Zweite Chance (2) – Kapitel 4
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Kapitel 4 – Sturmfreie Bude
„Kraaass, wieso?“, lautet dessen verwunderte Frage. Ich stocke und überlege kurz, was sage ich jetzt am besten? Ich kann schlecht sagen, dass Pampers cool sind und ich die nur zum Spaß trage, oder? Langsam blicke ich wieder vom Boden auf, streife mit meinem Blick den immer noch großen, nassen Fleck auf Fabis Hose, fahre mit meinen Augen weiter über den roten Pullover mit komischen, ballartigen Comicfiguren mit Schnäbeln und der nichtssagenden Aufschrift „Angry Birds“ und schaue dann in sein Gesicht. Er grinst, aber nicht so wie meine Mitschüler, sondern eher auf eine aufmunternde Art. Glaube ich. Ob es ihm grade so geht wie mir eben, als ich ihn dazu bringen wollte endlich auf Klo zu gehen?
„Weil ich mir sonst in die Hose mache“, lautet meine Antwort. Ich meine hey, das ist noch nicht mal gelogen.
„Das ist ja doof“, gibt Fabi bedauernd von sich, woraufhin ich nur ein zurückhaltendes „Geht“ antworte. Eigentlich ist es überhaupt nicht doof, aber das sollte ich jetzt wohl eher nicht antworten: „Man gewöhnt sich dran.“, füge ich hinzu.
„Aber ist das nicht voll eklig, da rein zu machen?“ fragt Fabi mich weiter aus während ich mich schon wieder zu den Bausteinen gedreht habe.
„Wie gesagt, man gewöhnt sich dran“, nein, eigentlich muss man sich nicht dran gewöhnen, denn das ist nämlich voll geil. Aber pssst! „Weißt du was ich überlegt hab? Wir machen ein pyramidenförmiges Dach, das hält dann auch besser“, sage ich kurz danach und hoffe, dass auch Fabian nun das Thema wechselt.
Tut er nicht: „Aber ist das nicht doof, wie ein Baby in ner vollen Pampers rumzulaufen?“ Jetzt reichts mir aber!
„Genau so doof wie in ner vollgepissten Hose mit Bausteinen zu spielen!“ ist meine eindeutige Antwort.
„Ey!“, antwortet der blonde Junge beleidigt. Selber Schuld. Ich bin kein Baby! Recht wortlos machen wir uns wieder daran, das Kuppeldach weiterzubauen, nicht lange allerdings, denn schon bald nach unserem kurzen Streit bückt sich auch schon die Betreuerin in unsere Burg: „Das sieht ja toll aus, was ihr da gebaut habt! Fabian, deine Eltern sind da und wollen dich abholen, kommst du bitte mit?“
„Oh, ok“, antwortet Fabian, wirkt leicht bedrückt und verabschiedet sich noch schnell von mir: „Tschüss, Felix!“
„Tschöh Fabi“, antworte ich ihm ohne ihn anzuschauen und sitze anschließend alleine in unserer Burg.
„Mensch Fabian!“, höre ich von draußen eine aufgebrachte Männerstimme rufen: „Hast du dir etwa schon wieder in die Hose gemacht? Wieso gehst du denn auch nicht auf Toilette wenn du musst??“
Meine Ohren spitzen sich als ich den Mann, den ich für Fabians Vater halte, mit selbigem Schimpfen höre. Zum einen flammt so etwas wie Schadenfreude in mir auf, andererseits habe ich aber schon Mitleid mit Fabian. Eigentlich war er ja nett.
„Boah, wie geil!“, unterbricht aber auch schon wieder jemand meine Gedanken. Und wer? Natürlich Giacomo, wer sonst: „Da hätt ich aber gerne mitgespielt!“ fügt er noch hinzu während er sich in unserer Burg umschaut.
„Ich weiß“, antworte ich ihm grinsend, worauf die Betreuerin die vielleicht drei Jahre älter als Giaco ist ihm lachend antwortet: „Ich glaub dafür bist du aber ein bisschen zu groß!“
„Der und groß?“, rufe ich lachend und verlasse anschließend meine schöne Burg. „Und wie wars?“, fragt Giacomo mich, während ich ihm von unserer tollen Burg erzähle, die Stelle mit Fabians nasser Hose lasse ich allerdings erstmal aus, dafür ist mir das, was danach passiert ist, zu peinlich. Jajaja, ich weiß was ihr mir jetzt sagen wollt, vor Giacomo muss mir nichts peinlich sein der Logik nach. Mir doch egal. „Deine Pampers hat aber auch schon wieder ganz schön gelitten, kann das sein? Fein gemacht!“, bemerkt Giacomo halbironisch während unseres Gesprächs. Ich kann mir aufgrund des Kontrastes ein Lachen nicht verkneifen. Fabian pinkelt sich in die Hose und wird dafür ausgeschimpft und ich mache meine Pampers nass und bekomme sogar Lob dafür. Hihi.
„Was ist denn so lustig?“, fragt Giaco mich verwundert.
„Ach weißt du“, fange ich an: „Ich habe eben die Burg ja mit ein paar anderen Kindern gebaut und eines davon hieß Fabian, der ist zehn Jahre alt. Und während wir gebaut haben hat der sich in die Hose gepinkelt, halt immer ein bisschen und der Fleck wurde immer größer, kennst du ja von früher, oder?“
„Du auch soweit ich weiß. Aber witzig, zwei Hosenpinkler bauen zusammen eine Burg.“, antwortet Giacomo zwinkernd. Ich lasse mich davon nicht beirren und fahre fort: „Irgendwie war das ja cool zu sehen wie er sich in die Hose macht, aber da ich ja nicht wollte dass er sich am Ende ganz reinmacht, hab ich ihn dann auf Toilette geschickt.“
„Lol, das ich das erlebe! Das ist ja wie, wie wenn, äh, wenn der Teufel einen zum Beten zwingt!“, lacht Giacomo.
„Hihi. Egal, also. Dann wurde er eben abgeholt und sein Vater hat ihn wegen seiner nassen Hose ausgeschimpft. Und jetzt musste ich lachen weil du grade mit meiner Pampers genau das Gegenteil gemacht hast, du hast mich ja sogar gelobt“, beende ich meine Erklärung.
„Och, der arme“, zeigt auch mein älteres Ich Mitleid gegenüber Fabian.
„Geht. Der hatte zwischendurch auch meine Pampers entdeckt und sich darüber lustig gemacht dass ich noch Windeln trage …“, berichtige ich ihn.
„Der ist ja bescheuert! Macht sich in die Hose und dann über deine Windel lustig, das steht dem ja gar nicht zu! Aber mach dir nichts draus, den siehst du wohl eh nie wieder“, zieht Giacomo ein Resümee.
„Das stimmt wohl“, antworte ich noch, während unser Gespräch wieder auf das Hauptthema des Tages, mein neues Zimmer, umschwenkt.
„Dein Zimmer haben wir übrigens fertig! Wo du nicht mehr dabei warst gings auf einmal ganz schnell“, neckt mein großer Bruder mich: „Wir haben sogar eine Überraschung für dich!“
Ui, Überraschungen liebe ich: „Au ja!“, antworte ich ihm während wir durch das riesige, menschenleere und nach trockenem Beton duftende Hochregallager gehen, auf der Suche nach meiner Mutter und ihrem Freund: „Aber nicht wie in so eine Windelnet-Geschichte, wo ich dann jetzt ein Babyzimmer bekomme, oder?“, lache ich.
„Hihi“, grinst Giaco: „Es gab ja mal eine Zeit, bei der es noch Geschichten bei Windelnet gab, stimmt ja. Boah, das waren noch Zeiten! Aber nein, ein Babyzimmer bekommst du nicht, wir sind hier ja nicht in ner notgeilen Windelgeschichte. Naja, einen Wickeltisch bekommst du, und wenn ich mir deine Pampers anschaue, brauchst du den offensichtlich auch. Aber keine Angst, das Gitterbett und so lassen wir weg“, zwinkert er mich an.
„Jaja bestimmt, meinen Wickeltisch“, antworte ich sarkastisch: „Wetten, die Hälfte der Zeit benutzt den eh du? Sag nix, ich weiß was du denkst!“
Giacomo sagt nun in der Tat nichts, sondern verdreht nur genervt seine Augen. In meiner Rolle als kleiner Bruder wäre es jetzt eigentlich meine Pflicht, ihn unendlich weiter zu nerven, auf der anderen Seite habe ich allerdings glatt Mitleid mit dem nur unwesentlich größeren Giaco.
Trotz unseres kleinen Disputes erreichen wir irgendwann die zwei Erwachsenen, schieben ganze drei Einkaufswägen zum Autoanhänger und fahren wenig später wieder nach Hause. Wie immer auf einer Autofahrt entspanne ich mich genauso gleitend wie sich der Wagen fortbewegt, wie die Landschaft an mir vorbeifliegt. Ich fange an zu spüren, dass ich doch etwas erschöpft bin vom Wirrwar der letzten Tage, und etwas zu kalt ist es hier im Auto ebenfalls: „Giaci, sagmal, kann man die Heizung hier irgendwie wärmer machen? Hier rechts ist ja so ein Lüftungsschacht“, sage ich und deute auf den Luftauslass neben dem Sitz meiner Mutter in der Seitenwand. Giacomo sagt nichts sondern streckt sich nur zu mir rüber und drückt den Knopf in der Armlehne zwischen unseren Sitzen: „Sitzheizung“, klärt er mich auf. Uiiiii! Entspannt lasse ich mich wieder in den Sitz und in meine routiniert gut gefüllte Pampi sinken und genieße die aufkommende Wärme an meinem Pamperspo welche diesmal allerdings nicht von mir sondern vom Auto verursacht wird. Was allerdings durch mich verursacht wird ist der Druck in meinem Darm, wie immer um diese Zeit muss ich so langsam mal auf Toilette, glücklicherweise sieht es heute aber nicht so schlimm für mich aus wie Gestern.
„Sagmal, Knuddelbärchen?“, dreht sich meine Mutter auf einmal um und reißt mich aus meinen Pampersgedanken: „Ist es in Ordnung für dich, wenn ich nachher mit zu Thomas fahre?“
Gute Frage. Einen Vorteil hätte das ganze, Thomas wäre weg. Auf der anderen Seite wäre meine Mutter auch weg. Aber wäre das schlimm? Normalerweise würde das glatt schlimm finden, weil ich dann ja alleine wäre und alleine sein ziemlich doof ist, allerdings habe ich ja jetzt Giacomo. Das könnte vermutlich sogar ganz cool werden, immerhin gibt es dann niemanden der uns nervt, dass wir doch bitte unser Geschirr einräumen sollen, meine Bildschirmzeit vorbei ist oder das ich endlich ins Bett gehen sollte: „Ja, ok, von mir aus gerne!“, stimme ich zu und auch an Giacomos Blick kann ich erkennen, das er recht erfreut über meine Entscheidung ist: „Yay, elternfreier Abend! Das Leben kann beginnen!“
Trotz der gespannten Vorfreude lasse ich mich schnell wieder ablenken und schaue aus dem Fenster in meine Heimat in der sich in den letzten Jahren doch scheinbar viel verändert zu haben scheint. Die Autobahnausfahrt über die wir eben gefahren sind war eine ganz andere und auch ansonsten ist vieles anders. Ob es früher hier auch schon so viele Kreisverkehre gab? Zum Glück ist wenigstens das Wohnhaus welches im linken Erdgeschoss unsere kleine Wohnung beherbergt, dasselbe geblieben und so habe ich dort auch keinerlei Schwierigkeiten, die Tür aufzuschließen und meine Jacke wie gewohnt achtlos auf den Boden zu werfen.
„Passt gut auf euch auf!“, sagt Mama zum Abschied noch während sie mich umarmt.
„Mamaaaaaa, du bist doch morgen wieder da, chill mal!“, entgegnet Giaco ihr leicht genervt, verabschiedet sich anschließend aber ebenfalls von unserer Mutter. Sogar mein: „Viel Spaß, Mamchen“ macht er nach, allerdings überbetont und mit absichtlich nach oben verstellter Stimme. Na warte, das gibt Krieg! Und nichtmal meine Mutter kann mich stoppen, denn selbige ist grade dabei, wieder im großen Gespann von Auto und Anhänger zu verschwinden.
„Ey willst du Stress?“, frage ich in provozierendem Ton, fange dann aber aufgrund der Absurdität der Situation an zu Lachen. „Ich mach dich Messer“, reagiert Giacomo auf meine Provokation und wuschelt mir durch meine sowieso schon strubbeligen Haare. Der ist schon irgendwie cool! Aber ich bin cooler, sowieso!
„Hungaaaah! Mach was zu essen!“, befehle ich meinem Butler namens Giacomo umgehend und bemühe mich dabei, so niedlich wie möglich auszusehen.
„Bin ich dein Kellner oder was? Ich mach dich gleich zum Abendessen!“, grinst mein Servicepersonal zurück. Mist, dabei bin ich doch so niedlich! „Und was wenn ich sonst das hier mache?“, frage ich Giaco nun und schalte mich um: Das bösartigste Grinsen was ich hinbekommen kann! Aschließend stelle ich mich breitbeinig hin, drücke meinen Pamperspo leicht nach hinten, stemme meine Hände in meine Hüften und mache ein Gesicht als würde ich gleich einen Stinker in meine Windel drücken. Aber nichtmal das hilft: „Pföh, mir doch egal du kleiner Hosenscheißer!“, antwortet mein großer Bruder nur abgebrüht und geht in Richtung Küche. Resigniert stelle ich mich wieder normal hin und folge ihm, nicht ohne aber dabei erneut festzustellen, wie stark sich meine Windel mal wieder aufgeplustert hat. Voll geil! Aber mit dem großen Geschäft warte ich vielleicht doch besser bis nach dem Essen …
Da es nicht grade lange dauert, Toastbrote mit Wurst zu belegen, Kakaopulver in Milch aufzulösen sowie Joghurt aus dem Kühlschrank zu holen essen wir kurze Zeit später bereits schon. Wie sich das gehört natürlich auf der Couch vor dem Fernseher während Nick läuft. Giacomo meinte, so Ausnahmsweise weil ja bald die Schule wieder anfängt und so, aber ich muss sagen, daran könnte ich mich gewöhnen! Deshalb sitzen, naja liegen wir mehr zu zweit vor dem Fernseher, schauen Spongebob und schlürfen den leckeren Kakao. Also jedenfalls schlürfen wir ihn wenn wir nicht grade durchs Lachen daran gehindert werden, denn auch wenn Giaco es am Anfang geleugnet hatte, ist Spongebob verdammt witzig, auch für ihn! Hauptsächlich aber für mich. Ich muss an einer Stelle sogar so stark lachen, dass ich mir dabei in die Pampers pinkle. Vollkommen unabsichtlich, wenn ich keine Pampers angehabt hätte, wäre vermutlich meine Hose nass geworden. Dabei habe ich mir eigentlich lange nicht mehr in die Hose gemacht. Etwas erschrocken drücke ich meine linke Hand in meinen Schritt um den Pipifluss zu stoppen bis mir auffällt, dass ich ja eh die ganze Zeit Windeln trage und es eigentlich ja egal ist, ob ich mir dann ab und zu versehentlich reinpinkle. Konsequenterweise entspanne ich mich wieder, drücke ein bisschen und spüre erneut wie meine triefend nasse Windel erneut geflutet wird. Vom Gefühl überwältigt denke ich gar nicht lange nach sondern drücke auch noch mehr oder weniger einer spontanen Lust folgend meinen Stinker in die anschließend zum Bersten gefüllte Windel: „Felix Aa gemacht!“, sage ich noch dazu. Kaum habe ich diesen megapeinlichen Satz gesagt, bereue ich ihn auch schon fast wieder, aber irgendwie hatte ich grade einfach Lust, mich wie ein Kleinkind zu benehmen. Ob das normal ist?
Kurz darauf fängt Giacomo an zu husten und tut so, als wäre er grade am Ersticken, garniert mit dem bekannten, von ihm so oft genutzten, überbetonten, ironischem Unterton: „Hilfe, ich ersticke!“
„Pfah, übertreib mal nicht, du Weichei“, antworte ich ihm zurück, ohne meinen Blick vom Flachbildschirm abzuwenden. Überhaupt, das ist doch die Zukunft, oder wie Thaddäus es ausdrücken würde: „DIIEEEEE ZUUUUUUKUUUUUNFT“, wieso haben wir dann noch keine Hologramme statt eines kleinen Flachbildfernsehers?
„Nix Übertreibung, du kleiner Stinker!“, grinst Giacomo zurück welcher sich offensichtlich sehr viel weniger als ich für das schrille Treiben des hyperaktiven, allzeitbereiten Schwammes zu interessieren scheint . Zu allem Überfluss drückt er sich auch noch an mich und wuschelt mir durch die Haare: „Nur ein Spaß kleiner. Ist schon ok.“ Dummerweise blockiert er durch das durchwuscheln auch noch die freie Sicht auf den Fernseher. Schnell drücke ich seine Hand wieder weg, raune ein „psst“ und beuge mich wieder vor in Richtung Fernseher.
„Och schade, schon vorbei!“, muss ich enttäuscht feststellen als die Folge nach viel zu kurzer Zeit schon zu Ende ist und das Programm mit einer Serie namens „Die Brot-Piloten“ weitergeht. Das gab es früher nicht, genau so wie der Sender damals noch „Nick“ und heute „nickelodeon“ heißt. Aber hey, wenigstens Spongebob und Schloss Einstein auf Kika sind mir geblieben.
Da die Brot-Piloten allerdings nur halb so gut sind wie unsere Wursttoastbrote macht Giacomo den Fernseher wenig später gegen meinen Einwand auch schon wieder aus und schleift mich, während ich noch protestiere, bereits rüber in sein Zimmer und schaltet seinen Laptop an. Kurz darauf sitze ich mit einem Controller wie der von der Playstation auf dem Schoß meines neuen Bruders und spiele World Racing 2, ein etwa zwei Jahre altes Rennspiel. Oh, nein halt, wir sind ja jetzt in 2014, also ist das schon ein paar Jahre älter. Für mich hingegen ist es allerdings fast neu, Karl hat es erst vor kurzem für seinen PC bekommen und hier auf den großen PC-Flachbildschirmen von Giacomo sieht das Spiel nochmal viel toller aus. Wie auch früher immer lassen wir das eigentliche Rennen links liegen und fahren einfach über die weitläufige Karte und spielen Räuber und Polizist. Giacomo ist der Gangster in einem orangen Sportwagen und ich fahre ihm in einem Polizeiauto hinterher und versuche ihn so lange zu rammen bis sein Auto kaputtgeht.
„Fahr doch mal was langsamer!“, schlage ich Giacomo vor, denn Augenscheinlich ist er in den letzten Jahren in diesem Spiel bedeutend besser geworden. Im Gegensatz zu mir schlittert er lautlos gleitend um die engen Kurven der kleinen Dörfer, und das mit Höchstgeschwindigkeit. Gut, das lautlos liegt dem Qualm den seine Reifen verursachen vermutlich eher daran, dass bei seinem Auto die Motorgeräusche fehlen. Ob ich besser fahren würde wenn ich weniger auf seinem Bildschirmteil und mehr auf meinen schauen würde?
„Langsamer fahren? Hättest du wohl gerne!“ sagt Giacomo, und ahmt theatralisch die Geräusche des aufheulenden Motors seines Wagens nach, etwa so wie ich das immer auf dem Autoteppich mache.
„Tsöh, dann bekommst du halt noch einen Strafzettel, Geschwindigkeitsübertretung, Brudi!“
Für die Antwort muss selbiger die Motorengeräusche kurz unterbrechen. Hihi, voll kindisch irgendwie: „Dann passiert das hier!“, rufe ich euphorisch, während mein Wagen aus einer Seitengasse angeprescht kommt und Giacos bayrischen orangen Farbtupfer an den Hinterreifen rammt: „Fuck“, lautet sein hektischer Kommentar und die Motorengeräusche verstummen für kurze Zeit während er hektisch auf die Tasten seiner Tastatur drückt. Auch ich drücke wie wild auf den schwarzen Knubbeln des Controllers herum mit dem Ziel, mich nicht wieder direkt abhängen zu lassen. Erwartungsgemäß scheitere ich dabei, aber ein schneller Blick auf den unteren Teil des Bildschirmes offenbart mir, das es Giacomos Wagen schon recht schlecht geht.
Trotzdem fangen, sobald Giacomo wieder ausreichend Vorsprung gewonnen hat und seinen Wagen auf die vermeintlich sichere Autobahn navigiert hat, die Motorengeräusche wieder an. Ob Giacomo das Spaßhaft meint? Oder ist er grade genauso wie ich eben absichtlich kindisch? Vielleicht macht ihm das ja auch genau wie mir Spaß?
Noch einmal schaffe ich es fast, Giacomos Sportwagen zu rammen, diesmal mit einem spektakulären Jump von einer Autobahnbrücke. Leider nur fast, und so ist es am Ende leider mein Auto, was als erstes kaputtgeht. Dass sich während des Spiels nasse Flecken auf meiner Hose gebildet haben, verursacht offensichtlich durch das herausquellen meines Pipis an den Seitenbündchen der überforderten Pampers, fällt mir auch erst jetzt auf. Als Bonuspunkt ist, bedingt dadurch, dass ich bis eben bequem auf dem Schoß meines Bruders saß, sogar noch die Hose meines Bruders nass. Wer wäre ich denn, wenn ich das nicht auskosten würde? „Haha, ich glaub du brauchst auch ne Windel!“
„Witzbold, eher brauchst du zwei!“, gibt er mir allerdings mit treffsicherer Logik zurück: „Aber definitiv brauchst du jetzt erstmal miiiindestens eine neue. Ist ja auch schon halb Zehn, wir können dich so langsam vielleicht auch mal bettfertig machen.“
Noch bevor ich durch eine wilde Kombination aus Schreien, Treten und mit den Armen fuchteln meinen Unmut über diesen Vorschlag ausrücken kann, hat Giacomo mich schon auf seinen Arm genommen und geht, mitsamt mir, in Richtung Badezimmer. So wie er mir auf meinen Pamperspo tätschelt, scheint er sich bewusst zu sein, wie gut sich der Haufen in meiner Windel grade für mich anfühlt. Gut, irgendwie war das auch recht logisch.
Eine gute Viertelstunde später ist das Badezimmerfenster bereits geöffnet, ich habe eine im Vergleich unglaublich leichte und dünne neue Pampers an, darüber meinen Schlafanzug der etwa so flauschig wie kindisch ist. Also wirklich sehr. Müde schauen wir, zusammen auf meinem Gästebett sitzend und mit dem Rücken an die Wand gelehnt, noch ein paar witzige Youtubevideos, bevor, laut Giacomo, endgültig Schlafenszeit ist für mich. Pfah, ich dachte elternfreier Abend, Party und so!
Aber schon witzig, diese Youtubevideos heutzutage. Klar, früher gab es auch schon witzige Youtubevideos. Dieses bescheuerte Unreal-Tournament-Kind zum Beispiel. Aber heute ist das anders. Also mit „heute“ meine ich in der Zukunft, also im jetzt. Fragt nicht, das macht Sinn! Also jedenfalls, heutzutage ist das fast wie im Fernsehen, mit Kanälen die jede Woche etwas senden, mit gleichbleibenden Moderatoren und so. Wie witzig die vor allem sind!
Da ich, wie Giacomo scheinbar sogar vor mir schon erkannt hat, mittlerweile aber doch ziemlich müde bin, lache ich nicht mehr ganz so oft, lege irgendwann meinen Kopf auf den trotz Pampersmangels warmen Schoß meines größeren Ichs und schlafe schließlich ganz ein. Vermutlich noch ein letztes Mal, ohne dabei Angst vor der Dunkelheit, meiner Fantasie und allen bösen Monstern der Welt haben zu müssen.
Autor: giaci9 (eingesandt via E-Mail)
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