meinen Hasen zu geben und sich ein bisschen mit mir über mein Befinden zu unterhalten, gerade im Hinblick auf Sandra versteht sich. Wirklich weiter brachte mich das auch nicht, bis Meike eine Anmerkung machte.
„Sag mal was ist eigentlich wenn du unsere Cousine mal ausfragst?“ fragte sie plötzlich. Ich stutzte kurz.
„Wie jetzt? Die wird mir doch nicht sagen ob Sandra auf Mädchen steht oder nicht.“ gab ich sofort ablehnend zurück.
„So direkt sollst du sie ja auch gar nicht fragen. So ein bisschen ausfragen über Sandra halt. Im Allgemeinen und dann halt so ein paar speziellere Fragen. Nichts heikles oder so. Das solltest du hinbekommen.“ erklärte Meike was sie genau meinte.
„Hmmm…ich weiß nicht. Wenn sich das in einem Gespräch irgendwie ergibt…vielleicht. Dafür müsste ich überhaupt mal wieder bei Sarah vorbei schauen. Ich habe sie immer nur kurz mal gesehen. Irgendwie hatte ich erst die Hoffnung, dass wir mehr unternehmen würden, aber irgendwie…“ ich stockte.
„Ich glaube das liegt daran, dass ich sehr viel deiner Zeit in Anspruch genommen habe. Denk jetzt nicht, dass es an dir liegt. Ich glaube du hast gar nicht gemerkt wie viel Energie du in mein Wohlbefinden gesteckt hast. Ich denke auch Sarah hat sich ein wenig zurückgenommen um mich erst mal ankommen zu lassen. Ich glaube spätestens seit dem sie weiß, dass ich mit Rob zusammen bin, sollte ihr auch klar sein, dass du wieder ein wenig mehr Freiraum hast.“ unterbrach Meike meinen noch nicht vollendeten Satz. Ich schaute sie kurz verwirrt an. Hatte ich wirklich so viel Zeit da rein investiert? Hatte ich dadurch andere Dinge vernachlässigt?
„Interessanter Ansatz. Hört sich besser an als das was ich sagen wollte. Trotzdem muss ich sie irgendwann halt auch erst mal zu fassen kriegen.“ wiederholte ich mich.
„Nichts leichter als das. Wir besuchen sie doch eh morgen.“ merkte Meike an. Tatsächlich fiel es mir in dem Moment auch wieder ein. Wir hatten uns mit meiner Tante an Weihnachten verabredet. Das hatte ich über meinen ganzen Liebeskummer, wenn man das schon Liebeskummer nennen konnte völlig verdrängt.
„Stimmt jetzt wo du es sagst…verdammt ich bin echt nicht mehr ganz zurechnungsfähig.“ stellte ich fest.
„Tja…wird wohl Zeit, dass du mal was dagegen tust oder? Ein paar Nachforschungen können da doch ganz nützlich sein.“ gab Meike aufbauen zurück. Ich wollte gerade antworten als auch schon ein Ruf unserer Namen das Essen ankündigte.
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Meine Mutter hatte ähnlich wie letztes Jahr wieder etwas ganz besonderes gezaubert. Letztes Jahr konnte oder wollte ich es nicht genießen…verdammte Krawallphase…naja dann dieses Jahr eben umso mehr. Wir hatten dieses Mal auch wieder den Luxus unserer Lätzchen und dieses Mal waren sie mehr als notwendig, denn meine Mutter hatte sich tatsächlich die Arbeit gemacht und eine Ente zubereitet. Eine schöne Sauerei, aber verdammt lecker wie wir alle feststellen mussten. Für unsere zuvor schon beanspruchten Lätzchen würde aber erst mal eine Pause notwendig sein inklusive einer Wanderung in die Waschmaschine.
„Das war echt lecker.“ stellte ich fest.
„Köstlich.“ stimmte Meike zu.
„Freut mich, dass es geschmeckt hat. Die Rest essen wir dann wohl übermorgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei Helen nichts zu essen gibt. Wahrscheinlich ist sie jetzt schon am Vorbereiten.“ meinte meine Mutter.
„Ziemlich viel Aufwand…nur für uns.“ erwiderte Meike.
„Tja…so ist sie halt…wo wir gerade von Aufwand reden. Ich glaube im Wohnzimmer warten noch ein paar Geschenke darauf ausgepackt zu werden.“ entgegnete mein Vater lachend.
„Was hat das denn mit Aufwand zu tun?“ fragte ich.
„Ganz einfach kleine Maus. Es war aufwendig die Geschenke einzupacken und vor allem euch bis jetzt vom Wohnzimmer fern zu halten. Wobei das mit dem fern halten doch besser funktioniert hat als gedacht.“ erklärte meine Mutter. Dann waren die Lätzchen gar nicht das einzige Geschenk. Das stimmte mich jetzt verdammt glücklich, auch wenn ich gar keine Wünsche geäußert hatte. Ich hatte doch eigentlich alles.
„Ich dachte wir hätten unsere Geschenke schon bekommen?“ fragte ich unsicher. Meine Eltern fingen an zu lachen.
„Naja du hast ein Geschenk bekommen. Wir haben uns dieses Jahr ein kleines bisschen was besonderes überlegt. Achja da fällt mir ein…wundert euch nicht darüber, dass da so viel für Meike ist. Das erklärt sich von selbst wenn ihr alles ausgepackt habt.“ antwortete meine Mutter. Ich schaute kurz verwirrt zu Meike, die aber auch nur mit den Schultern zuckte. Mit einem komischen Mischmasch an Gefühlen, irgendwas zwischen Vorfreude und Unsicherheit, machte ich mich langsam mit Meike auf den Weg ins Wohnzimmer.
Meine oder besser gesagt unsere Eltern, tatsächlich etwas womit ich mich irgendwie anfreunden musste, es wirkte so ungewohnt das zu sagen oder zu denken, hatten nicht untertrieben, denn tatsächlich stapelten sich vor dem Weihnachtsbaum einige Geschenke. Alle waren wie ich es aus den Vorjahren schon gewohnt war mit kleinen Namensschildern versehen.
„Wow.“ staunte ich.
„Kannst du laut sagen. Wow. Ich fand die Lätzchen eigentlich schon ausreichend wenn ich ehrlich bin. Vor allem wüsste ich nicht mal was ich mir großartig wünschen sollte. Ich wäre froh, wenn ich meine Probleme los wäre, aber ich glaube das Geschenk kann mir keiner machen.“ entgegnete Meike sofort. Ich schaute sie kurz etwas geknickt an.
„Naja wir mildern alles etwas ab oder nicht? Ist doch auch was.“ merkte ich an.
„Klar, ich meinte das gar nicht negativ. Sag mal hast du den Baum überhaupt schon gesehen? Du hast dich die letzten Tage so oft in deinem Zimmer verkrochen.“ erwiderte Meike.
„Hmmm…ganz kurz vielleicht. Ist echt schön geworden dieses Jahr.“ stellte ich fest.
„Tja, dann bedanke ich mich mal für das Lob. Den habe ich geschmückt.“ prahlte Meike stolz, zurecht wie ich bereits festgestellt hatte.
„Wow.“ gab ich kurz zurück, was bei Meike ein Kichern verursachte.
„Auspacken?“ fragte Meike nachdem ihr Kichern nachgelassen hatte. Ich nickte kurz und wir fingen an mit dem Auspacken.
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Es dauerte eine ganze Weile bis wir mit allem durch waren. Natürlich hatten wir mit dem größten Paket angefangen, davon hatte jeder eines in den gleichen Ausmaßen, was uns schon darauf schließen ließ, dass der Inhalt der gleiche sein durfte. Tatsächlich bestätigte sich unsere Vermutung recht schnell nachdem wir vermutlich ähnlich wie Berserker in der Schlacht unsere Geschenke vom Geschenkpapier befreit hatten. Vor uns strahlten uns jetzt zwei Packungen Einhornwindeln an. Tatsächlich ein wirklich cooles Geschenk, da die anscheinend nirgends mehr vorrätig waren. Auch Meike schien sich sichtlich über die Einhornwindeln zu freuen. Die nächsten Geschenke waren wohl auch eher an mein kleines Ich gerichtet, was mich persönlich nicht störte. Einen Jumpsuit mit Füßen durfte ich nun mein eigenen nennen und dann noch ein wenig Geld, das war nie verkehrt. Tatsächlich war ich mit der Ausbeute ziemlich zufrieden, wäre es aber auch ohne gewesen. Meike hatte tatsächlich wie angekündigt ein wenig mehr zum Auspacken. Auch bei ihr gab es einen Jumpsuit und Geld, hinzu kamen noch ein paar Bodys, wahrscheinlich weil sie davon nur ein paar besaß, anders als ich. Zum Schluss gab es dann noch einen neuen Laptop und ein Tablet für Meike. Meine Eltern hatten natürlich noch eine Karte dazu gepackt. Anscheinend war Meikes Laptop kurz vorm Auseinanderfallen, was meiner Mutter aufgefallen war also musste früher oder später sowieso ein neuer her. Vor dem Hintergrund konnte ich natürlich nachvollziehen warum es für Meike mehr gab als für mich. Da hätte es auch keiner Erklärung bedurft. Nachdem wir unsere Geschenke alle gesichtet hatten und halbwegs ordentlich zusammengeräumt hatten, kamen auch schon unsere Eltern ins Wohnzimmer. Natürlich bedankten wir uns erst mal für unsere Geschenke. Eine kleine Aufräumaktion später, in der alles wild verteilte Geschenkpapier aufgesammelt wurde, saßen wir auch schon zusammen am Wohnzimmertisch und gönnten uns noch ein paar Runden Zug um Zug. Ziemlich müde fiel ich Stunden später ins Bett.
Der nächste Morgen begann tatsächlich früher als mir lieb war. Gut 11:00 war nicht früh, aber für mich irgendwie doch zu früh. Ich wusste nicht warum…möglicherweise hatte ich einfach schlecht geschlafen. Ich sprang gleich nach dem Aufstehen unter die Dusche, meinen Kaffee konnte ich danach noch trinken. Ein wenig wehmütig stellte ich fest, dass ich wohl heute keine Windel tragen würde. Es war kein Beinbruch, aber nach den doch etwas aufwühlenden Tagen vor Weihnachten merkte ich, dass es mir ziemlich gut tat, wenn ich mich in meine kleine Welt flüchtete. Möglicherweise war es nach den Wochen, in denen ich das ein wenig zurückgefahren hatte, auch einfach so für mein Wohlbefinden notwendig. Mit noch feuchten Haaren machte ich mich auf den Weg in die Küche.
„Morgen kleine Maus. Du bist ja sogar schon fertig angezogen.“ staunte meine Mutter als ich in die Küche kam.
„Hmmm…bin ich.“ meinte ich abwesend.
„Stimmt was nicht?“ fragte sie besorgt.
„Ne alles gut…ich habe nur nachgedacht…ist nicht so wichtig.“ entgegnete ich und setzte mich an den Tisch. Wie gewohnt wanderte eine Tasse mit Kaffee über den Tisch.
„Wenn du nachdenkst heißt das eigentlich, dass irgendwas nicht stimmt oder dich zumindest beschäftigt. Willst du wirklich nicht drüber reden?“ bohrte meine Mutter nach. Ich hasste es, dass ich so durchschaubar für meine Eltern war.
„Es ist total komisch…weißt du…ich weißt gar nicht wie ich das genau ausdrücken soll…also ich glaube irgendwie tut mir meine kleine Welt gerade ziemlich gut.“ fing ich an.
„Das denke ich mir, aber das ist doch keine schwierige Erklärung.“ unterbrach mich meine Mutter.
„Nein das ist es auch nicht…ich weiß nicht…ich wäre heute auch irgendwie gerne klein…wird halt nur schwer möglich sein.“ erklärte ich. Meine Mutter zog eine Augenbraue nach oben anscheinend hatte sie den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden.
„Hmmm…wird schwer. Außer du möchtest das Sarah und Jona lang und breit erklären. Wobei…es gibt da denke ich eine abgespeckte Variante, die ich mir vorstellen könnte.“ entgegnete meine Mutter. Das überraschte mich jetzt, dass meine Mutter dazu eine Idee hatte.
„Welche denn?“ fragte ich neugierig.
„Naja Meike hat dir doch von ihrem Treffen erzählt oder? Die Windel und den Body konnte ich nicht unter ihren Klamotten erkennen. Das wäre ein Möglichkeit, natürlich vorausgesetzt, dass du dich das überhaupt traust. Auffallen kann das natürlich immer noch.“ antwortete meine Mutter.
„Hmmm…ich glaube das ist irgendwie nicht das gleiche…dann genieße ich heute Abend lieber meinen Jumpsuit und ein Fläschchen mit Tee. Den Tag heute stehe ich auch so durch.“ gab ich zurück und trank einen Schluck von meinem Kaffee. Tatsächlich war der Vorschlag meiner Mutter zwar nett gemeint, aber irgendwie…schreckte das auch ein wenig ab. Vielleicht war das auch die Intention gewesen, aber das wollte ich ihr nicht unterstellen.
————————————————————————————————————————
Pünktlich um 13:00 standen wir bei meiner Tante vor der Haustüre. Irgendwie kam mir der letzte Familienbesuch in den Sinn. Wie verwirrt wir Jona angeschaut hatten, verständlicherweise keiner von uns kannte ihn damals. Im Unterschied zu unserem Besuch im Herbst lag jetzt Schnee und es war um einiges kälter. Langsam öffnete sich die Türe. Ich musste grinsen, denn wieder war es Jona, der die Türe öffnete.
„Frohe Weihnachten zusammen. Kommt rein.“ begrüßte er uns und meine Eltern betraten den Flur, gefolgt von mir und Meike zum Schluss.
„Küche oder Wohnzimmer?“ fragte meine Mutter Jona.
„Dieses Mal sitzen wir im Wohnzimmer, da ist es gemütlicher.“ entgegnete Jona. Meine Mutter nickte, packte ihre Sachen an die Garderobe und ging ins Wohnzimmer. Mein Vater folgt ihr keine zehn Sekunden später. Meike und ich kämpften noch mit unseren Mänteln.
„Kann man euch helfen?“ fragte Jona, der immer noch neben uns im Flur stand.
„Passt schon. Dauert nur einen kleinen Moment. Geh einfach schon mal ins Wohnzimmer. Den Weg kenne ich ja.“ bedankte ich mich.
„Na gut.“ meinte Jona und verließ ebenfalls den Flur. Ich streifte recht schnell meinen Mantel ab und hing ihn auf.
„Alles gut bei dir?“ fragte ich.
„Mach dir nicht so viele Sorgen. Helen kenne ich doch schon und Sarah und Jona habe ich auch schon mal gesehen.“ erwiderte Meike, die immer noch mit ihrem Mantel kämpfte. „Boah scheiß Ding…kannst du mal kurz.“ bat sie mich. Tatsächlich hatte sich der Reißverschluss irgendwie verhakt. Ich fummelte ein wenig daran herum und kriegte ihn irgendwie gelöst. Jetzt konnte auch Meike endlich aus ihrem Mantel heraus und dieser hing keine zwei Sekunden später am Haken. Meikes Klamotten saßen aufgrund des Kampfs mit dem Mantel ein wenig schief.
„Warte mal. Lass mich gerade mal kurz was richten.“ meinte ich und richtete ihre Klamotten. Auf der Höhe ihrer Hüfte blieb ich mit meinem Finger beim Glattziehen ihres Oberteils an etwas hängen. Ich hielt kurz inne und schaute Meike dann erstaunt an.
„Ernsthaft?“ fragte ich noch erstaunter.
„Ich hab dir doch gesagt das erkennt man nicht. Mir war danach.“ antwortete sie gelassen und grinste. Ich wusste nicht was mich mehr überraschte entweder die Tatsache, dass Meike anscheinend so langsam mit ihrem kleinen Ich zurecht kam oder die Tatsache, dass sie anscheinend mehr Mut hatte als ich. Zuerst das mit Rob und jetzt hatte sie auch noch genug Mut um beim Familientreffen eine Windel zu tragen. Ich schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf und bewegte mich in Richtung Wohnzimmer, nachdem Meikes Klamotten wieder so saßen wie sie sollten.
Es gab natürlich direkt Kuchen und das reichlich, gefolgt von einem heiteren Ausfragen, das man immer hatte wenn man sich länger nicht mehr unter normalen Umständen getroffen hatte. Vor allem Meike wurde natürlich mit Fragen gefühlt durchlöchert. Die ein oder andere Frage war bestimmt auch etwas unangenehm wie ich an dem ein oder anderen Gesichtsausdruck feststellen konnte. Mein drittes Stück Kuchen war gerade in meinem Magen verschwunden und ich wollte noch einen Kaffee in meine Tasse füllen als ich feststellen musste, dass die Kanne leer war.
„Oh…schon leer. Ich mache gerade neuen.“ meinte Jona und riss die Kasse aus meiner Hand. Einen Augenblick nachdem er aus dem Wohnzimmer verschwunden war, folgte Meike ihm.
„Ich muss mal gerade wohin.“ meinte sie als sie die Türe hinter sich schloss.
„Seltsam…“ dachte ich laut.
„Was findest du seltsam?“ fragte Sarah, die mir gegenüber saß. Meine Eltern und meine Tante waren gerade in irgendeine Diskussion vertieft und achteten anscheinend sowieso nicht auf das was ich gerade von mir gab.
„Ach…das Meike so urplötzlich verschwindet.“ antwortete ich.
„Hmmm…ich finde das gar nicht so seltsam. Ich kann mir vorstellen, dass sie Jona mit ein oder zwei Fragen löchern will.“ meinte Sarah.
„Ok? Wie kommst du darauf?“ fragte ich weiter.
„Naja die Situation der beiden war oder ist doch ziemlich ähnlich…ich kann mir nicht vorstellen, dass Meike noch nichts darüber erfahren hat. Weißt du ich kenne Rob, der plaudert gerne und wird Meike bestimmt versucht haben aufzubauen in dem er ihr erzählt hat, dass Jona ähnliche Probleme hatte.“ erklärte Sarah. Wenn ich mir Meikes Geschichte in Erinnerung rief, stimmte das sogar.
„Ähm…möglich.“ gab ich knapp zurück.
„Dachte ich mir. Immerhin hat Rob vorher gefragt was er erzählen darf.“ kommentierte Sarah meine Aussage. Ich weiß nicht warum aber irgendwie machte mich das gerade nervös. Ich wollte eigentlich an meinen Haaren spielen, wie gewohnt, aber irgendwie kamen meine Finger an die Kette, mit der ich noch spielte.
„Oh hast du eine neue Kette?“ fragte Sarah erstaunt.
„Ähm…ja…kann man so sagen.“ antwortete ich.
„Zeig mal.“ forderte sie mich auf und hielt mir ihre Hand hin. Ich löste die Kette vorsichtig und legte sie in ihre Hand. Sie begutachtete sie eine Weile.
„Sollte man nicht den Namen von jemand anderem um den Hals tragen? Oder hast du dir jetzt eine Freundin mit dem Namen Kathi gesucht?“ fragte Sarah scherzhaft. Jetzt ganz ruhig bleiben und nicht falsches sagen.
„Wäre ein wenig arg bescheuert oder? Die habe ich geschenkt bekommen.“ antwortete ich.
„Cool von wem denn?“ bohrte Sarah nach.
„Keine Ahnung. Die lag in einem Geschenk verpackt vor der Haustüre nachdem ich mit Sandra im Cafe war.“ erklärte ich.
„Hat sie mir gar nicht vor berichtet. Ich frag immer mal wieder ob sie was neues berichten kann, weil sie ja direkt bei euch wohnt. Du hast wirklich keine Ahnung von wem die Kette ist?“ fragte Sarah weiter.
„Nein überhaupt keine. Es gibt Vermutungen, aber ohne Beweise spreche ich die jetzt nicht aus. Ich würde natürlich zu gerne wissen von wem die Kette kommt.“ erklärte ich.
„Hmmm…wenn du nur Vermutungen hast bringt dich das natürlich nicht weiter. Du könntest ja mal denjenigen ansprechen, den du vermutest.“ schlug Sarah vor. Wenn es so einfach wäre, dann hätte ich es schon längst getan.
„Netter Vorschlag, aber ich glaube nicht, dass mich das weiter bringt. Sie steht glaube ich auf jemand anderen.“ gab ich ohne nachzudenken von mir.
„Sie?“ fragte Sarah erstaunt. Jetzt erst merkte ich was ich gerade getan hatte.
„Ähm…die Person, die ich vermute…die meinte ich mit sie.“ versuchte ich mich raus zu reden.
„Ah…verstehe.“ erwiderte Sarah. Ich hoffte, dass ich jetzt nicht unfreiwilligerweise ein Outing vorgenommen hatte. Es wäre kein Beinbruch, aber das musste ich jetzt echt nicht haben.
„Diese Person…macht mir halt ein wenig zu schaffen…ich kann sie nicht einschätzen…naja und mit ihr zu sprechen…ich weiß nicht ist irgendwie schwierig…ich glaube sowas müsste man mal ganz in Ruhe machen und dann am besten auch weit genug weg von zu Hause, am besten an einem Ort wo keiner von uns weg kann. So diese Fahrstuhlnummer von der man immer hört. Sperre zwei Leute in einen Fahrstuhl und wenn sie rauskommen, sind sie die besten Freunde.“ fuhr ich fort.
„Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit ja irgendwann mal. Diese Person…gibt es denn da irgendwelche Gefühle von deiner Seite?“ bohrte Sarah nach.
„Hmmm…durchaus.“ antwortete ich kurz.
„Dann hoffe ich mal für euch beide, dass das Schicksal es in Kürze gut mit euch meint und euch hoffentlich irgendwie in euren Aufzug sperrt.“ erwiderte Sarah und reichte mir die Kette zurück. Ich wollte gerade noch etwas sagen als Jona und Meike mit dem dem Kaffee zurück kamen. Ich war froh, dass ich nun nicht mehr Sarahs ungeteilte Aufmerksamkeit hatte und mich ein wenig von meinem Fast-Outing erholen konnte.
Wir blieben noch ein paar Stunden, in denen ich glücklicherweise nicht mehr der Mittelpunkt der Gespräche war. Tatsächlich hatte mich der Schock über mein Fast-Outing echt mehr mitgenommen als ich dachte. Ich glaube so schnell wie an dem Abend hatte ich mich noch nie in meine kleine Welt zurückgezogen. Den letzten Weihnachtsfeiertag verbrachten wir ebenfalls zu Hause. Meike packte schon für ihren Urlaub mit Robs Familie und ich genoss ein wenig das Abschalten in meiner kleinen Welt. Vor allem versuchte ich den Vortag nach Möglichkeit aus meiner Erinnerung zu löschen.
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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wie immer hervorragend geschrieben. Freu mich schon auf den nächsten teil
Ich fand den Teil recht spannend und interessant. Auch wenn ein kleines Detail mich ins grübeln gebracht hat. Du hast erzählt das Maike und Kathi Ihr Lätzchen umgebunden wurde für das Weihnachtsessen zu Hause. Aber abgenommen hat Ihnen die niemand als Sie in’s Wohnzimmer zum öffnen der Geschenke gingen. Hatten sie die denn da noch an? Der Gedanke ammysiert mich etwas. Freu mich schon auf den nächsten Teil.
Ich frag mich ob Sarah Meikes Windel bemerkt hat und sie sich auch denken kann wer „die Person“ ist die Kathi meint. Oder tut sie es als Komaflashback ab? Wie immer eine Freude zu lesen 🙂
MEIKE wird js immer mutiger und selbstbewusster. Eine echt tolle Entwicklung