Zweite Chance (2) – Kapitel 10
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Kapitel 10 – Felix, der Wirbelwind
Erschöpft und etwas verschwitzt lehne ich mich an das Treppengeländer, des nach Beton riechenden Umkleidenvorraumes. „Wie konntest du den Ball nur übersehen?“, fragt mich ein sehr viel verschwitzterer Fabian, mit grauer Trainingshose und Synthetik-Fußballtrikot der Nationalmanschaft mit den gewohnten drei Sternen. Das letzte Drittel der Sportdoppelstunde durften wir ein Fußballspiel veranstalten. Ganz ungewohnt wurde ich recht schnell in eine der beiden Mannschaften gewählt und direkt danach kam auch der offensichtlich recht gut fußballspielende Fabian in dieselbe Mannschaft. Im Gegensatz zu Fabi, konnte ich die Erwartungen meiner sechs Mitspieler vermutlich nicht ganz erfüllen, denn, wie immer in der Abwehr positioniert, habe ich doch glatt kurz vor Ende des Spiels einen Spieler der gegnerischen Mannschaft mitsamt Ball übersehen und so zu einem Tor für die „bunten“, der Mannschaft ohne Überziehhemdchen in Neongelb, geführt.
„Ich war einfach abgelenkt!“, gebe ich resigniert zu, während meine neue Sportlehrerin die Tür zu den Umkleiden aufschließt: „Aber da ist auch so lange nichts passiert bei diesen lahmen Enten!“, füge ich zu meiner Verteidigung an, während ich die Kappe meiner Trinkflasche aufmache und erst mal meinen ziemlich starken Durst stille. Offensichtlich tut Fabian es mir gleich und meint noch: „Naja, den Ball hätte Manu aber auch echt halten müssen!“, womit er Manuela, unsere Torwärtin meint, die den Ball eben nicht gehalten hat. „Du bist aber echt gut!“, bemerke ich noch zu Fabian, während selbiger sein DFB-Trikot gegen einen dunkelroten Pullover tauscht. Seine graue Jogginghose ist mittlerweile zum Glück vollständig trocken, nachdem anfangs noch ein kleiner Fleck zu erahnen war und so behält er selbige einfach an, während seine nasse Jeans gut versteckt in den Tiefen seiner Sporttasche liegt.
Recht schnell ziehen Fabi und Ich uns um und so schaffen wir es noch bevor Leon und Wolfgang die Umkleide betreten, selbige in Richtung Pausenhof zu verlassen und kassieren so nur einen giftigen Blick von dem blonden Jungen mit demselben Namen wie der Kapitän der Wilden Kerle. „Und du hast echt wieder eine Dingsbums an?“, fragt mich Fabian leise während wir auf den noch ziemlich leeren Pausenhof strömen. „Hä?“, frage ich verwirrt: „Dingsbums?“
„Na du weißt schon“, präzisiert Fabian, schaut sich kurz um und flüstert dann : „Eine Windel!“
„Ohhhhhh“, antworte ich verstehend; „Klar, die trage ich doch immer“, antworte ich nur und stelle meinen Rucksack an unserem Stammplatz bei der komischen Bank ab.
„Das ist wirklich beeindruckend!“, meint Fabian nur: „Man erkennt überhaupt gar nichts, ich war richtig verwundert als du die Hose ausgezogen hast!“
„Soll ja auch so sein!“, antworte ich zur Beendigung dieses in der Schule doch eher heiklen Themas: „Sonst würde Leon mich ja fertig machen“, resümiere ich, schaue etwas verlegen in meinen Schritt und male mir kurz aus, was passieren würde, wenn Leon doch einmal einen Blick auf meine Drynites werfen würde.
Die Große Pause geht leider ganz im Gegensatz zu der gleichnamigen Disney-Serie verdammt schnell vorbei und das obwohl Fabian und Ich nur zu zweit über den Hof geschlendert sind und miteinander geredet haben und nicht wie vorhin anderen Kindern Tischtennis oder dergleichen gespielt haben. Es gibt aber auch ziemlich viel zu erfahren, muss ich sagen! Klassensprecher Leon ist offensichtlich der böse, coole Mobber, den es gefühlt in jeder fünften Klasse gibt. Wolfgang und ein paar andere seine Lakeien. Verwundert erfahre ich von Fabian, dass selbiger früher einmal mit Wolfgang befreundet war, in der Grundschule, zusammen mit Robin. Ansonsten thematisiert unser Gespräch auch die fast eine Stunde lange Mittagspause, das laut Fabian wohl ziemlich schlechte Essen in der Schulmensa und was wir heute Nachmittag alles vorhaben. . Etwas besorgt blicken wir auf die Mathestunde, die schon in wenigen Minuten auf unsere Pause folgen wird. Eine Unterrichtsstunde mit unserer Klassenlehrerin, wo wir dann wohl Ärger wegen der Prügelei in der Umkleidekabine zu erwarten haben.
„Guten Morgen, Frau Schaf!“, begrüßen wir unsere Klassenlehrerin zu der Mathematikeinzelstunde, wie es Schüler vermutlich schon seit tausend Jahren tun. Gut, den ganz früher üblichen Hitlergruß lassen wir weg und anders als die Schüler früher in den neuen Bundesländern müssen wir auch nicht auf den Kommunismus schwören oder so. Der einzige der heute schwört ist Mert: „Ich hab meine Hausaufgaben, ich schwör!“, wie er leicht aufgebracht seinem Sitznachbarn klarmacht, der offensichtlich eben noch anderes vermutet hatte.
Und auch ich habe meine Mathehausaufgaben, was zugegebenermaßen in letzter Zeit nicht oft vorgekommen ist. Also früher, 2007, meine ich. Dementsprechend bin ich auch ungewöhnlich entspannt, während unsere Mathematiklehrerin durch die Klasse geht und die Hausaufgaben kontrolliert, denn ich habe nichts zu verbergen und bin auch nicht damit beschäftigt, in letzter Sekunde meine Hausaufgaben von Karl abzuschreiben. Beziehungsweise vielleicht eher von Fabian.
„So, Felix, und du?“, fragt Frau Schaf nach meinen Hausaufgaben und reißt mich erneut aus einem ziemlich interessanten Gespräch mit meinem Sitznachbarn. Was sich Lehrer immer erlauben!
„Oh, öh, Ja“, bringe ich heraus, während ich eiligst mein Matheheft aufschlage und bis zur letzten Seite blättere: „Hier!“, präsentiere ich die nicht grade wenigen Bruchadditions- und Subtraktionsaufgaben, nicht ganz ohne Stolz.
„Sehr schön, Felix“, bemerkt Frau Schaf nachdem sie die Doppelseite kurz überflogen hat und hakt mich in ihrem Notizbuch ab: „Da sollte sich Giacomo mal ein Beispiel dran nehmen!“, fügt sie zwinkernd hinzu.
„Ich werds ihm ausrichten!“, antworte ich zurück und bin ziemlich stolz, dem großen Giaco in dieser Hinsicht etwas vorauszuhaben!
Stolz bin ich aber leider nicht mehr lange, denn nachdem Frau Schaf ihren Kontrollgang beendet hat, das allgemeine Vergleichen der Hausaufgaben beginnt und ich mich freiwillig melde muss ich zwar schnell feststellen, dass meine Hausaufgaben zwar vollständig sind, aber zu großen Teilen einfach falsch. Zu fünf achteln um genau zu sein, wie Fabian bemerkt. Danke, das war jetzt wichtig zu wissen. Ich bin doch eigentlich der Klugscheißer hier! Statt Sechsundzwanzig Achtundzwanzigsteln kommen bei der Aufgabe 2b beispielsweise Dreizehn Vierzehntel heraus und ich habe nicht die leiseste Ahnung wie dieses Ergebnis zustande gekommen sein soll. Zu allem Überfluss habe ich mich auch noch zweimal voller Elan gemeldet um das Ergebnis vorzutragen und wurde beide Male durch ein „Nein, das stimmt so nicht“ von Frau Schaf abgebremst, beim zweiten Mal durch ein schadenfrohes Raunen aus Leons Gruppe in der hinteren linken Ecke des Klassenraumes und der Aussage von Frau Schaf dass sie glaube zu wissen wo mein Fehler liege. Frustriert senke ich meinen Kopf und denke an die Legoeisenbahnpläne die Fabian und Ich heute Nachmittag verwirklichen wollen, während die Hausaufgabenvergleichsrunde weitergeht. Zwischendurch muss ich zu meiner Bestürzung erneut ziemlich dringend pinkeln und habe wenig später bereits eine doch ein ganzes Stück nassere Pullup. Hätte ich nach der Sportstunde bloß nicht so viel getrunken! Am Ende erklärt Frau Schaf noch irgendwas mit Erweitern und Kürzen, was ich aber nur noch am Rande mitbekomme, während ich gedankenverloren mein Mäppchen durchkrame. „Jetzt verstanden, Felix?“, fragt sie schließlich, wobei ich ein wenig hochschrecke und glücklicherweise ziemlich überzeugend „Ja, klar! Ist ja eigentlich einfach, wenn man das weiß!“, antworte, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was an der Tafel soeben erklärt wurde.
Giacomo hatte gesagt, wenn ich etwas nicht verstehe, sollte ich bitte ihn fragen, und genau das werde ich jetzt wohl auch tun, nachdem ich die Erklärrunde grade offensichtlich verpasst habe. Glücklicherweise dauert die Mathestunde auch nicht mehr allzu lange und bereits kurz darauf entlässt uns der Dreiklang, aus den in der Wand eingelassenen Einwegelautsprechern, in eine Einzelstunde Musik.
Bevor wir unschuldigen Fünftklässler allerdings dazu kommen unseren Klassenraum verlassen, werden wir bereits durch eine Horde rüpelhafter, ja gar barbarischer Eltfklässler, die denselben geradezu kriegerisch Stürmen, daran gehindert. Nein, kleiner Scherz, aber die Elftklässler, mitsamt Giacomo und Marcel, sind schon ziemlich laut und drängend, während sie durch die Tür gehen.
„Hey Felix!“, begrüßt mich Giacomo wie schon gestern mit einem soliden Highfive: „Du sitzt auf meinem Platz!“, kommentiert er anschließend gespielt mürrisch.
„Selber schuld!“, antworte ich frech: „Frau Schaf hat mir übrigens gesagt, du sollst dir ein Beispiel an mir nehmen und deine Hausaufgaben demnächst mal machen!“, füge ich süffisant hinzu, worauf ein Lachen von Marcel ertönt und Giacomo ausnahmsweise mal erstaunlich wenig sagt, Während sich schließlich bereits Marcel neben mich hinsetzt und seinen Leitzordner auspackt. Bevor ich am Ende noch Elftklässlermathematik mitbekomme, stopfe ich eilig mein orangeblaues Mathebuch in meinen Rucksack und verschwinde, als scheinbar letzter Fünftklässler, aus unserem beschaulichen Klassenraum und treffe auf dem Schulflur auf den in seiner Jogginghose betont lässig an der Wand lehnenden Fabian: „Na du bist aber schnell“, bemerkt er frech grinsend.
„Ich zeig dir wie schnell ich bin!“, gebe ich zurück und dann geht tatsächlich alles ganz schnell. Zusätzlich zu meiner Sporttasche und meinen blauen Schulranzen greife ich mir noch die links neben Fabi auf dem Boden stehende Sportumhängetasche mit Fabians Sportsachen und seiner ganz unten gut versteckten, nassgepinkelten Jeans und renne mit beiden Sportbeuteln davon: „Da siehst du mal wie schnell ich bin!“
„Ich mach dich einen Kopf kürzer“, kichert Fabian während er hinter mir herrennt: „Ich kürz dich!“
Wie in einem Actionfilm schlängeln wir uns durch die Horden von Schülern und ganzen Gruppen die uns wahlweise entgegenlaufen, unseren Weg kreuzen oder einfach nur schnarchlangsam vor uns herschlurfen. Während die Ranzen auf unseren Rücken umherwackeln, ja gradezu umherfliegen, wackelt auch die schon bedenklich nasse Pullup zwischen meinen Beinen ganz schön hin und her. Ich glaube, wenn ich da so weiter reinpinkel, hält die das nicht mehr bis nach Hause aus. Ich fürchte, ich werde wohl zum äußersten Mittel greifen müssen. Nein, nicht zum Wickeln, noch schlimmer! Zum auf die Toilette gehen! Aufgrund der Tatsache, dass die Wickelprozedur mit den Drynites eine ganze Hofpause in Anspruch nimmt bin sogar ich, Felix der selbsternannte König der Windelpinkler, bereit auf Klo zu gehen, um den Windelwechsel in der Schule zu umgehen. Doof, aber leider notwendig. Ob ich noch auf Klo gehen kann? Natürlich kann ich das, immerhin war ich doch bis vor sieben Tagen trocken und sauber! Also gut, fast immer jedenfalls und ja, auch nicht grade lange. Sauber war ich ja erst mit acht. Aber immerhin!
Meine Kangaroos-Klettschuhe quietschen verdammt laut, als ich scharf rechts abbiege, während der enge, überfüllte Schulflur in einer großen Halle mündet, die sich in den letzten sieben Jahren offenbar wenig verändert hat. Und so hängen an den Wänden auch noch riesige, schwere Vorhänge hinter denen ich mich nun verstecken kann und vorsichtig nach Fabian Ausschau halte. Wenige Momente später kommt mein zehnjähriger Verfolger bereits in die große Halle hineingestürmt, rennt dabei fast ein älteres Mädchen das grade an ihren Haaren herumspielt um, und blickt anschließend ratlos durch den Raum. An der gegenüberliegenden Seite der Halle stehen schon fast alle unserer restlichen Klassenkameraden, wartend vor dem Musikraum und bevor Fabian nun in deren Richtung geht, um zu schauen ob ich mich nicht vielleicht doch dort untergemischt habe, schiebe ich den Vorhang leicht zur Seite. „Buh!“, rufe ich. während ich noch erschöpft nach Luft hechle.
„Gib her!“, antwortet Fabi siegesgewiss und ebenfalls leicht erschöpft während er seine Sporttasche wieder an sich reißt und meinen Kopf mit seinen Händen etwas nach unten stößt: „Böser Felix!“, sagt er so als würde er mit einem Hund reden, woraufhin wir beide loslachen müssen und schließlich langsam zu unseren Klassenkameraden gehen.
Etwas mehr als eine Dreiviertelstunde später müssen wir zu unserer Enttäuschung leider feststellen, dass bereits andere Schüler alle drei Tischtennisplatten in ihren Beschlag genommen haben. „Und nun?“, fragt Fabian enttäuscht und starrt fragend in die ebenfalls enttäuschten Gesichter von Robin, mir und einem meiner neuen Klassenkameraden der offensichtlich ebenfalls mit uns Tischtennis spielen wollte: „Virus?“, schlägt er nun vor.
„Virus?“, frage ich daraufhin sehr verwirrt, blicke mit betont fragendem Blick in die Gesichter meiner drei Mitstreiter und bekomme daraufhin erklärt, dass „Virus“ wohl so etwas ähnliches wie Fangen ist, einer hat eine Seuche, und wenn dieser einen anderen berührt, greift die Seuche, wie das ja so ist, auf den anderen über. Dann haben beide einen Virus und es wird immer schwerer, den Zombies zu entkommen: „Ziel ist es, der letzte Überlebende zu sein“, beendet Fabian seine im Stil eines Brettspiel-Anleitungsheftes vorgetragene Erklärung.
„Klingt cool“, stelle ich fest, nachdem auch Fabian seine Zustimmung bekundet hat und Robin offensichtlich ebenfalls nicht abgeneigt ist. Selbiger flüstert Fabi grade allerdings irgendetwas in sein Ohr, woraufhin dieser ihm auf die Schulter boxt und kurz darauf etwas beschämt meint: „Ich geh noch kurz auf Toilette!“ Toilette? Da war ja was? In Anbetracht meines Drynites-Füllstandes, wollte ich da ja auch hin: „Ich geh auch“, füge ich an und folge Fabian in den erstaunlich leeren Toilettentrakt.
„Hä?“, fragt Fabian nun mich sehr verwirrt: „Wieso kommst du mit? Du hast doch gar keine Sachen zum … Systeme dingsen?“
Scheiße! Natürlich habe ich meinen Ranzen mit den Sachen zum „Systeme rebooten“ im Musikraum, indem die Doppelstunde nach der Pause weitergeht, gelassen, immerhin hatte ich ja nicht vor mich zu wickeln, sondern vor, auf Toilette zu gehen. Da Fabian aber nun treffsicher bemerkt hat, dass ich gar keine Wickelsachen dabei habe kann ich mich jetzt wohl schlecht neben ihn stellen und auch einfach so auf Klo gehen. „Ne, eigentlich trag ich die Windeln zum Spaß, ich kann auch ganz normal auf Klo gehen“ sollte ich wohl lieber nicht sagen: „Ääääääääh“, antworte ich stattdessen sehr intelligent: „Ich wollte mir nur die Hände waschen, die sind ziemlich klebrig“, antworte ich schließlich als Ausrede, biege ab in den Vorraum, halte meine Hände unter den Wasserhahn und pinkle mal wieder in die Drynites, die mittlerweile ihre Kapazitätsgrenze erreicht hat nachdem ich auch in der ersten Musikstunde schon nicht grade wenig pullern musste. Mein Pipi strömt durch meine spürbar nasse Pullup hindurch bis es sich so langsam am Po sammelt wo es hoffentlich langsam aufgesaugt werden wird. Ob man etwas sehen kann, weiß ich nicht, wenn ich an mir herunterschaue glaube ich aber, dass man an meinem Hosenstall durchaus die Ausbeulung durch die prall gefüllte Drynites erkennen kann. Während ich den Pipistrahl wieder stoppe obwohl ich immer noch muss male ich mir aus, was passieren könnte wenn jemand anders als Fabian oder vielleicht Robin die durchnässte Drynites bemerken würden. Katastrophe! Am liebsten würde ich jetzt schnell auf Toilette gehen und mir selbige einfach abreißen, die Gefahr wäre wohl gebannt. Nur leider würde sich Fabian völlig zurecht fragen, was ich denn so komplett ohne Sinn auf einer Toilettenkabine mache. Hausaufgaben machen? Nein, auch die Ausrede fällt mangels Schulranzen offensichtlich flach. Während ich die Hände unter den Trockner halte fasse ich schließlich den Entschluss, einfach am Ende der Pause auf Klo zu gehen und laufe mit wackelnder Drynites zwischen den Beinen wieder auf den Pausenhof.
Wie schon vorhin auf dem Schulflur flitzen wir wieder zwischen unseren Mitschülern hindurch um dem infizierten Robin zu entkommen. Recht schnell haben Fabian, Max und Ich uns zerstreut und laufen in verschiedene Richtungen bis zumindest ich mir sicher bin, Zombie-Robin abgehängt zu haben. Vorsichtig und unauffällig laufe ich zwischen Gruppen am Boden sitzender Jugendlicher umher bis ich mich schließlich unter der Treppe zum Dach der Turnhalle in welcher wir eben Sportunterricht hatten, verstecke. Etwas erschöpft hocke ich mich hin, beobachte sorgsam das Treiben auf dem Schulhof und pinkle mir äußerst vorsichtig etwas in die proppenvolle Drynites, ich kann ja jetzt schließlich nicht auf Klo gehen! Ob es so auch Fabian geht, wenn er sich in die Hose pinkelt?
„Buh!“, kommt plötzlich von hinten. Erschrocken springe ich auf und drehe mich um. Fabian, wenn man vom Teufel spricht! „Was machst du denn hier?“, frage ich selbigen leicht wütend während ich ihn versuche zu kitzeln.
„Psssst!“, ermahnt mich selbiger zur Disziplin während er sich an die Backsteinmauer drückt: „Robin ist bei dem Bäumen vor dem Lehrerparkplatz, wir müssen aufpassen, der kommt gleich!“, warnt er mich vor und wir versuchen uns so weit wie möglich unter die Treppe zu stellen. Wenig später biegt der mit dem Virus infizierte Robin bereits suchend um die Ecke und geht mehr oder weniger zielstrebig in Richtung unserer Treppe wo wir nun mehr oder weniger hilflos drunter gefangen sind. Ich könnte mich ja heldenhaft auf Robin stürzen und so Fabian die Flucht ermöglichen. Aber ich will doch nicht den Virus bekommen? Oder vielleicht doch! Dann könnte ich mit jagen. Bevor ich weiter über mein Kamikaze-Manöver nachdenken kann wird unsere Anspannung allerdings dadurch gelöst, dass plötzlich Max der scheinbar ebenfalls immer noch unifiziert ist, hinter einem der Bäume in Robins Richtung auftaucht. Zuerst sehen wir ihn und kurz darauf erblickt ihn zu unserer großen Erleichterung auch Robin. Sekundenbruchteile später ist die Jagd wieder eröffnet und Robin sprintet dem panisch davonlaufenden Max hinterher während Fabi und Ich hörbar ausatmen: „Puh, das war knapp“, stelle ich fest während wir die Verfolgungsjagd aus sicherer Distanz beobachten.
„Echt mal!“, bestätigt Fabi während Robin und Max auf einem anderen Schulhofteil rennen und die Gefahr somit vollkommen aus unserem Blickfeld verschwindet.
„Am besten bleiben wir hier?“, frage ich Fabian während wir uns wieder etwas aus der staubigen Enge unter der Treppe trauen. Nicht unbemerkt bleibt mir dabei, dass die Augen meines neuen Freundes kurz an der durch die Drynites verursachten Ausbeulung klebenbleiben. „Man sieht was, oder?“, frage ich ihn nun unsicher.
„Ich fürchte schon“, antwortet mir Fabian: „Aber fällt mir auch grade erst auf, hättest du dich nicht jetzt eh wickeln müssen?“
„Mhm“, murmle ich mich und nicke. Hätte ich tun sollen: „Ja, aber das dauert immer so megalange und dann hätte ich ja nicht mit euch Virus spielen können.“
„Hm, so geht es mir auch immer“, antwortet mir Fabian ebenfalls eher betrübt.
„Hä?“, frage ich sehr verwundert: „Du trägst doch gar keine Windeln!“
„Witzbold“, antwortet Fabian: „Natürlich nicht! Aber wenn ich auf Klo muss, dann denke ich auch immer dass das viel zu lange dauert und warte lieber. Naja.“
„Ahhhhhhhhhh“, antworte ich: „Kann ich verstehen“, lache ich. Und ziehe mir dann mein Tshirt so weit wie möglich über die Windelbeule.
„Ich glaube man sieht das auch nur wenn man das weiß“, sagt Fabian noch während er eine Hand auf meine Schulter legt. Ob er das wirklich ernst meint, oder ob er das nur sagt um mich zu beschwichtigen bin ich mir allerdings nicht ganz sicher. Lange Zeit zum Nachdenken habe ich allerdings auch nicht: „Da, Robin!“, rufe ich überrascht und zeige auf den Sechstklässler der zusammen mit Max über den Schulhof streift, offensichtlich auf der Suche nach uns. Im gleichen Moment entdecke aber nicht nur Ich Robin sondern auch Robin uns beide, woraufhin er Max antippt und die beiden taktisch ziemlich geschickt jeweils von links und rechts auf uns zugelaufen kommen: „Scheiße!“, rufe ich Fabian aufgeregt zu während wir noch in Schockstarre dastehen. Ich jedenfalls: „Warte noch“, antwortet Fabian und klingt dabei als hätte er einen Plan. Kommt gleich der Helikopter? Hm, wenn ich die Spezialfunktionen meiner Armbanduhr nutze, vielleicht, aber ich glaube, das sollte ich lieber lassen. Während Robin und Max immer näher an uns heranlaufen steht Fabian weiterhin still und hält eine Hand vor meinen Oberkörper, so als wolle er mich am Loslaufen hindern. Ich bin mir nicht sicher was er vorhat und ehrlich gesagt bin ich mir nicht einmal sicher, ob er selbst überhaupt das weiß.
„Lauf!“, brüllt Fabian nun und zieht Demonstrativ seine Hand weg. Robin und Max haben uns schon beinahe erreicht als Fabi und Ich gleichzeitig in die jeweils entgegengesetzte Richtung laufen und in dem Moment wird mir bewusst, was Fabian vorhatte. Wie beim Fußballspiel, wo man den Ball auch so lange beim Fuß behält bis der Gegner ihn fast erreichen kann, wartete Fabian ab, bis die beiden Zombies uns fast erreicht hatten, so keine Zeit mehr zum Reagieren hatten. Ein hektisches Ausweichmanöver und einen Richtungswechsel später muss ich allerdings feststellen dass Robin mir trotzdem dicht auf den Fersen ist. So dicht, dass ich Angst habe, er könnte mir jeden Moment auf die Füße treten. Ohne Ziel biege ich wahllos mal nach links und mal nach rechts ins Schülergewirr ab, finde aber jedes Mal wenn ich mir wieder den Weg aus den Massen an herumstehenden Mitschülern freikämpfe Robin direkt hinter mir wieder.
Schockiert muss ich feststellen, dass ich mich wohl selbst in eine Art Falle gelenkt habe, denn während sich neben mir das Hauptgebäude erstreckt wird mein Weg nach vorne durch einen Ausleger desselben blockiert. Einzige Möglichkeit: Die Türen zwischen den beiden Gebäuden, welche den größten Zugang zum Schulgebäude darstellen. Ich bemühe mich, nicht zu offensichtlich Kurs auf die Tür zu nehmen, springe während des Laufens auf eine Tischtennisplatte, um von dieser anschließend, wie in einem Actionfilm, supercool einen Mülleimer zu überspringen, bevor ich mit ganzem Körpereinsatz die Türen zur Seite drücke. Halt nein, das tue ich nicht, denn stattdessen knalle mit vollem Karacho gegen die Tür und spüre kurz darauf, wie auch Robin sich nicht mehr ganz bremsen kann, seine Hände zwar links und rechts gegen die Tür stützt, aber trotzdem noch, mit einer nicht unerheblichen Restgeschwindigkeit, auf mich prallt. Während sich einer von Robins Oberschenkeln recht tief in meine Drynites bohrt knallt schmerzhaft sein Kopf gegen meinen: „Ahhhhhhhhhh“, stoße ich aus und halte mir meine Hände vor die Stirn.
„Alles in Ordnung, Kleiner?“ fragt Robin nun sichtlich bestürzt und beugt sich zu mir runter. Aufgrund des Schmerzes sage ich nicht einmal etwas dagegen, dass der nur unwesentlich größere Sechser mich grade Kleiner genannt hat. Hörbar zischend ziehe ich die Luft ein, während ich mir den Kopf reibe. „Alles ok“, fragt Robin erneut, scheinbar unschlüssig, was er nun machen sollte: „Lass mich mal sehen“, meint er, drückt mit seinen warmen, verschwitzten Händen meine zur Seite und stellt fest: „Hm, bluten tust du schon mal nicht, aber ich glaube das gibt ne Beule, Kleiner. Geht’s, oder soll ich ins Sekretariat und dir einen Kühlbeutel hohlen?“, fragt er mich, wobei ihm die Rolle des fürsorglichen Großen offensichtlich gefällt: „Hm?“, fragt er noch, während ich noch schniefe und mir kurz die Augen reibe. „Komm, wir gehen mal ins Sekretariat“, beschließt er nun in einem betont sanften Ton, während er eine Hand um meine Schulter legt und die Tür aufzieht. Ziehen statt drücken, wie es auch an der Tür draufsteht. Wer lesen kann ist klar im Vorteil?
Etwas schüchtern gehe ich hinter Robin in den schön warmen, mit Teppichboden ausgelegten Raum, stehe still da und strullere, als ich nach der ganzen Action merke, dass sich meine Blase bereits wieder meldet, ohne überhaupt über den Füllstand meiner Pullup nachzudenken, in die Drynites und höre erst auf, als alles raus ist. Sehr nass und glitschig fühlt sich die Windel jetzt an und ich kann spüren wie das Pipi an meiner Haut entlang quer durch die Windel läuft, suchend nach einem Stückchen Zellstoff das noch nicht komplett vollgesogen ist. Robin merkt nichts davon dass ich mir grade wie ein Kindergartenkind in die Hose beziehungsweise Windel mache und auch die Sekretärin ist zum Glück damit beschäftigt ein Kühlkissen aus dem Kühlschrank zu holen und mich nach meinem Namen und meiner Klasse zu fragen. Während ich beide Antworten zurückmurmle, wünschte ich mir, Giacomo wäre jetzt hier. Dem würde ich zuflüstern, dass meine Drynites dringend wechselbedürftig wäre und müsste mich um nichts kümmern während er mich diskret bei Seite schaffen würde und wie immer schnell und ordentlich einen Windelwechsel durchführen würde. Auch um die Beule an meinem Kopf würde er sich gut kümmern, obwohl ich zugeben muss, dass auch der etwa zwölfjährige Robin da sehr gute Arbeit leistet.
„Wenns schlimmer wird, kommst du noch mal wieder, ok?“, rät uns die Sekretärin noch bevor Robin die Tür mit seinem Ellenbogen aufdrückt und wir wieder in Richtung Pausenhof gehen: „Alles wieder in Ordnung jetzt?“, fragt mich Robin während wir uns auf dem Weg zu den Tischtennisplatten machen, dort wo wir Max und Fabi vermuten.
„Glaub schon. Danke“, antworte ich ihm, während ich das Kühlkissen gegen die Beule an meinem Kopf drücke und mich bemühe, leicht zu Grinsen.
„Wo wart ihr??“, fragt der sich neben Max an die Tischtennisplatte lehnende Fabian leicht aufgebracht, während er auf seine Uhr deutet; „Die Pause ist gleich vorbei!“
„Felix ist gegen die Tür gelaufen, wie du vielleicht an dem Kühlkissen an seinem Kopf erkennen kannst!“, verteidigt mich Robin: „Wir mussten erst mal ins Sekretariat gehen, aber dafür kennt Felix jetzt den Unterschied zwischen drücken und ziehen an Türen“, führt er weiter aus, während er mir durch die Haare wuschelt. Ich glaube, das ist als Scherz gemeint, sicher bin ich mir aber nicht. „Was läufst du auch einfach gegen mich?“, lege ich sicherheitshalber nach woraufhin mir Robin einen Stupser auf meinen Hinterkopf gibt: „Eyyyyy!“
„Dann hab ich wohl gewonnen“, stellt Fabian schließlich nicht ohne Stolz fest woraufhin ich „Zweiter!“ rufe, mich neben Fabian auf die Tischtennisplatte setze und feststelle, dass der Schmerz an meinem Kopf schneller als befürchtet verschwindet. Noch schneller als befürchtet hingegen ist schließlich die Pause vorbei und ich kann meinen Plan, am Ende der Pause noch schnell auf Klo zu gehen wohl endgültig vergessen. Gut, müssen tu ich auch nicht mehr. Noch etwas langsam springe ich von der Tischtennisplatte runter und will mich wieder auf den Weg in den Musikraum machen als ich plötzlich spüre, wie mein Sweatshirt an meinem Hals gegen ebendiesen drückt. Schockiert drehe ich mich rum und stelle fest, dass Fabian offensichtlich selbiges festhält: „Ey!“, antworte ich genervt, woraufhin dieser mir zuraunt: „Dein Po ist nass!“
„Scheiße!“, antworte ich. Echt mal, scheiße! Ja, sagt man nicht, ich weiß. Psssst: „Was machen wir denn jetzt? So kann ich doch nicht wieder in die Klasse gehen!“
„Hier“, meint Fabi nun und zieht sich seine Jacke aus: „Zieh die an, dann sieht man nix mehr. Aus eigener Erfahrung!“
Ich schmunzele während ich Fabians Jacke überstreife und mir anschließend wieder das Kühlkissen gegen den Kopf drücke: „Sieht man wirklich nichts?“, frage ich unsicher.
„Nö, kein Stück“, antwortet Fabian während wir über den sich langsam leerenden Schulhof laufen. Jetzt ist meine Drynites also doch ausgelaufen und wie ein kurzes Ertasten mit meiner Hand ergeben hat. Das muss wohl eben im Sekretariat passiert sein, was wiederrum heißt dass Robin das auch mitbekommen haben muss. Oder ist es erst passiert, als ich mich auf die Tischtennisplatte gesetzt habe? Hoffentlich. Das wäre dann wohl nach Fabis Unfall heute Morgen in der Vorpause die zweite nasse Hose des Tages und hoffentlich auch die letzte.
„Und wie erklären wir den anderen, dass ich deine Jacke anhabe?“, frage ich nun skeptisch.
„Naja, ganz einfach“, fängt Fabian mit seiner Ausführung an, wie Justus Jonas von den drei Fragezeichen: „Du hattest ja diesen Unfall mit der Glastür und danach ist dir halt kalt geworden, auch wegen dem Kühlkissen. Deshalb habe ich dir dann meine Jacke gegeben, damit du nicht frierst.“
„Ohhhhh“, antworte ich erstaunt und muss feststellen, dass das ein beeindruckend guter Plan ist. Als wir wieder in der Halle vor unserem Musikraum ankommen und wie immer auf unseren Musiklehrer warten müssen, fragt allerdings niemand nach meiner Jacke, denn das Interesse aller gilt offenkundig meinem Kühlkissen und was überhaupt passiert ist. Quälend lange 45 Minuten trennen uns noch im Musikraum vom heiß erwarteten Wochenende. Zweieinhalb Tage nur Spiel und Spaß, hoffentlich jedenfalls! Leider hat unser Musiklehrer keinerlei Erbarmen mit uns und quält uns mit Notenschlüsseln, Fissen und Dissen sogar bis kurz nach dem Klingeln. Erlöst stürmen meine Mitschüler schließlich aus dem Klassenzimmer während der Musiklehrer seine Worte: „So, ein schönes Wochenende und bis Dienstag“ noch zu Ende spricht. Ich ziehe mir erst einmal sorgfältig meine Jacke an und vergewissere mich bei Fabian dass alle Teile meiner nassen Hose verdeckt sind und verlasse anschließend, als einer der letzten meiner Klasse, den Raum, während ich mit dem mittlerweile warmen Kühlkissen herumwerfe. Bevor wir nun aber dazu kommen, das Kühlkissen wieder im Sekretariat abzugeben, treffen wir auf den mit seinem Handy in der Hand an der Wand lehnenden Giacomo: „Hey, da bist du ja! Beziehungsweise ihr! Woher hast du das Kühlkissen? Und wem gehört die Jacke?“, erschlägt mich Giacomo mit Fragen. Ach ja, da war ja was, Fabians Jacke. Ohne etwas zu sagen ziehe ich den Reisverschluss der mir etwas zu großen Jacke herunter und gebe den Blick auf meine, durch das herumsitzen im Musikunterricht auch im Schritt nassgewordene, Hose frei. Neben mir steht Fabian und kann ebenfalls meine nasse Hose sehen, allerdings muss mir das vor ihm wohl wirklich nicht peinlich sein.
„Och Lexi!“, stellt Giacomo leicht enttäuscht fest: „Ok“, fügt er an und überlegt kurz: „Fabian, kannst du schnell das Kühlkissen zurück ins Sekreteriat bringen? Ich nehme an, da habt ihr das her. Ich und Felix haben noch was zu erledigen“, bittet er Fabian in einem hektischen Unterton. Kein Wunder, denn in sieben Minuten kommt bereits unser Bus.
„Wir können doch jetzt schlecht zu den Toiletten laufen!“, raune ich Giacomo zu, denn dafür reicht die Zeit nun wirklich nicht. Giacomo kramt währenddessen in seiner Schultasche herum, zieht einen mir unbekannten Schlüssel aus seiner Tasche, nimmt meine rechte Hand und zieht mich vor die dem Musikraum gegenüberliegende Tür. „SV“, prangt in großen Buchstaben auf der Türe. Sekunden später hat Giacomo die Türe zu meiner Verwunderung bereits schon aufgeschlossen und führt mich in den dahinterliegenden Raum. Ein ziemlich kleiner Raum, ausgestattet mit Tischen, Regalen und zu meiner Verwunderung auch mit Teppichboden. Und zum Glück mit blickdichten Vorhängen wie man sie eigentlich nur aus Sparkassenfillialen kennt. Immer noch recht hektisch nimmt Giacomo mir meine Sporttasche ab, zieht den Reißverschluss auf und zieht meine Sporthose heraus. Ich ahne was er vorhat, nicht nur Fabian scheint heute wohl seine nasse Hose gegen eine Sporthose zu tauschen, sondern auch ich. Nachdem er mein Sporttshirt auf dem großen Tisch ausgebreitet hat um es offensichtlich als provisorische Wickelunterlage zu nutzen. „So, da müsstest du dich jetzt drauflegen“, kommentiert er, ich lege mich auf den Tisch und was dann folgt, dürfte vermutlich die schnellste Wickelprozedur der Welt sein.
Während Giacomo noch die kleine Windeltasche aus dem Geheimfach in meinem Ranzen fischt, weist er mich bereits an, meine Schuhe auszuziehen. Eilig streife ich selbige mit dem jeweils anderen Fuß ab und kicke sie in Richtung Tür, wo sie sehr viel lauter als erwartet auftreffen: „Upsi“, gebe ich zu meiner Entschuldigung von mir, während Giacomo mir meine Hose aufknöpft, kurz danach bereits auszieht und meine Drynites an den Rändern aufreißt: „Eieieie, die ist aber voll. Wie ist das denn passiert?“, fragt er mich während er mir die Reservepampers aus dem Windelbeutel unterlegt, eilig zuklebt und mir meine Sporthose drüberzieht.
Anschließend springe ich vom Wickeltisch, genieße kurz, nach der triefnassen Drynites wieder eine dicke, trockene und flauschige Pampers umzuhaben und ziehe mir meine Klettschuhe wieder an, während Giacomo noch damit beschäftigt ist, meine nasse Hose und mein nun auch nasses Sportshirt wieder in den Turnbeutel zu stopfen und mir auf meinen Windelpo klopft: „Komm Kleiner, beeil dich, der Bus kommt in drei Minuten!“ Ein Blick auf meine Uhr bestätigt diese Aussage, 12 Uhr und 21 Minuten, was heißt, dass Giacomo den Windelwechsel inklusive Hosentausch in nur vier Minuten hinbekommen hat, was wohl seine Bestleistung darstellen dürfte. Neuer Weltrekord!
„Sieht man irgendwas?“, frage ich Giaco unsicher während wir schnellen Schrittes zur Bushaltestelle gehen und uns wieder frische Luft und der allgegenwärtige Straßenlärm umgeben.
„Weniger als vorher“, lautet daraufhin Giacomos grinsende Antwort: „Aber Spaß bei Seite, man sieht ziemlich wenig, zumindest so lange die Pampers leer ist. Nicht so wie vorher!“, fügt er schnippisch an: „Wie konnte das denn passieren, die Pullup war ja komplett voll?“
„Najaaaaaaa“, antworte ich zögerlich: „Weißt du, das wickeln mit den Drynites ist so nervig und zeitaufwändig, dass ich dachte, wenn ich wenig trinke und etwas einhalte, könnte ich mir das heute sparen, weil ich ja nur fünf Stunden habe.“
„Oh“, scherzt Giaco: „Naja, wie du mitbekommen hast ist das offensichtlich keine gute Idee.“
„Stimmt wohl“, resigniere ich um mich anschließend über die äußerst unpraktischen Drynites zu beschweren: „Aber das ist wirklich mega doof, ich muss bei jedem wickeln Hose und Schuhe ausziehen, das dauert ewig so. Das hat gestern die ganze Pause gedauert!“
„Hm“, antwortet Giacomo nachdenklich, will scheinbar noch etwas warten, wird aber in seinen Überlegungen durch die Ankunft unseres Busses gestört. In dem fast leeren Linienbus sichern wir uns die viersitzige Rückbank komplett für uns und verlegen unsere Gespräche anschließend auf unverfänglichere Themen: „Fabian muss übrigens erst noch sein Instrument üben, deshalb ist der jetzt nicht mitgekommen“, kläre ich Giaco auf.
„Oh, das hatte ich ja ganz vergessen“, stellt Giacomo erstaunt fest.
„Seine Eltern fahren ihn danach direkt rüber“, präzisiere ich: „Der wohnt übrigens in Neu-Schweinfurt, wusstest du, dass es das gibt?“
„Ja“, antwortet Giacomo amüsiert: „Da gibt es einen Schaukasten in der Schule zu! Aber davor wusste ich das auch nicht, ja! Bauen die einfach ein Dorf auf dem Feld! Dreist!“, scherzt er amüsiert. Schließlich schweift unser Gespräch ab auf alles, was wir heute Morgen in der Schule erlebt haben und ich muss feststellen, dass das wirklich ein ziemlich ereignisreicher Tag war. Von Fabian der sich in der Vorpause in die Hose gepinkelt hat, von Robin, von der Prügelei mit Leon und Wolfgang, das Tischtennis-rundlauf-spielen, das Virusspiel, der Glastüre und meine Beule. Nur mein Versagen bei den Matheaufgaben lasse ich weg, und wie sich Robin um mich gekümmert hat nachdem ich gegen die Tür geknallt bin und fast heulen musste. Das war wirklich peinlich! Aber ja, ich habe heute wirklich viel erlebt.
Giacomo allerdings auch und so sind wir die ganze Busfahrt damit beschäftigt uns von den Erlebnissen des jeweils anderen zu erzählen und ich erfahre, dass das Leben wohl auch als Elftklässler ziemlich spaßig zu sein scheint, auch wenn darin keine actionreichen Verfolgungsjagten oder Prügeleien vorkommen.
Autor: giaci9 (eingesandt via E-Mail)
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