Seifenblasen (9)
Windelgeschichten.org präsentiert: Seifenblasen (9) – 1. Teil
Mit Jasmin Fußball zu spielen war eine der schönsten Sachen, die ich seit langem gemacht hatte. Schon lange hatte ich nicht mehr so frei gespielt. Früher mochte ich Fußball gern, wir haben im Kindergarten immer alle zusammen gespielt. Keiner kannte wirklich die Regeln und oft gab es Rangeleien, aber alles in allem war es immer schön. Nun jedoch nicht mehr. Nun ging es immer nur darum der beste zu sein, darum zu gewinnen, um perfekte Technik, um Durchsetzungskraft, nicht um Spaß.
Mit Jasmin Fußball zu spielen erinnerte mich wieder daran, wie es früher war und das war toll. Ich merkte gar nicht, wie ich langsam wieder größer wurde und spielte einfach weiter. Jasmin schien auch nichts zu bemerkten, denn auch sie kickte den Ball weiter, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Erst als es dunkel wurde hörten wir auf, erschöpft verschwitzt, etwas stinkig, aber glücklich. Zwischenzeitlich ward aus Fußball Handball, dann Volleyball und irgendwann Zweifelderball geworden, aber es hat trotzdem Spaß gemacht.
„Ich hab gewonnen!“, stöhnte Jasmin müde, während sie rücklinks auf den begrünten Boden fiel.
„pfffft, wenn überhaupt war das ein Unentschieden!“, antwortete ich versöhnlich, ich hatte jetzt keine Lust mit ihr zu streiten, nicht jetzt da wir uns tatsächlich einmal richtig gut verstanden.
„Auch gut.“, erwiderte das Mädchen, das nun wieder einen Kopf größer war als ich, während sie wieder auf die Füße sprang.
Ich blieb liegen. Zumindest blieb ich so lange liegen, bis Jasmin mich auf die Füße zog. Sie war vieeeel zu stark für ihren Körper, zumindest für menschliche Verhältnisse, wie ich fand, dem entsprechend erschrocken war ich, als ich plötzlich wieder stand.
„Na komm, wir sollten nach oben gehen, deine Mama wird sich schon sorgen machen.“, erwiderte sie meinen Blick.
Na sicher, wenn ich das doch nur glauben könnte, wollte ich sagen, behielt meine Gedanken aber für mich, während wir gemeinsam die Treppe, die nun gar nicht mehr so lang wirkte wie vorher, nach oben gingen.
Als ich die Tür mit meinem Schlüssel öffnete war ich überrascht diesen zu sehen, aber es war gut zu wissen, dass ich nicht mit Tom und Jerry-Schuhen meiner Mutter gegenübertreten musste, das wäre mir dann doch etwas unangenehm gewesen, schließlich war ich schon 13 Jahre alt.
Als sich die Wohnungstüre langsam öffnete überraschte mich meine Mutter damit, dass sie mich besorgt anblickte, nicht wütend, nicht genervt, nicht enttäuscht, sondern ehrlich besorgt.
„Wo wart ihr denn?“, fragte Mama Jasmin.
Jasmin war ehrlich, zu ehrlich für mein Empfinden, denn sie antwortete wie ganz selbstverständlich „Wir haben nur ein wenig Fußball gespielt“, während sie auf den Ball unter meinem Arm deutete.
Ich wurde ein wenig rot, während Mama uns herein bat und Jasmin eine kleine Standpauke hielt, dass wie nicht so spät noch draußen sein sollte. Es war uns nicht aufgefallen, aber tatsächlich war es schon nach 9 Uhr am Abend. Normalerweise war ich um diese Uhrzeit schon längst zuhause, damit beschäftigt Hausaufgaben zu machen, oder aufzuräumen oder so, mir war gar nicht bewusst, dass es ihr so wichtig war, wann ich zuhause sein würde.
„Man, deine Mama kann ganz schön lange labern.“, eröffnete Jasmin, während sie zu mir in mein Zimmer kam, in das ich mich während ihrer Unterhaltung mit Mama geschlichen hatte.
„Frau-„,, wollte ich antworten.
Doch „Sag jetzt nichts Falsches, Kleiner!“, unterbrach mich Jasmin, bevor ich überhaupt dazu kam meine Aussage zu vollenden.
„Jaja.“, war meine zweisilbige Antwort.
„Sag mal, warum bist du denn so kurz angebunden?“, bohrte mein supposed to be Schutzengel.
„Hmmm“, grummelte ich, um zu zeigen, dass ich in dem Moment nicht reden wollte und Jasmin schien das zu akzeptieren, denn sie fragte nicht weiter nach, sondern setzte sich neben mich auf mein Bett und kramte in meiner Schultasche herum.
„Wenn du nicht reden willst machen wir eben Hausaufgaben, ich glaube, vielleicht kann ich dir keine große inhaltliche Hilfe sein, aber ich kann Motivationspieksen!“, grinste sie, während sich ihr Zeigefinger in eine spitze Nadel verwandelte und sich ganz langsam in Richtung meines Pos bewegte.
„Hey, nicht pieksen! Ich mach ja schon.“, antwortete ich, während ich meine Schulsachen von Jasmin entgegennahm.
Ich möchte es eigentlich nicht zugeben, aber das „Motivationspieksen“ hatte tatsächlich geholfen, wobei sie mich nicht einmal wirklich gespiekst hatte. Es fühlte sich komisch an nicht nur Hausaufgaben zu machen, sondern sie auch zu verstehen. Sonst machte ich meine Hausaufgaben, wenn ich sie erledigte, eher so, dass ich das löste, was ich einfach lösen konnte und den Rest leer lies. Wahrscheinlich war das nicht die beste Idee, aber irgendwann hatte ich einfach aufgehört sie „richtig“ zu machen, weil ich keine Zeit, keine Lust oder keine Kraft dazu hatte, mich damit zu beschäftigen und weil Mama irgendwann aufgehört hatte sich dafür zu interessieren, was ich tat, glaubte ich zumindest.
„Macht mal langsam Schluss Kinder, es wird Zeit ins Bett zu gehen.“, öffnete Mama gähnend die Tür, während Jasmin meine Rechtschreibung mit einem Duden in der Hand tadelte – Streberin!
Das war schon lange nicht passiert, normalerweise kam sie nie rein, um mir gute Nacht zu sagen, naja, normalerweise wäre ich ja auch schon längst im Bett gewesen, und jetzt da ich darüber nachdenke … sie auch!
In dem Moment machte ich mir darĂĽber keine Gedanken.
„Du hast die Frau gehört! Ab geht’s ins Bett. Brauchst du noch ein Fläschchen, Kleiner?“, witzelte Jasmin noch, während ich meinen Schlafanzug vom Bett nahm um, mich im Bad umzuziehen.
„Sehr witzig, Miss Doof.“, konterte ich elegant, woraufhin Jasmin ihren immer noch spitzen Zeigefinger drohend in meine Richtung hielt. Naja, wenigstens nannte sie mich nicht mehr Hosenscheißer, was auch schon ein Erfolg war … man meine Ansprüche sind echt niedrig.
Als ich wieder zurück in mein Zimmer kam lag war Jasmin dabei irgendetwas zu zaubern, alles sah ganz normal aus, abgesehen davon, dass mein Teddybär Patze prominent auf meinem Kopfkissen lag, was er sonst nie tat, da ich nicht wollte, das Mama ihn sah.
Etwas peinlich berührt legte ich mich dennoch brav in mein Bett, denn ich war, zugegebener Maßen tatsächlich echt müde!
„Wo gehst du hin?“, fragte ich meinen Schutzengel noch bevor er meine Kleiderschranktür öffnete, erstaunt dass sich dahinter keine Fächer mit Shirts und Hosen, sondern ein wässrig waberndes Portal.
„Ach, ich muss noch nachhause und meinen Bericht abgeben.“, nuschelte Jasmin vor sich hin, ohne mich anzusehen.
„Aha.“, meinte ich, ohne wirklich zu verstehen, was sie damit meinte.
„Keine Angst, ich bin ja morgen wieder da.“, zwinkerte Jasmin mir noch verschmitzt zu bevor sie durch das Portal trat. Später würde sie mir erzählen, dass extra für sie ein Sonderportal geöffnet wurde, da sie die regulären Portalöffnungszeiten verpasst hatte.
Nachdem sie gegangen war blieb ich noch eine Weile wach und dachte darüber nach was heute passiert war. Ich war viel ruhiger und viel glücklicher als sonst, Mama hätte gesagt, dass ich ausgeglichener wäre. Und während ich so vor mich hin döste, fiel mir auf, dass ich über meine Mutter wieder öfter las Mama nachdachte. Das war mir gar nicht so richtig bewusste gewesen. Nun war ich aber doch schon so müde, dass ich nicht weiter darüber nachgrübelte und ganz leise einschlief, während ich ganz selbstverständlich Patze an mich drückte.
Ich träumte, ich wäre auf einem Schiff, einer schmalen Tartane, wie ich sie schon so oft in Dokus gesehen hatte. Ich stand ganz vorne auf der Spitze, von der ich keine Ahnung hatte wie sie hieß. In der Hand hielt ich ein messinggelbes Fernrohr. Ich war wohl so etwas wie ein Navigator.
Ich wusste nicht wonach ich schauen sollte, ich sah nur Wellen, nur Wellen und die Sonne, die im Zenit auf mich herabzuschauen schien. Kein Schiff war in Sicht, keine Landzunge erstreckte sich am Horizont, keine Insel störte den weiten Blick über das offene Meer. Ich war ganz allein, aber dennoch nicht einsam. Auch wenn ich sie nicht sehen konnte wusste ich, dass die Matrosen hinter mir gewissenhaft ihre Arbeit ausführten und dafür sorgten, dass wir sicher weiter fahren konnten.
Ich war nicht der Kapitän, das wusste ich, ich war nicht der Steuermann, das wusste ich, aber dennoch würde ich entscheiden wo wir hin führen.
Es fĂĽhlte sich an wie eine Ewigkeit, die wir dahin fuhren, ĂĽber das tĂĽrkisblaue Meer Der Himmel war mittlerweile in ein sanftes Pink getaucht, das langsam die Sonne zu verschlucken schien. Ich wurde langsam mĂĽde und es fiel mir merklich schwerer, das metallene Fernrohr in der Hand zu halten, doch ich gab nicht auf, ich wollte eine Insel sehen, ich wollte ankommen.
Noch bevor die Sonne unterging tauchte wie von Geisterhand ein bewachsener Kreidefelsen am Horizont auf. Land! Wir waren nah, nur noch ein bisschen, dann wären wir am Ziel, dachte ich kurz bevor ich von Jasmin aus dem Schlaf gerüttelt wurde.
Autor: BabyIsi (eingesandt via E-Mail)
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Der letzte Teil ist furchtbar lange her. Ich mag deine Geschichte sehr und hoffe du schreibst bald weiter 🙂
Die Geschichte an sich ist gut, kein Zweifel, mein Problem, vermutlich auch das von vielen hier, ist, dass zwischen Teil und Teil Unmengen Zeit vergeht.
Dadurch weiĂź man nicht mehr wirklich, um was ging es denn ĂĽberhaupt?
Man muss sich zwangsläufig die anderen Teile raussuchen, sonst ergibt das Ganze nicht viel Sinn.
Ja, es tut mir leid, aber ich brauchte nach meiner Depression eben auch etwas Zeit, bevor ich mich wieder mit der Geschichte befassen konnte
Eine wunderschöne Geschichte!