Zwischen gestern und Morgen (21)
Windelgeschichten.org präsentiert: Zwischen gestern und Morgen (21)
Mama schritt vorsichtig weiter durch den Wald, und ich klammerte mich an sie, während ich über ihre Schulter nach hinten schaute. Ich hielt den Atem an, versuchte so leise wie möglich zu sein, während meine Augen den Wald hinter uns absuchten. Jedes Knacken von Zweigen und Rascheln der Blätter ließ mein Herz schneller schlagen.
Ich wusste, dass Mama alles tun würde, um uns in Sicherheit zu bringen, und das gab mir ein bisschen Mut. Dennoch konnte ich die Angst nicht ganz abschütteln, und so beobachtete ich angespannt weiter den Weg hinter uns, in der Hoffnung, dass niemand auftauchte.
Die Dämmerung legte sich sanft über die Landschaft, und das entfernte Heulen der Sirenen mischte sich mit dem dumpfen Rotoren geräusch eines Hubschraubers, der irgendwo in der Nähe kreiste. Wir stolperten auf eine Lichtung, die uns einen klaren Blick in die Ferne eröffnete. Dort blitzten die Lichter von Autos auf – ein Zeichen, dass Hilfe vielleicht näher war, als ich gedacht hatte. Ein wenig Erleichterung durchströmte mich, auch wenn die Anspannung noch in meinem Körper nachhallte. Es fühlte sich an wie ein Licht streifen in der Dunkelheit, ein Hoffnungsschimmer.
Mama wurde immer langsamer, und ihr Gesicht verzog sich vor Schmerz. Ich spürte, dass sie mit sich selbst kämpfte. „Mama, ich kann laufen,“ sagte ich, denn ich sah, wie schwer es ihr fiel, mich weiterzutragen. Sie nickte dankbar und setzte mich vorsichtig ab. Doch als sie das tat, bemerkte ich etwas, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte – ihr ganzer Ärmel war blutverschmiert, und auch mein Pullover hatte ein paar Blutspritzer abbekommen.
„Mama, du blutest!“ Meine Stimme klang besorgt, und erst da schien sie selbst es zu realisieren. Sie sah mich erschrocken an und tastete mich ab, um sicherzugehen, dass ich nicht verletzt war. „Nein, Mama, es ist dein Arm – dein Arm blutet!“ Ihre Augen folgten meinem Blick, und plötzlich wurde das ganze Ausmaß klar: das Blut stammte von ihr.
Ihr Gesicht wurde blass, und ich sah, wie sie sich hinsetzen musste, als die Kraft aus ihr wich. Panik stieg in mir auf, und die Worte brachen aus mir heraus: „Mama, wurdest du angeschossen?“
Mama fing an zu zittern, doch sie zwang sich, mir ein beruhigendes Lächeln zu schenken. „Wir schaffen das, alles wird gut,“ flüsterte sie mit schwacher Stimme. „Siehst du die Autos da vorne? Dort wird man uns helfen.“ Doch als sie versuchte aufzustehen, versagten ihre Beine, und sie sank schwer zurück auf den Boden.
Ich spürte die Verzweiflung in mir aufsteigen und packte ihre Hände, versuchte, sie hochzuziehen, doch sie war zu schwer für mich. Die Tränen liefen mir übers Gesicht, während ich flehte: „Mama, bitte! Wir müssen weiter, Mama…“ Meine Stimme wurde leiser, als ich merkte, dass sie nicht mehr antwortete. Langsam sackte sie in sich zusammen, ihr Körper erschlaffte, und die Kälte der Angst breitete sich in mir aus.
Panik pochte in meinem Kopf, aber ich wusste, dass ich die Blutung irgendwie stoppen musste. Erinnerungen an die Grundausbildung bei der Bundeswehr blitzten auf, wie man einen Druckverband bei Schusswunden anlegt. Mit zitternden Händen durchsuchte ich Mamas Hosentaschen und fand schließlich eine Packung Taschentücher.
Mein Arm schmerzte, doch ich biss die Zähne zusammen, zog meine Schlaufe von der Schulter und versuchte, die Taschentücher auf die Wunde zu pressen. Aber da waren zwei Öffnungen, und ich konnte nur eine Seite abdecken. So fest ich konnte, wickelte ich das Tuch um Mamas Arm und verknotete es mit schmerzenden Händen.
Als der Verband saß, blickte ich in Richtung der Lichter auf der Straße und sammelte all meine Kräfte. Ich rannte, so schnell mich meine Beine trugen, schreiend nach Hilfe – ich musste jemanden finden, der Mama helfen konnte.
An der Straße angekommen, wedelte ich verzweifelt mit meinem gesunden Arm, doch die Autos rauschten an mir vorbei. Niemand hielt an – bis ich schließlich direkt auf die Straße trat. Ein weißer SUV kam mit quietschenden Reifen zum Stehen, die Warnblinkanlage ging an. Ein Mann und eine Frau sprangen aus dem Wagen. Der Mann fluchte laut und schrie mich an, ob ich lebensmüde sei. Doch die Frau eilte auf mich zu, schob mich sanft zur Seite und rief zurück zum Fahrer: „Siehst du nicht, dass der Kleine völlig aufgelöst ist?“ Ihr Blick fiel auf meine blutverschmierten Sachen, und ich sah, wie sich ihr Gesicht vor Schock veränderte.
„Jens, ruf den Notruf! Der Junge hat überall Blut!“ Sie sprach immer noch aufgebracht zum Fahrer, bevor sie sich wieder zu mir wandte. Ich versuchte, sie zurück zu Mama zu ziehen, die dringend Hilfe brauchte. „Hey, kleiner Mann, was ist denn passiert? Bist du verletzt?“ fragte sie sanft.
„Wir müssen zu Mama! Sie braucht Hilfe, schnell!“ Meine Stimme war ein einziges Flehen, und ich zog wieder an ihrem Arm. „Deine Mama? Wo ist deine Mama?“ Sie folgte mir jetzt ohne zu zögern und nahm ihr Handy zur Hand, um den Weg mit der Taschenlampe zu beleuchten.
Ich rannte so schnell ich konnte zurück zu Mama, mein Herz schlug wie wild. Als wir schließlich außer Atem bei ihr ankamen, lag sie noch immer genauso da wie zuvor, bewegungslos und bleich.
„Oh mein Gott, was ist denn mit euch passiert!“ Die Frau beugte sich über Mama und rief dann in Richtung Straße: „Jens! Bring schnell den Erste-Hilfe-Kasten!“ Kurz darauf kam ein Lichtstrahl von oben, und das laute Rotorengeräusch eines Hubschraubers erfüllte die Luft. Die Lichtkegel machten die Umgebung taghell, und für einen Moment fühlte es sich an, als sei Rettung zum Greifen nah.
Ich kniete mich neben Mama und klammerte mich fest an sie, meine Hände zitterten vor Angst und Erschöpfung. „Mama, bitte… wach auf! Bitte, Mama…“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, während die Tränen unkontrolliert über mein Gesicht liefen.
Nach einer kurzen Weile, ich hatte mein Zeitgefühl verloren.
Die Lichtung füllte sich mit Blaulicht und dem hektischen Rufen von Sanitätern und Polizisten. Ich sah, wie Menschen in reflektierenden Westen und medizinischer Ausrüstung aus allen Richtungen auf uns zueilten, die Gesichter angespannt und konzentriert. Einer der Sanitäter kniete sich neben mich, seine Stimme warm und beruhigend: „Hey, Kleiner, ich bin Tom. Wir sind jetzt da, um euch zu helfen. Du warst wirklich unglaublich mutig.“
Ich klammerte mich an Mama, meine Finger verkrampft um ihren Arm, als wollte ich sie nie wieder loslassen. Doch ein weiterer Sanitäter, ein großer, kräftiger Mann mit einer sanften Stimme, legte seine Hand auf meine Schulter. „Lass uns deine Mama kurz versorgen, ja? Du hast so viel getan – jetzt übernehmen wir, versprochen.“ Behutsam löste er meine Finger von Mamas Arm, und ich spürte die Kälte, als ich sie losließ, als würde ein Teil von mir mit ihr gehen.
Ich stand etwas abseits und beobachtete, wie sich die Rettungskräfte um Mama versammelten. Einer der Sanitäter beugte sich über ihren Arm, das Gesicht angespannt, und bemerkte den Verband. „Das ist… ein Druckverband?“ Er sah zu mir und schüttelte leicht den Kopf, beeindruckt. „Der hat ihr das Leben gerettet. Der Kleine… der hat das wirklich gemacht.“
Ein Arzt kniete sich neben Mama und drückte sanft auf ihre Hand, während ein anderer Sanitäter eine Infusion vorbereitete. „Sie hat viel Blut verloren. Wenn das Kind den Verband nicht angelegt hätte…“ Er brach ab und nickte seinem Kollegen zu, der die Bluttransfusion ansetzte. Die Stimmen der Rettungskräfte waren angespannt, doch sie arbeiteten ruhig und routiniert.
Eine junge Sanitäterin kam zu mir, kniete sich nieder und sah mich fest an. „Hey, schau mich an. Deine Mama wird das schaffen. Wir kümmern uns um sie, und sie wird bald wieder bei dir sein, okay?“ Ihre Augen strahlten Wärme und Zuversicht aus, doch ich spürte, dass es nicht nur für mich war – auch sie wollte sich selbst beruhigen.
Ich nickte stumm, doch Tränen liefen über mein Gesicht. Ich wollte nur eines hören: dass Mama aufwacht, dass sie mich ansieht und sagt, dass alles in Ordnung ist. Die Sanitäterin legte ihre Hand auf meinen Rücken und hielt mich fest, als ich zitterte. „Du warst unglaublich tapfer. Du hast ihr Leben gerettet,“ flüsterte sie.
Ich saß im Krankenwagen, neben Mama, die blass und regungslos auf der Liege lag, während die Sanitäter um sie herum arbeiteten. Das Piepen der Geräte, das Rauschen des Sauerstoffs, das Summen der Infusion – all das fühlte sich wie ein dumpfer, endloser Strom von Geräuschen an, der meine Angst nur noch verstärkte. Mein Herz raste, und Tränen brannten in meinen Augen.
Plötzlich tauchte Gustav im Krankenwagen auf. Er hatte es irgendwie geschafft, zu uns zu kommen. Sein Blick wanderte zwischen Mama und mir hin und her, und für einen Moment schien auch er überwältigt von dem, was er sah. Doch dann kniete er sich vor mich, seine Hände fest und beruhigend auf meinen Schultern. „Ich bin jetzt bei euch,“ sagte er leise, aber mit einer Entschlossenheit, die mich einen winzigen Moment lang beruhigte. „Deine Mama… sie schafft das, okay?“
Ich nickte unter Tränen, doch die Angst schnürte mir den Atem ab. Die Möglichkeit, dass sie es vielleicht doch nicht schafft, schien plötzlich so real, so bedrohlich. Gustav hielt mich fest, sein Blick weich und dennoch voller Stärke. „Wir werden das zusammen durchstehen,“ flüsterte er. Und obwohl die Tränen nicht aufhörten zu fließen, gab mir seine Stimme einen Hauch von Hoffnung, während der Krankenwagen mit heulenden Sirenen in die Nacht raste.
Als der Krankenwagen mit einem Ruck zum Stehen kam, öffneten sich die Türen, und wir wurden sofort von einem Team aus Ärzten und Pflegepersonal in der Notaufnahme empfangen. Die Lichter waren grell und die Stimmen um mich herum hallten, vermischt mit dem Piepen und Surren der Geräte. Der Notarzt sprang aus dem Wagen und begann sofort, Mamas Zustand an das Ärzteteam zu übergeben.
„Patientin, weiblich, Mitte dreißig,“ sagte er in ruhigem, professionellem Tonfall, während die Ärzte ein mobiles Bett heran schoben und Mama vorsichtig aus dem Krankenwagen zogen. „Schussverletzung am Oberarm, massiver Blutverlust, aber der initiale Druckverband hat die Blutung eingedämmt. Sie hat eine Bluttransfusion erhalten, Vitalwerte sind stabil, aber kritisch.“
Ich sah, wie die Ärzte und Schwestern in Bewegung kamen, ihre Hände schnell und geübt. Einer von ihnen hielt ein Stethoskop an Mamas Brust, während eine andere Krankenschwester einen Blutdruckmesser um ihren Arm legte. Die Worte „Hypotonie“ und „Blutgerinnung“ flogen zwischen ihnen hin und her, und ich verstand kaum die Hälfte davon. Doch ich spürte die Dringlichkeit in ihren Stimmen, das Flackern von Anspannung in ihren Blicken.
„Wir bringen sie sofort in den OP. Haben wir ein CT bereit?“ fragte ein Arzt, und eine der Krankenschwestern nickte schnell. Sie schoben Mama durch die Türen, und ich sah nur noch einen kurzen Blick auf ihr blasses Gesicht, bevor sie im Flur verschwand.
Gustav legte beruhigend eine Hand auf meine Schulter. „Sie wird jetzt in den besten Händen sein,“ sagte er leise. Ich nickte, doch die Bilder der Ärzte, wie sie eilig Mama versorgten und über Bluttransfusionen und Notoperationen sprachen, ließen meine Angst kaum los.
Ich saß mit Gustav in einem kleinen, weißen Zimmer, das nach Desinfektionsmittel roch und viel zu still war. Die Zeit schien endlos zu vergehen, und ich hatte das Gefühl, dass jeder Atemzug schwerer wurde, je länger wir warteten. Vor der Tür standen zwei Polizisten mit ernsten Gesichtern, wie Statuen, die auf irgendetwas warteten.
Eine Schwester war vor einer Weile hereingekommen und hatte mir ein paar Bilderbücher und ein Aus malheft auf den kleinen Tisch gelegt. Doch ich konnte nichts davon anrühren. Die bunten Bilder wirkten fremd, wie aus einer anderen Welt, einer Welt, die ich im Moment nicht erreichen konnte.
Dann öffnete sich die Tür, und Thomas trat ein. Sein Gesichtsausdruck war ruhig und warm, und es fühlte sich an, als würde endlich jemand Vertrautes in diesem kalten Raum sein. Ich spürte eine Welle der Erleichterung, auch wenn die Angst tief in mir blieb. Gustav war in Ordnung, und er bemühte sich, freundlich zu mir zu sein, doch eine richtige Verbindung hatte ich zu ihm nicht. Thomas hingegen war jemand, den ich wirklich kannte, jemand, bei dem ich mich ein wenig sicher fühlte.
Er kniete sich vor mir hin und schaute mir in die Augen, ohne etwas zu sagen. Ich wusste, dass er da war, um mich zu unterstützen, und für einen Moment konnte ich zumindest die Einsamkeit etwas loslassen.
Ich lehnte mich an Thomas, der sich neben mich gesetzt hatte. Seine warme Präsenz gab mir ein Gefühl von Halt in all dem Chaos. Nach einer Weile brach er das Schweigen und fragte leise nach Mario und Heike.
Gustav, der in Gedanken versunken schien, hob den Blick und seufzte. „Heike wurde ebenfalls angeschossen, aber die Ärzte meinen, dass sie es schaffen wird.“ Er machte eine kurze Pause, als wollte er sich sammeln, bevor er weitersprach. „Und Mario… er wird auch durchkommen. Hat ein Schädeltrauma und mehrere gebrochene Rippen.“ Seine Stimme klang rau, und es war offensichtlich, dass er sich schuldig fühlte.
„Wir hätten euch in einem zweiten Fahrzeug begleiten müssen,“ murmelte er und fuhr sich verzweifelt mit der Hand durchs Gesicht. „Ich hätte besser auf euch aufpassen müssen.“
Die Last, die auf seinen Schultern lag, war deutlich zu spüren. Ich sah, wie er sich Vorwürfe machte, obwohl niemand von uns das, was passiert war, hätte vorhersagen können. Thomas legte eine Hand auf meine Schulter und blieb still, doch ich spürte, dass er aufmerksam und besorgt war – nicht nur wegen mir, sondern auch wegen Gustav. In diesem Moment waren wir alle auf irgendeine Weise verletzlich, jeder mit seinen eigenen Ängsten und Schuldgefühlen.
Eine Ärztin trat in den Raum, ihr Blick wanderte von Thomas zu Gustav und dann zu mir. Mein Herz setzte für einen Moment aus, als ich ihre ernste Miene sah. Doch dann lächelte sie leicht. „Frau Hofmeister ist bei Bewusstsein und hat nach Benjamin gefragt,“ sagte sie sanft.
Ich sprang sofort auf, bereit, zu Mama zu laufen. Doch sie hob die Hand und sagte mit einem beruhigenden Ton: „Langsam, junger Mann. Deiner Mama geht’s besser, aber du musst ganz vorsichtig mit ihrem Arm sein und dir vorher gründlich die Hände waschen.“
Ich nickte heftig, bereit, alles zu tun, was sie verlangte, nur um endlich zu Mama zu dürfen. Thomas stand ebenfalls auf, doch die Ärztin schüttelte den Kopf. „Erstmal nur der Kleine. Nicht zu viele auf einmal. Sie ist stabil und wird später auf eine normale Station verlegt. Dann können auch Sie zu ihr. Aber im Moment will sie vor allem ihren Sohn bei sich.“
Das Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich folgte der Ärztin, meine Gedanken bei Mama. Die Vorstellung, sie wach und lebendig zu sehen, ließ mich die Angst kurz vergessen. Ich wusste, dass ich jetzt vorsichtig sein musste – vorsichtig, aber endlich wieder bei ihr.
Nach dem Händewaschen durfte ich endlich zu Mama. Sie sah blass aus, doch als sie mich erblickte, lächelte sie, und ich spürte, wie eine Last von meinem Herzen fiel. Ich wollte sie sofort umarmen, doch die Ärztin hielt mich sanft zurück und erklärte: „Du darfst ihre Hand nehmen, aber achte auf den gesunden Arm.“ Ich nickte und griff vorsichtig nach Mamas Hand. Sie drückte meine Finger leicht, und in diesem Moment fühlte ich mich wieder sicher.
Mama lächelte, aber ihre Augen suchten mein Gesicht genau ab. „Wie geht es dir, mein Schatz?“ fragte sie. „Jetzt besser,“ antwortete ich leise, und sie nickte erleichtert. Doch dann wandte sie sich an die Ärztin: „Wie geht es Benjamins Schulter? Wurde er auch untersucht?“
Die Ärztin sah mich überrascht an. „Was ist mit deiner Schulter?“ fragte sie besorgt. Mama setzte sich unter Schmerzen ein wenig auf und erklärte: „Er hatte eine Schulterluxation. Wo ist seine Trageschlaufe?“ Die Ärztin schaute mich mit wachsendem Erstaunen an. „Ich glaube, Benjamin hat ihnen mit der Schlaufe einen Druckverband angelegt und damit das Leben gerettet.“
Mama war für einen Moment sprachlos. Schließlich fand sie ihre Stimme wieder und richtete sich, so gut es ging, an die Ärztin. „Haben Sie Benjamin denn schon untersucht?“ fragte sie besorgt. Die Ärztin schüttelte den Kopf und wirkte erschrocken, als Mama sanft meinen Pullover ein Stück hochschob. Die Ärztin bemerkte sofort die tiefen blauen Abdrücke vom Gurt auf meinem Bauch und Brustkorb.
Auch die feuchte Stelle auf meiner Hose blieb nicht unbemerkt – meine Windel hatte ihre Belastungsgrenze längst überschritten. Die Ärztin sah besorgt und mitfühlend aus. „Warum hat denn niemand etwas gesagt?“ murmelte sie fassungslos. „Wir müssen dich sofort untersuchen, Benjamin.“
Die Ärztin streckte ihre Hand nach mir aus, aber ich zog mich zurück. Ich wollte bei Mama bleiben – jetzt, wo ich endlich wieder bei ihr war. Mama versuchte beruhigend auf mich einzureden, doch ich schüttelte den Kopf und hielt ihre Hand fest. Ich wollte nicht weg.
Die Ärztin kniete sich schließlich auf Augenhöhe vor mich hin, ihre Stimme ruhig und sanft. „Benjamin, ich verstehe, dass du bei deiner Mama bleiben möchtest,“ sagte sie einfühlsam, „aber es ist wirklich wichtig, dass wir dich jetzt untersuchen. Es könnte sein, dass du Verletzungen hast, die wir noch nicht gesehen haben.“
Ich biss mir auf die Lippen und sah kurz zu Mama, dann wieder zur Ärztin. „Und außerdem,“ fügte sie leise hinzu, „würde ich sagen, dass du eine frische Windel brauchst. Deine Hose ist schon ganz nass.“
Ihre Worte ließen mich einen Moment innehalten, und ich spürte, wie mein Gesicht warm wurde. Die Ärztin lächelte verständnisvoll und hielt ihre Hand aus. „Ich verspreche dir, das geht ganz schnell, und dann kannst du sofort wieder zurück zu deiner Mama.“
Auf dem Weg zur Notaufnahme kamen wir an dem kleinen Warteraum vorbei, in dem Gustav und Thomas saßen. Thomas blickte sofort auf, als er mich mit der Ärztin an der Hand vorbeigehen sah. Die Ärztin rief ihm kurz zu: „In welchem Verhältnis stehen Sie zu Benjamin?“
„Ein guter Freund der Familie, könnte man sagen,“ antwortete Thomas rasch, ohne zu zögern.
„Benjamin muss dringend untersucht werden, und da seine Mama gerade nicht bei ihm sein kann, wollen Sie ihm vielleicht Beistand leisten?“ Die Ärztin hielt kurz inne, und Thomas sprang sofort auf und eilte zu uns. Sein Gesichtsausdruck war voller Besorgnis
„Was ist mit Benjamin?“ fragte er ernst. „Hat er etwas abbekommen?“
Die Ärztin nickte und erklärte leise: „Er scheint einiges durchgemacht zu haben, aber aus Angst um seine Mama hat er nichts gesagt. Wir müssen sicherstellen, dass er keine unentdeckten Verletzungen hat.“
Thomas legte eine Hand beruhigend auf meine Schulter. „Ich bin hier, Benjamin. Ich bleibe bei dir,“ sagte er ruhig und warm, und ich spürte, wie ein wenig von meiner Anspannung nachließ.
In der Notaufnahme musste ich mich auf eine Liege legen. Die Ärztin half mir, vorsichtig den Pullover auszuziehen, und begann, meinen Bauch sanft abzutasten. „Wie schlimm ist der Schmerz?“ fragte sie mit ruhiger Stimme.
Ich biss die Zähne zusammen. Der Gedanke, Mama wieder verlassen zu müssen, lag schwer auf mir. „Nicht schlimm,“ stöhnte ich leise, doch es war schwer, den Schmerz zu verbergen.
Die Ärztin hielt in ihrer Untersuchung inne und sah mich eindringlich an. „Benjamin, du musst die Wahrheit sagen. Ich kann hören, dass du Schmerzen hast.“ Sie seufzte und erklärte dann entschieden: „Wir machen eine CT-Aufnahme von deinem Bauch, um sicherzugehen, dass keine inneren Verletzungen vorliegen.“
Thomas räusperte sich und wandte vorsichtig ein: „Er hatte erst vor ein paar Tagen eine Röntgenaufnahme…“
Die Ärztin nickte verständnisvoll und richtete sich an ihn. „Ich verstehe, aber bei einer möglichen Bauchverletzung möchte ich kein Risiko eingehen. Wir nutzen ein spezielles Kinderprogramm im CT, das die Strahlenbelastung auf ein Minimum reduziert.“
Thomas sah mich besorgt an und nickte schließlich. „Gut, dann machen wir es so.“
Nachdem ich in dem lauten Apparat gelegen hatte und das Klackern durch die Kopfhörer dröhnte, wurde ich schließlich herausgefahren. Thomas stand schon da, seine besorgten Augen auf mich gerichtet. Kurz darauf betrat die Ärztin den Raum durch eine Seitentür und lächelte leicht. „Es scheint keine schweren Verletzungen zu geben,“ sagte sie beruhigend. „Die genaue Auswertung kommt noch, aber momentan sieht es nur nach ein paar Prellungen aus. Auch deine Schulter ist noch in Ordnung.“
Ich atmete erleichtert auf, und die Ärztin fuhr fort: „Du bekommst jetzt erst einmal eine frische Windel und dann einen Verband und eine neue Trageschlaufe. Dann kannst du zurück zu deiner Mama, okay?“
Sie sah mich einen Moment lang an und fragte: „Wie alt bist du eigentlich, Benjamin?“
„Ich werde bald fünf,“ antwortete ich leise.
Die Ärztin warf einen verwunderten Blick zu Thomas, und er erklärte: „Benjamin ist sehr groß für sein Alter und auch geistig sehr weit entwickelt. Aber ja, er ist wirklich erst vier Jahre alt.“
Die Ärztin nickte, sichtlich beeindruckt. „Es ist wirklich erstaunlich, dass ein so junger Junge einen Druckverband anlegen kann – und das mit einer verletzten Schulter.“
Dann schien ihr ein Gedanke zu kommen, und sie fragte zögernd: „Darf ich fragen, warum er noch Windeln trägt?“
Thomas erklärte ruhig: „Benjamins körperliche Entwicklung ist sehr atypisch, und seine Blase ist nicht richtig mitgewachsen. Sie ist leider zu klein, weshalb er inkontinent ist.“
Die Ärztin sah mich mitfühlend an. „Du hast wohl schon einiges mitgemacht, hm… und jetzt auch noch das,“ sagte sie sanft und musterte mich kurz.
Sie kniete sich zu mir herunter und fragte mit einem verständnisvollen Lächeln: „Wer soll dir die Windel wechseln? Normalerweise macht das wohl deine Mama, oder?“
Ich nickte und schaute dann zu Thomas, der leicht schmunzelte. „Keine Sorge,“ sagte er freundlich, „ich schaffe das. Bei meinen Zwillingen durfte ich das oft genug üben, auch wenn die beiden inzwischen nur noch nachts Hilfe brauchen.“
Die Ärztin nickte zufrieden und fügte hinzu: „Und haben Sie zufällig auch eine frische Hose für ihn?“
„Nein, nicht direkt,“ antwortete Thomas der Ärztin. „Aber seine Mama hatte bestimmt Wechselsachen für ihn dabei. Ich muss mit dem Polizisten im Wartezimmer sprechen, ob er etwas aus dem verunfallten Fahrzeug holen kann.“
Die Ärztin sah ihn überrascht an. „Der Herr im Wartezimmer ist Polizist? Der sieht gar nicht so aus.“
Thomas lächelte leicht und zuckte mit den Schultern. „Ja, es ist alles ziemlich kompliziert und etwas verworren bei uns. Wir sind ein ungewöhnliches Team, könnte man sagen.“ Ein Hauch von Lächeln huschte über sein Gesicht, als ob selbst die Situation ihn kurz zum Schmunzeln brachte.
Die Ärztin nickte verständnisvoll, auch wenn ihr Gesicht zeigte, dass sie wahrscheinlich viele Fragen hatte, die sie lieber unausgesprochen ließ. „Dann werde ich mit dem CT-Ergebnis und den Verbandsmaterialien auf Sie warten, während Sie das organisieren,“ sagte sie, bevor sie Thomas einen kurzen Blick zuwarf und das Zimmer verließ.
Thomas hob mich auf den Arm, und meine nasse Hose schien ihn dabei nicht zu stören. „Na komm, Benni,“ sagte er sanft, „wir machen mal einen kleinen Ausflug zu Gustav.“ Im Wartezimmer angekommen, entdeckte ich einen weiteren Mann in Zivil, der einen Waffengürtel trug. Es war Otto.
„Na, ihr beiden,“ begrüßte er uns mit einem freundlichen Lächeln. „Ist alles gut bei Benjamin?“
„Ja, aber wir könnten ein paar Wechselklamotten gebrauchen,“ erklärte Thomas. „Ist der Rucksack, den Frau Hofmeister dabei hatte, aufgetaucht?“
Otto nickte. „Ja, den habe ich unten im Fahrzeug. Ich komme gerade vom Unfallort und gehe ihn schnell holen.“
In dem Moment kam die Ärztin ins Wartezimmer. Sie lächelte mich beruhigend an und sagte: „Wir verlegen deine Mama jetzt auf eine normale Station. Wir können dir den Verband und den Rest auch bei ihr im Zimmer anlegen, wenn du das möchtest.“
Ich nickte eifrig, die Erleichterung und Freude darüber, Mama bald wiedersehen zu können, spürte ich in jeder Faser meines Körpers.
Als wir das Zimmer betraten, lächelte Mama schwach, aber liebevoll, als sie mich bei Thomas auf dem Arm sah. „Hallo, mein Schatz,“ flüsterte sie mir sanft zu. Ihre Stimme war leise, aber ihre Augen strahlten trotz ihrer Erschöpfung.
Sie wandte sich an die Ärztin und fragte besorgt: „Ist alles gut bei Benjamin?“
Die Ärztin nickte beruhigend. „Ja, ein paar Prellungen, aber nichts Besorgniserregendes. Aber Sie haben da schon einen ganz besonderen Jungen.“
Mama lächelte stolz und warf mir einen liebevollen Blick zu. „Das kann man wohl sagen,“ sagte sie leise, „mein kleiner Lebensretter.“
Ihre Worte ließen mich ein wenig erröten, aber ich fühlte mich auch unglaublich erleichtert und stolz, wieder bei ihr zu sein.
Thomas setzte mich behutsam auf das zweite Bett, das im Zimmer stand, und nahm die Windel, die ihm die Ärztin reichte. Mit vorsichtigen Händen zog er mir die nasse Hose aus und warf der Ärztin einen fragenden Blick zu. „Haben wir auch Feuchttücher?“ fragte er.
„Ah, der Mann denkt mit,“ lächelte die Ärztin und reichte ihm eine große Packung. Thomas wischte mich damit grob sauber, doch als er die neue Windel anlegen wollte, hielt er plötzlich inne. „Die haben ja vier Klebestreifen…,“ murmelte er leicht verunsichert.
Die Ärztin lachte. „Ja, das ist etwas anderes als bei den ganz Kleinen. Die Pampers, die er bisher getragen hat, haben wir hier leider nicht in dieser Größe. Aber ich kann Ihnen zeigen, wie das geht.“ Sie erklärte weiter: „Frau Hofmeister wird in den nächsten Tagen Unterstützung brauchen, wenn es um Benjamins Versorgung geht.“
Mama lächelte schwach und mischte sich ein. „Zu Hause haben wir zumindest für tagsüber die Windeln, mit denen auch du klarkommst,“ sagte sie, und ein zaghaftes Lachen schimmerte in ihrer Stimme. Die kleine Bemerkung schien die Anspannung im Raum etwas zu lösen, und Thomas schmunzelte, während die Ärztin ihm zeigte, wie die Windel richtig angelegt wird.
Nachdem die Ärztin mir die Windel ordentlich angelegt hatte, lächelte sie sanft und schob mein Bett ein Stück näher an Mamas. „So, kleiner Mann,“ sagte sie freundlich, „jetzt kannst du ganz nah bei deiner Mama sein. Aber du musst mir versprechen, dass du nicht in ihr Bett kletterst. Sie braucht viel Ruhe, um wieder gesund zu werden.“
Ich nickte ernst und sah zu Mama hinüber, die müde, aber zufrieden lächelte. Die Ärztin warf noch einen letzten Blick auf uns beide und fügte hinzu: „Die Nachtschwester wird heute Abend ein paar Mal nach euch sehen. Jetzt lasse ich euch zwei am besten ein bisschen Zeit für euch.“ Sie wandte sich an Thomas. „Und Sie können den beiden jetzt auch ein wenig Mama-Sohn-Zeit geben, okay?“
Thomas sah uns noch einmal liebevoll an und lächelte sanft. „Schlaft gut, ihr zwei. Ich bin froh, dass ihr wohlauf seid. Bis morgen früh.“
Mama lächelte ihm dankbar zu, und ich sagte „Danke“ leise für uns beide, denn ich konnte sehen, wie erschöpft sie war. Die Ärztin und Thomas verließen leise das Zimmer, und nun war es still, nur Mama und ich. Ich fühlte mich geborgen, so nah bei ihr zu sein, und schloss langsam die Augen, während ich ihre ruhige Atmung hörte.
„Ich habe dich lieb, Mama,“ waren die letzten Worte, die ich flüsterte, bevor der Schlaf mich übermannte.
Irgendwann in der Nacht weckte mich ein sanftes Licht. Eine Schwester trat leise ins Zimmer, lächelte mich an und sprach mit gedämpfter Stimme. „Hallo, kleiner Mann. Ich will deiner Mama nur eine neue Infusion legen. Sie braucht viel Flüssigkeit, damit ihr Körper den Blutverlust ausgleichen kann. Dann lasse ich euch auch schon wieder in Ruhe.“
Mama schien tief und fest zu schlafen und merkte nichts davon. Ich beobachtete die Schwester aufmerksam und konnte schließlich die Frage nicht zurückhalten. „Wird Mama wieder ganz gesund?“
Die Schwester nickte und lächelte beruhigend. „Ja, auf jeden Fall. In wenigen Tagen kann sie sicher wieder mit dir nach Hause, da bin ich ganz sicher.“ Sie wies auf eine Tasche, die im Zimmer stand. „Der Polizist hat euch die Tasche vorhin vorbeigebracht.“
Ich wollte etwas fragen, doch das Gefühl, nach meinem Schnuller zu fragen, war mir peinlich. Stattdessen murmelte ich: „Kann ich etwas zu trinken bekommen?“
„Was möchtest du denn trinken? Wasser oder Tee?“ fragte sie.
„Tee,“ antwortete ich leise.
„Den bringe ich dir gleich,“ sagte die Schwester freundlich. „Und wenn du sonst noch etwas brauchst oder Hilfe beim Toiletten gang, sag einfach Bescheid, okay?“
Ich nickte und tastete unauffällig nach meiner Windel, um sicherzugehen, dass sie noch ausreichend trocken war. Zum Glück schien sie noch genügend Kapazität zu haben, sodass ich mir darüber erstmal keine Sorgen machen musste.
Die Schwester lächelte noch einmal beruhigend und verließ das Zimmer, um mir den Tee zu holen. In der Stille fühlte ich mich ein wenig wohler und spürte die Nähe zu Mama, die ruhig weiter schlief.
Die Schwester brachte mir den Tee, und als ich den Becher in die Hände nahm, bemerkte ich den ungewöhnlichen Geruch. Der Tee war gelblich, und der Duft erinnerte mich gar nicht an den süßlichen Früchtetee, den Thomas immer für mich kocht. Auf dem Etikett las ich die Worte „Fenchel, Anis, Kümmel“ – nicht gerade meine erste Wahl.
Ich nahm vorsichtig einen kleinen Schluck, aber der Geschmack überzeugte mich nicht. Schnell stellte ich den Becher wieder ab und versuchte, den bitteren Nachgeschmack loszuwerden. Der Tee würde wohl eher unberührt bleiben.
Ich legte mich zurück auf mein Kissen, den Blick fest auf Mama gerichtet. Ihre ruhige, gleichmäßige Atmung und das sanfte Heben und Senken ihrer Brust beruhigten mich. Die Stille im Raum war angenehm, nur das leise Summen der Geräte war zu hören. Langsam schloss ich die Augen und ließ mich wieder in den Schlaf fallen, ein klein wenig beruhigter, weil ich wusste, dass Mama direkt neben mir war.
Am Morgen weckte mich eine Gruppe von Ärzten, die ins Zimmer kamen. Ich erkannte das Prozedere sofort – es war die Visite. So oft wie ich mittlerweile im Krankenhaus gewesen war, konnte ich fast schon sagen, was als Nächstes passieren würde. Mama war bereits wach und begrüßte mich mit einem liebevollen Lächeln. „Guten Morgen, mein Schatz.“ Sie sah schon etwas besser aus, ihre Hautfarbe war weniger blass, und die Augen wirkten klarer.
Die leitende Ärztin trat nach vorn und begann, die Untersuchungen zu leiten. „Frau Hofmeister, wie fühlen Sie sich heute?“
Mama nickte leicht. „Schon ein bisschen besser,“ antwortete sie ruhig.
„Das freut mich,“ sagte die Ärztin und wandte sich an einen Kollegen. „Die Patientin weist stabile Vitalparameter auf, Blutdruck und Puls liegen im Normbereich. Die Infusion zeigt gute Wirkung, und der Hämatokritwert hat sich verbessert.“
Ein junger Arzt nickte und machte sich Notizen. Die Ärztin untersuchte Mamas Armverband und erklärte dabei ruhig: „Die Schusswunde hat keine Anzeichen einer Infektion. Wir werden den Verband erneuern und die Wundversorgung weiterhin engmaschig überwachen, um den Heilungsverlauf zu sichern. Wenn Sie starke Schmerzen haben, können wir die Medikation noch anpassen.“
Mama lächelte schwach und schüttelte den Kopf. „Nein, es geht schon,“ murmelte sie.
Die Ärztin nickte zufrieden, bevor sie sich zu mir drehte. „Und, wie geht es dir heute, Benjamin? Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“
Ich nickte leicht und versuchte, wachsam zu bleiben.
„Wir werden auch dich kurz untersuchen, nur um sicherzugehen,“ erklärte die Ärztin freundlich. „Gestern hatten wir einige Prellungen diagnostiziert, vor allem am Oberbauch und Brustbereich, die auf die Verletzungen durch den Sicherheitsgurt zurückzuführen sind.“
Ein weiterer Arzt untersuchte vorsichtig meinen Bauch und meine Schulter. „Die Prellungen sehen weiterhin unbedenklich aus,“ erklärte er. „Kein Hämatom hat sich vergrößert, und die Schulter zeigt keine erneuten Luxationsanzeichen.“
Die leitende Ärztin lächelte leicht und wandte sich an Mama und mich. „So, soweit sieht es bei euch beiden gut aus. Allerdings haben wir eine Anordnung des BKA vorliegen.“ Sie machte eine kurze Pause und sah Mama ernst an. „Wenn Ihr Zustand es zulässt, Frau Hofmeister, werden Sie und Benjamin noch heute verlegt. Es ist zu Ihrer Sicherheit und in Absprache mit den Behörden.“
Mama nickte und sah mich an. „Dann heißt es wohl, wieder auf die Beine zu kommen, hm, Schatz?“ Ich spürte ihre Stärke in dem Moment und wusste, dass wir das gemeinsam durchstehen würden.
„Wissen Sie, wohin wir verlegt werden?“ fragte Mama, ihre Stimme ruhig, aber dennoch mit einem Hauch von Anspannung.
Die Ärztin schüttelte den Kopf. „Nein, das weiß ich leider nicht. Aber eine Frau Grünwald wartet schon draußen und wird zu Ihnen kommen, sobald wir mit der Visite durch sind.“
Mama nickte und sah kurz zu mir. Es beruhigte mich, dass sie mehr Klarheit darüber erhalten würde, was als Nächstes passiert. Die Ärzte schlossen die Visite schließlich ab, und ich konnte spüren, wie Mama sich mental auf die nächsten Schritte vorbereitete. Wir würden erfahren, was als Nächstes auf uns zukommt – zusammen.
Nachdem die Visite hinausgegangen war, traten Frau Grünwald und Gustav ins Zimmer. „Hallo, ihr zwei,“ begrüßte Frau Grünwald uns freundlich. „Ich würde es wirklich begrüßen, euch nicht ständig in Krankenhäusern besuchen zu müssen. Ein Restaurant oder Café wäre deutlich entspannter.“
Mama konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich glaube, da hätten wir nichts dagegen.“
Mama sah Frau Grünwald ernst an. „Wie geht es eigentlich Heike und Mario?“
„Den Umständen entsprechend gut,“ antwortete Frau Grünwald mit einem kurzen Nicken. „Sie sind beide hier im Krankenhaus und erholen sich. Was die Angreifer betrifft… Heike hat einen von ihnen erwischt, doch der hat es leider nicht geschafft. Die übrigen sind geflohen, bevor die Verstärkung eintraf.“
Ein Schatten huschte über Mamas Gesicht, aber sie nickte stumm.
Frau Grünwald seufzte und fuhr fort: „Das bringt uns zu eurer Verlegung. Wir bringen euch mit einer Eskorte ins Bundeswehrkrankenhaus nach Ulm.“
Mama sah überrascht auf. „Ins Bundeswehrkrankenhaus?“
Thomas, der inzwischen hereingekommen war, nickte. „Ja. Es liegt etwa eine Stunde entfernt. Mit dem Rettungswagen vermutlich ein klein wenig länger, aber dort werdet ihr sicher sein.“
Frau Grünwald fuhr fort: „Wir planen in den nächsten Tagen eine groß angelegte Aktion gegen Neurodyne Solutions. Die Informationen, die uns Herr Petrow gegeben hat, sind äußerst umfangreich und liefern uns die nötigen Grundlagen.“ Sie hielt kurz inne und schaute zu mir, ihre Augen warm, aber ernst. „Wenn das erfolgreich ist, sollte es keinen Grund mehr geben, dass sie hinter dir her sind, Benjamin.“
Ich spürte Mamas Hand auf meiner Schulter, ihre sanfte Berührung gab mir Halt. Die Erleichterung in ihrem Gesicht war spürbar, und ich wusste, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass dieser Albtraum endlich ein Ende findet.
Fortsetzung folgt….
Autor: michaneo (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden
Suche
Weitere Teile dieser Geschichte
- Zwischen Gestern und Morgen
- Zwischen Gestern und Morgen (2)
- Zwischen Gestern und Morgen (3)
- Zwischen Gestern und Morgen (4)
- Zwischen Gestern und Morgen (5)
- Zwischen Gestern und Morgen (6)
- Zwischen Gestern und Morgen (7)
- Zwischen Gestern und Morgen (8)
- Zwischen gestern und Morgen (9)
- Zwischen Gestern und Morgen (10)
- Zwischen Gestern und Morgen (11)
- Zwischen Gestern und Morgen (12)
- Zwischen Gestern und Morgen (13)
- Zwischen Gestern und Morgen (14)
- Zwischen Gestern und Morgen (15)
- Zwischen Gestern und Morgen (16)
- Zwischen Gestern und Morgen (17)
- Zwischen Gestern und Morgen (18)
- Zwischen Gestern und Morgen (19)
- Zwischen Gestern und Morgen (20)
- Zwischen gestern und Morgen (21)
Wie immer eine schöne Geschichte. Nur weiter so