Valerie und das Windelgesetz (3)
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Es geht weiter mit Valerie. Über Kommentare freue ich mich sehr.
Kapitel 3 – Die Schuluniform
Ein paar Tage später erhielt Valerie einen Brief von ihrer Schule:
‚Liebe Valerie Müller,
wie du weißt, beginnt am 11.09.2017 das neue Schuljahr. Nachdem du von der Änderung des Windelgesetzes betroffen bist, erhältst du eine Uniform, dass dein Status auch in der Schule jederzeit zu erkennen ist. Damit du zum Start des neuen Schuljahres ausreichend ausgestattet bist, findet vorher eine Anprobe statt. Dein Termin ist am Dienstag, den 29.08.2017 um 11.30 Uhr. Die Anprobe wird ungefähr 20 Minuten dauern. Bitte sei pünktlich und bringe die beiliegende Vollmacht unterschrieben von deinen Erziehungsberechtigten mit.
Beste Grüße
Neumann, Schulleiter‘
Auf der Rückseite des Briefes befand sich die Einverständniserklärung, dass sie ohne ihre Eltern zu der Anprobe kommen durfte und ihre neue Schuluniform sofort mitbekommen würde.
Der Brief erinnerte Valerie daran, dass sie Sommerferien bald enden würden und sie dann in Windeln und in einer Uniform, die ihren Status als Windelträgerin für alle sichtbar machte, in die Schule musste. Bei dem Gedanken, dass sie die Jüngste und damit als Einzige in ihrer Klasse von dem Gesetz betroffen war, rannte sie auf die Toilette und musste sich übergeben. In der Nacht steigerte sich Valerie derartig in die Vorstellung, wie es wohl in der Schule sein würde, dass sie heftige Magenkrämpfe bekam und sich immer wieder übergeben musste. Am Morgen kam dann auch noch Fieber dazu und als Petra zum Wickeln in ihrem Zimmer erschien, lag Valerie zusammengekrümmt und mit einem glühenden Kopf im Bett.
„Schatz, du musst unbedingt zum Arzt. Ich rufe da gleich an und sag, dass es dringend ist.“
„Nein Mama, nein, ich will nicht! Ich will nicht wohin, wo mich jemand kennen könnte!“
„Liebling, das steht nicht zur Debatte. Du bist krank und musst deswegen zum Arzt.“
Valerie kannte diesen Tonfall und fügte sich missmutig. Nachdem sie gewickelt worden war, steckte Petra sie in eine dicke Jacke, zog ihr darüber das Laufgeschirr an und beide fuhren mit dem Bus zu ihrem Hausarzt.
Die Blicke der anderen Patienten im Wartezimmer waren für Valerie ein Graus und sie hatte das Gefühl, von allen angestarrt zu werden. Als sie dann in das Sprechzimmer kam, wurde sie von dem Arzt begrüßt.
„Hallo Valerie, wie ich sehe, bist du auch dem Windelgesetz unterworfen. Zu deinem Schutz finde ich das eine richtig gute Sache, es war wirklich höchste Zeit, dass für euch Mädchen was getan worden ist. So was fehlt dir denn?“
Valerie war fassungslos, bis dahin war es für sie nicht vorstellbar gewesen, dass jemand das Windelgesetz gut finden würde und es ihr auch noch direkt ins Gesicht gesagt hatte. Sehr schnell verwandelte sich ihre Fassungslosigkeit allerdings in Wut.
Um ihre Kleidung aufzuschließen, war Petra mit ins Behandlungszimmer gegangen und musste nach der Begrüßung von dem Arzt erklären, wie es zu dem Zustand ihrer Tochter gekommen war. Valerie war so aufgebracht, dass sie während der Untersuchung kein Wort zu ihm sagte. Nachdem der Arzt Valerie gründlich untersucht hatte, schrieb er ihr ein Rezept mit fiebersenkenden Medikamenten und sah dann sie nachdenklich an.
„Du solltest dir über die Kleidung und die Windeln nicht so viel Gedanken machen, bald werden alle Mädchen bis 18 Jahre so gut geschützt werden. Klar, am Anfang ist es noch etwas ungewohnt, aber das gibt sich bald.“
„Ihr blödes Geschwätz können sie sich sonst wo hinstecken“, giftete Valerie, drehte sich um und verließ das Sprechzimmer.
Petra sah den erstaunten Arzt an und zuckte entschuldigend mit den Schultern, bevor sie alle Mühe hatte, Valerie einzuholen. Die war mit einem hochroten Kopf aus der Praxis gestürmt und wollte schon den weiten Weg nach Hause laufen.
„Den Arzt so anzugehen war nicht nötig, es wird dir noch öfter passieren, dass Leute dieser Meinung sind.“ meinte Petra beruhigend zu ihr, als sie dann doch zwei Haltestellen später in den Bus stiegen.
„Bestimmt niemand, der so rumlaufen muss und die anderen sollen einfach den Mund halten. Und zu dem Quacksalber geh ich nie mehr!“
Petra sah ein, dass mit Valerie darüber nicht zu reden war. Allerdings stellte sie auch fest, dass ihre Tochter das erste Mal, seit sie dem Windelgesetz unterworfen war, wieder Selbstbewusstsein gezeigt hatte.
Zwei Tage vor der Anprobe fragte ihre Mutter Valerie noch einmal, ob sie wirklich nicht von ihr, sondern von einem Mitarbeiter des Jugendamtes in die Schule gebracht werden wollte, aber sie blieb bei ihrer Entscheidung. Am nächsten Tag kam die Mitteilung, dass sie um halb elf Uhr abgeholt werden würde.
In den letzten vier Wochen hatte Valerie nur zu den Übungen mit dem Laufgeschirr und dem Arztbesuch die Wohnung verlassen. Ihr Handy war immer noch abgeschaltet, ihre einzigen Beschäftigungen den ganzen Tag waren vor dem Fernseher ihren Gedanken nachzuhängen und sich am Abend mit ihren Eltern zu unterhalten.
Seit dem Arztbesuch hatten die aber in den Gesprächen bemerkt, dass ihre Tochter ganz langsam aus ihrem Tal herauskam und sie wieder etwas lebhafter wurde. Was sie nicht mitbekamen, dass sich in ihr eine immer größer werdende Wut auf ihre Situation entwickelte.
Als am Tag der Anprobe ihre Mutter nach dem Wickeln und dem Frühstücken zur Arbeit gehen wollte, hielt Valerie ihr das Laufgeschirr hin.
„Bitte zieh es mir gleich an, ich möchte nicht, dass einer vom Jugendamt das öfter als nötig macht.“
Ihre Mutter sah ihr trauriges Gesicht und war den Tränen nahe, aber sie erfüllte wortlos den Wunsch ihrer Tochter.
Pünktlich um halb elf Uhr klingelte es und Valerie trat ohne ein Wort zu sagen aus der Wohnung und zog sofort die Türe hinter sich zu. Vor ihr stand eine lächelnde Frau, der sie wortlos das Ende der Leine in die Hand drückte.
„Guten Morgen, Valerie, ich bin Frau Beck vom Jugendamt“, sagte sie freundlich, „ich bringe dich in die Schule. Du hast ja das Laufgeschirr schon an, das wäre doch jetzt noch gar nicht nötig gewesen!“
Ohne sie eines Blickes zu würdigen, ging Valerie weiter zur Treppe und damit blieb Frau Beck nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Der Weg zur Schule war ziemlich weit und sie mussten mit Bus und Straßenbahn zweimal umsteigen. Valerie lief mit Absicht sehr schnell und zog Frau Beck hinter sich her.
„Valerie, so war das mit dem Laufgeschirr eigentlich nicht gedacht.“ meinte die, als sie gestolpert und Valerie trotzdem ungerührt weitergelaufen war. Natürlich hatte Valerie das mitbekommen und fand es schade, dass ihre Leinenführerin nicht der Länge nach auf dem Boden gelegen hatte.
„Bitte sag mir doch, wohin wir gehen und wie wir fahren müssen, dann bekommst du nicht dauernd Rucke, wenn du an der Leine ziehst. Ich weiß, dass das eine sehr schwierige Situation für dich ist und ich will dich damit doch nicht ärgern.“ sagte Frau Beck wieder sehr freundlich zu ihr, nachdem sie in den ersten Bus eingestiegen waren.
„Wenn sie ein Problem haben, müssen sie halt schneller laufen und wenn sie sich schlau gemacht hätten, dann wüssten sie, wo es langgeht!“ giftete Valerie sie so laut an, dass es jeder hören konnte und drehte Frau Beck dann den Rücken zu.
Den Rest des Weges schwiegen beide, denn Frau Beck war als erfahrene Kinder- und Jugendpflegerin klar, unter welcher Anspannung Valerie stand und dass sie im Moment nicht an sie herankommen würde.
Als sie das Schulgebäude erreichten, waren schon ein paar andere Schüler da, die ebenfalls zur Anprobe der Uniform mussten. In Valeries Alter waren es nur Mädchen, die Jungs waren alle viel jünger. Frau Beck schloss das Geschirr auf und Valerie riss es sich herunter und schmiss es auf den Boden, dann setzte sie sich mit finsterer Miene auf einen Stuhl, bis sie ihr Klassenlehrer Herr Schmitz mit einem fröhlichen Gesicht begrüßte.
„Hallo Valerie, du darfst heute deine neue Schuluniform anprobieren, denn du weißt ja, dass sie ab dem neuen Schuljahr für dich Pflicht ist. Ich bin extra aus dem Urlaub gekommen, um bei deiner Anprobe dabei zu sein. Es ist ja in unserer Klasse etwas Besonderes, weil du als Einzige davon betroffen bist.“
Nach dieser Begrüßung sagte sie auch zu Herrn Schmitz kein Wort und seinen Versuch, ihr die Hand zu schütteln, ignorierte sie. Dann wurden Valerie hinter einem Vorhang von Frau Beck die Latzhose und der Body aufgeschlossen und sie musste die dort liegenden Kleidungsstücke anprobieren.
Die Schuluniform bestand aus einem im Schritt abschließbaren weißen Body mit halblangen Beinen und aus einem rosafarbenen Overall, auf dem auch ein Schild mit ihrem Namen aufgenäht war und dem eines Handwerkers ähnlich aussah. Dieser Body war aus einem weicheren, aber ebenfalls reißfesten Stoff wie der für zu Hause und man konnte die Windel darunter deutlich erkennen.
‚Oh mein Gott‘, dachte sich Valerie, ‚so soll ich also die nächsten zwei Jahre in die Schule gehen. Das Zeug ist megapeinlich und ich sehe zum Kotzen aus.‘
Als sie fertig war und mit den Uniformen zu Frau Beck gehen wollte, stellte sich Herr Schmitz ihr in den Weg.
„Valerie, zwei Sachen möchte ich dir noch sagen. Den Body kannst du auch beim Sportunterricht tragen, dafür ist er gut geeignet. Und damit es im neuen Schuljahr nicht zu Problemen kommt, habe für dich am Fenster einen Einzelplatz vorgesehen, nicht dass sich deine Klassenkameraden von den Gerüchen irritiert fühlen. Ich denke, das ist die beste Lösung.“
Mit diesen Worten hatte Herr Schmitz alle für Valerie vorstellbaren Grenzen gesprengt.
„Was haben sie da gerade gesagt? Sind sie von allen guten Geistern verlassen, spinnen sie komplett?“ schrie sie mit allen, was ihre Stimmbänder hergaben und warf ihm den Beutel mit den Uniformen an den Kopf.
„Was glauben sie eigentlich, wie viel Demütigungen, Erniedrigungen und Blamagen ich noch ertrage?“ schrie sie weiter.
In diesem Augenblick war sogar Herr Schmitz klar, was sich in seiner bis dahin fröhlichen und aufgeschlossenen Schülerin angestaut haben musste.
Auch der Schulleiter Herr Neumann, der in der Nähe war, eilte herbei. Frau Beck stand etwas abseits und beobachtete die Szene besorgt, dann nahm sie ihr Handy und fing an zu telefonieren.
„Ich muss als einzige in dieser Klasse in diesem Kasperlkostüm herumsitzen und jetzt setzen sie mich noch auf den Präsentierteller vor allen anderen, sie sind doch nicht ganz sauber im Kopf! Und wenn sie meinen, dass ich in diesem weißen Ding, bei dem man die Windel deutlich sehen kann, beim Sport mitmache, dann haben sie wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank!“
Valerie hatte den letzten Satz nicht mehr ganz so laut geschrien, aber ihr Gesicht war immer noch dunkelrot und sie hatte Tränen in den Augen.
„Ok, ok Valerie, bitte, bitte beruhige dich wieder! Ich wollte dir wirklich nichts Böses oder dich vor den anderen bloßstellen. Entschuldige bitte, dass ich dich damit so überrumpelt habe. Für deinen Sitzplatz und den Sportunterricht werden wir ganz bestimmt eine Lösung finden!“
Herr Neumann, der Valerie von der Theatergruppe und Basketballmannschaft gut kannte, versuchte auch die Situation zu entschärfen.
„Valerie, wir werden alles tun, um dir es hier in der Schule so erträglich wie möglich zu machen. Dass du die Einzige bist, die in deiner Klasse unter das neue Gesetz fällt, ist eine mehr als unglückliche Situation und das haben wir auch schon besprochen. Wäre es dir recht, wenn wir erst mit deinen Klassenkameraden sprechen, bevor du dazukommst?“
„Auf keinen Fall! Sind sie auch total verrückt? Sie können gleich sehen, was das alles bedeutet!“ schrie Valerie wieder mit allem, zu dem sie fähig war.
Sie war so erregt und wütend, dass es ihr vollkommen egal war, dass sie sogar ihren Schulleiter angeschrien hatte.
Dann drehte sie sich zu Frau Beck um, schmiss ihr das Laufgeschirr zu und breitete die Arme aus.
„Anfangen“ herrschte sie sie an.
„Valerie ich …“ begann Frau Beck wieder sehr freundlich, aber weiter kam sie nicht.
„Hab ich sie was gefragt? Machen sie schon!!“ schrie Valerie jetzt auch Frau Beck an.
Die wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen und zog Valerie das Laufgeschirr wortlos an. Als sie jedoch den Schrittriemen nehmen wollte, schlug Valerie ihre Hand weg und reichte ihn selber durch, damit sie verschlossen werden konnte.
Herr Neumann und Herr Schmitz waren sehr betreten, als sie sahen, wie Valerie an Frau Beck angeleint war.
„Nur so darf ich in öffentlichen Verkehrsmitteln fahren! Die“, dann machte sie eine abfällige Kopfbewegung in Richtung Frau Beck „meinen, das sei für meine Sicherheit!“
Valerie hob die Tasche mit den Schuluniformen auf und zog Frau Beck ohne ein weiteres Wort in Richtung Ausgang hinter sich her. Dreimal versuchte sie auf dem Heimweg etwas zu Valerie zu sagen, aber die hielt sich die Ohren zu und drehte ihr jedes Mal wieder den Rücken zu, sodass Frau Beck seufzend aufgab. Als sie aus dem letzten Bus ausgestiegen waren, lief Valerie mit Absicht wieder so schnell sie konnte, damit sie Frau Beck weiter hinter sich herziehen konnte. Zu Hause angekommen sperrte sie die Wohnungstüre auf, riss die Leine los und wollte die Türe zuknallen.
„Stopp Valerie“, sagte Frau Beck jetzt deutlich und stellte ihren Fuß in die Tür.
„Auch wenn du nicht mit mir reden willst, möchte ich dir noch etwas sagen. Das Windelgesetz wird für die betroffenen Jugendlichen erleichtert, die neu dazugekommen sind. Du darfst dann wie alle Kinder ab 13 Jahren wieder ohne Laufgeschirr in öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und du darfst sogar dreimal in der Woche eine Stunde am Tag zu Hause ohne Windel und Sicherheitskleider alleine in deinem Zimmer sein, wenn ein Erziehungsberechtigter in der Wohnung anwesend ist. Allerdings muss dann die Zimmertüre abgesperrt sein, denn die Toilette bleibt dir trotzdem verboten. Das tritt zwar erst in ein paar Tagen in Kraft und deine Eltern bekommen auch noch eine E-Mail, aber ich habe vorhin nachgefragt und darf es dir jetzt schon erlauben.“
„Komm, jetzt lass dir noch das Laufgeschirr abnehmen, du musst es doch nicht länger tragen als unbedingt notwendig. Wenn du willst, dann können wir jetzt noch miteinander über alles reden, ich habe alle Zeit der Welt für dich.“ fügte sie wieder sehr freundlich hinzu.
Doch Valerie hatte keine Lust zu reden, denn sie war immer noch sehr aufgewühlt und hatte eine riesige Wut im Bauch. Dennoch drehte sie sich mit Tränen in den Augen um und ließ Frau Beck das Geschirr aufsperren. Als sie das Klicken des Schlosses gehört hatte, ging sie ohne ein Wort zu sagen in die Wohnung und schloss mit Schwung die Türe.
Später am Nachmittag kam Petra von der Arbeit.
„Hallo Valerie, wie war die Anprobe?“
Valerie kam mit gesenktem Kopf aus ihrem Zimmer und erzählte ihrer Mutter erst, wie der Weg zur und von der Schule verlaufen war, dass die Mitarbeiterin des Jugendamtes mit ihr noch sprechen wollte, sie aber dazu keine Lust gehabt hatte.
„Hm, ich weiß nicht, ob es so klug ist, sich mit dem Jugendamt anzulegen. Du hast gerade so geklungen, als ob diese Frau recht freundlich zu dir war.“
Als nächstes erzählte Valerie, dass Herr Schmitz sie auf einen Einzelplatz setzen wollte, damit ihre Klassenkameraden nicht von ihren Gerüchen belästigt würden. Ihre Mutter schlug vor Entsetzen die Hände vor den Mund.
„Das kann doch nicht wirklich sein Ernst gewesen sein!“
„Doch Mama, in der Schule war niemand zum Scherzen zumute.“
Etwas schuldbewusst erzählte sie ihr auch, was Herr Neumann und Herr Schmitz sonst noch zu ihr gesagt hatten und dass sie die beiden deswegen angeschrien hatte, den Wurf mit dem Beutel ließ sie vorsorglich unerwähnt.
„Oje, oje, ich hoffe, dass das nicht böse Folgen hat, vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich mitgekommen wäre. Aber jetzt zeig mir mal die Schuluniform.“
Dann schloss sie Valerie die Latzhose auf, die ging in ihr Zimmer und holte den jetzt schon verhassten Overall und zog ihn mit dem größten Widerwillen an.
„Schön ist was anderes, aber ich denke, es hätte schlimmer kommen können. Die vielen Taschen sind doch praktisch und mit dem Gürtel sieht er wenigstens nicht aus wie ein Sack.“ versuchte ihre Mutter zu beruhigen.
„Was soll noch schlimmer aussehen? Ich kann mir nichts vorstellen! Stell dir vor, der Schmitz hat sogar gesagt, ich soll in dem Body, bei dem jeder die Windel deutlich sehen kann, am Sport teilnehmen. Niemals laufe ich nur in dem Ding in der Schule rum, den Sportunterricht können die sich sonst wohin schieben!“ rief sie wieder sehr erregt.
Ihre Mutter spürte wieder, dass Valerie nicht mehr resigniert war, sondern angefangen hatte, sich zu wehren. Sie freute sich insgeheim darüber, denn ihr war klar, dass sich ihre Tochter nur so behaupten konnte, aber ein paar Bedenken hatte sie schon.
„Meinst du wirklich, es ist eine gute Idee, deinen Direktor und deinen Lehrer anzuschreien und den Sportunterricht zu verweigern? Du brauchst doch am Ende der Schule ein gutes Zeugnis.“
„Mama, ich hatte ja viel Zeit und habe lange nachgedacht. Keine Ahnung, wie ich die Schule so überhaupt durchstehen soll, ich bin definitiv die Einzige in der Klasse, die in dem Ding und Windeln rumlaufen muss. Ob ich sie schaffe oder nicht, interessiert mich nicht mehr. Ich werde mich aber definitiv nicht mehr ohne Gegenwehr so behandeln lassen. Ich muss die Windeln und diese schreckliche Kleidung tragen, aber jeder, der meint, mich deswegen blöd anzureden, der wird mich kennenlernen!“
„Allerdings hat diese Frau Sowieso vom Jugendamt am Schluss gesagt, dass ich ab sofort dreimal die Woche eine Stunde am Tag hier zu Hause ohne Windel sein darf, wenn du oder Papa da bist. Auch in der Straßenbahn und im Bus darf ich wieder ohne Laufgeschirr fahren!“
„Na siehst du, es wird ja schon ein bisschen besser. Klar, die anderen werden am Anfang schauen, aber sie gewöhnen sich daran und du wirst sehen, bald ist alles ganz normal.“
Als ihr Vater spät am Abend nach Hause kam, erzählt ihm Valerie, wie ihr Tag gelaufen war und wie erleichtert sie sei, dass sie jetzt wieder in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Laufgeschirr und Leine fahren durfte.
„Das freut mich für dich, aber glaub bitte nicht, dass die das aus reiner Nächstenliebe gemacht haben. Die waren dazu gezwungen, da sonst nicht mehr viele Schüler in der Schule gekommen wären. Wenn Verbesserungen erreicht werden sollen, dann muss darum gekämpft werden!“
Diese Worte prägten sich Valerie ein und sie beschloss auch den Rest der Ferien alleine zu Hause zu verbringen. Sie wollte niemanden die Möglichkeit geben, sich an ihren Anblick zu gewöhnen. Ihre Eltern sahen ihre Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Einerseits freuten sie sich darüber, dass ihre Tochter die Herausforderung angenommen hatte, andererseits waren sie besorgt, denn sie konnten nicht einschätzen, wie weit Valerie in ihrer Wut gehen würde. Jedes Mal, wenn sie die Schule ansprachen, wurden sie mit einer finsteren Miene angesehen und sie ging ohne darauf zu antworten in ihr Zimmer.
Sogar als ihr Schulleiter Herr Neumann anrief und sie zu einem Gespräch über ihre Situation bat, lehnte sie das gegen den Willen ihrer Eltern vehement ab.
Am letzten Ferientag ging sie früh ins Bett, um ausgeschlafen zu sein, sie hatte zwar Angst vor dem, was sie erwarten würde, aber beschloss, dass sie sich nicht ohne Gegenwehr unterkriegen zu lassen.
Kapitel 4 – Der erste Schultag
Am ersten Schultag wurde Valerie wie üblich von ihrer Mutter früh geweckt, aber sie in der Nacht mal wieder sehr schlecht geschlafen. Die Angst vor diesem Tag war immer stärker geworden, je mehr sie darüber nachgedacht hatte.
Nachdem Petra ihren Pyjama aufgeschlossen hatte und sie im Badezimmer gewesen war, legte sie sich mit bedrücktem Gesicht auf den Wickeltisch.
„Hör zu, mein Schatz, ich weiß, dass das heute für dich nicht einfach wird. Aber du bist in der letzten Zeit so stark geworden, dass du das ganz bestimmt schaffen wirst!“
Als sie von ihrer Mutter gewickelt worden war, zog sie sich den weißen Body für die Schule an und wurde zwischen den Beinen wieder mit dem Vorhängeschloss eingeschlossen. Nach einem langen Blick in ihren großen Spiegel stieg Valerie widerwillig in den rosa Overall und ging ins Esszimmer, um zu frühstücken.
Nach dem Frühstück hängte sie ihre Schultasche um und als sie gerade die Wohnung verlassen wollte, nahm Petra sie noch einmal in den Arm und drückte sie ganz fest.
„Nur Mut, mein großes Mädchen, du schaffst das!“ flüsterte sie ihr ins Ohr.
Valerie nickte zwar, aber sie hatte gerade nicht das Gefühl, dem allen gewachsen zu sein. Ihre Mutter sah ihr nachdenklich hinterher, was würde ihr Kind erwarten und war sie schon stark genug, alles durchzustehen?
Sie war froh, auf der Fahrt zur Schule niemanden zu begegnen, den sie kannte. Als Valerie aus dem letzten Bus ausgestiegen war, wartete sie, um erst kurz vor Unterrichtsbeginn das Schulhaus zu betreten.
Im Schulgebäude angekommen, sah sie ein sehr merkwürdiges Bild. Ungefähr die Hälfte der Schüler hatten einen Overall an, die Mädchen in Rosa wie sie und die Jungs aus den unteren Stufen einen blauen. Die ersten Stunden hatte sie bei Herrn Schmitz, also machte sie sich auf den Weg zum Klassenzimmer im zweiten Stock. Je weiter sie aber durch das Schulhaus lief, umso bewusster wurde ihr der rosa Overall und ihr wurde sehr mulmig zumute, sie hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen bekommen zu haben und ihre Knie waren ziemlich weich. Sie nässte sich vor lauter Unsicherheit sogar ein bisschen ein, was die Situation für sie fast unerträglich werden ließ. Bevor sie aber in Sichtweite des Klassenzimmers kam, stellte sie sich mit dem Rücken an die Wand, nahm den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
‚Bleib ruhig, bleib ruhig. Du kannst es nicht ändern und du hast dir vorgenommen, stark zu sein. Zeig den anderen nicht, wie es in dir aussieht.‘ redete sich Valerie in Gedanken ein.
Als sie am Klassenzimmer ankam, standen schon alle ihre Mitschüler in ihrer normalen Kleidung davor und unterhielten sich. Als sie Valerie sahen, verstummten schlagartig ihre Gespräche, alle starrten sie mit ungläubigen Blicken an und im Hintergrund hörte sie ein Kichern.
„Oh wie niedlich, die Kleine muss Windeln tragen. Ich wusste gar nicht, dass du wieder ein Baby geworden bist“, spottete Jill, ein Mädchen, das Valerie gar nicht leiden konnte und mit dem sie sich seit vielen Jahren stritt.
Valerie bekam einen knallroten Kopf und wollte sich schon umdrehen und weglaufen, aber Sophia nahm sie sofort in den Arm und drückte sie ganz fest. Sie war Valeries beste Freundin, aber sie konnte von den Änderungen in ihrem Leben nichts wissen, da sie die ganzen Ferien mit ihren Eltern auf einer Reise gewesen war.
„Oh mein Gott, du Arme, was ist denn mit dir passiert?“ rief sie entsetzt und ließ Valerie gar nicht mehr los, „ich dachte, das neue Gesetz betrifft nur die unteren Klassen! Ich dachte, du bist auch schon 16!“
Auch Helena und Vivien kamen gleich zu ihr und wurde jetzt Valerie von drei Freundinnen gleichzeitig umarmt. Den beiden war das Entsetzen in ihren Gesichtern anzusehen, denn sie wussten durch ihre Geschwister, was das Windelgesetz bedeutete.
„Ich bin 16, aber ich hatte erst am 3. August Geburtstag und den Stichtag um zwei Tage verpasst.“ antwortete Valerie traurig.
„Oh Gott, da habe ich ja echt Glück gehabt“, sagte Sophia, „ich hatte schon am 26. Juli Geburtstag und ich wusste gar nicht, dass der 1. August der Stichtag gewesen war.“
Valerie konnte es kaum fassen, ihre Freundin war nur eine Woche älter als sie und dennoch stand sie in normaler Kleidung vor ihr, während sie in diesem demütigenden Overall herumlaufen und Windeln tragen musste.
Bald darauf kam auch Herr Schmitz zum Klassenzimmer. Er schloss es auf und als Valerie es betrat, sah sie zu ihrer Erleichterung keinen Einzelplatz. Herr Schmitz deutete ihr mit einer kurzen Handbewegung an, sich ganz vorne ans Fenster zu setzen und sie folgte zögerlich seiner Aufforderung. Sophia setzte sich ganz selbstverständlich neben sie und ihre beiden anderen Freundinnen Helena und Vivien nahmen sich gleich die Plätze dahinter. Herr Schmitz lächelte den vier Mädchen zu und nickte.
„Warum hier?“ fragte Sophia.
„Ich musste Ende August zur Anprobe von diesem rosa Ding in der Schule. Da wollte mich der Schmitz an einen Einzelplatz setzen, damit die anderen nicht von mir belästigt werden. Da bin ich total ausgeflippt und habe ihn so angeschrien, dass er sich offensichtlich doch nicht getraut hat, das zu machen.“ flüsterte Valerie.
„Wie ist das mit dem neuen Gesetz, was musst du da alles machen?“ fragte Sophia neugierig.
„Später“, gab Valerie ihr zur Antwort.
„Liebe Klasse, willkommen zurück im neuen Schuljahr.“ begann Herr Schmitz, „Wie ihr sicher schon bemerkt habt, sieht unsere Valerie etwas anders aus. Das liegt an der Änderung des Windelgesetzes, von dem ihr sicher schon alle gehört habt. Ich hatte gehofft, es würde in unserer Klasse niemand betreffen, aber Valerie hat es leider doch erwischt. Ich erwarte, dass ihr sie trotzdem mit demselben Respekt wie vorher behandelt. Nur weil sie jetzt Windeln und Overall tragen muss, ist sie kein anderer Mensch geworden.“
Auch wenn es Herr Schmitz wieder gut gemeint hatte, war es für Valerie eine weitere Demütigung, die in ihr wieder Wut hochkommen ließ. Es reichte scheinbar nicht als einzige in der Klasse betroffen zu sein, nein, er musste es mit der Ansprache auch noch besonders betonen und künstliche Aufmerksamkeit auf sie richten. Sie wurde dunkelrot im Gesicht, es fiel ihr schwer, sich zu beherrschen und ihn nicht wieder anzuschreien.
Als Valerie sich wieder beruhigt hatte, stellte sie fest, dass sie zwar ihrer der Klasse die Jüngste war, aber von allen Windelträgern in der Schule die Älteste. Das ließ sie zu dem Entschluss kommen, dass sie nicht nur für sich selber handeln musste.
Der Rest des Schultages verging außer ein paar blöden Sprüchen von Jill und ihren Freundinnen recht friedlich. Sophia, Helena und Vivien mussten sich sehr anstrengen, um Valerie davon abzuhalten, Jill zur Rede zu stellen und ihr vor allen anderen die Meinung zu sagen.
Nach der vierten Stunde versammelten sich alle Schüler in der Aula, um noch offiziell von Herrn Neumann als Schulleiter begrüßt zu werden.
Sie mussten sich klassenweise aufstellen und es war schon ein komisches Bild, vor allem in den unteren Stufen. Die Mädchen in Overall und Windeln, die Jungs ab 13 Jahren in normaler Kleidung.
Als Herr Neumann gerade auf das Podium gehen wollte, hatte Valerie eine spontane Idee. Sie drängte sich vor ihren Schuldirektor, stieg auf das Podium und stellte sich an das Mikrofon.
„Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, nachdem ich die Älteste bin, die in diesem Aufzug und in Windeln die nächsten Jahre verbringen muss, möchte ich ein paar Worte an euch richten.“
Herrn Neumann und dem gesamten Lehrerkollegium blieb vor Staunen der Mund offenstehen, aber sie griffen nicht ein.
„Nachdem das Parlament ein für alle Kinder bis 13 Jahre und für uns Mädchen bis 18 Jahre diskriminierendes und erniedrigendes Gesetz beschlossen hat, möchte ich an dieser Stelle an alle anderen die Bitte richten, dass wenigstens ihr uns das Leben nicht noch mehr zur Hölle macht, als es sonst schon ist. Ich weiß nicht, ob ihr euch vorstellen könnt, wie es ist, wenn euch eure Eltern mindestens einmal am Tag die Scheiße aus eurer Hose kratzen müssen, wenn ihr tagsüber verschließbare Unterwäsche und verschließbare Hosen und in der Nacht einen verschließbaren Pyjama tragen müsst. Stellt euch auch noch vor, ihr tragt Kleidung, die allen in der Öffentlichkeit zeigt, dass ihr in einer Windel steckt und darum in die Hose machen müsst. Als Highlight dürft euch auch nicht mehr alleine an bestimmten Orten aufhalten und müsst als Gipfel der Demütigung in einem Ganzkörperlaufgeschirr an eure Eltern angeleint sein. Der einzige Lichtblick in unserer Situation wäre faire Behandlung durch euch. Danke.“
Dann stieg Valerie unter tosenden Applaus der betroffenen Schüler von dem Podium und ihre Freundin Sophia fiel ihr weinend um den Hals.
„Oh Gott, was musst du alles ertragen!“
Valerie lächelte sie an und strich ihr mit der Hand die Tränen von der Backe.
„Ja, es war und ist sehr, sehr schlimm, vor allem in der ersten Zeit. Aber ich habe beschlossen, für mich und die anderen zu kämpfen. Obwohl ich wieder Windeln tragen muss, glaube ich, dass ich stärker als zuvor bin und immer stärker werde! Warte nur, die werden noch ihr blaues Wunder mit mir erleben.“
Dann verabredeten die zwei, sich am Nachmittag bei Valerie zu treffen.
Autor: MiRa (eingesandt via E-Mail)
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Mit so einer drastischen Änderung von Valerie Ihren Karakter hätte ich nicht gerechnet! Find ich klasse von Ihr, sich so zu behaupten. Das wird wol noch recht spannend werden diese Geschichte.
Es freut mich, wenn dir die Richtung gefällt. So eine radikale Umstellung des Lebens ist eine turbulente Zeit 😀
Ich hoffe es wird diesmal noch eine weiter Fortsetzung geben
Ich kann dich beruhigen, die Geschichte ist schon fertig geschrieben 🙂
Schade, ich hatte in der Urauffassung noch in Erinnerung, dass trotz der gesetzlichen Demütigung doch noch ein Junge zu ihr fand! Ich hätte mich gefreut, wenn ihr Beide doch noch eine Restaurierung daraus macht und beschrieben hättet, wie es ihr im Übergang zur Minderjährigen ins Erwachsenen-Alter geht. Das müsst letzten Endes natürlich ihr entscheiden, da ich mich definitiv nicht in die Entwürfe anderer User einmischen will.
Die Geschichte von Valerie und den Windeln ist noch lange nicht beendet 😉
Die Geschichte ist vollständig geschrieben, aber noch lange nicht vollständig gepostet. Es folgen noch viele Teile 🙂
Klasse Geschichte
Vielen Dank!! Freu dich auf die Fortsetzung 🙂
Das ist genau die richtige Einstellung, so einen Schwachsinn der Regierung über sich ergehen zu lassen. Ich hoffe doch das Valerie sich darum bemühen wird, das der Unsinn schnell ein Ende hat. Bitte weiter schreiben, denn es wird Interessant.
Eine 16-jährige gegen die Regierung antreten und gewinnen zu lassen wäre zum einen sehr unwahrscheinlich und zum anderen wäre dann die Geschichte zu Ende. Ich habe mir zusammen mit Daniel alle Mühe gegeben, dass es interessant bleibt!!
Bin echt gespannt wie es weitergeht und wünsche Valerie für ihren Kampf gegen das Gesetz viel Erfolg
Die Geschichte ist gut geschrieben keine Frage, aber ich finde es sehr schade das die Windeln dabei so negativ beschrieben werden. Die Kleidung könnte ja auch bequem und schön sein und die Windel könnte eine längere schöne Kindheit bewirken.
Einen einheitlichen Geschmack wird man (speziell bei Mädels) nicht finden, vielleicht gibt es welche, denen das gefällt. Es freut mich, wenn dir die Geschichte ansonsten gefällt :-).