Seifenblasen (1)
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Kapitel 1: Die schwarze Katze
„Also, wenn wir a auf 0,5 reduzieren,
was Ă€ndert sich dann an der Kurve? Taro, hast du eine Ahnung?“
„Ding Dong“ beendete die alte Schulglocke den Unterricht.
Endlich, darauf hatte ich, der Junge,
der gelangweilt in der vorletzten Reihe saĂ,
seit einer gefĂŒhlten Ewigkeit gewartet, schon seit einigen Minuten hatte ich eher meine
Zeit damit verbracht aus dem Fenster zu schauen, als zuzuhören.
„Taro!“
Jetzt musste ich nur noch meine Schulsachen zusammenpacken und dann konnte ich endlich aus dem miefigen Klassenzimmer verschwinden und nach Hause gehen.
„Batsch“, klatschte die riesige Pranke von Herrn Schreiner auf mein armes kleines Schultischchen, dass dabei ĂŒbel gequĂ€lt knarzte. Gib nicht auf tapferes Tischchen, du ĂŒberstehst das!
„Sag mal Taro, hast du wieder geschlafen? Ich habe dich etwas gefragt!“, raunzte der BĂ€r.
„Ich? Ăh, nein, ich hab zugehört!“, log ich, ohne zu zögern mit meinen braunen Kulleraugen, darauf hoffend, dass Herr Schreiner sich davon beeindrucken lieĂ.
„Hmm, na schön“. Es hat geklappt!
„Dann kennst du doch sicher auch die Antwort, oder Taro?“ Es hat nicht geklappt.
„ĂÀÀÀÀÀh, naja, also das ist so, die Antwort, die ist ….. Ă€h ….. das ist ja auch alles so kompliziert…“, stammelte ich, verdammt, ich hĂ€tte diesmal wirklich besser aufpassen sollen, aber Mathe ist einfach sooooo langweilig!
„Dachte ich es mir doch! Wenn das so weiter geht vertrĂ€umst du noch dein ganzes Leben, Taro …..“, meinte der Mathelehrer, bevor er nach einer kleinen Denkpause noch das heiĂ ersehnte „Ă€h, ihr könnt jetzt gehen!“ nachschob. Bevor er mir jetzt aber einen weiteren Vortrag ĂŒber Verantwortung und Disziplin und sonst was fĂŒr Firlefanz halten konnte, entschlĂŒpfte ich flink in die Freiheit. Jaaaaa, Frischluft!
Dieser Langweiler ist aber auch doof, du musst wissen, der Kerl hat es auf mich abgesehen, immer nur schnauzt der mich an, als wĂ€re ich der einzige, der nicht aufpasst! Ich meine, es gibt doch auch noch andere SchĂŒler, die seinen Unterricht zum Einschlafen finden, eigentlich doch alle ….. glaube ich jedenfalls. WĂ€hrend ich darĂŒber nachdachte, wie unfair die Welt war  holte ich ein kleines FlĂ€schchen heraus, auf dem in groĂen leuchtenden Buchstaben „Super Bubble Fun“ stand – Seifenblasen. Ja, ich weiĂ, ich bin 13 Jahre alt und ja ich weiĂ, Seifenblasen sind sooo kindisch, aber ich mag das halt, deal with it! Also, wo war ich? Ach ja, ich holte die Seifenblasenflasche aus meiner Tasche und machte mich daran sie zu öffnen. Ich weiĂ nicht wieso, aber Seifenblasen beruhigten mich immer, schon immer, also seit ich denken kann, hat vielleicht irgendwas mit Nostalgie oder der geometrischen Perfektion zu tun oder so, keine Ahnung, ich weiĂ es nicht, muss ich auch nicht. Als dann die ersten Seifenblasen flogen war meine Wut wie weggeblasen, also im wahrsten Sinne des Wortes. Mein GlĂŒck war, dass ich auf meinem Heimweg durch eine enge, verschlafene Gasse hindurch musste, also eigentlich war das der gröĂte Teil meines Nachhausewegs, dadurch lief ich nicht Gefahr gesehen zu werden. Und ja, Gefahr ist das richtige Wort, ich weiĂ wovon ich rede, denn wenn es eines gibt, was ich auf gar keinen Fall wollte, so war das von meinen MitschĂŒlern gesehen zu werden. Ich ging also fröhlich und Seifenblasen blasend nach Hause, ohne an Hausaufgaben, doofe Lehrer, den schnöden Alltag oder die Umwelt zu denken, was auch völlig legitim war, ich meine, kein Mensch mag Hausaufgaben, doofe Lehrer und den schnöden Alltag, allerdings wĂ€re es klug gewesen doch ein bisschen Acht auf meine Umgebung zu geben, denn ohne, dass ich es hĂ€tte kommen sehen, landete ich wenige Schritte spĂ€ter bĂ€uchlings auf der Erde. Auf ein dumpfes „Platsch“ folgte ein gequĂ€ltes „Miaaaaaaau“, das sich kreischend in meinen Ohren ausbreitete.
„Argh, Mist!“, schimpfte ich, als ich mich aufsetzte und mir die Nase rieb. Die tat nĂ€mlich ordentlich weh, war ja auch keine Watte auf die ich gefallen war, sondern toter, harter Stein. Nach dem ersten Schreck sah ich mich erst einmal um, an mir war noch alles dran, Arme Beine, HĂ€nde, FĂŒĂe, alles noch da, kein Grund zur Sorge, doof war, dass mein SeifenblasenflĂ€schchen natĂŒrlich ausgelaufen war und jetzt zerkratzt und schmierig auf dem Boden lag.
„Toll, das hast du ganz toll gemacht Taro!“, sagte ich zu mir selbst, als ResĂŒmee meines Missgeschicks.
„Das kannst du aber mal laut sagen, Kleiner“, meinte eine offensichtlich ziemlich genervte Stimme, die hinter mir zu sein schien.
Ich dachte ich hĂ€tte mich verhört, denn eigentlich war sonst niemand in der Gasse gewesen, also glaubte ich zumindest, aber als ich meinen Kopf umdrehte, sah ich, dass hinter mir ein ziemlich zorniges MĂ€dchen stand, das bestimmt fast zwei Köpfe gröĂer war als ich und böse, mit seinen stehend grĂŒnen Augen, auf mich herab guckte, wĂ€hrend ich noch etwas unschlĂŒssig auf dem Boden saĂ.
„HĂ€? Wer bist du denn?“, war meine geistreiche BegrĂŒĂung.
„Nichts da, du kleiner HosenscheiĂer! So begrĂŒĂt man keine Dame, die man gerade ĂŒberrannt hat!“, schrie das MĂ€dchen. Das konnte ich natĂŒrlich nicht auf mir sitzen lassen, denn auch wenn es gröĂer und bestimmt schon ein paar Jahre Ă€lter war als ich, wollte ich mich nicht so einfach wie ein kleines Kind ausschimpfen lassen, schlieĂlich hatte ich auch meinen Stolz und der sagte mir, dass ich eindeutig kein HosenscheiĂer mehr war!
„Also erstens bin ich schon 13 und zweitens könnte ich dich doofe Seekuh gar nicht ĂŒberrennen!“, ha, das hatte gesessen.
„Du? 13? Dass ich nicht lache, welcher 13 JĂ€hrige lĂ€uft denn mit Seifenblasen durch die Gegend, die 10 kann man auch gleich weg streichen, und nur damit du es weiĂt, ich bin die Katze, ĂŒber die du gerade gestolpert bist!“, antwortete das MĂ€dchen hĂ€misch grinsend.
„Haha, guter Witz, also ich weiĂ nicht, wie man auf sowas kommt, aber du bist garantiert keine Katze!“, meinte ich daraufhin lachend.
Womit ich nicht gerechnet hatte war, dass sich das MĂ€dchen wenige Augenblicke, nachdem ich das gesagt hatte, vor meinen Augen in eine kleine, schwarze Katze mit weiĂen Pfoten, weiĂem Bauch, einem pinken Halsband mit Herzchenmarke, einer ebenso pinken Hauptschleife und stechend grĂŒnen Augen verwandelte. Ich konnte es nicht fassen, vor meinen Augen hatte sich ein MĂ€dchen in eine Katze verwandelt! Ich meine wie krass ich das bitte? Das ist noch creepiger als, als, als Ă€h, als irgendetwas anderes!
Ich schaute die Katze mit groĂen Augen an, solange sie sich geschmeidig um mich herum bewegte, mich anfauchte, schnurrte und die Krallen ausstreckte, um sich danach direkt vor meiner Nase wieder zurĂŒck zu verwandeln. Mir lief ein Schauer ĂŒber den RĂŒcken, als sich das MĂ€dchen zu mir herunter beugte und mit einem schauerlichen Grinsen sagte :“Du musst wissen, Kleiner, ich bin eine Hexe und wenn ich will kann ich auch dich verzaubern.“.
„Ăhh, ja, Ă€hm, aber das machst du doch nicht oder?“, fragte ich sie ganz lieb, also so lieb wie möglich, verdammt, ich hatte echt Angst!
„Na, mal schauen, wenn du ganz brav zugibst, dass du doch ein kleiner HosenscheiĂer bist, drĂŒck ich vielleicht noch ein Auge zu.“, meinte es ziemlich selbstsicher, boah, das war echt gemein, die Kuh wollte doch nur, dass ich mich selbst vor ihr erniedrige! Aber das wollte ich nicht, das konnte ich einfach nicht und obwohl ich eine ScheiĂangst hatte nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte entschieden „Nein!“.
„Bitte was war das?“, fragte die Hexe unglĂ€ubig.
„Ich sagte nein!“, wiederholte ich.
Die Hexe zuckte mit den Schultern, „Na, wenn du meinst, du hast es ja nicht anders gewollt“, sagte sie nĂŒchtern und fuchtelte mit ihren HĂ€nden herum, wĂ€hrend sie irgendwelche komischen Sachen sagte, die ich nicht verstand. Ich selbst blieb dabei still sitzen, ich war einfach zu ĂŒberwĂ€ltigt, um jetzt davon zu laufen, auĂerdem hĂ€tte sie mich wohl sowieso verfolgt, also schloss ich meine Augen ganz fest und wartete darauf, dass es vorbei sein wĂŒrde.
„decennium peribunt, natum, si quando Bulla innocenter oculis, eripere ei ultimam!“
„So du kleiner HosenscheiĂer, das hast du jetzt davon!“, lachte die Hexe.
Ich öffnete ganz langsam die Augen und betrachtete mich am ganzen Körper, ohne irgendeine VerÀnderung wahrnehmen zu können.
„Pfft, du hast ja gar nichts gemacht!“, meinte ich ziemlich selbstsicher, als ich sah, dass ich kein Frosch geworden war.
„Na, du wirst schon frĂŒh genug bemerken, was ich gemacht habe, HosenscheiĂer.“
„ich bin kein….“, wollte ich schon sagen, als sie sich wieder in die Katze verwandelte, die vor so kurzer Zeit noch um mich herum geschlichen war, und die nĂ€chste Hauswand hoch kraxelte.
Ich blieb noch einige Zeit verdattert sitzen. Was war gerade passiert? Okay, du hast ein MĂ€dchen getroffen, das sich in eine Katze verwandeln kann …. und es hat dich gerade verfluuuuuucht, eigentlich ein ganz normaler Nachmittag, abgesehen davon, dass das hier kein Zeichentrickfilm war, sondern die RealitĂ€t! Was sollte ich jetzt tun? Ich hĂ€tte zur Polizei gehen können, aber ich glaube nicht, dass die auf einen 13 JĂ€hrigen gehört hĂ€tten, der was von einer Hexe labert, die in Berlin als Katze herumstreunt, wahrscheinlich hĂ€tte niemand darauf gehört, das wurde mir schnell klar, daher war meine glorreiche Idee einfach nach Hause zu gehen und das Ganze zu ignorieren. Tja, das tat ich dann auch, ich war sowieso nur noch wenige HĂ€userblocks von meinem Wohnort entfernt und diesen Weg sprintete ich, als wenn ich vor dem Ereignis hĂ€tte wegrennen können. Also, SchlĂŒssel rein, TĂŒr auf, Fahrstuhlknopf drĂŒcken, SchlĂŒssel rein, TĂŒr auf, Schuhe ausziehen und ab in mein Zimmer, meine Zuflucht, meine stĂ€hlerne Festung, du weiĂt was ich meine und erst einmal hinlegen. Und die nĂ€chsten Minuten lag ich auch einfach nur da, bis mir wieder einfiel, dass ich ja noch Pflichten zu erledigen hatte. Hausaufgaben machen, GeschirrspĂŒler aus und einrĂ€umen und die KĂŒche putzen, super, gerade an so einem Tag wie diesem …. okay, eigentlich gibt es keine Ă€hnlichen Tage, also gerade an diesem Tag konnte ich das so gar nicht gebrauchen, aber was muss, das muss, ich wusste ja, dass meine Mama mal wieder Nachtschicht hatte und ziemlich sauer sein wĂŒrde, wenn sie nachhause kĂ€me und eine dreckige KĂŒche vorfĂ€nde, also stand ich gequĂ€lt auf und trottete in die KĂŒche, um erst meine Hausarbeit zu erfĂŒllen. WeiĂt du eigentlich wie bepiept es ist, wenn man nach der Schule auch noch Hausarbeit erledigen muss *wĂŒrg*? und dazu kamen dann auch noch die Hausaufgaben *doppelwĂŒrg*. Naja, dadurch vergaĂ ich wenigstens die Katzen-Hexen-Sache oder besser gesagt, ich verdrĂ€ngte sie. Als ich dann letzt endlich fertig war, war der Tag dann auch schon wieder vorbei, super, einfach toll. Also machte ich mir nur das Essen in der Mikrowelle warm, dass mir Mama in den KĂŒhlschrank gestellt hatte und ging anschlieĂend gleich schlafen, tja, ich flehte meine Mama zwar schon seit Jahren an, meine Bettgehzeit auf 22:00 Uhr zu setzen, aber da war auf Biegen und Brechen nichts zu machen. Gute Nacht.
Autor: BabyIsi (eingesandt via E-Mail)
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Total klasse. Mal was ganz anderes đ
Ich hoffe, es dauert nicht so lange, bis eine Fortsetzung kommt^^
Interessant, hoffe es artet nicht wieder in dieses #du hast in die Hose gemacht, also behandle ich dich wie ein baby# kann ich gar nicht ab
Keine Angst, in meinen Geschichten gibt es keinen Zwang, keine positiv konnotierte Erniedrigung und keine flachen Wichsvorlagen. Ich sage es auch gleich, wie es ist : Die Handlung ist lediglich das Gewand der Metaebene.
Freue mich schon auf die fortsetzung
Schon mal ein guter Anfang ohne dieses flache GewÀsch, das sonst vorherrschend ist. Bin schon auf den nÀchsten Teil gespannt.
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Dein Stil gefĂ€llt mir. Keine hastig hingeworfenen Zeilen, sondern guter Text mit Pointen durchzogen und sehr schön zu lesen. Gut, dass ich noch sechs Teile vor mir habe! đ
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